ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich bin im Bürogebäude in dem ich arbeite, und stehe im Gang. Die Deckenbeleuchtung ist aus und es herrscht ein trübes, graues Licht wie bei einem Gewitter. Die Quelle des Lichts vermag ich nicht zu erkennen, Fenster gibt es nicht. Die Luft ist dick und schwer, bei jeder Bewegung scheinen sich Wirbel zu bilden, die ich nicht wirklich sehen sondern vielmehr erahnen kann. Ich kann mich nicht erinnern, was vor diesem Moment passiert ist und mein Kopf fühlt sich seltsam dumpf an. Mit mir stehen noch andere auf dem Gang und mir fällt ein, warum. Wir haben eine neue Auszubildende bekommen und Kollege F hat eine Schnitzeljagd angeordnet, damit sie sich im Gebäude besser zurechtfindet. Warum mir das nicht seltsam vorkommt …
Die Neue steht neben mir, doch ich kann ihr Gesicht nicht wirklich erkennen. Sie ist jung (maximal 20 Jahre alt), schlank und hat schulterlanges, glattes, braunes Haar, ihre Kleidung ist hell. Natürlich hat sie Gesichtszüge; einen Mund und Augen, aber das Gesicht im Ganzen zu erfassen ist mir nicht möglich. Da ist auch noch die andere Auszubildende, D, die ich aber klar sehen kann. Sie und die Neue sind wohl in einem ähnlichen Alter und von ähnlicher Statur, nur dass D’s Haar lang und blond ist. Ihre Haltung und Mimik verraten mir, dass sie keine Lust auf diese Aktion hat. Sie wirkt gelangweilt, während die Neue voll freudiger Erwartung zu sein scheint. Kollege F, ein Hüne von Mann mit einem gestreiften T-Shirt hat ein breites Grinsen aufgesetzt. Er hat wohl irgendeinen Schabernack im Sinn. Mein Zimmerkollege ist nicht dabei. Wenn er auch eigentlich für jeden Unsinn zu haben ist, hat er die Teilnahme an der Schnitzeljagd verächtlich abgelehnt. Er müsse wichtige Angelegenheiten mit der Führung besprechen, meinte er.
Da wir vollzählig sind, beginnen wir. Der Gang ist genau so kurz wie immer und wir gehen recht zügig. Aus irgendeinem Grund kommen wir aber nur sehr langsam voran. Unsere Schritte verursachen keinerlei Geräusche und mir fällt auf, dass ich nichts riechen kann. Gar nichts, keinen der typischen Bürodüfte. Wir gehen eine lange Zeit geradeaus und es wird immer dunkler, das Licht wird immer kränker. Außer uns scheint kein anderer Mensch mehr im Gebäude zu sein und je weiter wir vorankommen, desto stärker wird in mir ein unbestimmtes Gefühl der Gefahr. Etwas ist hier.
F, der vergnügt voran geht bleibt schließlich vor einer geschlossenen Tür stehen und sieht mich mit einem Ausdruck an, als hätte er mir ein Furzkissen auf den Stuhl gelegt. Ich will nicht in diesen Raum. „Och, da war ich schon lange nicht mehr drin!“, trällert er und bevor ich etwas dagegen tun kann, reißt er die Tür auf und springt beiseite. Das Ding, das in dem verlassenen Büro gelauert hat greift mich sofort an. Ich kann es nicht erkennen, obwohl ich es sehen kann. Der Umriss ist menschlich, doch die Gestalt ist nicht greifbar, obwohl sie aus festem Material besteht. Sie ist amorph und entstellt, darum ich bin froh, dass ich sie nicht genauer sehen kann. Ich reagiere schnell, ziehe meinen Revolver und entleere die Trommel in den Angreifer. Das Ding liegt jetzt ausgestreckt auf dem Gang, immer noch nicht zu erkennen. Kurz frage ich mich, woher ich den Revolver überhaupt habe und weiß irgendwie, dass die Trommel wieder mit neuen Patronen geladen ist. Ich halte mir die Waffe vor das Gesicht und mustere sie genauer, dann stecke ich sie in das Halfter, welches plötzlich an meinem Gürtel hängt. „Wird schon seinen Sinn haben.“, denke ich mir.
