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Der sagenumwobene Sexgott

Sie sehen in mir eine Art Gott. Ja, sie pilgern von überall her um mich zu sehen – den sagenumwobenen Sexgott – und in den Genuss meiner… sogenannten Gabe zu kommen. Die Gabe, die in meinen Lenden schlummert und die ich Heilung nenne. Heilung verkauft sich besser, denn Sperma ist zu obszön, obwohl es im Grunde genau das ist. Sperma, das zufälligerweise alle Arten von Krankheiten heilen kann, aber nur wenn ich mit dir schlafe. Der Prozess dahinter ist wichtig, essentiell sogar, dass es funktioniert, denn ich muss dabei in dir sein. Und mit alle Arten, meine ich alle Arten. Ich kann alles heilen. Absolut alles, ich muss dafür nur…. kommen. Mehr ist es nicht. Es klappt sogar durch ein Kondom. Ein Erguss und schon tut es nicht mehr weh. Nie wieder weh. Denn meine Heilung heilt ein Leben lang.
Und auch heute steht ein Elternpaar vor mir mit ihrem schwerkranken Kind. Eine Tochter, so zerschunden vom Krebs, der in ihr heranwächst und sich ausbreitet, dass sie an Rollstuhl gebunden ist. Zu schwach um noch aufrecht zu gehen. Halb da und halb woanders. Ihr Geist ist bereits im Zwischenreich gefangen. Der Tod nagt unaufhörlich an dieser jungen Seele. Ist gierig, hartnäckig, und ich will nicht behaupten, dass ich Sensenmänner sehen oder riechen könnte – nein, das liegt tatsächlich außerhalb meiner Kraft, meiner Gabe, doch viel Zeit bleibt dem Mädchen nicht mehr, bis sie von dem ewigen “Nie mehr” völlig verschlungen wird.
Ein Schicksal, wie ich es oft gesehen habe, weshalb es mich kaum berührt. Eigentlich berührt es mich gar nicht. Es ist mir egal. Mir geht es schon lange nicht mehr darum, Menschen zu heilen. Wenn ich es tue, mache ich es zum Spaß. Zu meinem eigenen Amüsement und da nicht jeder meine exklusive Art von “Spaß” versteht, lebe ich seit geraumer im Underground. Verborgen in der Dunkelheit, im Schatten. Wer zu mir will, muss mich erst finden. Und diese Beiden, die mit vollgeschissenen Hosen in meinem Palast stehen und um meine Gunst betteln werden, haben mich gefunden. Und alleine die Tatsache, wie viel Aufwand und Mühe sie das gekostet haben muss, verpasst mir einen leichten Kick. Das macht sie empfänglich für den Spaß, den ich im Sinn habe.
“Chef, wie gewünscht, abgeholt und abgeliefert, Herr und Frau Sowieso, interessiert mich nicht”, stellt Joey dreckig lachend das Ehepaar vor und lässt es sich dabei nicht nehmen, dem Vater einmal quer über die Wange zu lecken und dem Kerl auf die unangenehme Art und Weise auf die Pelle zu rücken. Dieser gibt ein leichtes Knurren von sich, was Joey nur zu mehr Gelächter anstiftet, bleibt aber ansonsten standhaft. Frau Sowieso steht derweil ängstlich neben ihrem Göttergatten und scheint sich in meinem Palast so unwohl zu fühlen wie Mutter Maria in der Hölle.
Ich lache leise in mich hinein und aale mich auf meinem Thron überzogen mit feinster Krokodilhaut und so pompös und düster wie der Rest des unheilvollen Ambientes. Wir leben hier den Underground in vollen Zügen aus. Ich bin ein Gott versteckt unter Fetischisten und dem Abschaum der Menschheit. Tja, was soll ich sagen, ich fühle mich hier wohl. Fühle mich zugehörig. Hier kann ich das sein, was ich bin. Ein Arschloch. Ein Monster. Der sagenumwobene Sexgott, der ich bin.
Herr Sowieso-interessiert-mich-nicht macht einen Schritt auf mich zu. “Wir sind hier wegen unserer Tochter”, beginnt er und reckt dabei angriffslustig das Kinn, als müsste er hier einmal den harten Kerl raushängen lassen und seinen Standpunkt markieren. Das imponiert einzig allein nur seiner Frau, die verloren hinter ihm in Deckung geht und deren Zittern und Bangen mich nahezu beflügelt.
