Charlotte – 02
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Das hier ist Teil zwei einer mehrteiligen Geschichte. Teil 01 ist hier
Der Kontrast zwischen der frischen Luft von draußen und der Staub verhangenen, die meine Lungen hier drin erwartete, war so stark und abrupt, dass ich erstmal husten musste, als wir das Innere des alten Hauses betraten. Alles war ziemlich düster und ich war genauso schlau wie am Beginn unseres kleinen Abenteuers. Wo sollte ich anfangen?
„Also, du bist dir ganz sicher, dass wir hier richtig sind, ja?“, fragte ich Charlotte, ohne mich ihr wirklich zuzuwenden. Bei ihrer lästigen Angewohnheit, ständig zu verschwinden und an den unmöglichsten Orten wieder aufzutauchen, hielt ich es für sinnvoller, einfach in die Luft zu sprechen. Jedes Mal nach ihr zu suchen würde mich noch wahnsinnig machen.
„Ich bin mir ganz sicher, dass ich heute gestorben bin.“, erwiderte sie. Das waren ja wundervolle Aussichten.
Zumindest war das Innere des Hauses leer, so weit ich das beurteilen konnte – ich hatte schon mit einer Geistersause vom allerfeinsten gerechnet – allerdings war das hier auch erst die Eingangshalle.
Das Erste, worauf ich blickte, war eine breite Treppe – aus welchem Material wusste ich natürlich nicht – aber auf jeden Fall machte sie einen edlen, imposanten Eindruck auf mich. Andererseits kam das von jemandem, für den es schon Luxus war, wenn er sich an einem Sonntag auch mal Ketchup zu seinen Pommes leisten konnte. Viel mehr gab die Eingangshalle auch nicht her.
Gemalte Portraits von Personen, die mir nichts sagten, zierten die Wände, Vorhänge, die von den Decken hingen und kein Licht herein ließen und dunkler, hölzener Boden, der dafür sorgte, dass sich jeder meiner Schritte anhörte, als hätte ich Elefantengene, wenn sie von den Wänden wiederhallten.
Dann wollten wir doch mal anfangen.
„Wie alt bist du eigentlich?“, eine Frage, die ich ihr vielleicht schon etwas früher hätte stellen können, verließ meine spröden Lippen, während ich langsam weiter durch die Halle schritt.
„Ich glaube, ich bin 11 geworden.“, piepste ihre Stimme durch die Dunkelheit. Mh. Lag ich garnicht so falsch, dachte ich bei mir, während meine Finger durch den dicken, staubigen Belag einer kleinen Holzkommode strichen. Warum ich das tat, wusste ich selbst nicht. Anscheinend wollte ich meine Abwehrkräfte testen.
„Weißt du denn wenigstens, wo genau du gestorben bist?“, fragte ich weiter und ließ die Blicke nun über die Bilder schweifen.
„Es war dunkel und… sehr kalt. Zumindest zuerst, und dann…“, sie sprach nicht weiter. Na, Das grenzte die Sache ja sehr ein. Ich erwiderte nichts. Stattdessen blieb mein Blick an einem der Portaits hängen. Es zeigte einen Mann, der düster auf uns herabstarrte. Sein Schnurrbart verdeckte seine Lippen, deshalb konnte ich nicht deuten, ob er lächelte – aber wenn er es tat, reichte es nicht bis zu seinen , von dunklen Schatten unterlegten Augen. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Charlotte stand plötzlich neben mir. Sie starrte ebenfalls auf das Bild und ihr Blick wirkte etwas verloren, als wäre sie mit den Gedanken ganz wo anders. Ich schielte zu ihr herunter.
„Das ist mein Vater. Aber auf dem Bild sieht er garnicht aus wie früher. Das Bild ist… falsch…“, die letzten Worte murmelte sie eher zu sich selbst. Verwundert sah ich wieder nach vorn. Was sollte daran falsch sein? Der Mann sah ganz normal aus, abgesehen von der einschüchternden Haltung und dem düsteren Blick. Ich wollte der Sache gerade näher auf den Grund gehen, als ich die Luft anhielt. Schritte.
Sie waren leise, aber sie waren eindeutig da. Und sie näherten sich.
