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Cassian-Der Beraubte

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

(Erster Teil: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Cassian]

Abzweigung der Story: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Patient_%22Cassian_Grey%22-Protokoll])

Es war dunkel. Nacht. Kalt. Ich stand vor dem Gebäude, in
das man mich gebracht hatte, mit dem Versprechen, mir werde geholfen.

Es war eine Lüge.

Ich erinnerte mich nicht an viel. Die Ärzte waren fasziniert von meiner „Krankheit“, die sie „anterograde Amnesie“ nannten. Amnesie. Ich war mir nicht sicher, ob man diese schwarzen Flecken so bezeichnen konnte. Sie waren boshaft und kamen immer wieder. Ein Arzt, der mit mir gesprochen hatte, hatte mich ausgelacht, als er meinen Namen erfuhr. „Cassian?“, grinste er, „Wie ironisch.“ Ich war verwirrt gewesen und hatte gefragt weshalb. „Cassian heißt `Der Beraubte`“, hatte dieser geantwortet. Diese Sitzung, war wohl die Einzige gewesen, die mir im Entferntesten geholfen hat. Ich wurde mir meiner Selbst besser bewusst.

Ich bin Cassian Grey, der, der seiner Erinnerung beraubt wird. Ich musste leise lachen. Wie Dramatisch.

Und der Dieb? Diese schwarzen Flecken. Sie umschlossen meine Gedanken, krallten sich meine Erinnerung und nahmen sie mit sich. Ich knirschte mit den Zähnen. Diese Flecken lösten einen Hass auf mich selbst in mir aus, der tief in mir brannte.

Aber weiter im Text. Dieses Gebäude hatte mir mein Vertrauen in andere Menschen endgültig genommen. Diese Kerle hatten an meinem Kopf herumgefuhrwerkt, da war ich mir ziemlich sicher. Hatten mit mir und meiner Psyche herumgespielt. Letztendlich war ihr Tod, ihr Fehler gewesen. Mit einem Lächeln fuhr ich mir über meinen Arm, die Liste der Schuld, die ich mit Stolz bei mir trug. All die Namen waren hier verzeichnet, sodass die schwarzen Flecken die Erinnerung an ihre Tode nicht mit sich nehmen konnten. Ich hatte sie überlistet. 

Und nun, da ich wieder frei war, hatte ich eine wichtige Sache, die ich erledigen musste.

Melodys Mutter…. Meine Fingerspitzen stoppten an einem langen Schriftzug auf meinem Arm. Es war die schönste Narbe, die ich besaß. In meinem Inneren zog sich alles vor
Zuneigung zusammen, während ich das sanft geschwungene „M“ nachfuhr. Melody hatte mir, kurz vor ihrem…. Tod…., von ihrer kranken Mutter erzählt. Sie hatte sie sehr geliebt. Ich fühlte mich verpflichtet die beiden zu vereinen.

Als ich bei dem „D“ ihres Namens ankam, stoppte ich kurz. Da war diese Ecke am Bogen, die mich jedes Mal störte. Ein Bild blitzte kurz vor meinem inneren Auge auf, wo ich zusammen gesunken und verheult auf dem Küchenboden hockte und mit einem Schluchzer die Klinge von meinem Arm abrutschte. Ich seufzte peinlich berührt. Schwäche. Das war das Wort, das mich die ganze Zeit begleitete. Durch meine Schwäche war das hier erst passiert. Aber ich hatte mich damit abgefunden. Außerdem hatte ich meine eigene Welt, in meinem Kopf, in der alles in Ordnung war. Die reale Welt brauchte ich nur, um die andere aufrecht zu erhalten.

Mit entschlossenem Blick schaute ich nun in die leeren Straßen und setzte mich in Bewegung. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wo Melodys Eltern wohnten, selbst, wenn ich es einmal gewusst hatte. Aber ich wusste wie mein ehemaliger Schulleiter hieß, der Vater von Melody.