“Achja”, erwidere ich in einem gelangweilten Tonfall und lehne mich unbeeindruckt in meinem Thron zurück. “Und wieso sollte mich das interessieren?”
“Ihr Name ist Robin…. sie…sie hat Krebs”, fiepst es schrill hinter dem Kerl hervor. “Sie wird sterben, wenn…sie…”
“Sie müssen unserer Tochter helfen”, fällt Kerl Sowieso-interessiert-mich-nicht seiner Frau ungeniert ins Wort. Nicht besonders nett von ihm.
Ich lache laut auf. “Muss ich das?”
“Bitte”, fiepst das Mäuschen wieder und schlingt schützend die Arme um ihren schlanken Körper. Im Augenwinkel nehme ich wahr, wie Joey sich genüsslich über die Lippen leckt und Charles zu seiner Linken sich auf die Lippe beißt. Da sind wohl zwei hungrig und auch der Rest der Meute scheint mehr als angetan von der zierlichen und ängstlichen Frau. Ich hingegen nehme Herr Sowieso-interessiert-mich-nicht ins Visier und überkreuze gelassen die Beine.
“Sag mir deinen Namen”, fordere ich den Kerl auf und spiegele seine Arroganz mit meiner, die ihm ohnehin überlegen ist. Herr sowieso-interessiert-mich-nicht’s Mundwinkel zucken. “William”, beantwortet er meine Frage, dann deutet er mit seiner Hand hinter sich. “Und das ist meine Frau Barbara.”
“Die Babsi”, jauchzt Joey und klatscht grinsend in die Hände. “Babsi, das Babe”, macht Charles mit und beide lachen. “Das kleine Bumseschweinchen Babsi”, mischt sich nun auch Paul unter die Meute und lässt gemächlich die dicken Fäuste knacken. Ich schmunzle in mich hinein und koste den Moment innerlich aus, als William seine Babsie zu sich heranzieht und vor meinen Männern in Schutz nimmt. Witzig. Was hat der Kerl denn gedacht, was ihn hier erwarten würde? Das Schlaraffenland? Da muss ich ihn wohl oder übel enttäuschen.
“Also, können Sie unserer Tochter helfen? Ja oder nein?”, drängt William leicht zornig.
“Können schon, es liegt vielmehr am wollen”, sage ich wie beiläufig und inspiziere dabei meine Fingernägel. Ich besitze sogar die Frechheit ein herzhaftes Gähnen verlauten zu lassen. Ein bisschen Provokation ist mir zu eigen. Ich gebe es ja zu. Doch wer wie ich eine Gabe besitzt, wie kein anderer sie hat, kann sich das nun mal leisten.
“Was wollen sie?”, erkundigt sich William mit zusammengebissenen Zähnen und scheint wohl ein kluges Kerlchen zu sein. Klug und einer, der direkt zur Sache kommt, nicht viel Geplänkel. “Geld? Wir haben Geld. Wir bezahlen Sie.”
“Du willst mich für das, was ich tue, bezahlen? Sehe ich für dich aus wie eine Hure oder was?”, verhöhne ich den Mann und deute auf meinen nackten Körper hinunter. Ich empfange meine Gäste meistens nackt, denn wer sowas wie Kleidung braucht, will sich nur hinter was verstecken. Und ich muss mich nicht verstecken. Ich bin schließlich ein Gott.
“Ist das ein schlechter Scherz?”, erwidert William mit einem gewissen Sarkasmus in der Stimme. Irgendwie mag ich ja seinen Biss. Der hat was. Dennoch, selbst die harten Kerle brechen irgendwann auseinander und ich breche jeden. Absolut jeden.
“Siehst du mich lachen?”, frage ich und grinse William von oben herab an.
Dieser stöhnt genervt auf. Rollt sogar mit den Augen und macht, wie mutig von ihm, einen weiteren Schritt auf mich zu. Was für ein Kerl, der will es ja wirklich wissen. Herausforderung angenommen. Ach wie nett. Das gefällt mir.
“Können wir das bitte einfach hinter uns bringen? Meine Tochter liegt im Sterben. Sie hat nicht mehr viel Zeit.”
“Ja, bitte, ich flehe Sie an. Haben Sie Erbarmen”, schließt sich Babsi weinerlich ihrem Mann an. Ihr Anblick ist erbärmlich, obwohl sie wirklich hübsch anzusehen ist. Blondes, langes Haar, nette Figur, junges, schönes Gesicht, doch ihre Ausstrahlung hat so viel Glanz wie ein trüb gewordenes Weinglas.
