MittelRomantischer Horror

Der Fluch des Heidenwalds

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Im Süden Deutschlands gibt es viele Wälder. Es gibt alte Wälder und jüngere. Und es gibt diesen einen, der älter ist als all die anderen, schöner und majestätischer, dichter und dunkler, und vor allem zorniger. Der Heidenwald.

In seinem Zentrum steht eine mächtige, alte Eiche. Sie überragt den gesamten Wald und ihre Wurzeln reichen tief ins Erdreich. Es braucht 12 wackere Männer, um ihrem Stamm zu umschließen, und ihre Rinde ist so hart, dass man sie niemals fällen konnte. Aber das vermutlich Geheimnisvollste ist ihre Stimme; denn wenn der Wind durch ihre Blätter streift, so sagt man, könne man die alte Eiche flüstern hören…

Ich habe Wälder schon immer respektiert, aber als ich damals die Legende zum ersten Mal hörte, schenkte ich ihr keinen Glauben. Ich hatte als Kind oft in diesem Wald gespielt, aber ich glaubte nicht an Märchen. Doch viele der Alten hier taten es. Vor allem wegen der seltsamen Vermisstenfälle, die sich immer wieder im Wald ereigneten. Früher waren es Holzfäller und Wanderer, später Jugendliche und Obdachlose. Es müssen so um die 50 Fälle gewesen sein, wenn nicht sogar mehr, da die Geschichten Hunderte von Jahren zurückreichen und nicht alle überliefert sind. So wurde schnell das Übernatürliche ins Spiel gebracht und letztlich war es scheinbar der Wald selbst, der dafür verantwortlich gemacht wurde. Erst vor kurzem verschwanden wieder zwei junge Männer dort. Sie wurden nie gefunden, nicht ein einziger Anhaltspunkt, obwohl ihre Fotos überall in den Zeitungen abgedruckt waren.

Aber hier in unserem Stadtmuseum wird dem Ganzen ein Denkmal gesetzt. Eine Ausstellung über die Legende und die Fälle, hübsch arrangiert mit Fotos von einzelnen Kleidungsstücken, die als Beweise dienten, Fußabdrücke, die im Nirgendwo enden, abgesperrte Bereiche mit Polizisten und Schaulustigen dahinter und keine Aufklärung in Sicht.

Gerade als ich genug von den Bildern hatte und mich zum Gehen wandte, fiel sie mir zum ersten Mal richtig auf: Quercia, die Neue in meiner Klasse. Der Name war schon seltsam, genau wie ihr Verhalten. Sie war immer sehr ruhig, sagte kaum etwas im Unterricht und schien mehr damit beschäftigt zu sein, aus dem Fenster zu sehen. Trotzdem mochte ich sie irgendwie. Ich hatte eben etwas übrig für Mädchen mit braunen Haaren und braunen Augen. Die Anderen nannten sie gerne eine „Hippiebraut“, was wohl an ihrem allgemeinen Stil lag. Sie hätte gut in die 70er gepasst und es schien mir passend, sie auf einer Ausstellung über Bäume anzutreffen. Während ich sie so anstarrte, merkte ich nicht, wie sie lächelnd auf mich zukam und mich anstuppste.

„Du interessierst dich also auch für den Wald?“, fragte sie mich grinsend. Ich blinzelte kurz und nickte. Sie drehte sich wieder zu den Bildern um und sah sie verträumt an. „Wälder sind etwas Wundervolles, so ruhig und schön, fast ein bisschen wie ich“, kicherte sie. Sie hatte Recht, in beiden Punkten.

Wir unterhielten uns noch lange über die Ausstellung, und je mehr ich mit ihr sprach, desto sympathischer wurde sie mir. Also beschloss ich, sie auf einen Kaffee einzuladen, was sie auch freudig annahm. Ich genoss diesen Nachmittag mit ihr, ich hatte mich selten so wohl gefühlt. „Hast du Lust auf einen Waldspaziergang?“, fragte sie mich. „Ein romantischer Spaziergang zum Abschluss des Tages?“, entgegnete ich und zwinkerte. Sie lachte, „Wenn du es so ausdrücken willst.“

Es dämmerte bereits, als wir am Waldrand ankamen, trotzdem fühlte ich mich nicht unwohl oder gar ängstlich, sondern eher entspannt. Zwar hatte ich noch die Bilder der Ausstellung im Kopf, doch mit Quercia an meiner Seite störte mich das nicht. Wir schlenderten die Wege entlang und unterhielten uns weiter. Ich erzählte ihr, wie ich als Kind hier gespielt hatte oder einfach nur umherlief, um den Kopf frei zu bekommen, wie schön ich die Sonne über den Wipfeln der Bäume fand oder wie ich die Tiere hier beobachtet hatte und mich freute, wenn ein Eichhörnchen mal näher als gewohnt an mich herankam. Sie lächelte und hörte mir zu. Durch meine Redseligkeit bemerkte ich nicht, wie weit wir in den Wald gegangen waren, und als ich meinen Blick von ihr löste und nach vorne schaute, erkannte ich die alte Eiche genau vor uns. Sie war größer, als ich es in Erinnerung hatte. Quercia ging auf sie zu und legte ihre Hand auf den Stamm. Ich folgte ihr. „Ich bin zuhause“, flüsterte sie. Gerade als ich fragen wollte, was sie damit meinte, hörte ich es. Ein anderes Flüstern, die Worte waren unverständlich, aber es war eindeutig ein Flüstern. „Was war das?“ fragte ich erschrocken, und in diesem Moment fiel mir der Rest der Legende wieder ein.

