EigenartigesLangeLegendenMicroMysterieObjektePsychologischer HorrorTiere

Der Händler

Ich traf einen Händler, ich hätte sein Angebot ablehnen sollen, der Preis war zu hoch.

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hallo. Ich bin hier, um euch eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte über ein bemitleidenswertes Individuum, das viele Fehler gemacht hat und immer nur andere dafür verantwortlich gemacht hat. Sogar demjenigen, der ihm nur bei seinen Problemen helfen wollte. Aber genug von mir, lassen wir ihm doch die Geschichte aus seiner Sicht erzählen, aber Vorsicht. Vielleicht lernt ihr ein paar Lektionen…

 

 

Kennt ihr das, wenn alles um euch herum zum kotzen ist? Wenn es sich so anfühlt, als würde in euch eine dunkle Wolke heranwachsen? Wenn ihr am liebsten auf die Straße rennen und auf alles was euch in die Quere kommt einschlagen möchtet? Mir ging es zu dieser Zeit so, mir sind ein paar beschissene Dinge passiert und ich wollte irgendwie meine Wut rauslassen. Also bin ich einfach in den nahen Wald gelaufen. Warum weiß ich selbst nicht mehr, vielleicht wollte ich meine aufgestaute Wut einfach herausschreien oder auf einen Baumstumpf eintreten.

Aber ich bin einfach nur hin und her gelaufen, ohne auf irgendetwas zu achten. Als ich mich dann doch etwas beruhigt hatte, hat es bereits gedämmert und ich musste feststellen, dass ich keine Ahnung habe, wo zum Teufel ich eigentlich bin und dann bin ich auch noch ein Spinnennetz rein gerannt.

„Gottverdammt!“ schrie ich. Sah mich hektisch um und ging einfach nach rechts. Und siehe da, wie auf Bestellung war da eine Lichtung, mit einer Hütte, mitten im Wald. Rückblickend, hätte ich da schon skeptisch werden sollen. Ich war zwar nur sehr selten im Wald, aber es gab in der kleinen Stadt, in der ich lebe viele Pilzsucher und Hobbyjäger. Und tja, abends an der Bar, nach ein paar Bier fangen die gerne an zu reden und von ihren ach so großen Fängen zu prallen. Aber keiner von ihnen hat je eine Hütte im Wald erwähnt. Aber im Moment dachte ich gar nicht erst daran, ich wollte nur aus diesem Wald raus. Ich ging auf die Hütte zu und da sah ich ihn.

Er saß auf einem Stuhl auf der Terrasse und lehnte sich an die Hauswand. Er trug einen knielangen, dunkelgrauen Mantel, der aus Fell zu bestehen scheint. Darunter hatte er ein dunkelrotes Hemd, das sich etwas um seinen Bauch spannte. Das kurze, braune Haar war unter einer Schiebermütze versteckt, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte und seine rechte Hand ruhte auf einem Gehstock. Im Mund hatte er eine Holzpfeife, aus deren Öffnung ein kleines Rauchwölkchen aufstieg.

Ich stand eine Weile einfach nur da und überlegte, ob ich ihn ansprechen sollte oder nicht. Er sah schon urkomisch aus, als wäre er aus einem alten schwarzweißen Foto gesprungen. Aber die Aussicht, die Nacht im Wald zu verbringen war es die meine Beine vorantrieb. Er bewegte sich überhaupt nicht, ich fragte mich gerade ob, er überhaupt atmete. Als sich sein Mundwinkel öffnete und er eine Rauchschwade ausstieß.

„Ähm… Guten Abend…“

Wir haben geschlossen.“ Unterbrach er mich gleich. Seine Stimme war zischend und dunkel.

„Hä… was?“ Ich war verwirrt, dann sah ich ein Schild, das über dem Dach der Terrasse hing. „Das Kabinett“ war dort in schwarzer Schrift geschrieben.

„Ähm, nein. Also ich wollte…ich wollte nur.“

Er sah mit einem Auge zu mir hinauf, im Schein der untergehenden Sonne, schien sein Auge für einen Moment leuchtend gelb. Dann blinzelte er und das stechende Gelb wurde durch ein warmes Blau ersetzt.

Oder willst du was kaufen?“ kam die Frage. Ich war immer noch so erschrocken, dass ich ohne es recht zu bemerken einfach nur nickte. Der Mann grinste, atmete nochmal Rauch aus, nahm die Pfeife aus seinem Mund, stützte sich auf seinen Gehstock und stand auf. Er war untersetzt und etwas kleiner als ich, hatte aber viel breitere Schultern. Mit einem Knarren öffnete sich die Tür der Hütte.

„Willkommen in meinem Laden, trete aus freien Stücken ein.“

Ich kann diesen Raum, der sich vor mir erstreckte nicht beschreiben. Selbst wenn ich es wirklich wollte. Am Einfachsten wäre es so: Stellt euch eine Wohnung aus einem Historienfilm vor. Also, mit alten Gemälden, Büchern, Kerzenständern und allen und dann hätte es ein HP Lovecraft Fan, mit allen möglichen Makabren und grotesken Zeug zu gestapelt. Der Inhaber dieses Geschäftes, ging mit seinem Gehstock in der Hand zu einem Tresen im hinteren Teil des Raumes. Hinter seinem Rücken hing ein riesiges Gemälde, es zeigte eine gewaltige schwarze Schlange, die sich um einen Baum schlängelte.

  

Nun. Wie kann ich dir behilflich sein? “ Er lächelte mich mit einem beinahe unheimlichen Blinzeln in den Augen an. Es war wirklich schwer zu sagen, wie alt er ist. Seine Haut war blass und glatt und seine Haare waren kurz. Trotzdem würde ich ihn auf ungefähr Mitte bis Ende zwanzig schätzen. Irritierend war nur diese dunkle Stimme, die gar nicht zu einem jungen Mann passen sollte. Alles in allem strahlte er eine solche Ruhe und Gelassenheit aus, dass man sich ihm gleich anvertrauen möchte. Wären da nur nicht diese stechenden Augen, die beinahe so wirken, als wären es die einer Schlange.

Ich wollte nicht rumstehen wie ein Idiot, also ging ich im Laden auf und ab. Vor einer Glasvitrine blieb ich stehen. Darin war auf einem Podest ausgestellt, etwas was aussah wie eine Flöte, jedoch war sie grau und hatte komische ineinander verworrene Verzierungen.

