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Cassian

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Ich saß gemütlich an meinem Schreibtisch und machte meine Mathehausaufgaben, wie immer am Sonntagabend. Irgendwie schob ich mir immer alles bis zum letzten Tag auf, eine wirklich schlimme Angewohnheit… Missgünstig hob ich meinen Füller und betrachtete mein Gekrakel. Ich hatte es noch nie mit Schönschrift gehabt, aber heute war es wirklich schlimm. Ich schmiss meinen Stift in die spärlich bestückte Federmappe und pfefferte diese in meine Tasche. Hatte heute Abend wohl keinen Sinn mehr.

Mit einem schnellen Seitenblick auf meinen Bildschirm wusste ich, wie ich den Rest des Abends verbringen würde. Mit ein paar Mausklicken war ich auch schon mitten im Spiel, umgeben von meinen wirklichen Freunden. Das Spiel bot mir nur eine der Welten, wie ich sie mir nur Wünschen konnte: Fantasie, Freunde und Unbeschwertheit. Und ich musste nicht extra duschen. Mit einem leisen Lachen begrüßte ich die Menschen, die mich wirklich verstanden, mich so nahmen wie ich war und nicht auf Äußerlichkeiten achteten.

Morgens. Ich rieb mir die Augen. Ich hasse früh aufstehen und dann auch noch an einem Montag… Mit einem Seufzen verließ ich das warme Bett und zog mir das graue, ausgewaschene T-Shirt von Samstag an. „Mom?“, rief ich in die Stille der Wohnung. Es kam keine Antwort. Vermutlich war sie gestern wieder nicht nach Hause gekommen… es war wirklich ein Trauerspiel. Seid Vaters Tod war sie dauernd „unterwegs“. Ich hoffe diesmal muss ich keine Vermisstenanzeige aufgeben. Ich schulterte meinen Rucksack,  öffnete die Türklinke und rümpfte die Nase. Hmpf, die langweilige  Realität. Auf meinem kurzen Weg zur Schule begegneten mir einige bekannte Gesichter, die mich allesamt abwertend ansahen. Ich machte mir nicht viel draus, schließlich bin ich sie nach der Schule los. Da es schon Anfang Winter war, zog ich meine dünne Jacke enger um mich und zog den Kopf ein. Hoffentlich habe ich bald genug Geld für Handschuhe übrig, ansonsten wird es diesen Winter ungemütlich.

Endlich an der Schule angekommen, warf ich meine Tasche neben meinem Platz in der hintersten Reihe und ließ mich auf den Stuhl plumpsen. Ich ließ meinen Blick gelangweilt durch den Klassenraum schweifen. All die „coolen“ Leute warfen mir nur einen genervten Blick zu, als würde ich den Raum mit meiner Anwesenheit verpesten. Dann gab es da noch die „Streber“ die schon ordentlich am Platz saßen und zusammen ihre Hausaufgaben verglichen. Und die „Normalen“, die sich über dies und jenes Unterhielten, lachten und andere Neuigkeiten austauschten. Und dann gab es da noch mich: Der Außenseiter. Ich war eigentlich sogar ganz stolz auf diese Position, anders zu sein als die Masse. Ich wurde auch in Ruhe gelassen, solange ich nicht von mir aus Sprach, was eigentlich nie der Fall war.Der Lehrer kam herein stolziert und ich seufzte. Jetzt ging es bis zum Schulschluss nur noch ums nackte Überleben.

Genervt steckte ich den Kopf durch die Tür, als mir der Alkoholgeruch entgegenschlug. Meine Mutter lag quer im Sofa und schnarchte vor sich hin. Normalerweise wäre ich jetzt zu ihr gegangen, hätte sie geweckt und ihr was zu Essen gebracht, aber heute war mir nicht danach. Stattdessen verschwand ich wieder in meinem Zimmer und setzte mich an die Schulaufgaben. Doch statt um Karl den Großen, schwirrten meine Gedanken um ganz andere Sachen. Die Sachen in der anderen Welt, außerhalb meines Zimmers. Es lief darauf hinaus, dass ich, wie immer, wieder vor dem PC landete, meine Freunde begrüßte und mir eine Flasche Cola runterstürzte.

Jetzt liege ich hier, im Bett, um 4 Uhr Nachts und starre die Decke an, nachdem ich die beiden Filme zu Ende geschaut hatte. Ein weiterer normaler Tag, im Leben vom langweiligen Cassian Grey.

So vergingen auch die weiteren Tage, das Wochenende rückte mit freudiger Erwartung wieder näher und ich ignorierte weiterhin die Außenwelt und meine Mitmenschen.

Bis zu diesem kleinen, unbedeutenden Vorfall.

Ich war auf dem Rückweg nach Hause, heute hatte ich länger Schule gehabt und die Lehrer haben  mich auch noch voll gequatscht. Es war kalt und hatte gefroren, auch war es schon stockdunkel und ich hätte mich am liebsten einfach nach Hause gebeamt. Andere wurden von ihren Eltern abgeholt, aber ich zog es vor zu Fuß zugehen. Was vielleicht auch daran lag, dass wir weder ein Auto noch ein Fahrrad besaßen. 