„Hoppla.“, feixt F und schlendert gemütlich weiter. Er wusste genau, was uns dort drin erwartet. D stapft missmutig über den Kadaver hinweg und gibt murmelnd ihre Langeweile kund. Die Neue strahlt einfach nur über das ganze, unerkennbare Gesicht und hat bis jetzt noch kein Wort gesagt. Ich wundere mich, dass ich keine Angst habe und dass ich mich eben nicht über den Angriff und die Kreatur wundere. Keine Panik, keine Furcht, nur dieses immer stärker werdende Gefühl der Fremdheit und Unwirklichkeit erfüllt mich. Es drängt alles andere aus meinem Geist, alles was mich ausmacht und mich in der Realität hält. Ist meine Umgebung so surreal oder beginne ich selbst über die Grenzen dessen, was auf Erden normal und sinnvoll ist hinwegzugleiten? Ich kichere über diesen ach so poetischen Gedankengang. Das Geräusch durchdringt die dicke Luft nur mühsam, wie jemand, der durch Gelee zu schwimmen versucht.
Wir gehen weiter und F bleibt am nächsten Raum stehen. Es ist die Herrentoilette und mit diebischem Vergnügen reißt er auch diese Tür weit auf. Der Raum ist leer. Ich hätte das Übliche erwartet: Waschbecken, Papierhandtücher und die Zwischentür zu den WCs, aber er ist einfach nur leer. Am Ende des
Ganges kommt eine weitere Tür in Sicht und diese scheint unser Ziel zu sein. Es ist mittlerweile pechschwarze Nacht, trotzdem kann ich sehen. Alles wird immer verzerrter und abnormer. Der Ausdruck der Freude bei der Neuen wirkt wie eingefroren, ihr Gesicht ist jetzt wächsern und tot, wie bei einer unheimlichen Puppe. Das Grinsen F’s ist mittlerweile breiter als sein Gesicht, ragt auf beiden Seiten darüber hinaus. D umgibt eine schwarze Wolke aus Aggression und gleichzeitig wirkt sie vollkommen lethargisch. Ich bin froh, dass es keine Spiegel gibt und ich nicht sehen muss, was aus mir geworden ist. Oder bin ich das einzig normale in dieser entarteten Welt?
Wir sind bei der Tür am Ende des Ganges. Sie ist groß und wirkt jetzt wie ein altes Doppeltor. Die Gruppe sieht mich erwartungsvoll an und ich versuche sie zu öffnen, auch wenn ich dort überhaupt nicht hindurch will. Sie ist verschlossen und ich weiß, dass die erste Aufgabe der Schnitzeljagd darin besteht, den Schlüssel zu finden. Auf meinem Kopf scheinen tausende Tonnen Druck zu lasten und die Verzerrung des mittlerweile zunehmend amorphen Universums nimmt weiter zu.
Glücklicherweise wache ich in diesem Moment auf und alles was bleibt ist eine leichte Verwirrung und die Erkenntnis, dass ich wohl zu eingehend über den Geschichten Lovecrafts gebrütet habe. Ich blicke auf den Wecker und stelle fest, dass ich schon längst hätte aufstehen müssen, schließlich muss ich zur Arbeit. Im Eiltempo mache ich mich fertig und haste aus dem Haus. Als ich schließlich in der Bahn sitze, merke ich, dass es draußen dunkel ist, obwohl keine Wolke am Himmel zu sehen ist. War das auch schon auf meinem Weg zum Bahnhof so? Ich kann mich gar nicht an den Weg erinnern. Bestimmt bin ich noch etwas benommen von dem, was mir mein Unterbewusstsein des Nachts vorgesetzt hat. Nachdem ich die Augen zugekniffen und den Kopf energisch geschüttelt habe, werfe ich erneut einen Blick aus dem Fenster. Obwohl zu spüren ist, dass sich die Bahn sehr schnell bewegt, kriecht die Landschaft in Zeitlupe dahin.
Einbildung! Hoffentlich…
von 10. Mai 2016