Die steht nicht zum Verkauf.“ Ertönte seine Stimme hinter mir. „Das ist sowas wie ein altes Familienerbstück.“

Er hatte einen Akzent, den ich nicht definieren konnte, wahrscheinlich irgendwas Europäisches.

„Was ist das für ein Holz? Sieht seltsam aus.“

Das ist Knochen.“ antwortete er monoton.

Ich wusste nicht, ob das ernst gemeint war oder nur Spaß, trotzdem ging ich ein paar Schritte zurück. 

Auf seinem Tresen stand ein Ölgemälde in einem Rahmen. Darauf war eine Frau zu sehen, sie hatte lange weiße Haare, die ihr bis zum Rücken reichen, erinnerte mich irgendwie an Spinnenweben. Sie trug ein schwarzes Kleid und hatte unnatürlich lange Finger. Auch bei ihr war es schwer zu sagen, wie alt sie schien, sie konnte 20 sein oder auch 40.

“Ist das irgendeine Heidnische Göttin? Sieht gruselig aus, als würde sie einen auffressen wollen.”

Mein Gegenüber blieb für einen Moment lang ruhig und sah mich einfach nur an.

Das ist meine Frau.” sagte er mit noch rauerer Stimme.

Alles klar, ich gehe lieber in eine andere Ecke des Ladens. An einem Bücherregal blieb ich stehen. Die meisten waren in einer Sprache, die ich nicht verstand. Auf einem war eine schwarze Spinne abgebildet.

“Das ist übrigens das Lieblingsbuch meiner Frau.”

Ich stelle es wieder zurück. Endlich ein Buch in englisch und noch dazu von einem bekannten Horror Autor, dessen Name ich jetzt besser auslasse und auch noch signiert.

“Woher hast du das?” fragte ich, weil ich es echt nicht glauben konnte, ausgerechnet hier so etwas zu finden.

Das habe ich vom Autor persönlich als Dank bekommen.” sagte er mit einem Lächeln.

“Als Dank? Für was?” 

“Inspiration. Ich bin schon eine Weile im Geschäft und da hat man irgendwann einiges zu erzählen. Gegen eine kleine Gebühr erzähle ich gerne eine Geschichte, was ihr danach daraus macht, ist eure Sache.”

 

Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, aber sein Akzent interessiert mich. Also fragte ich ihn, woher er komme, seine Antwort war lediglich, dass seine Familie aus „Hameln“ stammt.

Dann passierte es, ich hob meinen Kopf und sah in einem alten, bronzenen Spiegel, etwa von der Größe eines Küchen Tablets. Und mir erstarrte das Blut.

Mein Spiegelbild und hinter mir der Händler, doch seine Augen waren strahlend gelb und mit schwarzen, schlitzförmigen Pupillen.

Erschrocken, drehte ich mich um. Doch er sah wieder so aus wie vorher. Er machte einen verwirrten Gesichtsausdruck und blickte kurz über seine Schulter.

Ist was?“ fragte er ruhig.

„Äh…Ähm. Nein. Ich… ich glaube, ich bin nur müde.“ stammelte ich. Was zum Teufel war das?

Er zog eine Taschenuhr an einer Kette aus der Brusttasche seines Mantels. Jetzt mal im Ernst, aus welchem Jahrhundert stammt der Kerl?

„Hör mal! Es ist schon spät und ich nehme mal an, du willst nicht die Nacht im Wald verbringen, oder? Also sag mir, welche Probleme du hast und ich gebe dir genau das, was du willst. Glaub mir, hier bekommt jeder das, was er braucht, egal was.“

Der Kerl ist mit Sicherheit der seltsamste Kauz, der mir je begegnet ist. Aber in Ordnung, ich spiele einfach mal mit.

„Zum Beispiel.“ Entgegnete ich ihm mit gespieltem Desinteresse.

Er griff unter seine Theke und stellte eine kleine Glasflasche mit grauem Pulver darin vor mich hin.

Für Männerprobleme, wenn du verstehst, was ich meine.“ Er grinste anzüglich.

„Ähm. Nein Danke.“ Ich will gar nicht wissen, was das ist.

Ach ja, richtig. Wir sind hier in Amerika. Alles was länger steht als 10 Minuten wird geklaut.“ Er lachte. Es war laut und dreckig.

„Entschuldige, kleiner Scherz am Rande. Aber im Ernst, du siehst aus, als würde es in deinem Leben gerade nicht so gut aussehen.“

Damit könnte er recht haben. Meine Freundin hat mit mir Schluss gemacht. Auf dem College werde ich gemobbt und meine Noten gehen in den Keller.

„Sieht man mir das an?“

„Ein Händler muss seine Kunden kennen. Und meine Erfahrung sagt mir, dass hinter so etwas meist eine unglückliche Beziehung steckt.“ Diese Stimme. So ruhig und angenehm, als würden sie einen umarmen wollen. Aber auch so rau und dunkel, dass sie mich irgendwie an ein Raubtier erinnert. Wie ein Raubtier, das seine Beute anlockt.

“In Ordnung. Du interessiert dich wohl nur für echte Spezialitäten?”

Eigentlich will ich einfach nur weg hier.

Er ging zu einer Holzkiste in der Ecke seines Ladens und holte… eine Axt hervor.

“Du willst aufgestaute Wut entlassen? Dann ist das hier genau das Richtige.”

Die Klinge der Axt war mit einer dunklen Masse verklebt. Man muss kein Genie sein, um zu ahnen, was es ist.

Ja…diese Axt ist etwas…eigenwillig und ihr ehemaliger Besitzer war recht ungeschickt.” sagte er zögernd.

“Aha…hat er sich versehentlich ins Bein geschlagen oder so?”

“Nun. Ich glaube schon, dass es versehentlich war. Allerdings war es nicht das Bein und auch nicht sein eigenes.”

Ich will hier weg, schrie ich innerlich. Am liebsten wollte ich mich umdrehen und so schnell ich konnte aus diesem Haus fliehen und erst wieder stehen bleiben, wenn ich vor meiner Haustür stehe. Mittlerweile wünschte ich, ich hätte es getan. 

“Dein Gesichtsausdruck, war erst erschrocken, aber dann interessiert. Ich bin also auf dem richtigen Weg.”

Er überlegte anscheinend, dann breitete sich ein beinahe hämisches Lächeln auf seinem ganzen Gesicht aus und entblößte ein etwas ungepflegtes Gebiss, mit vier langen Eckzähnen.