Ich hatte den Blick auf den Boden gerichtet und grübelte ein bisschen über Dieses und Jenes nach. Ich genoss die düstere Atmosphäre der flackernden Lampen und vergrub meine Hände tief in meinen Hosentaschen. Das Ganze erinnerte mich an einen Thriller den ich vor kurzem gelesen hatte. Grinsend stellte ich mir den Axtmörder vor, der hinter dem Busch wartete, die Gestalt, die im Schatten lauerte, oder den Zauberer der mir gleich eröffnete, das ich ebenfalls magische Kräfte besaß. Denn das war mein sehnlichster Wunsch: Weg von der Realität.

Raus aus der grauen, öden Welt, den normalen Leuten, den
klaren Lebensablauf der mich erwartete: Kindergarten, Grundschule, höhere Schule, Ausbildung, Arbeit, Rente, Tod. Wofür leben, wenn man genau weiß was passieren wird? So vertieft in meine Gedanken, achtete ich nicht darauf wo ich hintrat.

Diese unbedeutende, vereiste Pfütze.

Dieser kleine unaufmerksame Moment.

Der eine unbedachte Schritt.

Ich seufzte gerade etwas deprimiert und machte den nächsten
Schritt, spürte wie ich wegrutschte. Meine abgelaufene Sohle fand keinen Halt auf der glatten Oberfläche. Ich fühlte mich kurz schwerelos, als ich nach hinten fiel, kurz fühlte es sich an wie fliegen und ich lächelte. Dann war das Gefühl verschwunden, ich schmetterte mit dem Hinterkopf auf das harte Pflaster und biss mir auf die Zunge. Der Blutgeschmack breitete sich in meiner Mundhöhle aus und ich keuchte auf, es schwellte ein Schrei in mir an, der aber nie bis nach oben drang. Ich sog einen Schwall Sauerstoff in meine Lungen, der dann von meinem Kloß im Hals zurück gehalten wurde. So lag ich da, unfähig zu atmen und hatte wohl den größten Schock meines Lebens. Langsam stieß ich die Luft wieder aus, zuckte wegen der Schmerzen im Mund und Hinterkopf zusammen und  versuchte mich aufzurichten, was mit einem explosionsartigen Schmerz im Hinterkopf bestraft wurde. Mein Rucksack hatte ich wohl davon geschmissen, denn er lag etwas entfernt von mir neben dem Bürgersteig. Ich fasste mir besorgt an den Hinterkopf und zuckte erneut zusammen als ich etwas Feuchtes fühlte. Der Rest des Weges kam mir vor wie ein Marathon, dabei waren es nur noch zwei Blöcke.

Ich ließ mich schwer auf die Klinke sinken und schob mühsam die Tür auf. Meine Mutter war nicht da, so wie immer wenn ich sie einmal in meinem verschissenen Leben gebraucht hätte. Ich wusste, ich hätte einen Arzt gebraucht, aber dann wäre die ganze Sache mit meiner Mutter und unseren Lebensverhältnissen ans Licht gekommen und das konnte und wollte ich nicht riskieren. So schlurfte ich ins Bad und machte mir mit einer alten Mullbinde einen provisorischen Verband. Mein Schädel hatte zwar wohl einiges abbekommen, aber mehr als eine leichte Gehirnerschütterung wird es wohl nicht sein. Ein paar Tage lang passierte nichts, ich habe die Schule geschwänzt, beziehungsweise, habe mich als meinen „Vater“ ausgegeben und die Situation erklärt. Darin war ich schon ganz gut geworden, obwohl ich vermied in der Schule zu fehlen, da das nur unnötige Komplikationen machte. Meine Mutter war noch nicht wieder aufgetauscht, wahrscheinlich war sie wieder bei irgendeinem Deppen gelandet. Ich frage mich sowieso, weshalb ich nicht schon einen Haufen Halbgeschwister hatte. Ich lag gerade im Bett, nur noch einen lockeren Verband um und Aspirintabletten neben mir, als ich plötzlich die Stirn runzelte. Gerade noch hatte ich mich darüber geärgert, wie ich nur so ungeschickt sein konnte, als ich mir überlegte, was genau eigentlich vorgefallen war.

Ich war auf dem Weg nach Hause gewesen… hatte über etwas gegrübelt… über was noch mal? Ich verengte angestrengt die Augen. Es schien, als wäre es zum greifen nah, es lag mir quasi auf der Zunge, doch ich konnte es nicht abrufen. In meinem Bild tauchte keine Bilderserie auf, kein leiser gesprochener Gedanke. Nichts… Hatte ich mir doch mehr getan, als ich gedacht hatte?