„Gregor Langfort….“, murmelte ich in den aufkommenden Wind. Ein leises Heulen, das durch jede Spalte des Städtchen drang. Meine schwarzen, zerzausten Haare wurden mir ins Gesicht geweht, verdeckten mir kurz die Sicht. Das Heulen des Windes formte sich in meinen Ohren zu einer Art Melodie, lang gezogen, wie das Wehklagen eines jungen Mädchens. Ich fing an, langsam jene Melodie mitzusingen, fast schon euphorisch. Plötzlich formte sich, aus einem der von den schiefen Häusern geworfenen Schatten, tatsächlich ein kleines Mädchen, das durch die Gasse tanzte. Ich bildete mir ein sogar ein Kichern zu hören, als wäre sie erfreut, das ich mit ihr sang. Ich ging auf sie zu, sang weiter leise mit ihr das Lied und schaute der schemenhaften Gestalt zu. Ich streckte eine Hand nach ihr aus. Vielleicht hatte sie sich verlaufen? Doch sobald ich sie fast erreicht hatte, verwandelte sich ihr klarer Gesang, zu einem lauten Heulen und Pfeifen. Ich verzog das Gesicht, ließ mich aber nicht beirren. Jedoch…. als ich sie erreichte, griff ich durch sie hindurch. Pfeilschnell zog sich die schwarze Gestalt des Mädchens zurück in den Schatten und es war still. Leise pfiff der Wind durch die leere Gasse und ich stand mit hängenden Armen da. Es war alles normal. Die Melodie, die ich gesummt hatte, kam nicht mehr über meine Lippen und sosehr ich mich auch anstrengte, ich erinnerte mich nicht mehr an den Klang. Verärgert fuhr ich mir über das Gesicht. Ich hatte mich wieder von mir selbst täuschen lassen. Meine Fantasie hatte mir wieder einen Streich gespielt, dieses Mädchen hatte es nie gegeben. Sooft dies auch passierte, ich lernte nie daraus. Ich konnte Realität und Fantasie nicht mehr auseinander halten. Schon lange nicht mehr. Ich seufzte erneut tief und ging weiter meinen Weg entlang.

Ich stand allein in der Telefonzelle und wählte die Nummer der Auskunft. Das Licht über mir flackerte ständig und ich war genervt. „Hier ist die Auskunft, was kann ich für Sie tun?“ Die Frau am anderen Ende klang müde. Mitten in der Nacht arbeiten zu müssen, muss ganz schön scheiße sein.

„Ich brauche die Adresse von Gregor Langfort, dem Schuldirektor“, versuchte ich mein Glück.

„Wie lautet ihr Name, junger Mann?“, fragte sie, ohne die Stimmlage zu ändern.

„Grey“, antwortete ich und zwirbelte das Kabel des Telefons auf. Außerhalb der Telefonzelle war es stockdüster und der Schein der, scheinbar kaputten, Neonlampe über mir, reichte nur ein kleiner Stück über das zerkratzte Glas hinaus. Kurz war es still. „Und mit Vornamen?“

Sofort schrillten bei mir die Alarmglocken. „Niemand.“ Idiot. Ich hätte mir auch einfach einen Namen ausdenken können.

„Junger Mann….“, fing die Frau am anderen Ende verärgert an zu sprechen, doch ich schnitt ihr hart das Wort ab. „Sagen Sie mir die Adresse. Jetzt.“

Ganz offensichtlich erschrocken und verängstigt über meinen Tonfall nannte sie mir die Adresse und legte sofort auf. Ich hatte sie mir eilig aufgeschrieben, bevor die schwarzen Flecken sie mir rauben würden. Das Papier verschwand in meiner Hosentasche und ich seufzte tief.  Langsam ließ ich den Telefonhörer sinken und starrte mich gedankenverloren in der Glasscheibe der Telefonzelle an. Mein bleiches Gesicht strahlte mir entgegen, meine Augen halb verdeckt von meinen Haaren. Meine Augen….