“Jetzt habe ich es. Das ist perfekt für dich.”

Er ließ die Axt, zurück in die Kiste gleiten, ging zu einer Vitrine und holte mit beiden Händen ein langes, mit Fell umhülltes Stück Leder heraus.

“Ein Pelzgürtel?” fragte ich ungläubig.

“Genau. Aber ein besonderer. Glaub mir, viele Leute würden dafür ihr letztes Hemd geben“

„Ja, ist klar.”

Ich weis das klingt unglaubwürdig. Aber hier nimm ihn einfach mal in die Hand.”

Er streckte ihn mir entgegen. Ich hob meine Hände umhüllte den weichen Pelz. Im selben Moment verkrampfte sich mein ganzer Körper. Ich konnte meine Adern pulsieren spüren, mein Blut schoss praktisch hindurch und alle meine Haare standen zu berge. Ich musste diesen Gürtel haben.

Ich fürchte allerdings, dass du ihn dir nie im Leben leisten kannst.” unterbrach er mich harsch und riss es mir aus den Händen. Sofort pumpte mein Blut wieder normal.

“Was? „Aber…ich…aber…der Gürtel.” Ich hatte keinen klaren Gedanken im Kopf.

“Der Gürtel ist uralt. Er ist sogar älter als euer Land und hat eine unglaublich bewegte Geschichte. Allein das macht ihn beinahe unbezahlbar.”

Fassungslos und mit leerem Gesicht stand ich da. Wieso preist er mir erst das Teil an, nur um es mir dann wieder wegzunehmen?

“Aber ich bin ein Händler der alten Schule, das heißt, ich nehme auch Tauschgeschäfte an.“

Meine Gedanken, klären sich langsam wieder auf. Tauschgeschäfte? Jetzt will er also was von mir. Vielleicht kann ich den Spieß nun umdrehen.

“Und was soll das sein, meine unsterbliche Seele?” Ich lächelte und versuchte das Spiel mit zu spielen. Doch er atmete nur genervt aus.

„Hah…hah. Denkst du ernsthaft, du bist der Erste, der diesen Witz macht? Der seltsame Typ bietet dir die Erfüllung deiner Träume an und will um jeden Preis deine Seele. Denk doch mal nach, es gibt so viele schlechte Leute auf der Welt. Glaubst du da wirklich, der Teufel hätte es nötig, irgendeinen armen Idioten seine Seele abzuluchsen? Also, nein. Ich will nicht deine Seele und ich bin nicht der Teufel.” sagte er ernst.

Klingt irgendwie glaubwürdig. Seltsam, dass ich daran überhaupt denken muss. Langsam wird mir der Typ unheimlich und ich will wirklich so schnell wie möglich nach Hause.

“Was für Tauschgeschäfte?”

“Dienstleistungen, mein Junge. Du wirst ein paar Sachen für mich erledigen.” 

“Was sind das für Dienstleistungen?”

“Das brauchst du noch nicht zu wissen. Aber wenn du zustimmst, gehört der Gürtel dir.”

“Du bist nicht der Teufel, hast du gesagt. Wer bist du dann?”

Er zuckte nur mit den Schultern.

“Ich bin ein Händler. Also keiner, von dem man Angst haben muss. Und was sagst du, schlägst du ein?”

Er streckte mir seine Hand in gegen und in meiner Dummheit, schlug ich ein. In dem Moment, als ich seine Hand berührte, sprühte ich einen unglaublichen Schmerz in meinem Unterarm, als würde eine glühende Nadel hinein gestochen werden.

An alles was danach passierte, kann ich mich kaum noch erinnern, ich weiß nur noch, dass ich meinen pochenden Arm festhielt und dass der Händler mich mit einem Lächeln aus seinem Laden schickte und mir noch die Richtung aus dem Wald wies. Danach weiß ich nur noch, dass ich von meiner Haustür wieder komplett zu mir kam.

Nun sitze ich hier auf dem Boden meiner Wohnung und starre auf diesem Gürtel. Es war früher Herbst und trotzdem musste ich mir mein Oberteil ausziehen, weil ich wie ein Schwein schwitzte. Mit zitternden Händen greife ich langsam nach dem Pelz.

Alter, denke ich mir, es ist nur ein blöder Gürtel und nichts weiter, der kann nichts tun. Also warum scheist du dir hier in die Hose?

Ich lege das Ding um meine Hüften und harke die Schnalle ein.

Einen Augenblick lang passierte nichts, ich dachte schon, dieser verdammte Betrüger hat mich über den Tisch gezogen.

Doch dann krümmte ich mich auf den Boden. Der Gürtel, er hatte sich wie von selbst enger um einen Körper gezogen. 

Der Schmerz war unerträglich, als würde er mein Becken brechen wollen. Ich versuchte nach der Schnalle zu tasten und mir das verfluchte Teil vom Leib zu reißen. Doch er zog sich nur noch fester. Der Schmerz zog sich durch meinen ganzen Körper, bis in meine Fingerspitzen.

Ich wollte schreien, doch es blieb mir in der Kehle stecken. Ich zappelte auf den Boden, ich schlug um mich, versuchte mich irgendwo fest zu krallen. 

In meinen Kopf, hallte dann plötzlich eine Stimme, SEINE Stimme.

“Der Handel ist abgeschlossen.”

“Was?”

“Dein Atem, wird heiß.”

Diese Schmerzen.

“Die zweite Seele brennt in dir.”

“Was hast du mit mir gemacht?”

“Deine Knochen bersten.”

“Du verdammter Dreckskerl.”

“Deine Augen beginnen zu glühen.”

Meine Sicht wird schwarz.

“Das fahle Mondlicht, ruft nach dir.”

“Ahhhhr!”

“Die Verwandlung ist vollbracht.“

 

Ich erwachte auf meinem Fußboden, der Gürtel lag neben mir. Ich richtete mich langsam auf, ich glaube, alle meine Gelenke knacken.

Allerdings fühle ich mich richtig gut, wirklich. So gut habe ich mich seit Monaten nicht mehr gefühlt. Als wäre all meine aufgestaute Wut, Zweifel und alles andere, was ich in mich hinein gefressen habe, wie ausgelöscht. Allerdings habe ich eine ekligen, metallischen Geschmack im Mund. Mit einem erstaunlich leichten Schritt, tänzelte ich schon fast in mein Badezimmer. Beim Zähneputzen spuckte ich plötzlich braunroten Schaum aus. War das getrocknetes Blut, hatte ich mir im Schlaf auf die Zunge gebissen?