Kopfschüttelnd verwarf ich den Gedanken wieder. Vermutlich hatte ich durch den Schock einen kleinen Filmriss, das konnte schon mal passieren. Ich spitze die Ohren, als eine Türklinke zu fiel. „Mom?“, rief ich, ein leises Summen in meinem Hinterkopf. Es polterte. „Mom?!“ Ich setzte mich auf, schlug die Bettdecke zur Seite und setzte die Zehenspitzen auf den billigen Teppichboden. Meine Sicht verzerrte sich und das Summen wurde zu einem Dröhnen. Was hatte ich gerade vor gehabt? Wieso verließ ich das warme Bett? Verwirrt hielt ich mir den Kopf. Genau, meine Mutter war nach Hause gekommen. Ja, deshalb wollte ich nach ihr sehen. Das Geräusch in meinem Kopf wurde leiser, mein Blick wieder klarer. Erleichtert stand ich auf und streckte mich ausgiebig. Ich öffnete die Zimmertür und lugte in den kleinen Flur. Die Tür zum Badezimmer stand weit auf, eine Gestalt über die Schüssel gebeugt. „Mom, du bist wieder da!“, sagte ich, schon fast erfreut einen anderen Menschen nach Tagen zu sehen. Meine Mutter gab mir jedoch keine richtige Antwort, nur ein Würgen und ein Schwall Erbrochenes. Ich seufzte. „Soll ich dir eine Wärmflasche machen?“ „Lass mich in Ruhe“, lallte eine kratzige Stimme aus dem Bad. Ich verzog keine Miene, schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Ich war wütend und frustriert. „Da kommst du wieder raus wenn du nüchtern bist!“, sagte ich mit gepresster Stimme und legte den Schlüssel auf die Sperrholzkommode. Ich hörte wie sie protestierte und mich beschimpfte, was aber bald abbrach und sie sich anscheinend ein weiteres mal erbrach.

Freitag. Ich bin jetzt zwei Woche lang nicht zur Schule gegangen, denn immer wieder überkommen mich so seltsame Kopfschmerzen, nach denen ich immer furchtbar verwirrt bin. Ich hatte zum Beispiel zwei Tage lang komplett verpeilt zu essen, was mir erst aufgefallen ist, nachdem ich Bauchschmerzen bekam. Seitdem habe ich immer etwas Essbares neben mir stehen um mich zu erinnern. Langsam geriet ich in Panik und dachte darüber nach zum Arzt zu gehen. Worüber ich mir aber mehr Sorgen machte, war meine Mutter. Sie war einfach verschwunden. Oder? War sie zwischendurch da gewesen und ich hatte auch das vergessen? Die schwarzen Lücken in meinem Gedächtnis werden immer größer.

Verlor ich den Verstand? Gut möglich. Seit ca. zwei Wochen war ich ja weder zur Schule gegangen, noch hatte ich das Haus verlassen. Ich hatte keinen Menschen gesehen, beziehungsweise gesprochen. Das Essen hier war aus Konservendosen die mein Vater, der Soldat gewesen war, immer in Mengen gekauft hatte. „Für Notfälle, haben wir immer was da„, hatte er zu Sagen gepflegt. Das hier war wohl ein solcher Notfall. Auch meine richtigen Freunde, außerhalb dieser Welt konnte ich nicht erreichen, da ich mein Passwort vergessen hatte. So vertiefte ich mich in meine unzähligen Bücher, Filme und Videospiele für meine anderen Konsolen. In meinem Kopf befand sich nur noch meine Traumwelt, ich erfand Geschichten und träumte. Manchmal wachte ich morgens auf und konnte die Realität nicht mehr von meiner Fantasie unterscheiden. Ich hörte Geräusche. Schreie, Lachen, Kampfgeräusche oder Lieder. All das fantasierte ich mir aus den ganzen Sachen, die ich las oder sah, zusammen.

Ächzend stand ich auf um auf Toilette zu gehen. Wir hatten zwei Bäder, das Gästeklo und das mit der Dusche. Auf das kleiner ging ich nie, da meine Mutter es mit ihrem… „Zeug“ besetzt hatte. Nie hatte ich
darüber nachgedacht, doch nun blieb ich vor dieser Tür stehen. Wieder wanderten meine Gedanken zu meiner Mutter. Ich hatte das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Etwas Wichtiges. Aber immer wenn ich es packen wollte, verfloss es wie zähes, schwarzes Pech und das altbekannte Stechen im Hinterkopf setzte ein.

Ich hörte wieder diese Schreie. Aus einem Impuls heraus griff ich nach der Türklinke und rüttelte daran. Ich runzelte verwirrt die Stirn, als ich feststellte, das abgeschlossen war. Mein Blick wanderte zu einem Schlüssel, der auf der Kommode neben der Tür lag. War das der Badzimmerschlüssel? Ich zuckte die Schultern und drehte ihn probehalber im Schloss. Meine Ohren zuckten, als es „Klick“ machte und sich die Tür öffnen lies. Mit einem leisen Knarren drückte ich die Tür auf und erstarrte. „Mom…?“