“Nö, keinen Bock”, sage ich, schwinge meine Beine über die Lehne des Throns und mache es mir gemütlich. Meine Meute lacht im Hintergrund, nur William scheint meine Abfuhr nicht so ganz in den Kram zu passen.
“Hör mal zu”, duzt er mich und macht noch einen Schritt auf mich zu, während er die arme, traurige Babsi an seinem Arm hinter sich herzieht wie ein lästiges Anhängsel, in das er ab und zu seine Ladung hinein pumpt, wenn ihm Wichsen zu leidig wird.
“Weißt du, was wir alles in Kauf genommen haben, um hierher zu kommen, du verdammter Wichser?!”
“Witzige Beleidigung, wenn man bedenkt, dass meine Ergüsse göttlich sind und zufälligerweise genau das, was du von mir haben möchtest”, witzele ich. Ich fasse mir aus Jux einmal zwischen die Beine und tue so, als würde ich dem Schimpfwort alle Ehre machen, bis ich genüsslich ein “Aber rate mal, was du von mir nicht bekommen wirst” hinterher schiebe. “Ja, genau das”, ich deute mit meinem Kinn auf meinen Lendenbereich. “Keinen Tropfen hiervon, also verschwinde, denn du langweilst mich zutiefst”, ich zeige mit meiner freien Hand Richtung Ausgang und funkele den Kerl finster an. “Husch, husch, kleines Vögelchen, zwitscher ab.”
William ballt seine Hand zur Faust. Die Knöchel treten weiß hervor und der Zorn spiegelt sich in seinem markanten Gesicht wider. Zorn und ein bisschen Verzweiflung. Und wie schön sein Kiefer dabei malmt, während Babsi an seinem Arm jämmerlich schluchzt und meine Meute sich im Hintergrund köstlich amüsiert.
“Wie kann man nur so verdammt herzlos sein?! Hm?”, William fletscht die Zähne. “Sie ist doch noch ein Kind! Sie hat noch gar nichts erlebt und sie hat verdammt nochmal ein Anrecht darauf, ihr Leben leben zu dürfen, so wie alle anderen auch! Es ist nicht richtig, dass so ein Arschloch wie du eins bist, über Leben und Tod bestimmen kann!”
“Sag mal. Dir ist schon bewusst, wie meine Art der Heilung funktioniert, oder?”, frage ich und bugsiere neckisch eine Augenbraue nach oben. “Was ich deinem Töchterchen antun muss, um sie von diesem ach so lästigen Krebs zu befreien, hm?”
“Natürlich”, gibt William knurrend von sich.
“Und das ist für dich in Ordnung?”
“Gäbe es eine Alternative, würde ich die wählen. Doch leider Gottes gibt es die nicht mehr. Wir haben alles versucht.“
“Mach dir doch einfach ein neues Töchterchen. Eins ohne Krebs”, schlage ich ungeniert vor. Meine Meute lacht, William hingegen wird zum Tier.
“Das kann nur einer sagen, der nie geliebt hat”, schleudert er mir gegen den Kopf. Ich grinse vorfreudig, weil ich weiß, dass ich diesen Mann genau an dem Punkt habe, an dem ich ihn haben will.
Ich lehne mich auf meinem Stuhl vor und bette mein Kinn auf meine Hände. “Und was bist du bereit für diese Liebe, von der du da sprichst, zu tun?”
Wie nicht anders zu erwarten, verlässt ein “Alles” Williams von Hass verzerrten Mund. Und auch die ängstliche Babsi meldet sich zu Wort. “Wir tun alles dafür. Alles. Aber bitte, retten Sie unsere Tochter.”
“Alles also”, wiederhole ich und spüre, wie das Lächeln in meinem Gesicht sich allmählich bis zu meinen Ohren hinauf zieht und mich vermutlich leicht irre wirken lässt. Egal.
“Was für ein Angebot. Wer wäre ich, wenn ich dieses Angebot nicht annehmen würde.”
Meine Meute bricht in zustimmendes Gelächter aus, denn sie wissen, was das für sie bedeutet. Sie können sich wieder einmal austoben. Die Sau rauslassen und irgendetwas in Babsi’s Gesicht sagt mir, dass auch sie verstanden hat. Nur William sträubt sich noch dagegen. Doch er wird früh genug merken, worauf er sich wirklich eingelassen hat.
Er hätte meinen Vorschlag annehmen sollen. Manche Menschen sterben einfach dumm und andere wiederum müssen für ihre Dummheit bezahlen.