„Und… ich liebe deine Augen…“ Melody lächelte süß und rückte näher zu mir. Ich erinnere mich an das Gefühl, als eine aufgeregte Panik in mir aufkam. Und dann…Dann hatte sie mich geküsst und  ich war glücklich gewesen. Ich hatte es nicht gewollt. Ich habe sie doch geliebt…

Geliebt…

Geliebt…

 

„Geliebt….“, murmelte ich mit starren Blick auf mein Spiegelbild vor mich hin. Diese Augen… waren die Augen eines Mörders. Melodys Mörders. Ich fing an schräg zu lächeln um den Schmerz zu vertreiben. Doch….diese schrecklichen, dunklen Augen, die Augen, die das Letzte gewesen waren, was Melody gesehen hatte, sie lächelten nicht mit. Sie waren kalt. Und leer. Und grausam.

Ich blinzelte und löste mich aus der Starre. „Keine Zeit… Keine Zeit…“, murmelte ich weiter und verließ die Telefonzelle, ohne den Hörer aufzulegen. Irgendwer hat mein Verschwinden aus dem Gebäude sicher bemerkt. Aber unsere kleine Stadt war weit weg und vergessen von der Außenwelt, es passierte nie etwas Aufregendes.

Als ich der leeren Straße folgte, überrollten mich erneut Kopfschmerzen, wie Jene die mir so vertraut waren. Ich hielt mein Grinsen aufrecht und ging weiter, während meine Gedanken von Schwärze zerfressen wurden. Ich stellte mir gern die schwarzen Gestalten vor, die meine Erinnerungen stahlen. Pechschwarze, hässliche Viecher mit einem Buckel und langen, spitzen Fingern. Ihre leuchtend roten Augen starren mich immer boshaft an. Und ihr Lachen… schrill und lang gezogen, wie eine Klinge, die über Metall kratzt.

Natürlich gab es sie nicht wirklich. Aber so stellte ich sie mir vor und so spuckten sie auch durch meine Träume. Ich hatte sie nie wirklich gesehen. Zumindest denke ich das. Meine Träume sind so realistisch… Vielleicht hatte ich sie schon einmal getroffen… vielleicht auch nicht…

Erst jetzt bemerkte ich, das ich vor der Adresse stehen geblieben war und in ein Fenster gestarrt hatte. Ich ärgerte mich. Wie lange stand ich schon hier? Und über was zur Hölle hatte ich so lange nachgedacht?!

Leere in meinem Kopf. Ein vor Schmerz verzerrtes Grinsen auf meinen Lippen. Und mit diesem Grinsen klingelte ich an der Tür. Ding-Dong…. Der Ton hallte in meinem Ohr nach. Ich wartete.

Da ertönte ein Poltern. Ich schaute aufmerksam auf die Türklinke. Ganz langsam wurde sie nach unten gedrückt und die Tür einen Spalt geöffnet. „Was soll das, es ist 1 Uhr morgens?“, keifte ein Mann hinter der schweren Eichentür hervor. Blitzschnell schob ich meinen Fuß in den Spalt. „Ich muss Sie sprechen“, sagte ich leise und sah meinem alten Schuldirektor direkt ins Gesicht. „Cassian?“ Natürlich kannte mich mein alter Schuldirektor. Zwar wurde ich in der Schule in Ruhe gelassen, doch das meine Eltern nie zu den Sprechtagen gekommen sind hatte mich das ein oder andere Gespräch gekostet. Ich nickte lediglich.

Er öffnete die Tür und ließ mich herein. Der Herr Direktor sah gar nicht gut aus. Früher war er ein stolzer Mann gewesen, mit geradem Rücken und immer perfekt sitzenden Haaren.