Meine Mutter lag verdreht auf den kalten, schmutzigen Fliesen, neben der verschmutzen Toilette. Eine riesige Blutlache umgab sie, teils getrocknet. Mit einer knochigen Hand umklammerte sie eine Rasierklinge, ihre leeren, milchigen Augen starrten mich direkt an. Vorwurfsvoll und hasserfüllt. Wie in Trance lies ich meinen Blick schweifen. An der Tür waren Kratzspuren. Beim genaueren Hinsehen, bemerkte man die kleinen Holzsplitter, die unter ihren Fingernägeln steckten. Teilweise waren die Cremen geöffnet oder gegen die Tür geschmissen worden. „Warum…?“ Warum lag sie hier? Warum war die Tür verschlossen gewesen? Ich lies mich in die Blutlache meiner Mutter fallen und fuhr mir durch die Haare, die Kopfschmerzen explodierten in meinem Schädel. Schwach fasste ich nach dem Handgelenk meiner Mutter und fühlte den Puls. Nichts. „Mom….?“ Das passierte nicht wirklich. Meine Fantasien waren nur Wirklichkeit geworden. Ich stand auf, starrte die letzte Person in meinem Leben an, die mir noch geblieben war. Das passierte nicht wirklich. Halluzination, genau so hieß das. Die Kälte die von der Hand meiner Mutter ausging, schien mich einzufrieren. Ich zitterte und verkrampfte meinen Griff um die leblose Hand meiner Mutter. Fast schon konnte ich sie hören, wie sie flüsterte, dass ich eine nutzlose Missgeburt war. Das ich zu spät gekommen war. Mal wieder hatte ich ihr nicht helfen können. Nein… das passierte nicht wirklich… Reiß dich zusammen Cassian.

Mit der Hoffnung, das meine grausamen Gedanken damit verschwänden, schloss ich die Tür wieder ab und schmiss den Schlüssel aus dem Fenster. Diese Fantasie war nun weggeschlossen, verschwunden aus meinem Leben. Ich atmete durch. Meine Mutter würde wieder kommen, ganz bestimmt. Das war sie irgendwann immer. Ich musste nur warten. Ich fasste einen Entschluss: Morgen würde ich wieder zur Schule gehen. Nach dieser Sache, wusste ich, dass ich mal wieder dringend unter Leute musste.

Ich starrte mich im Spiegel an. Dieses gräuliche Gesicht, mit den tiefen, dunklen Augenringen das mich schon fast boshaft aus schmutzig grünen Augen anstarrte. Meine ungekämmten, schwarzen Haare fielen mir leicht in die Augen und ich trug wie immer mein graues, ausgeleierte T-Shirt und eine normale Jeans. Da mich „shoppen“ nicht sonderlich interessierte, habe ich damals einfach 20 Stück beider Teile gekauft und dafür einen guten Rabatt auf die eh günstige Kleidung bekommen. So stand ich auch nicht ratlos vor dem Schrank und überlegte was ich anziehen sollte. Ich starrte weiter in den Spiegel des Flures, verlor mich wie schon so oft in meinen Gedanken. Dieses grün, vermischt mit einem dunklen braun, das eher schwarz glich ließen meine Augen wirken, als würden man in ein tiefes, dunkles Loch fallen. Es ist schon oft vorgekommen, das jemand sie als „Psychoaugen“ beschrieben hat. Man sagt ja, die Augen wären das Fenster zur Seele… ich frage mich wie meine Seele aussieht. Meistens stelle ich sie mir als Raum vor, einen dunklen Raum, in einem tiefen dunklen Wald. Einsam und allein, unentdeckt und vergessen von der Außenwelt. Erst als meine Augen anfingen zu kribbeln, merkte ich das ich ohne zu blinzeln gestarrt hatte.

Ich riss meinen Blick vom Spiegel los und öffnete die Tür zur „Außenwelt“. Die frische Luft raubte mir den Atem, es war so lebendig und hell hier draußen. Es kam mir vor als wäre ich Jahre nicht vor der Tür gewesen. Wie lange war es eigentlich her? Angestrengt versuchte ich die Tage zu erfassen, schüttelte dann aber den Kopf, als ich vergaß worüber ich überhaupt nachgedacht hatte. Ich atmete tief durch. Das wird schon, redete ich mir ein.

Der Schulweg war länger als ich ihn in Erinnerung hatte, aber meinem Gedächtnis vertraute ich schon lange nicht mehr. So ging ich durch die Kälte und schaute den kleinen Wölkchen zu, die ich beim Atmen ausstieß. Die Tasche war schwer, ich hatte vorsichtshalber alle Bücher und Hefte eingepackt, da ich meinen Stundenplan verlegt hatte. Wieder war mein Blick auf die Straßen gerichtet, darauf bedacht nicht wieder hinzufallen. Ich glaube ich werde demnächst wirklich mal den Arzt aufsuchen. Es war nicht mehr weit, die verschwommenen Erinnerungen sagten mir, dass das graue, langweilige Gebäude gleich auftauchen müsste. „Cassian?“ Ich zuckte bei der Stimme hinter mir zusammen und drehte mich um. Erstaunt blickte ich das zierliche, brünette Mädchen vor mir an. Verdammt… ich kannte sie irgendwoher… aber wie hieß sie noch mal? Sie sah etwas besorgt aus. „Geht es deinem Kopf besser? Die Lehrer haben uns nur gesagt, das du laut deinem Vater schlimm gestürzt sein sollst.“