Die Menschen erzählten, sie flüstere zu Gott, dass er ihr ein Kind schenke, und Gott antwortete. Im 16. Jahrhundert gebar ein junges Mädchen aus der nahe gelegenen Stadt ein Mädchen. Doch sie konnte das Kind nicht behalten, zu groß war die Schmach und die Strafe, denn sie war nicht verheiratet, das Kind war die Frucht einer gar hastigen Liebe. So kam es, dass sie des Nachts das Kind am Fuße der alten Eiche ablegte und es dort seinem Schicksal überließ.

Die Eiche nahm sich des Kindes an, ihre Wurzeln wurden zu seiner Wiege und der Tau auf ihren Blättern war seine Milch. Ihre gewaltige Krone schirmte das Kind vor dem Regen und spendete Schatten in der Hitze des Sommers. Das Kind wuchs zu einer jungen Frau, man sah sie oft am Rand des Waldes, jedoch verließ sie ihn niemals. Im Laufe der Jahre sah man sie immer seltener, bis sie irgendwann verschwand. Die Leute erzählen bis heute, sie sei eins mit dem Wald geworden, um ihre Mutter zu beschützen, so wie sie immer von ihr beschützt wurde.

„Das ist meine Mutter“, sagte Quercia mit ruhiger Stimme. Ich wich ein paar Schritte zurück. Das Flüstern wurde lauter, aber ich verstand es immer noch nicht. „Deine Mutter?“, hakte ich nach. Quercia drehte sich um und blickte mir direkt in die Augen. Ihre braunen Augen funkelten wie die Sterne, und obwohl ich nicht wusste, was hier geschah, hatte ich keine Angst.

Plötzlich riss der Boden unter mir auf und ich stürzte in ein Loch. Hart schlug ich auf, doch es war keine Erde oder Stein. Es fühlte sich seltsam an. Das Licht schien durch die Öffnung über mir, und als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich, auf was ich lag. Es waren Leichen. Leichen in allen möglichen Stadien der Verwesung, Skelette, Mumien, verrottendes Fleisch, sogar die beiden jungen Männer, die erst seit kurzem vermisst wurden, lagen tot in dieser Höhle. Ich schrie, so laut ich konnte, aber niemand schien mich zu hören, auch Quercia nicht. Langsam krochen Angst und Verzweiflung in mir hoch, ich suchte panisch nach einem Ausweg. „Quercia?“, schrie ich, „Wieso hast du all diese Menschen umgebracht?“. Da hörte ich wieder das Flüstern, nur dieses Mal verstand ich die Worte: „Quercia ist unschuldig“.

Ich hielt inne. Es war die alte Eiche selbst, die zu mir sprach. „Ich tötete…, ich beschütze…, ich bin der Wald“. Ich bewegte mich nicht, ich wollte es nicht. Die Ruhe, die in diesem Flüstern lag, war unglaublich. „Aber ich habe dir nie etwas getan, ich hatte immer Respekt vor dir und allem, was hier lebt“, rief ich, „warum willst du mich töten?“ Die gesamte Höhle schien zu pulsieren. „Nicht töten…, neues Leben…“

Ich spürte, wie mich etwas umschlang. Es waren die Wurzel der Eiche, sie bewegten sich. Vorsichtig hoben sie mich aus der Höhle nach oben. Ich kletterte aus dem Loch und sah mich um. Ich suchte nach Quercia, aber ich konnte sie nicht sehen. Als ich mich mehrmals um mich selbst gedreht hatte, erkannte ich im Mondlicht, wie sie hinter der Eiche hervortrat. Sie war vollkommen nackt und kam auf mich zu. „Verstehst du es?“, fragte sie mich, „Sie mussten sterben, weil sie keinen Respekt vor meiner Mutter und dem Wald hatten. Sie tat nur, was sie tun musste, um zu überleben.“ Ich war noch immer wie gelähmt, als sie genau vor mir stand. Ihre weiße Haut schien zu glitzern. Zärtlich strich sie über meine Wange, „Mutters Zeit neigt sich dem Ende zu, und wir werden ihren Platz einnehmen müssen.“ Ich sah in ihre funkelnden braunen Augen. „Neues Leben“, murmelte ich. „Genau“, sagte sie und lächelte, „Du warst dem Wald schon immer verbunden, du warst mir schon immer verbunden“.

Und so ergab ich mich meinem Schicksal; auf der Lichtung vor der alten Eiche schliefen wir miteinander, während die Wurzeln uns langsam und behutsam umschlossen.

Und heute sehen wir alles, unsere Krone fängt den Regen und spendet Schatten. Unsere Wurzeln sind eine Wiege und der Tau auf unseren Blättern ist unsere Milch. Wir vernichten jeden, der uns schändet. Wir beschützen jeden, der uns respektiert. Manchmal bewegen wir einen kleinen Zweig und streicheln unsere Tochter, die auf unserem Stamm sitzt und die Eichhörnchen beobachtet. Wir lieben ihre braunen Haare und Augen, ihre weiße Haut glitzert. Wenn du das nächste Mal im Wald bist, dann höre genau zu, wenn wir flüstern.

Wir sind der Wald.

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