Jetzt war er krank. Graue, splissige Haare und eingesunkene Augen ließen ihn ungesund und ungepflegt aussehen. Er stützte sich auf dem Geländer ab und sah knochiger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Aber ich schüttelte gedanklich den Kopf. Ich habe eine Aufgabe, die ich erfüllen möchte. „Guten Abend“, sagte ich daher und lud mich selbst in das Wohnzimmer ein. Er folgte mir, sichtlich verärgert. „Cassian, was zur Hölle willst du hier?“, knurrt er mich an. Mein Aufenthalt in dem…. Gebäude hatte scheinbar nicht ganz so lange gedauert, wie ich anfangs befürchtet hatte, da er nicht sehr misstrauisch wirkte. Andererseits hatte er sich sehr verändert, in dieser kurzen Zeit. Mein Zeitgefühl war schon lange sehr verwirrt und ich habe kein Gefühl mehr für Tag und Nacht. Tage, Stunden, Wochen… fühlte sich alles gleich an. So wunderte ich mich nicht, dass ich keine Ahnung hatte, welches Jahr wir überhaupt schrieben.

„Wie geht es Ihrer Frau?“, fragte ich tonlos und ließ mich auf dem Sofa nieder.

Er blieb demonstrativ stehen und verschränkte die Arme. „Gut.“

Lügner.

Ich hatte vergessen welche Krankheit Melodys Mutter hatte, als sie mir davon erzählte, doch es war auf jeden Fall kein Schnupfen gewesen. „Warum sagen sie nicht die Wahrheit?“, fragte ich deshalb und beachtete die wabernden Schatten hinter ihm nicht.

Er starrte mich an, als wäre ich gerade vom Himmel gefallen. „Woher weißt du von Isabelle….?“, fragt er mich und verengt die Augen. Isabelle, so hieß also Melodys Mutter.

„Melody hat es mir erzählt.“ Ich schaue ihm fest in die Augen. Ich sah die Staubkörnchen in der Luft tanzen, die vom Schein der teuren Lampe angestrahlt wurden. Sie wirbelten wie Schneeflocken zwischen uns herum und unwillkürlich ließ mir meine Fantasie einen verschneiten Wald erscheinen. Die Lampe stellte nun die große Sonne dar, die zwischen den Ästen der Tannen hervor schien. Der Herr Direktor veränderte sich, schrumpfte und seine Haare wuchsen und färbten sich braun, mit leichtem Rotstich. Ich hielt weiter dem Blick stand, bis schließlich Melody vor mir stand, so, wie sie damals bei mir geklingelt hatte. Ich blieb weiter sitzen, als „Melody“ sich langsam in Bewegung setzte. Wie in Zeitlupe hechtet sie auf mich zu, der Schnee verfingt sich in ihren Haaren. Es kam ein leichter Wind auf und die Tannen wiegten sich im Wind. „Cassian….!“, hörte ich eine Stimme schreien. Sie kam von ihr. Doch sie klang nicht wie sie. Ich lächelte dennoch und breitete die Arme aus, wie um sie aufzufangen. „Du verdammtes Arschloch, was hast du mit meiner Tochter angestellt? Wo ist sie?!“ Ich antwortete nicht, sondern bereitete mich darauf vor, „sie“ aufzufangen. „Melody“ krachte in mich hinein und drückte mich brutal in das Sofakissen, das ich, trotz der imaginären  Umgebung, im Rücken spürte. „Ich habe sie geliebt“, hauchte ich leise. Meine Arme schmerzten wegen des festen Griffes, aber ich wehrte ich nicht. Ich hörte im Hintergrund, wie mich jemand anschrie, beschimpfte und schüttelte. Aber ich sah nichts außer Finsternis, Schwärze umfing mich. Ich  fühlte mich als würde ich fallen, in ein tiefes Loch. In die Hölle.

Aber ich habe sie getötet.

Ich sagte es immer noch leise, wie in Trance und das Gefühl des Fallens hörte nicht auf. Ich versuchte zu lächeln, mein Herz verkrampfte sich bei den Bildern vor meinem Auge. Ich hörte einen schrillen Schrei, von einem Mann. Besser gesagt von Melodys Vater. Er flog durch meine Ohren und kratze an meinem Trommelfell. Dann wurde der Schrei von einem zweiten Überlagert. Einem weiblichen. Melodys Todesschrei. Und es brachte mich zum weinen, ihn schon wieder zu hören. Das Loch schien nie enden zu wollen und ich streckte eine Hand aus um nach etwas greifen, mich fest zu halten. Doch stattdessen wurden ich hochgehoben, meine Füße schwebten in der Luft und ich baumelte lächelnd herunter. Mit einem weiteren Schrei, dessen Melodys Schrei nach hallte, wurde mein Kopf auf eine Kannte gerammt. Durch meinen Geist schoss ein greller, weißer Blitz und der Schmerz kroch durch meine Schädeldecke in meinen Verstand. Es flimmerte. Im Schnelldurchlauf zog eine Bilderserie an meinem geistigen Auge vorbei:

Melody stand vor meiner Tür und reichte mir ein Buch, als sich langsam ihre Haut abschälte, abfiel und ihre wunderschönen Haare langsam zu Boden schwebten. Die Hautfetzen hingen von ihren bleichen Knochen, die an einigen Stellen schwarz verfärbt waren. Ihre gelblich verfärbten Augäpfel drehten sich nach hinten und ihr Kiefer klappte auf. Ich zählte jeden einzelnen Zahn der hinaus fiel, bis schließlich das gesamte Skelett zusammenbrach. Der Haufen aus Knochen und Fleisch blieb aber nicht lange so liegen, er baute sich auf, die Augen rollten in den Schädel zurück und langsam umschloss die Haut wieder die Knochen und Sehnen. Vor mir stand Melodys Vater und öffnete den Mund, um mit ihrer grotesk verzerrten Stimme zu sagen:

„Du bist Schuld.“

Ich blinzelte, kurz sah ich wirklich Melodys Vater, wie er schreiend auf mich einschlug. Dann fiel ich wieder durch das Loch, in die Leere. Mein Kopf dröhnte und es hallten von allen Seiten Schreie wieder. Die pechschwarzen Wände um mich herum bewegten sich. Es floss eine zähe, blutrote Flüssigkeit an ihnen hinab. Und als ich die Augen wieder öffnete, waren wir in jenem Raum, den sich meine Fantasie geschaffen hatte. Melodys Vater hatte ein vor Hass und Trauer verzerrtes Gesicht, er weinte und war Blut bespritzt. Ob es mein oder sein Blut war wusste ich nicht. Mein Hinterkopf pulsierte und fühlte sich an, als würde er platzen. Stirb, stirb, stirb… hauchte eine Stimme in meinem Kopf und ich spürte wie meine Haare mit meinem Blut verklebten. Eine seltsame Wärme breitete sich an meinem Hinterkopf aus. „Stirb, stirb, stirb!“, brüllte mich mein alter Direktor an und wiederholte die Worte, die mir die schwarzen Monster in meinem Kopf zuflüsterten. Sie schlichen sich an und stupsten mein Bewusstsein an. Meine Sicht verschwamm und der schwarze Raum drehte sich.

„Tut… mir… leid…“, murmelte ich leise und zog das Messer aus meiner Tasche, während er blind weiter auf mich eindresche. Ich hob meinen Arm und versenkte langsam die kalte Klinge im Hals des Herrn Direktors. Er schlug weiter, während er zu Boden sank. Er wehrte sich nicht, röchelte nicht. In seinen Augen konnte ich seine Trauer sehen.

Es war ihm egal, dass er starb.

Der schwarze Raum wurde kleiner, schien uns zerquetschen zu wollen. Ein letztes mal hob er seine Faust für einen Schlag, aber sie fiel dumpf zu Boden. Sein Blick hasserfüllt auf mich gerichtet. Ich stand auf und hockte mich neben ihn, als mich Schwindel erfasste. Mein Kopf… mein Kopf… Die schwarzen Flecken schwebten durch mein Blickfeld und krallten sich an meiner Erinnerung fest. Ich krabbelte zu ihm und zog das Messer aus seiner Kehle und setzte sie an meinem Arm an. „Gre…gor… Lan..g…“ Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen…. Die vertraute Kühle des Metalls fühlte sich wunderbar an und ich lächelte. Langsam klärte sich meine Sicht und ich zog den letzten Buchstaben, des neuen Namens auf der Liste der Schuld. Das Blut floss meinem Schädel hinab und ich hörte auf zu lächeln. „Aua…“, murmelte ich und fasste mir an meinen Hinterkopf. Blut quoll aus der Wunde hervor und ich runzelte die Stirn. Wann war das passiert? Ich wischte das Blut von der neuen Narbe meines Armes ab. Egal…. ich muss Melodys Mutter finden und zu ihr bringen. Das war ich ihr schuldig.  So wendete ich meinen Kopf zur Treppe und ging mit schweren Schritten hinauf. Das Holz knarrte, als würde es sich über meine Anwesenheit beschweren. Oben angekommen, blickte ich in einen dunklen Flur mit schweren, alten Möbeln. Meine Sicht schweifte und ich entdeckte eine Tür, wo mattes Licht hervor schien. Höflich klopfte ich an und trat herein.