Ach ja. Mein „Vater„. Sie war in meiner Klasse, das wusste ich genau. „Ja schon viel besser. Leider habe ich mir wohl ganz schön den Kopf gestoßen, würdest du mir deinen Namen noch mal sagen?“ Gott klang das dämlich. Wunderbar. Da sprach ich endlich mal wieder mit jemanden und dann auch noch mit einem, der mich anscheinend nicht hasste und dann das. Außerdem klang meine Stimme wie Sandpapier, da ich so lange nicht wirklich gesprochen hatte, nur immer murmelnd Selbstgespräche.

Aber das Mädchen lächelte fröhlich und antwortete mir: „Melody. Mein Name ist Melody, erinnerst du dich? Ich sitze neben dir.“ Die schwarzen Flecken in meinen Gedanken verschwanden. Natürlich! Melody, war ist sehr oft krank, wegen einem ungewöhnlich schwachen Immunsystem oder so. Sie gehörte eher zu den Strebern, aber man schikanierte sie nicht, da sie einfach so niedlich und freundlich war. Außerdem war sie wohl die Tochterdes Direktors. So weit ich mich erinnerte.

„Natürlich! Entschuldige Melody. Dir geht es also auch besser?“ Kurz vor meiner Aktion war Melody nämlich an Grippe erkrankt und nicht in der Schule gewesen. Gelegentlich sprach ich mal mit ihr, auch wenn ihre Freundinnen sie schnell wegführten.

Sie nickte eifrig und fing an, von einem Bioprojekt zu reden, das sie unglaublich interessant fand. Ich hörte ihr aufmerksam zu und versuchte die Informationen in meinem Kopf abzuspeichern.

Einige Zeit passierte nichts weiter. Die Tage kamen und gingen, mein Gedächtnis war mal besser, mal schlechter. Nur eines vergaß ich nie: Meine Gespräche mit Melody. Immer wenn ich drohte etwas zu vergessen, hielt ich es fest und klammerte mich dran. Zur Sicherheit fing ich an, mir alles aufzuschreiben, in einem kleinen Notizbuch. Meine Mutter war immer noch nicht aufgetaucht, aber langsam beschlich mich das Gefühl, das sie mich verlassen hatte. Ich wusste nicht woher das Gefühl kam und warum, aber irgendwie wusste ich es. Ich gab keine Vermisstenanzeige auf. Sie war halt einfach weg. Lebte jetzt vielleicht ein besseres Leben, wo auch immer.

Oder sie war schon Tot
und ich wusste nichts davon.

Gerade saß ich in meinem Zimmer, die Jalousien halb herunter gekurbelt und las in einem sehr alten Buch mit vielen Eselsohren. Einige Stellen kamen mir sehr  bekannt vor, als hätte ich es erst vor kurzem gelesen. Andere waren mir sogar völlig unbekannt. Ich ließ mich allerdings nicht davon beirren und machte einfach weiter. Das war momentan meine Motto: Einfach so tun als wäre Nichts.

Plötzlich klingelte es. Mein Kopf war mit einem Ruck aus der
Versenkung aufgetaucht und ich schmiss fast das Buch weg. Jahrelang hatte ich unsere Klingel nicht mehr gehört, zumindest kam es mir so vor. Ein schiefes Dröhnen, wie einer dieser alten Wecker, nur irgendwie falsch. Ächzend stand ich auf und lugte durchs Schlüsselloch. Ich erkannte eine zarte, weiße Hand, die ein Buch hielt. Melody.

Am liebsten hätte ich nicht aufgemacht, ich sah zwar nicht schlimmer aus als sonst auch, aber diese Wohnung…. Außerdem drang ein fürchterlicher Geruch aus der Badezimmertür, nur hatte ich mal wieder den Schlüssel verlegt und ich war mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt öffnen wollte. Zögerlich griff ich zur Türklinke und versuchte ein freundliches Lächeln aufzusetzen.

Melody strahlte mich wie immer an und begrüßte mich. „Du hast das Buch in der Schule liegen lassen. Ich wollte es dir vorbei bringen, bevor du es suchst.“ Ich war überrascht. „D-Danke…“,
stotterte ich zu meinem Ärger höchst intelligent und nahm das Buch entgegen. Sie lachte. „Ist doch kein Problem, das macht man so unter Freunden.“

Freunde? Sie hatte uns als Freunde bezeichnet? Diese Tatsache überraschte mich noch mehr, sodass ich einfach wie angewurzelt stehen blieb, als sie sich neben mir her in die Wohnung quetschte. „Gemütlich hier!“, zwitscherte sie leicht ironisch und schaute sich neugierig um.