 

“Heilung ist immer mit Schmerz verbunden, deswegen ist meine Methode so effektiv”, sage ich und schaue amüsiert dem Treiben unten in der Arena zu. William hat sich bereits abgefunden, mein Fußschemel zu sein, bloß die Schmerzensschreie seiner Frau machen ihm wohl etwas zu schaffen. Man hört ihn ab und und zu fluchen und knurren, doch die meiste Zeit fließen lediglich stumme Tränen über seine Wangen. Dabei bin ich so herzensgut und habe ihn so hinknien lassen, dass er nicht zusehen muss, wie meine Männer seine Babsi durch die Arena jagen. Nackt selbstverständlich, weil wir haben hier nichts zu verstecken.
Joey ist der Erste, der Babsi zu fassen kriegt und schon bald liegt die Frau strampelnd unter ihm und es geht zur Sache. Na, das nenne ich einmal Aufopferung und Nächstenliebe ganz nach meinem Geschmack. Ich nippe an meinem Getränk und gebe ein zufriedenes Seufzen von mir. William unter meinen Füssen kommt allmählich ins Wanken, in seinem Augen sehe ich, wie es ihn innerlich zerreißt. Wer kann es ihm schon verübeln? Er spielt hier den Fußschemel für den Kerl, der seine Tochter vergewaltigen wird und gerade zusieht, wie seine Frau von anderen vergewaltigt wird. Das bricht selbst den härtesten Berg irgendwann auseinander. Ich lehne mich zu meinem Schemel vor und wuschele ihm tröstend durch die kurzen Haare.
“Weißt du, William. Anfangs habe ich mich dafür wirklich bezahlen lassen wie eine Hure. Doch dann habe ich festgestellt, dass es etwas Besseres gibt als Geld”, schnurre ich in sein Ohr. “Und das hier ist so viel besser.”
“Du widerliches, herzloses Schwein!”, kläfft William mich an und hätte ich ihm den Finger hingestreckt, wäre ich mir sicher, er hätte nach ihm geschnappt und ihn erst wieder ausgespuckt, wenn ich darum gebeten hätte. Schließlich hat er zugestimmt, alles für mich zu tun. Und alles schließt Gehorsam mit ein.
“Nur einer, der noch nie geliebt hat, kann einem anderen Menschen so etwas antun”, zischt es weiter. Offenbar machen die Schmerzensschreie seiner Frau William leicht theatralisch.
“Was bringt dich zu der Annahme, dass ich noch nie geliebt habe?”
“Warum sonst solltest du sowas von uns verlangen, statt einfach unsere Tochter zu retten? Ist es nicht genug, dass du sie… sie…”, William kommt ins Stottern. Das böse Wort, was ihm auf der Zunge liegt, scheint ihm nicht über die Lippen gehen zu wollen.
“Sie ficken musst, um sie zu heilen?”, helfe ich ihm auf die Sprünge und genieße es, wie er bei dem Wort “ficken” unter meinen Füssen zusammen zuckt.
“Es ist nicht so, als wäre ich scharf darauf dein Töchterchen zu ficken. Im Gegenteil. Ich tue es, weil du mich darum bittest – ach was, anflehst. Eigentlich solltest du mir eher dankbar sein, als mich zu beschimpfen. William, der Tod ist etwas vollkommen Natürliches. Normalerweise können Menschen nicht vor ihm davonrennen. Er holt einen immer ein. Du hättest deine Tochter einfach sterben lassen können und all das hier müsste gar nicht erst geschehen.”
“Das kann ich nicht. Ich kann sie nicht einfach sterben lassen…”
“Tja, dann musst du wohl mit den Konsequenzen leben”, sage ich trocken und labe mich regelrecht an der Tragik dieser Zwickmühle, der William zwangsläufig ausgesetzt ist.
“Und du täuschst dich in mir, mein lieber William”, raune ich und komme noch näher an meinen Fußschemel heran, bis meine Lippen sein Ohrläppchen berühren. “Ich habe geliebt und festgestellt, dass Liebe einfach nichts für mich ist.”