Melodys Mutter lag mit gefalteten Händen in einem großen Doppelbett und schien zu schlafen. Doch als ich mich einen Schritt hinein wagte, krächzte sie eine Begrüßung. „Gregor Liebling…?“ Ich schüttelte leicht unter Schmerzen meinen Kopf. „Nein.“ Sie öffnete halb ihr Augen und sah mich an. Ihre Wangen waren eingefallen und mir fiel auf, dass ihr die Haare ausgefallen waren. Sie war bleich und dünn. Neben ihr, auf dem Nachttisch lagen Tabletten und ein Glas Wasser. Als sie sah, wie Blutgetränk ich war, erstarrte sie und öffnete den Mund um zu schreien. Jedoch entwich ihr nur ein Röcheln und ich hatte schon Angst, sie bekäme einen Herzanfall. Das wäre nicht gut, schließlich muss ich ihr noch etwas erzählen. Daher setzte ich mich vorsichtig an die Bettkante und neigte den Kopf. „Mein Name ist Cassian Grey. Haben Sie keine Angst, ich will Ihnen nichts Böses“, sagte ich ruhig und ignorierte das laute Dröhnen in meinem Kopf.

Doch die Frau hörte mir nicht zu, sondern röchelte nur weiter etwas Unverständliches. Ich hielt inne. An ihrem Gesicht konnte ich sehen, das sie eine gütige Frau war. Sie hatte Lachfältchen und ihre, dennoch trüben Augen, sahen freundlich aus. Sie muss eine wunderbare Mutter gewesen sein. Nachdem ich gewartet hatte und sie sich nicht beruhigte, fing ich einfach an zu sprechen. „Ich bin hier, um Sie mit ihrer Tochter zu vereinen. Ihren Mann geht es auch gut, er ist nun bei ihr.“ Ich versuchte freundlich zu lächeln und deutete auf meinen Arm. Sie starrte mich an, entsetzt und hatte Tränen in den Augen. „Melody hat Sie sehr geliebt. Ich wollte es wirklich nicht….“, ich senkte den Kopf und unterdrückte die Bilder, die mein Gehirn jedes Mal bei diesem Namen abspulte. Diesmal wollte ich mich fest auf das ernsthafte Reden konzentrieren. „Ich weiß das es durch nichts zu entschuldigen ist. Aber ich werde die Familie wieder zusammen bringen!“ Meine Stimme klang enthusiastisch und ich setzte mich auf. Ich holte das Messer hervor und zeigte auf Melodys Namen auf meinen Arm. „Hier ist sie verewigt. Ich verspreche, ich werde sie nie vergessen. Und ich habe Platz für Ihren Namen gelassen, damit sie für immer vereint werden.“ Melodys Mutter hatte angefangen zu wimmern und tastete auf dem Nachtschränkchen nach etwas. Ich lächelte sie beruhigend an. „Freuen Sie sich denn nicht auf ein Wiedersehen?“

„…. Du….“, krächtzt sie, „Du bist krank.“ Ich ließ den Arm sinken und schaute die Frau an.

„Ich weiß“, erwiderte ich ruhig und verstärkte den
Griff um das Messer. Warum erzählt mir jeder das Gleiche? Warum nahmen sie meinen Versuch zu Helfen nicht an? Ich fasste mir an den Kopf. Ein Schmerz schoss mir durch den Hinterkopf, bis zur Stirn und ich keuchte auf. Aber so kurz vorher wollte ich nicht aufgeben. So kurz davor, Melodys Familie zu vereinen.