„Charlotte, wer-„, oh nein. Ernsthaft? Ausgerechnet jetzt!? Ich drehte mich um. Keine Charlotte. Auch nicht auf meiner anderen Seite. Verdammt, was sollte ich jetzt tun? Panisch blickte ich mich um, während die Schritte immer lauter hallten – fast wie meine eigenen. Das bedeutete, dass das, was auch immer da kam, nah sein musste. Ich machte einen Schritt, immernoch panisch und erst da bemerkte, dass es hinter der riesigen Treppe einen Hohlraum gab. Er war zu beiden Seiten einsehbar – also wohl kein ideales Versteck, aber vielleicht düster genug, dass man mich nicht entdecken würde.
Gerade rechtzeitig duckte ich mich darunter, denn im selben Moment wurde eine Tür geöffnet und ein langer Schatten fiel in die Eingangshalle. Und wenn ich sage lang, dann meine ich lang.
Es dauerte eine ganze Weile, bis dem Schatten schließlich auch eine Gestalt folgte. Füße, die in polierten, schwarzen Schuhen stecken. Mit angehaltenem Atem und pochendem Herzen beobachtete ich, wie sich Beine in die höhe streckten, die dünn wie Äste schienen und den unproportional langezogenen Oberkörper, der darauf balancierte. Der Zylinder, der auf dem Kopf der Person thronte, sah im Vergleich zum Rest albern klein aus.
Es war ein Mann. Aber sein Körper ragte beinahe bis zur Decke. Die langen, dünnen Gliedmaßen schlacksten umher, während er sich bewegte und dennoch mit einer gewissen Anmut über den Holzboden schritt. Ich achtete darauf, keinen Mucks von mir zu geben.
„Ich erwarte Präzision und vor allem Diskretion.“, ertönte seine tiefe, dröhnende Stimme. Ich hatte das Gefühl, mein Trommelfell würde mir von der Vibration gleich aus den Ohren springen.
„Natürlich, natürlich! Es ist alles geplant, Sir, garkeine Probleme, Sir!“, erst jetzt bemerkte ich, dass der Mann nicht alleine war. Jemand lief ihm hinterher – ein weiter Schatten, dick und plump und klein. Vielleicht auch nur klein im Vergleich zu seinem Vorgänger. Er buckelte vor ihm und machte einen unterwürfigen Eindruck.
Als er ins Licht trat, japste ich nach Luft. Viel zu laut, wie ich fürchtete und schlug mir sofort beide Hände vor den Mund. Er war grotest entstellt. Sein Gesicht war deformiert, seine dicke Hakennase stand so weit hervor, dass sie fast eher an eine Schnauze erinnerte und dunkle, braune Haare sprießten aus seinem Körper, im Gesicht, an den Armen, vereinzelte aus der Kopfhaut. Die Fingernägel waren lang und schief, eine Auge war zugewachsen, das andere quillte etwas aus seiner Höhle hervor – doch das schlimmste war der fleischige, glänzende, rosane Schwanz, der hinten aus seinem weißen, dreckigen Kittel fiel und über den Boden schleifte. Beide drehten ihre Köpfe augenblicklich in meine Richtung.
Jetzt konnte ich auch den riesigen Schnurrbart sehen, den der lange, dünne Mann im Gesicht stehen hatte. Und er kam mir sofort bekannt vor. Er verengte die Augen zu schlitzen und starrte unter die Treppe. Hatte er mich entdeckt? Er machte einen Schritt auf mich zu, dann noch einen… und plötzlich, ganz langsam, breitete sich ein Grinsten auf seinen Lippen aus, das immer größer wurde und eine Reihe gerader, gelber Zähne freilegte. Breiter und breiter wurde es, als würde es langsam über die Ränder seiner Gesichtes hinauswachsen. Doch seine Augen funkelten genauso kalt und unberührt wie zuvor. Genauso kalt wie auf dem Bild. Jetzt wusste ich, was Charlotte gemeint hatte, als sie sagte, dass es falsch war.
Er hob eine Hand und streckte seine langen, dünnen Finger nach mir aus. Ich rührte keinen Muskel. Ekel durchzog mich, als sein kalter Finger mein Gesicht berührte, weiter wanderte und eine meiner Haarsträhnen ergriff. Seine Haut roch nach Parfum und Tod. Auf der Zeichnung war ein Mensch gewesen. Das hier war ein Monster.