ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Mein Name ist Caroline. Ich habe kurzes, schwarzes Haar und bin 9 Jahre alt. Und ich habe Angst. Sehr große Angst. Aber das ist schon auch alles, was ich über mich weiß. Mehr nicht. Manchmal wünsche ich mir, mehr über mich selbst zu wissen, aber ein bisschen habe ich auch Angst davor. Ich weiß nichts über mich und meine Vergangenheit, weil meine Eltern schon gestorben sind, als ich ein Baby war. So wird es uns hier, in dem Waisenhaus, allen erklärt. Und niemand fragt nach. Nie. Keine Fragen.
Wir mögen unsere Betreuerin, oder eher die Leiterin des Hauses, nicht. Sie ist groß und schlank aber das Schlimmste ist, dass überall, wo sie den Raum betritt, scheint die Temperatur zu sinken. Wir müssen oft seltsame Dinge für sie tun oder seltsame Lieder für sie singen. Sie sagt, ihr würde das Freude machen, doch sie sieht definitiv nicht so aus, als wäre sie glücklich. Wir trauen uns nicht noch einmal nachzufragen. Stattdessen tun wir es einfach. Ob das falsch ist? Wir sind junge Kinder. Wir konnten es weder richtig noch falsch zuordnen, was wir da tun.
Heute ist wieder so ein Tag. Wir sitzen stillschweigend an dem einzigen Tisch des Hauses und schlürfen unsere Suppe. Einen Koch oder Köchin gibt es nicht. Das macht die Leiterin. Wir nennen sie die dunkle Lady. Sie kocht nicht schlecht, auch wenn es manchmal Dinge drin hat, die mir seltsam erscheinen. Als die Lady also den Raum betritt, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich wage es nicht in ihre schwarzen Augenhöhlen zu sehen, sondern rühre gehorsam weiter in der Suppenschüssel. Es ist unerträglich. Schon öffnet sie den Mund und eine krächzende, kratzige Stimme sagt: „Heute werden wir Klavier spielen.“ Die anderen Kinder zeigen keine Reaktion. Ich auch nicht. Aber in meinem Magen macht sich ein flaues Gefühl breit.
Ein blutrotes Klavier steht im Keller des Hauses. Nein, der Name dieses wertvollen Stückes von Klavier ist mir bekannt. Ein Flügel. Doch das Rot, in dem er glänzt, macht mir Angst. Die Lady streckt einen knorrigen Finger aus und deutet auf ein anderes Mädchen. „Du sollst als Erste spielen!“, befiehlt sie und das Mädchen setzt sich wimmernd auf den ebenfalls roten Klavierhocker. Sie muss genauso Angst haben wie ich. Sie berührte die Tasten zaghaft. Ob wir Klavier spielen können? Niemand hat es uns beigebracht. Niemand von uns kann es. Doch als die Finger des Mädchens an die Tasten gekommen waren, zuckt sie heftig zusammen und fängt an die Fingerspitzen auf unterschiedliche Tasten zu drücken. Das Lied wird immer dramatischer, schneller, bis sie sich schreiend von dem Klavierhocker reißt und ihre Finger zitternd auf den weißen Teppich drückt. Ein enormes Gefühl der Angst wächst in mir als ich sehe, dass in den Fingerkuppen dunkelrote, riesige Löcher sind. Das Blut tropft aus ihnen und beschmutzt den makellosen Teppich. Ich schaue schockiert auf. Die dunkle Lady lächelt. Das erste Mal seit ich sie kenne. Und sie entblößt dabei messerscharfe, blankpolierte Zähne. „Du bist jetzt dran, Caroline.“
Das andere Mädchen hat niemand mehr gesehen. Ich glaube, sie ist gestorben. Ich hoffe aber ganz fest, dass sie noch lebt. Die Lady lässt uns das jetzt jeden Abend machen und es passiert immer mit mehr Kindern. Doch am meisten spiele ich. Wieso? Die dunkle Lady sagt: „Dein Blut spielt die schönsten Lieder, Caroline.“ Aber wenn das Blut spielt, tut das so weh. Die dünnen Nadeln jeder einzelnen Taste bohren sich durch deine Finger und du kannst mitansehen, wie sie an den Unterflächen deiner Nägel kratzen. Du siehst wie dein eigenes Blut durch den Flügel pulsiert und ihn mit Melodien erfüllt. Am Schlimmsten ist es jedoch, wenn ich mit dem Pedal spielen muss. Deine Füße werden an den Pedalen festgenagelt und es wird immer schwieriger für mich zu laufen. Dieser Schmerz ist unerträglich. Ich spüre auch die Auswirkungen des Blutverlusts und ich taumle mehr als einmal am Tag, bis ich nicht mehr normal laufen kann. Man könnte sogar meinen, dass man sich daran gewöhnt. Aber jeden Abend habe ich mehr Angst als je zuvor. Angst, dass ich heute sterben könnte. Angst, dass es vorbei ist.
Eines Tages kommt die Zeit, in der ich keine Angst mehr habe. Ich will einfach sterben. Dem Ganzen ein Ende machen. Doch selbst wenn mein Ziel ist zu sterben, so werden ab und zu die Schmerzen so schlimm, dass ich wegspringen muss. Weg von dem Flügel. Doch dann hört er nicht auf, der Schmerz. Er geht einfach immer weiter, bis der Ton verklungen ist. Ich schreie nicht, aber innerlich tue ich es. Mach dass es vorbei ist!
Und wisst ihr, an welchem Tag es dann endlich vorbei war? Es war der Tag, an dem ich meinen Selbstmord geplant hatte. Doch leider kam mir die dunkle Lady zuvor. Wie schön wäre es gewesen, wenn ich doch einfach Selbstmord hätte begehen können. Aber nein. An diesem Tag war ich alleine, denn alle anderen Kinder waren schon tot. Ihre Leichen lagen um den Flügel und speisten ihn. Doch an diesem Tag bat mich die Lady noch ein letztes mal ein Lied zu spielen und ich musste. Ich tat es. Damit es endlich vorbei ist.
Als ich mich setze, schlingt sich eine blutrot, pulsierende Schlange um meinen Bauch. Sie schlägt ihre Zähne in meinen Bauch und ich fange an zu spielen. Ich spiele und spiele. Aber es geht nie vorbei. Erschrocken starre ich zu der Lady. „Es ist unendlich“, lächelt sie. Und dann merke ich, wie durch die Schlange das Blut der Kinder in mich fließt.
Es ist unendlich.