„Ich werde Sie jetzt zu ihr bringen…“, sagte ich leise. Immer noch panisch schmiss Melodys Mutter das Glas Wasser vom Nachttisch, als sie nach dem Telefon grabschte. Wir zuckten beide bei dem Klirren des zerbrochenen Glases zusammen. Die Glassplitter funkelten  im Schein der kleinen Lampe und für einen Augenblick verlor ich mich fasziniert in diesen Anblick, bis ich mich zusammen riss und meinen Blick wieder auf die Frau richtete.  „Warum halten sie denn nicht still?“, sagte ich enttäuscht. Ich war frustriert. Mir war klar gewesen, dass ihre Eltern traurig wären, wenn ich ihnen die Wahrheit sagte. Aber ich hatte jeden gottverdammten Tag in meiner Zelle damit verbracht, mir die bestmöglichste Art zur Begleichung meiner Schuld zu suchen.  Natürlich würde ich nie etwas tun können, was das zähe Pech dieser Tat von mir waschen könne, aber wenigstens Kleinigkeiten… So wie Melody ihre Eltern zu bringen und ihnen die Wahrheit zu beichten. „Warum lässt niemand zu, das ich mich gut fühle…?“, flüsterte ich und legte ihr die Klinge an die Kehle, woraufhin sie erstarrte. „Warum seid ihr alle gleich? Warum ist diese Welt so, wie sie ist? Warum kann sie nicht wie die Welt in meinem Kopf sein?“, fragte ich leise weiter und starrte Isabelle  in die weit aufgerissenen Augen. „Warum gibt es in meinem Buch nie ein Happyend? Warum kann ich bei meinem Spiel die Schwierigkeit nicht selbst bestimmen? Warum endet mein Alptraum nie?“, murmelte ich weiter. Es tat weh in diese freundlichen Augen zu starren. In die Augen einer guten Mutter. „Warum habe ich niemanden?“ Diese Frage beantwortete ich mir selbst. „Weil ich es alles vermassele…“ Ich drückte die Klinge tiefer in das Fleisch ihrer Kehle. „Sie sind eine gute Mutter. Gehen sie und kümmern sie sich um ihr Kind.“ Ich zog die Klinge durch und mir spritzte Blut ins Gesicht. Melodys Mutter gurgelte und spuckte Blut, ehe ihre Augen nach oben rollten und sie starb. Kurz und schmerzlos. Ich stand auf und ritze ihren Namen, dich neben Melodys in meinen Arm. Und lächelte.

„Jetzt hast du deine Familie wieder“, flüsterte ich und sank auf die Knie, um zu weinen.

~Nichts macht dich so kaputt, wie du dich selbst. Du kannst nur so glücklich leben, wie du es zulässt. Halte dich an dir fest. ~

 

Ich schloss die Tür hinter mir und starrte in die Nacht. Die frische Luft tat meinen brummenden Schädel gut. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie Melody ihre Eltern umarmte. Mit ihrem fröhlichen, hellen Lachen. Unwillkürlich musste ich auch lächeln. Mit dem schließen dieser Tür, schloss ich auch einen Teil meiner Schuld ab. Jedoch würde ich nie aufhören, mit ihr abzuschließen. Es gab viel zu tun.

Ich streckte mich einmal und ging den Kiesweg vor dem großen Haus entlang. Der Mond schien hell und warf lange Schatten. Ich versank auf dem Weg in meine Traumwelt und begrüßte alle meine Freunde dort. Ich war lediglich eine blasse Gestalt auf der dunklen Straße, die den Blick starr nach vorne gerichtet hatte. Ich war Cassian Grey, der der seiner Erinnerung beraubt wird.

Ich liebe dramatische Enden. Aber das hier ist kein Ende.

(Autor: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Benutzer:Kuraiko,_Kind_der_Dunkelheit])

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