Mir war es seit langem wieder einmal danach, in meine Lieblingsbar zu gehen.

Es war eine altmodische Kneipe, ein rustikaler Holzbau mit ein paar ausgestopften Tieren an der Wand. Für gewöhnlich kann man her, um ein Bier zu trinken und um den alten Herren bei ihren angeblich legendären Jagdgeschichten zuzuhören.

Gerade war Chris dran zu erzählen, er war in meinem Alter, wir gingen in dieselbe Grundschule. Man erkannte ihn an seiner geliebten rotschwarz karierten Jacke, die  er immer trägt, wenn er in den Wald geht.. Er war ein netter Kerl, aber ein eher mittelmäßiger Schütze. Allerdings schien er in letzter Zeit wieder mehr Glück zu haben, denn er brachte fast täglich eine neue Jagdbeute mit nach Hause.

Dann meldete sich Walter unser örtlicher Wildhüter zu Wort.

“Ihr werdet es mir nicht glauben, aber als ich heute morgen meine Wildkameras überprüfte und mir die nächtlichen Fotos ansah, habe ich vor Schreck beinahe einen Herzinfarkt bekommen, da läuft mir doch tatsächlich ein riesiger Wolf ins Bild.”

Wie zum Beweis hob er ein Foto in die Höhe. Das Bild zeigte tatsächlich einen Wolf, der mit glühenden Augen in die Kamera starrte und wirklich unnatürlich groß erschien.

Lautes und unverständliches Gemurmel breitete sich in der Kneipe aus, nach einigen Minuten war man sich einig, dass der riesige Wolf das neue Hauptziel der örtlichen Jagdgesellschaft sein wird.

Ich hatte für heute genug und beschloss, wieder nach Hause zu gehen. Erneut legte ich mir nachts den Gürtel an, doch anstatt mich vor Schmerzen wieder auf den Boden zu krümmen, verlor ich gleich das Bewusstsein.

Am nächsten Morgen kam ich wieder zu mir, ich lag am Fußende meines Bettes und hatte die Decke um mich gewickelt. Als ich in die Küche ging, um mir einen Kaffee zu machen, bemerkte ich, dass der Eingangsbereich meiner Haustür komplett verdreckt war. Ich erklärte das allerdings so, dass ich am Vorabend vergessen hatte, die Schuhe vor der Haustür abzutreten und den ganzen Schlamm mit rein gebracht hatte.

Der Rest des Tages verlief ganz normal, ich ging zur Uni, kam nach Hause, machte Hausaufgaben und ging abends wieder auf ein paar Bier in die Bar. An diesem Abend erklärte uns Walter, dass er am frühen Morgen ein totes, halb ausgefressenes Reh im Wald gefunden hatte. Dieses sei anscheinend von dem riesigen Wolf gerissen worden. 

Seitdem sind ein paar Wochen vergangen, Allerdings hat der Wolf sich nicht nur auf Wildtiere beschränkt, sondern auch einige Schafe der ansässigen Farmer getötet.

Ungefähr zur selben Zeit, Vielen mir auch einige Veränderungen an mir selber auf. Ich hatte merklich an Gewicht verloren, ich war nie wirklich trainiert, aber als ich neulich aus der Dusche trat und in den Spiegel blickte, fiel mir auf, dass man bereits meine Rippen sehen konnte. Außerdem wachsen mein Bart und meine Fingernägel deutlich schneller. Dies merkte ich, als ich mich die Woche zweimal statt nur einmal rasieren musste. 

Dann kam die Meldung, die die ganze Stadt schockierte, es gab einen Toten.

Walter unser Förster fand eine männliche Leiche auf seiner morgendlichen Waldtour. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Studenten im Wald ein Versteck hatten für alkoholische Getränke oder Cannabis. Offiziell hieß es, die genauen Todesumstände müssen noch geklärt werden. Walter jedoch, gestand nach ein paar Bieren, dass der Mann eindeutige Bisswunden hatte, die laut ihm eindeutig von einem Wolf standen.

 Der örtliche Waffenladen war am nächsten Tag komplett ausverkauft. Jeder Hobby-Jäger und Waffennarr wollte den Riesenwolf vor seine Flinte kriegen. 

Mich beschäftigte jedoch zu dieser Zeit etwas ganz anderes, ich kannte nämlich den Toten, aber traurig oder schockiert war ich ehrlich gesagt überhaupt nicht, denn naja, ich sag’s jetzt mal so. Ich hasste diesen Typen. Er hat mich am College immer nur gemobbt und herum geschubst. Deswegen hielt sich meine Trauer gerade wirklich in Grenzen.

Aber irgendwie schien mich das ganze doch mehr mitgenommen zu haben als ich dachte. denn an diesem Abend, vergaß ich das erste Mal, mir den Gürtel anzulegen und stieg gleich in mein Bett.

In dieser Nacht hatte ich einen Albtraum. Na gut, der Traum an sich war nicht wirklich schlimm, aber er fühlte sich so echt an. Kennt ihr das? Man hat einen Traum, der an sich nicht wirklich erschreckend oder schlimm ist, der sich aber so derartig echt anfühlt, dass dies der eigentliche Horror ist.

Mein Traum sah so aus, ich stand in einem dunklen Wald und um mich geschlungen war eine riesige schwarze Schlange mit leuchtenden gelben Augen, die mich anstarren, als wäre ich ihr nächstes Frühstück. In dem Moment, wo sich ihr Maul öffnete und sie auf mich zugeschossen kam, wachte ich auf.

Wie gesagt es weiß nicht gerade der schlimmste Albtraum, trotzdem war ich von oben bis unten klatschnass geschwitzt. Doch viel schlimmer war allerdings, dass es mir wieder furchtbar elendig ging, als wäre all das wieder zurückgekehrt, was wie durch Zauberhand verschwunden schien, seitdem ich diesen Gürtel trage.

Es half also nichts, ab diesem Abend werde ich den Gürtel wieder tragen.

Nach einiger Zeit kehrte wieder etwas Ruhe ein und der Tote wurde als tragischer Wildunfall verschrieben. Doch gerade als ich dachte, dies war nur ein einmaliger Vorfall und dass bald wieder alles Normal sein würde, gab es einen weiteren Toten.