Ich musste lachen. „Wie mansnimmt.“ Schnell fügte ich noch hinzu: „Meine Eltern sind beide für ein paar Tage weg.“ Sie nickte während sie sich den Klappentext des Buches durchlas, das ich zuvor in der Hand gehabt hatte. „Du liest wohl gern Fanatsy?“, fragte sie mit leuchtenden Augen. Ich wurde leicht verlegen. „Besser gesagt, lese ich fast nur Fantasy. Der ganze Realitätskram interessiert mich nicht sonderlich.“ Zögerlich und unsicher wie ich mich verhalten sollte, ließ ich mich neben sie auf das Bett plumpsen. Ich hatte schon lange keinen Besuch von „Freunden“ bekommen. Das war das letzte mal zu der Zeit, wo Vater noch lebte. Sie ließ sich zurück fallen und starrte die Decke an, welche mit Postern aus etlichen Filmen, Büchern und Videospielfiguren vollgekleistert war. „Du bist ganz anders als die anderen Jungs, Cassian“, sagte sie, immer noch in einem unbeschwertem Ton.        Ich starrte sie weiter an, völlig überfordert.

„Dauernd versuchen sich Leute bei mir einzuschleimen, wegen meines Vaters, oder trauen sich nicht mit mir zu reden, aus der Angst etwas falsches zu sagen. Außerdem nervt es, dass die Jungs aus unserer Klasse sich dauernd in den Mittelpunkt stellen müssen. Nie können sie ernst sein, sondern müssen immer irgendwas machen um die Mädchen zum lachen zu bringen. Das nervt.“ Sie lachte. „Und dann sehe ich dich da am Fenster sitzen und in den Regen starren, völlig desinteressiert.“ Sie setzte sich wieder auf, grinste mich an und nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände. „Und ich liebe deine Augen…“ Sie lächelte ihr süßes Lächeln und kam mir näher. Ich geriet langsam in Panik, was erwartete sie von mir? Ichhatte noch nie…

Sie küsste mich und schloss die Augen. Ihre Lippen nur ein Hauch auf meinen, aber ich spürte das Prickeln deutlich. Sie war genauso unsicher wie ich, nur mit dem Unterschied das ich Trottel mal wieder zu feige war. Sie lehnte sich etwas zu mir herüber und ich stütze mich mit der Hand an der Bettkante ab. Langsam tauten wir beide auf und ich vergrub eine Hand in ihrem seidigen Haar. In diesem Moment war ich glücklich. Ich ging im Kopf die etlichen Gespräche mit ihr durch, und schmiegte mich an diese Erinnerungen. Vielleicht wurde jetzt alles besser. Meine Mutter hatte ich zwar verloren, aber dafür war jemand neues bei mir.

Jemand besseres.

Mit einem wohligen Seufzer entspannte Melody sich und kuschelte sich an mich. Allerdings wurde ihr Gewicht so verlagert das ich mit meine Hand an der Bettkante abrutschte. Ich schaffte es nicht mehr mich irgendwo anders fest zu halten und fiel hinten rüber.

Wieder fühlte ich mich schwerelos, ich schwebte über den Boden und hörte Melody etwas sagen. Ich lächelte wieder leicht, hätte fast die Arme ausgebreitet um zu fliegen, aber meine unsichtbaren Flügel ließen mich auch diesmal im Stich. Mein Hinterkopf krachte auf die Kante meines Schreibtisches, eine Reihe Bilder zog an mir vorbei, begleitet von einem Rauschen, wie bei einem gestörtem Signal. Meine Sicht verschwamm, die großen schwarzen Löcher breiteten sich  aus, verschlangen alles, jedes Gefühl, das ich gerade noch empfunden hatte. Ich griff danach, wollte es nicht gehen lassen, doch diesmal waren die Kopfschmerzen unglaublich herrisch, sie nahmen mir den Verstand.

Es hallten dumpfe Geräusche in meinen Gedanken, die Schreie von letztens, der Klang vom Aufprallen der Schwertern aus meinem Spiel, ein Lachen, welches ich von Melody vor fast 3 Minuten geschenkt bekommen hatte. Eines war ein bisschen lauter: Es war eine besorgte Stimme, die eindeutig zu Melody gehören musste, da sie fragte, ob es mir gut ginge. Doch es hörte sich an, als würde meine Mutter sprechen, als ich klein war und sie noch nicht so viel trank. Vielleicht gehörte sie auch meinem Vater, der fast nie daheim gewesen war. Die drei Stimmen überschnitten sich, es blitzten Bilder meiner toten Mutter auf den kalten Fliesen des Badzimmers auf. Blut, dickes, zähes Blut schwamm um mich herum. Ob in Echt, oder nur in meinem Kopf wusste ich nicht. Hatte ich meine Augen offen oder geschlossen?

Meine Sicht schwenkte herum, eine kleine Gestalt beugte sich über mich. Melody? Nein… oder doch? Ich hielt mir den Kopf. Melody….