 

 

 

 

Nachdem Robin’s Eltern ihren Teil der Abmachung erfüllt haben, verziehe ich mich in meine private Gemächer. Das Mädchen ist bereits auf meinem Bett hergerichtet. So wie ich es am Liebsten mag. Hände und Füße gespreizt und in Fesseln gelegt. Ihr Atem geht flach. Ihr Körper ist schwach, kränklich und ausgezehrt.
“Brauchst du noch was, Chef?”, erkundigt sich Joey bei mir und klopft mir kameradschaftlich auf die Schulter.
“Ein bisschen Privatsphäre wäre schick”, erwidere ich und setze mich erst in Bewegung, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt und die Kleine und ich alleine in meinem Schlafzimmer sind. Ich muss an die etlichen Frauen und Männer denken, die in meinem Bett gelegen und die Heilung empfangen haben und wie jedes Mal fehlt mir schlichtweg das nötige Feingefühl, weshalb ich direkt und ohne viel Tamtam zur Sache komme.
Ich springe auf das Bett und positioniere mich über dem Mädchen, das mich daraufhin mit glasigen, hellblauen Augen ansieht. Die Lider so müde und schwer, das Gesicht so fahl und abgekämpft. Kein schöner Anblick und dann sagen die Menschen immer, ich wäre eine Bestie, doch die Bestien sind die, die mir sowas vorsetzen und von mir verlangen, wieder heile zu machen, was unheil ist.
“Na du”, begrüße ich die Kleine und streiche ihr eine einzelne blonde, dünne Haarsträhne hinter das linke Ohr.
“Wer bist du?”, erwidert das Mädchen mit schwacher Stimme.
“Der Weihnachtsmann”, veräppele ich sie und grinse breit. Ihre Augenbrauen oder das, was nach etlichen Chemos davon noch übrig ist, ziehen sich verwirrt zusammen. “Der Weihnachtsmann?”, wiederholt sie fragend und mehr aus einem Reflex heraus zieht sie an den Fesseln, windet sich träge von rechts nach links, bis sie scheinbar feststellt, dass sie angebunden ist und ihre Bemühungen zwecklos sind. Ihr Blick findet wieder zu mir. “Wo bin ich?”
“Im Paradies.”
Ich setze mich rittlings auf die Kleine drauf. Das Gewicht auf meinen Schenkel, nicht auf ihr. “Siehst du den Regenbogen dort oben?”, ich deute mit meinem Finger auf die Decke über mir, die so schwarz ist wie Pech und keinen Regenbogen in sich birgt. Das Mädchen folgt meinem Finger und schüttelt den Kopf. “Da ist kein Regenbogen.”
“Stell ihn dir einfach vor”, fordere ich sie auf und sorge damit für nur noch mehr Verwirrung. “Schau dorthin und denke ganz fest an einen Regenbogen. An die Farben, rot, blau, gelb…“
„Du siehst gar nicht aus wie der Weihnachtsmann“, stellt das Mädchen trocken fest.
Ich schmunzle leise. „Ich bin sowas Ähnliches wie der Weihnachtsmann. Ich habe ein Geschenk für dich, das macht mich praktisch zum Weihnachtsmann.“
„Ein Geschenk?“
„Ja, weil Mami und Papi dich wirklich lieben. Die haben sich praktisch dieses Geschenk für dich verdient, sonst würde ich dir dieses Geschenk gar nicht geben. Das bekommen nämlich nur besondere Menschen von mir.“
„Und warum bekommen das nur besondere Menschen von dir?“, erkundigt sich die Kleine und trifft mich ungewollt da, wo es weh tut. Einer der Gründe, weshalb ich es in der Regel unterlasse, mit meinen sogenannten „Patienten“ zu reden und lieber direkt loslege, um es hinter mich zu bringen. Wie heißt es so schön? Der Spaß hört da auf, wo die Arbeit anfängt. Vielleicht liegt es aber auch an Robin’s Alter oder daran, dass es noch nie vorgekommen ist, dass Eltern sich an mich wenden und bereit für das sind, was ich hier tue und antun werde. Alles für das Kind und das Kind selbst zu geben, um Heilung zu bekommen. Wahnsinn, wirklich Wahnsinn, dieser William und seine Babsi.
„Nun“, beginne ich und lasse mich neben das Mädchen auf das Bett sinken. „Siehst du dort oben im Himmel“, ich deute wieder auf die schwarze Decke hinauf, als wäre dort wirklich sowas wie ein Himmel oder ein Regenbogen oder Irgendetwas anderes als Finsternis.
„Dort oben kommen all die Menschen hin, die gesund sind und mein Geschenk erhalten haben, denn das Geschenk macht sie schwer krank. Und weil das doof ist, bekommen dieses Geschenk nur noch besondere Menschen, die genauso krank sind wie du. Das Geschenk sorgt nämlich dafür, dass so kranke Menschen wie du einer bist wieder gesund werden und noch ein bisschen länger bei uns auf der Erde bleiben können. Cool, oder?“
„Ist das nicht unfair?“, erwidert die Kleine und blickt dabei so unzufrieden in den Himmel hinauf, dass ich lachen muss. Endlich mal eine, die meine Meinung teilt und die ist gerade einmal… keine Ahnung wie alt.
„Das findest du unfair?“
„Ein Geschenk sollte nicht krank machen“, meint das Mädchen mit fester Stimme und wendet den Blick vom improvisierten Himmel ab. Dann sieht sie zu mir herüber und verzieht den Mund zu einer Schnute. „Warum sollte man jemanden ein Geschenk geben, das einen krank macht?“
Ich gebe ein „Hm“ von mir, grinse und stupse der Kleinen auf die Nase. „Deswegen bekommen das Geschenk auch nur noch Menschen von mir, die bereits krank sind.“
„Hast du denn das Geschenk schon mal einem gesunden Menschen gegeben?“
„Ja, habe ich.“
„Und warum hast du das getan?“
Ja. Warum habe ich das getan? Ich denke an all die Menschen zurück, die ich vor meiner Zeit als sagenumwobener Sexgott geliebt habe und die an meiner Liebe schlussendlich gestorben sind.
„Weil Liebe einfach nicht mein Ding ist, Kleine“, sage ich und rolle wieder auf das Mädchen hinauf. Da ist Entsetzen in ihrem Blick, nicht weil ich mir zwischen die Beine fasse und tue, was ich eben so tue, sondern weil das Mädchen mich nun für einen Mörder hält und damit nicht einmal so falsch liegt.