Doch dieses Mal nicht wie das erste, mitten im Wald, sondern auf einem etwas abgelegenen Feldweg, der zur Stadt führte.

Und auch dieses Mal kannte ich das Opfer. Sie war meine Ex.

Ihr könnt euch sicherlich gut vorstellen, was die Medien danach für ein Spektakel daraus machten, also werde ich euch die Details über den „Killer-Wolf“ ersparen.

Kurz gesagt, die Leute gingen meistens nur noch bewaffnet aus dem Haus, nicht mehr nach Sonnenaufgang, Kinder nicht mehr unbeaufsichtigt und jeder schreckte nach dem kleinsten Rascheln im Gebüsch gleich auf. Naja, das typische Chaos und die Panik.

Ich saß an diesem Abend zurückgelehnt auf meiner Couch und starrte die Decke an. Wir beide hatten uns nicht im Guten getrennt, es gab ein paar sehr schlimme Worte zwischen uns. Aber dennoch so eine Nachricht geht nicht ohne Spuren an einem vorbei.

Nachdem meine Uhr bereits Mitternacht anzeigte und ich immer noch viel zu aufgewühlt war, beschloss ich, auf das Lieblings Schlafmittel meines Großvaters zurückzugreifen. Einen doppelten Whisky. 

Vielleicht waren es auch mehr als einer. Jedenfalls danach fiel ich einfach in mein Bett. Ohne den Gürtel. Aber dieses Mal hatte ich einen Albtraum.

Wieder stand ich in diesem dunklen Wald. Ein paar Meter vor mir dann dieser Händler und er starrte mich an, mit bösartigen gelben Augen mit Schlitzpupillen.

Er streckte seine Arme nach mir aus und sein grauer Mantel begann zu zerfallen. In Fetzen fiel er von ihm ab und sobald die Fetzen den Boden berührten, wurden aus ihnen…Ratten. Große graue Ratten, die auf mich zu krochen.

“Bezahl!” rief er mir mit seiner zischenden, rauen Stimme zu.

Dann wachte ich auf.

Mein T-Shirt und ein Bettlaken waren komplett nass geschwitzt, außerdem brannte mir der Alkohol von gestern noch im Hals.

Ich glaube, ich habe eine ganze Liter Flasche Wasser in einem Zug getrunken. Mir fiel auf, dass ich zwei Punkte auf meinem Unterarm hatte, sie sehen irgendwie aus wie ein Schlangenbiss. Nun sitze ich an meinem Küchentisch und hatte den Kopf auf meine Arme gelegt.

 Was zum Teufel geht hier nur ab? Irgendwas ist hier gewaltig faul.

Wieso taucht gerade jetzt ein Wolf auf und tötet Menschen? Wieso sind es ausgerechnet zwei Leute aus meinem Umfeld? Wer ist eigentlich dieser seltsame Händler? Und am wichtigsten: Was ist eigentlich mit mir los?

So viele Fragen und ich will verdammt noch mal Antworten haben. Es sind gerade Semesterferien. Ich glaube, ich werde ein paar Nachforschungen anstellen.

 

Der Händler sagte mir, dass er aus “Hameln“ stammte. Also gab ich diesen Namen in mein Smartphone ein. Hameln oder auf Englisch Hamelin ist eine Stadt in Nordwestdeutschland. Das erklärt auch den Akzent des Händlers, es war also deutsch. Gleich eines der ersten Bilder zeigt eine Statue, die einen Mann darstellt, der anscheinend ein buntes Kostüm trägt und auf einer übernatürlich langen Flöte spielt. Da fiel es mir wieder ein, die Legende vom “Pied Piper”. Genau die hatten wir damals in der Schule. Eine alte Sage der Pied Piper, oder besser der Rattenfänger, wie er im Original heißt. 

Laut Legende soll die Stadt Hameln im Mittelalter unter einer extremen Rattenplage gelitten haben, als plötzlich ein seltsamer Mann in bunten Kleidern und einer Flöte auftauchte, der den Stadtbewohnern anbot, die Plage zu beseitigen. Mit seiner Flöte lockte er die Ratten in eine nahe gelegenen Fluss und ertränkte sie. Als er jedoch seinen Lohn abholen wollte, weigerten sich die Menschen, ihm diesen zu geben und warfen ihn aus der Stadt. Doch der Rattenfänger ließ sich das nicht gefallen und kam mitten in der Nacht wieder, erneut spielte er seine Flöte, doch dieses Mal folgten ihm keine Ratten, sondern die Kinder der Stadt. 

Die Kinder wurden nie wieder gesehen. Es gibt aber verschiedene Theorien, was mit ihnen passiert sein könnte. Die eine Theorie besagt, dass er sie ebenfalls im Fluss ertränkte. Die andere behauptete in der Nähe gibt es einen Berg auf den es früher hieß das auf ihm satanische Rituale abgehalten wurden und die Kinder den Teufel geopfert wurden und eine behauptet sogar die Kinder wurden in eine Höhle geführt und tauchten später in einer Gegend in Rumänien wieder auf, die man damals “Siebenbürgen” nannte weil damals viele Deutsche dorthin gezogen sind, heute eher bekannt unter den Namen Transsilvanien.

Das ist ja krass.

Aber das ist nur eine alte Geschichte. Das kann doch nichts mit mir oder meiner jetzigen Lage zu tun haben. 

Mir fiel mein Traum von letzter Nacht wieder ein, die Ratten. Nein. Das ist purer Zufall, laut Legende ist das alles im Jahr 1284 passiert, also vor fast 750 Jahren.

Ich bin so erschöpft, mir fallen beinahe die Augen zu. Trotzdem, eine Sache muss ich noch eingeben, ein Wort, was ihr euch schon sicher denken könnt und ich mir auch, allerdings habe ich Angst vor diesem Wort, obwohl ich weiß dass es nicht sein kann. Ich muss es aber wissen, sonst finde ich bestimmt keine Ruhe. 

Und so tippe ich mit zitternden Finger dieses Wort ein.

WERWOLF

Es kommen gleich mehrere tausend Seiten Ergebnisse.

Hätte ich mir denken können. Ich gebe ein:

Werwolf wahre Ereignisse.

Ich finde eine Seite mit der Überschrift: “Geständnis eines Werwolfs.”

Klingt schonmal vielversprechend. 