Wer war Melody? Kannte ich eine Melody? Das Rauschen wurde extrem laut, meine Fantasiewelten überschnitten sich, alles leuchtete in einem satten grün, einen strahlenden Blau und Rot…. Blutrot…

Wo war ich? Ich lag am Boden… oder? Saß ich in meinem Stuhl am PC und war lediglich in der Spielewelt versunken? War das die Realität? Nein… das war ein Traum… ein Alptraum… Meine Pupille weitete sich. Wer war das? Wie ist sie hier rein gekommen? „Wer bist du?“, krächzte ich. Sie starrte mich erschrocken an. „M-Melody… Cassian du kennst mich
doch…“ „Nein… nein ich kenne keine Melody. Wie bist du hier herein gekommen?“

Meine Augen flitzen umher. Die Szenerie erinnerte mich an einen Film, den ich letztens gesehen hatte. Den Namen hatte ich vergessen, aber ich wusste noch, dass es um Menschen ging, die vergaßen wer sie waren. Krankheit und Wahnsinn. Geschah das gerade wirklich? Ich tastete nach einem
Baseballschläger, der in meinem Chaoszimmer herumlag. Früher hatte ich oft mit meinemVater zusammen gespielt… Aber er war tot. Erschossen.

Das Rauschen setzte erneut ein.
Schwarze Flecken. Ich hielt mir den Kopf. Was…? Mein Kopf war leer. Schon wieder. Ich hielt einen Baseballschläger… und vor mir stand ein Mädchen und starrte mich an. Was wollte ich gerade tun? Und wer war sie? „Wer bist du…?“

Hatte ich diese Frage schon gestellt? Der Klang der Worte schmeckte seltsam vertraut. „Ich bin Melody! Cassian, du machst mir Angst… bitte…“ Melody… Cassian… Ich hieß Cassian? Ich nickte langsam…. ein Alptraum… ein Spiel… meine Welt. Ich wollte die Kontrolle über meine Gedanken und mein Leben zurück. Sofort. Wut kochte in mir. Ich verstand es nicht, aber ich hielt den Baseballschläger. Sie existiert nicht, sondern zerstört nur meine Welt, meine Gedanken.

Mit einer schnellen Bewegung ließ ich den Schläger gegen ihren Kopf sausen. Sie schrie, aber nur kurz, dann lag sie auch schon auf dem Boden. Ihre Augen waren nach oben verdreht, aber sie lebte noch. Ihr Kiefer war schief und sie starrte mich mit entsetzten und flehenden Augen an. Es machte sich ein Gefühl in mir breit…. Befriedigung? Mir ging es jedenfalls eindeutig besser. Um einiges besser. Ja, das hier passiert nicht wirklich, nur eine meiner Vorstellungen, die sich meine Fantasie ausgedacht hat. Und wenn ich sie besiege verschwindet sie. Ich grinste, amüsiert darüber wie perfekt meine Fantasie alles kopiert hatte. Ich schwang erneut den Schläger. Und noch mal. Und noch mal. Ich fing an zu lachen, ein bisschen irre war das ja schon, aber wesentlich besser als nur der Leser des Krimis zu sein. So Real….

Ich schmiss den Schläger davon. Der Kopf des Mädchens war ein einziger, blutiger Klumpen. Entstellt und unmenschlich. Nicht real, aber irgendwie doch. Blut… Blut klebte überall. Ich keuchte nun, mein Bauch verkrampfte sich durch den Lachanfall. Jetzt kommt die Stelle wo die Polizeisirenen erklingen, laut und alarmierend. Ich werde ganz cool bleiben, so wie der Mörder im Buch.

Mörder.

Das brachte mich von meinem Trip runter. Ich war ein Mörder…. Ach was. Das war nicht real. Entweder ich wache gleich auf oder blinzele und starre an die Decke, erwache aus meinem Tagtraum. Das Rauschen war verstummt, die schwarzen Flecken lichteten sich.

Melody… hatte sich das Mädchen
nicht so genannt? Ich runzelte die Stirn. Melody… kannte ich diesen Namen? Ich schaute weg von meinem Werk und durch mein Zimmer. Ein Notizbuch fiel mir ganz besonders auf: Es lag auf meinem Nachtschränkchen und war aufgeschlagen. Einem Impuls folgend, begann ich zu lesen:

(4. 2. 20015 16 Uhr)

 „Ich habe anscheinend ein Buch in der Schule vergessen, da ich es
nicht finden kann. Ich darf nicht vergessen es morgen zu holen.

Ich habe etwas gegessen, die letzte Dose mit Hühnersuppe.“

Es folgten noch weitere
belanglose Einträge, ich erinnerte mich sogar daran sie gemacht zu haben. Doch
auf der Rückseite war ein fettes Ausrufezeichen gemalt worden. Worum ging es?

„Melody erzählte mir heute von ihrer kranken Mutter. Sie hat sich
sehr Sorgen gemacht. Ich habe ihr gesagt, dass alles gut werden wird. Ingeheim
hoffe ich das selber. In der Schule halte ich es bald nicht mehr aus, die
ständigen Kopfschmerzen und Gedächtnislücken, machen es mir schwer.