 

 

Nachdem alles vorbei ist, schaue ich den Tränen beim Fließen zu. Die glückliche Familie wieder vereint. Die kleine Robin auf ihren Füßen. Der Rollstuhl bereits Geschichte. Genauso wie der Krebs, einfach verschwunden.
Joey taucht neben mir auf, legt mir kameradschaftlich die Hand auf die Schulter. „Alles klar, Chef?“
Ich grinse und ziehe meinen Freund enger an mich heran. „Sie hassen mich.“
Joey lacht. „Kein Wunder, du hast gerade seine Tochter gefickt“, mein Freund deutet auf William, der mir oder uns einen oder mehrere Todesblicke zu wirft, während er seine Liebsten fest im Arm hält, als könnte sie ihm jetzt noch einer wegnehmen.
„Und du seine Frau“, lache ich mit und hebe zum Abschied winkend die Hand, als just in dem Moment der Wagen eintrifft, der die Familie nach Hause bringen wird.
„Gern Geschehen“, rufe ich William noch hinterher und erhalte als Antwort einen ausgestreckten Mittelfinger und so viel Verachtung, dass ich damit angeben könnte.
„Wirklich charmant, der Kerl, und so dankbar“, sage ich zu Joey, der neben mir immer noch lacht.
„Aber die Kleine hatte was, ich mochte sie“, seufze ich und drehe mich weg. „Meinst du, wir können einen Regenbogen an die Decke anbringen?“
„Wieso? Stehst du jetzt plötzlich auf Kinder oder was?“
„Nicht doch, war nur so eine Idee.“
„Nächstes Mal also mit Augenbinde und Knebel?“, schlägt Joey vor, der mich liest wie ein Buch ohne Seiten.
„Augenbinde und Knebel klingen gut.“
„Dachte ich’s mir doch, Chef. Naja. Falls es ein nächstes Mal geben wird.“
„Zweifelst du daran?“
Joey gibt mir einen Stups in die Seite. „An den Menschen, Chef, nicht an dir.“

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