Mir fällt es inzwischen wirklich schwer, die Augen offen zu halten, ich lege mich auf meine Couch und lasse mir von der Vorlesefunktion meines Smartphones die ganze Website erzählen.

Peter Stump oder Peter Stubbe, wurde je nach Quelle zwischen 1525 und 1539 im Westen Deutschlands als Bauer geboren. Bekanntheit erlangte er durch einen Prozess im Jahre 1589, in dem er wegen Mordes an mindestens 18 Personen, darunter hauptsächlich Frauen und Kinder, für schuldig gesprochen wurde. Die Opfer wurden alle auf grausame Art verstümmelt. Angeblich habe er sogar Teile von ihnen verzerrt.

Unter Folter gestand Stubbe, sich der Morde für schuldig und behauptete der Teufel habe ihn ein Wolfsfell gegeben, mit den er sich in einen reißenden Wolf verwandeln konnte.

“Warte…Was?” Ich schreckte von der Couch auf und war hellwach.

Aufgrund seines Geständnisses wurde Stubbe zum Tode verurteilt.

“NEIN.”

Seine Hinrichtung erfolgte durch das Rad.

“Abschalten!”

Danach wurde er auch noch enthauptet.

“Sei ruhig!”

Abschließend wurden seine Überreste auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sein Kopf jedoch wurde auf einen Pfahl aufgespießt und ausgestellt.

Mit zitternden Händen tastete ich wie wild auf dem Bildschirm herum, bis ich es endlich zum Schweigen bringen konnte.

Das angebliche Wolfsfell wurde nie gefun…

Mein Smartphone rutscht mir aus den Fingern und fällt auf den Boden. Ich springe auf und renne zu meiner Spüle in der Küche, ich muss mich übergeben.

Nachdem sich mein Frühstück verabschiedet hatte, sank ich auf meine Knie und vergrub den Kopf in meinen Schoß.

Das kann doch alles nicht sein. Das durfte nicht sein. Das ist doch unmöglich.

Nach gefühlten Stunden schaffte ich es wieder aufzustehen. Mit schwankenden Beinen gehe ich zurück zu meiner Couch, mein Handy liegt immer noch auf dem Boden. Mir fiel wieder das Buch ein, was ich bei dem Händler gesehen habe. Ich gebe die Begriffe schwarze Spinne, Buch, Deutschland ein.

Ich wurde sofort fündig. „Die schwarze Spinne “  von Jeremias Gotthelf. Nur nicht aus Deutschland, sondern aus der Schweiz .

Das Buch handelt davon, dass ein böser Adliger von seinen Untertanen etwas fordert, was sie unmöglich schaffen können. Den verzweifelten Dorfbewohnern erscheint eines Tages ein Fremder, der sich als der grüne Jäger vorstellt. Er bietet ihnen an, sich um ihre Not zu kümmern, als Bezahlung verlangt er allerdings ein ungetauftes Kind. Als die Dorfbewohner schockiert ablehnen, beschließt eine junge Frau namens Christine, hinter den Rücken der Dorfbewohner den Handel dennoch einzugehen.  Allerdings plant sie den Jäger zu überlisten, dies geht jedoch gewaltig schief und der zornige Jäger beschwört eine Armee kleiner giftiger Spinnen herbei, die den kompletten Viehbestand töten. In ihrer Angst beschließen die Dorfbewohner den Jäger doch zu geben was er will, als sie ihn allerdings wieder um seine Bezahlung prellen wollen, verwandelt der Jäger Christine in eine riesige schwarze Spinne, die zwar den Adligen aber auch fast alle Dorfbewohner tötet. Unter großen Opfern schaffen es die Bewohner, die Spinne einzusperren und zu versiegeln.

Ich brauche jetzt erstmal frische Luft, ich ziehe mir meine Jacke über und laufe in die Stadt hinein. Ich versuchte gründlich über all das, was gerade hier passiert, nachzudenken. Aber es gelang mir nicht wirklich, einen klaren Gedanken zu fassen. Es ist schon seltsam, wie man an alles Mögliche denken kann und zur selben Zeit an gar nichts.

Meine Beine sind noch immer schwach, also sehe ich die ganze Zeit nach unten, um nicht zu stolpern. Als ich irgendwann von dem Gehweg nach oben schaute, stellte ich fest, dass ich direkt vor unserer Stadtbibliothek stand. 

Ich weiß dass unsere Bibliothek ein Abteil für europäische Literatur hat. Da ich finde, dass es vielleicht besser wäre, als nur ziellos durch die Gegend zu laufen, trete ich ein. Ich suche nach Büchern, die irgendetwas mit unheimlichen Deals oder den Teufel zu tun haben.

Nach kurzer Zeit habe ich bereits einige Bücher gefunden, die wohl bekannteste Geschichte ist die von Johann Wolfgang von Goethes Faust.

Das Buch handelt von einem alten Gelehrten namens Doktor Faust, der mit einem Teufel namens Mephisto einen Handel schließt, um seine Jugend wieder zu bekommen im Austausch für seine Seele.

In einem weiteren Buch lese ich von einer alten Geschichte namens „Der Freischütz“. Eine Geschichte, die später durch die gleichnamige Oper berühmt wurde.

Die Geschichte handelt davon dass ein junger Mann, aus lauter Angst vor seiner Schützen-Probe zu versagen, einen Handel mit einem einbeinigen Mann der sich selber als Stelzfuß vorstellt eingeht und er ihm sogenannte Freikugeln anbietet, von diesen insgesamt 60 Kugeln werden 57 ihr Ziel treffen, drei jedoch werden von den Stelzfuß selber gelenkt, denn durch diese würde er seinen Preis einfordern. Während seiner Prüfung trifft eine der Kugeln jedoch die Verlobte des jungen Mannes. Wahnsinnig vor Trauer und Wut tötet der junge Mann den Bürgermeister seines Dorfes weil er in ihm den Stelzfuß zu erkennen glaubt. Die Geschichte endet damit, dass der junge Mann hingerichtet wird.

Ich schreie und lasse das Buch fallen. Auf einer Seite des Buches war eine Illustration, sie zeigte zwei Männer, wie sie vor einem Feuer stehen und in einer Gussform die Kugeln herstellen. Und einer dieser beiden war er, er trug eine zerschlissene Soldaten Uniform, hatte eine Krücke unterm Arm und ein rechtes Holzbein, aber das Gesicht und diese Augen, das war eindeutig er. Der Händler aus dem Wald. 