Heute ist mir klar geworden, dass ich Melody liebe. Aber sie wird das
nie erwidern.

Trotzdem möchte ich diesen schönen Gedanken und das Gefühl nicht
vergessen. Ich habe Angst davor sie  zu
vergessen…“

Ich las mir diesen Absatz circa 5 Mal durch. Ich… habe Melody… geliebt?

Langsam kam alles zurück, unser gemeinsamer Nachhauseweg… das Glücksgefühl in meinem Bauch… und dann… hat sie hier geklingelt. Und wir haben uns geküsst.

Und jetzt liegt sie erschlagen auf meinem Fußboden.

Das Notizbuch rutschte mir aus der Hand. Kein Traum… kein Spiel… Kein Buch…

Die Realität.

Ich hatte gerade die Person
brutal ermordet, die ich geliebt habe. Mir ist das passiert wovor ich an
meisten Panik hatte: Ich habe sie vergessen. Und schon wieder kamen die schwarzen Flecken vor meinen Augen, schon wieder versuchte ich verzweifelt sie fest zu halten. Ich wollte sie nicht vergessen. Niemals.

Ich raste mit tränenüberströmten Gesicht in die Küche, riss meinen Kopf herum und griff mir ein kleines Klappmesser, welches ich zum Gemüseschneiden benutzte. Wie in Trance zog ich die Klinge über meine Haut, ich spürte den Schmerz nicht, nur den Schmerz in meinem Herzen. M…E…L…O….D…Y….. Mein Blut ließ ihren Namen leuchten, wie eine düstere Botschaft. Ich starrte es an, prägte mir diesen Augenblick ein, er sollte mich ewig an meine Schuld erinnern. Und schon verschwamm meine Sicht.Die Stille dröhnte in meinen Ohren und ich starrte weiter auf mein Schuldgeständnis. M…E….L…O…D…Y…

Ich lag im Krankenhaus. Das wusste ich sofort. Warum? Keine Ahnung. Ich weiß nur noch, das ich völlig aufgelöst nach draußen gelaufen war und dann dieses grelle Licht, das mich blendete…. Scheinwerfer eines Autos vielleicht. Ist ja auch egal. Jedenfalls versank ich wieder in einen Traum…. oder in einer Vorstellung. Es ähnelte sehr einem Game, das ich mit Leidenschaft gespielt hatte. Nur spielte dieses in einer Irrenanstalt und nicht in einem Krankenhaus. Ich grinste breit als ein Doktor herein kam.

„Wie fühlen sie sich?“,
fragte er. „Scheiße.“ Das entsprach voll und ganz der Wahrheit. Dennoch…. etwas an dieser Situation reizte mich… war es die Spritze neben mir oder die Tatsache, das ich den Verstand verloren hatte? Denn das war mir völlig bewusst. Ich war zu einem Charakter aus einem Thriller, einer Spielefigur aus einem Horrorgame mutiert. Es war amüsant.

Der Arzt beugte sich besorgt über
mich. „Du wurdest von der Straße aufgelesen, anscheinend bist du gestürzt. Du warst schwer am Kopf verletzt.“ Ich nickte. Das wusste ich. Oder?
Schnell schüttelte ich den Kopf.

„Anterograde Amnesie…“, hörte ich ihn leise murmeln und etwas auf sein Klemmbrett schreiben. Ein leises Summen setzte ein. Eine Maschine, oder nur in meinem Kopf? Egal. Ich nahm die Spritze in die Hand. Ich wollte es wieder fühlen. Diese Freude, die Befriedigung. Aber ich wollte vor allem eines: Melody ein Denkmal setzten.

Ich werde sie nie vergessen.

Der Doktor war perplex und
starrte mich nur verwirrt an, ich hingegen reagierte blitzschnell. Mit einem Ruck hatte ich die spitze Nadel in die Kehle des Doktors gerammt und stieß ihn zu Boden. Ich spürte den Druck, als er nach Luft schnappen wollte. Die Sehnen, die ich durchbohrt hatte. In meinem Kopf leuchteten Bilder auf. Die Luftröhre des Mannes füllte sich mit Blut und ich unterdrückte das Lachen, das in mir aufkam. Er röchelte, Blut quoll rasendschnell hervor, aus der Wunde, Nase und Mund. Es dauerte nicht lange. Ich setzte mich mit ausdruckslosem Gesicht auf. Schwarze Flecken, die sich durch meine Gedanken fraßen.

Schnell nahm ich das Klappmesser, das ich anscheinend fest umklammert hatte und das man mir auf den kleinen Rollwagen gelegt hatte.

„Doktor Sebastian Hollwart“ las ich sein Namensschildchen. Ein weiterer Name war auf meinem Arm notiert. Ein weiterer Name auf der Liste der Schuld. Und weitere würden folgen. Doch niemals würde ein schönerer Name blutrot auf meinem Arm leuchten als M…E…L…O…D…Y…….

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(Fortsetzung: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Cassian-Der_Beraubte?venotify=created])

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