Ich hebe das Buch wieder auf, meinen Schrei scheint glücklicherweise keiner gehört zu haben. Ich habe hier sogar tatsächlich das Buch „Die schwarze Spinne“ gefunden, nur sah das Cover anders aus als bei dem Händler. Auf einer Seite war ebenfalls ein Bild, auch dieses zeigte wieder ihn. Er hat zwar keinen grauen Mantel, sondern eine grüne Jäger-Kluft, aber wieder dasselbe Gesicht und dieselben Augen. Ich klappe das Buch zu, ich stelle alle Bücher wieder zurück ins Regal und verlasse wortlos Bibliothek. 

Mit starren Blick laufe ich über den Gehweg, die hupenden Autos, die redenden Menschen, ich höre nichts von ihnen. Ich weiß nicht, was ich zuerst verarbeiten soll, die Tatsache, dass ich wahrscheinlich ein Werwolf bin oder dass ich dem gottverdammten Rattenfänger begegnet bin. 

In meiner Hosentasche kramte ich nach meinem Schlüssel und streckte gerade die Hand aus, um meine Tür zu öffnen, dann halte ich inne und verharre dort ein paar Sekunden. Dann drehe ich mich um und fange an zu rennen. Richtung Wald.

Das Laub raschelt unter meinen Füßen und die Zweige haben mir wahrscheinlich schon das komplette Gesicht zerkratzt, aber das spüre ich kaum. 

 

Wo ist diese Lichtung? Ich weiß dass ich in diese Richtung gelaufen bin.

“HÄNDLER!” schreie ich. “RATTENFÄNGER!” 

Mann komme ich mir blöd vor.

Ich höre plötzlich das Spielen einer Flöte und beschließe, ihm zu folgen. Ich schlage einen Ast zur Seite und stehe auf der Lichtung. Und in der MItte ist die Hütte und da ist er. Er steht auf der Terrasse und blickt mich direkt an, beinahe könnte ich meinen, dass er leicht lächelt.

Ich renne auf ihn zu, mein Blut verkrampft sich in meinen Adern, ich strecke meine Hände beim Laufen langsam aus. Ich habe dieses unbändige Verlangen, diesem Typen den Hals zu packen und zuzudrücken.

Er kommt mir gemächlich entgegen, er lächelt, er hält seinen Gehstock in der linken Hand. Als ich nur noch ein paar Meter vor ihm war, griff er nach dem Knauf und zog eine Klinge heraus. Ein Stockdegen.

Ich bremse so ruckartig, dass ich stürze und zu Boden falle. Bevor ich wieder aufstehen konnte, hielt er die Spitze seines Degens genau auf die Höhe meiner Brust.

Ich habe das Gefühl, dass du mit deinem Kauf nicht ganz zufrieden bist.” sagte er beinahe spöttisch.

“Was hast du mit mir gemacht?“

Ich habe dir einen Gürtel verkauft.”

“Richtig. Du hast mir das verfluchte Ding gegeben.” schrie ich ihn an.

Exakt. Aber, angezogen hast du ihn von selber.“

“Und jetzt sind 2 Leute tot wegen dir.”

“Wegen mir? Ich habe die beiden nicht getötet. Das warst du.” 

Es war ein Gefühl, als hätte mir einer in den Bauch geschlagen.

“Aber…aber. Das hätte ich doch nie getan. Wenn ich geahnt hätte, dass…“ ich sprang wieder auf meine Füße. “DAS WAR NICHT MEINE SCHULD!” schrie ich ihn ins Geschicht.

Der Händler fing an zu lachen und hielt die Klinge seines Stockdegens dramatisch in die Luft.

“Das fasziniert mich an den Menschen immer so. Ihr könnt die schlimmsten Dinge tun und danach wirklich noch behaupten, an nichts Schuld zu sein. Ihr könnt betrunken, drei Leute überfahren und danach behaupten, ihr seid nicht Schuld sondern der Alkohol. Obwohl keiner euch gesagt hat, ihr sollt 5 Gläser Schnaps trinken und dann fahren. Ich weis wirklich nicht, ob ich das lustig oder armselig finden soll.”

Richtete seinen Blick und die Spitze seines Stockdegens auf mich.

“Du hast meinen Laden aus freien Stücken betreten. Du wolltest den Gürtel haben und du warst bereit, den Preis zu zahlen. Du hast den Gürtel freiwillig angezogen und das Blut der beiden klebt an deinen Händen.”

Meine Beine geben nach, ich sinke zu Boden. Meine Hände graben sich in den Boden. Er hat recht.

Ich schaffe es, meinen Kopf zu heben und den Händler in die Augen zu sehen. Im Schein der Sonne sieht es wieder so aus, als würden seine Augen gelb leuchten.

“Diese alten Geschichten, der Rattenfänger, die schwarze Spinne, der Freischütz, die sind alle wahr. Du sagtest, du bist nicht der Teufel.”

“Bin ich auch nicht. Was die Leute mit den Geschichten machen, die ich ihnen erzähle, ist ihre Sache und der Teufel verkauft sich nunmal besser.” 

Ich starrte ihn an, wortlos. Irgendwann senkte er seinen Degen und steckte ihn wieder in seinen Gehstock.

“Aber na gut. Ich bin immer noch ein Serviceunternehmen. Wenn du mich bezahlst, nehme ich den Gürtel wieder an mich.” 

“Und wie sieht die Bezahlung aus? “

“Das wirst du schon bald selber erkennen. Sagen wir einfach so: Du bist nicht der einzige, der nicht bereit ist, den Preis zu zahlen.” 

“Und wenn ich den Gürtel einfach zerstöre?”

Du denkst, damit kannst du dich aus dem Deal befreien? Ich muss dich leider enttäuschen, du musst mich trotzdem bezahlen. Und wenn du die alten Geschichten gelesen hast, weißt du ja, was mit denen passiert ist, die versucht haben, mich zu hintergehen.“

In der Ferne ertönte ein Schuss. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es schon fast dunkel geworden ist.

“Anscheinend suchen sie wohl nach dir. Es wäre vielleicht besser, du gehst jetzt wieder nach Hause, wir wollen ja nicht, dass du in Erklärungsnot gerätst.”

Langsam stehe ich auf und laufe in Richtung der Bäume, dann höre ich noch einen Schuss, ich laufe schneller, dann noch einen, ich fange an zu rennen. Es ist, als würden sie immer näher kommen. Sie sind auf der Jagd. Sie jagen mich. 

Erst als ich wieder den Asphalt der Straße unter meinen Füßen spüre, komme ich langsam zur Ruhe. Ich will nur noch nach Hause. Mein Entschluss steht fest, ich werde diesen Gürtel nie wieder anlegen.

Ich habe den Gürtel in ein anderes Zimmer gelegt und versuche einzuschlafen. Irgendwann ist es mir auch gelungen. Als ich jedoch am nächsten Morgen aufwachte, musste ich feststellen, dass der Gürtel um meine Hüften geschlungen war.

Bitte Nicht. Hab ich es wieder getan? Ich greife nach mein Smartphone und öffne die News Website unserer Stadt. Gleich die erste Überschrift lautet: 

“Erneutes Opfer des Wolfes.”

Jetzt verstehe ich es. Er will mich dazu benutzen und diejenigen aus dem Weg räumen, die sich ebenfalls geweigert haben zu bezahlen. 

Ich packe den Gürtel und werfe ihn gegen die Wand. Dann suche ich nach einem Feuerzeug, nehme den Gürtel hoch und halte es daran.

Doch dann komme ich wieder zu sinnen. Ich denke nach, sage ich zu mir. Der Typ hat ein ganzes Dorf ausgelöscht, weil sie ihn hintergehen wollten und einer Stadt, die sich geweigert hat, ihn zu bezahlen, hat er alle Kinder genommen. Mein Gott. Sein Mantel, die Ratten, ist das mit den Kindern passiert?

Ich habe mehrere Geschwister und die haben Kinder, meine Eltern, meine Cousins, wenn ich das jetzt tue, wird er dann denen was antun?

Ich gehe im ganzen Haus auf und ab und versuche irgendwie eine Ausweg zu finden, irgendetwas, was mir helfen könnte. Mir fiel aber nur eine Sache ein: Bei meinen Recherchen über Werwölfe, habe ich etwas über eine Blume namens Eisenhut gelesen. Die angeblich als Mittel gegen Werwölfe benutzt wird. 

Die Sache ist nur die, dass ich keine Ahnung habe, wo diese Pflanze wächst, noch dazu ist sie hochgiftig, deswegen wird sie wahrscheinlich nicht beim Floristen um die Ecke verkauft werden. Aber ich habe einen Freund im College der Botanik studiert und dadurch Zugang zum Gewächshaus, in dem alle möglichen Pflanzen gezüchtet werden. Ich rief ihn an und fragte ihn, ob wir uns später dort treffen können. Als er fragte, wieso antwortete ich ihm, dass meine Cousine besondere Blumen sammelt und ich ihr zum Geburtstag ein paar Samen schenken möchte und fragte, ob er vielleicht Zugang zu Blumen hätte, die man auf normalen Wege schwer bekommt. Außerdem wollte ich mir seinen Arbeitsplatz schon länger ansehen. 

Er sagte mir allerdings, wir könnten uns frühestens morgen Mittag treffen. Ich muss also irgendwie diese Nacht überstehen. Der Gürtel muss irgendwie außerhalb meiner Reichweite bleiben. Ich habe keinen Safe und die einzige Tür, die man abschließen kann und zu der ich einen Schlüssel habe, ist die von meinem Schlafzimmer. Abends lege ich den Gürtel in die Küche, gehe in mein Schlafzimmer und schließe die Tür ab. Dann lege ich mich schlafen.

Am nächsten Morgen wache ich mit höllischen Schmerzen in meinen Händen auf. sie waren blutig und voller Schrammen und auf meiner Tür waren Kratzspuren. Ich habe tatsächlich im Schlaf versucht, die Tür auf zu kratzen. Das ist zwar keine Dauerlösung, aber sollte das mit dem Eisenhut nicht funktionieren, habe ich dadurch vielleicht eine Galgenfrist. 

Als ich mich am MIttag mit meinen Freund traf und er mich kurz alleine ließ um die Samen aus dem Schrank zu holen indem sie aufbewahrt werden, rief ich mir ein Bild des Eisenhuts auf mein Smartphone und rannte hektisch durch den ganze Bereich mit dem Giftpflanzen ab um nach ihnen zu suchen.

Entgegen meiner eigenen Erwartung fand ich sie auch mit einer Schere, die ich dabei hatte, schnitt ich ein paar Blüten ab, ließ sie in einen Plastikbeutel fallen und steckte ihn in meine Jackentasche.

Als er mit dem Beutel mit Samen zurückkam und mich fragte, warum ich so verschwitzt sei. Antwortete ich ihm, dass ich die Schwüle im Gewächshaus nicht vertragen würde. Ich weiß nicht, ob er mir das glaubte, aber die Wahrheit würde mir wahrscheinlich noch viel weniger glauben.

Die Hauptsache ist, dass ich die Blüten des Eisenhuts habe. Sie sind vielleicht meine letzte Hoffnung. Wenn sie nicht funktionieren, habe ich nur noch einen Ausweg und über den will ich eigentlich gar nicht erst nachdenken.

Auf dem Weg zurück zu meiner Wohnung kam mir Chris entgegen, er trug seine typische rot-schwarz karierte Jacke und von seiner Schulter hing seine Gewehrtasche, in der er seine heißgeliebte Flinte aufbewahrte. Er wirkte sehr bedrückt, was für ihn ziemlich unüblich war, denn Chris war eigentlich eine ziemliche Frohnatur. Ich fragte ihn, was mit ihm los sei, er antwortete mir, dass er wie die meisten anderen Jäger des Ortes auf dem Weg in den Wald ist und dort Jagd auf den Mörder-Wolf zu machen. Eigentlich wollte er das gar nicht, aber er würde dazu gedrängt, behauptete er. Ich klopfte ihm auf die Schulter, wünschte ihnen viel Glück und sagte, dass bestimmt bald alles wieder vorbei ist. Ich habe gerade meinem alten Schulfreund Glück dabei gewünscht, mich umzubringen.

Die Tüte mit den Blüten liegt vor mir auf dem Tisch. Ich weiß nicht genau, was genau ich jetzt damit anstellen soll. Ich habe gelesen, angeblich sollen Hexen aus Eisenhut Salbe gemacht und diese dann auf ihren Körper aufgetragen haben. Aber wie gesagt, Eisenhut ist giftig. Allein schon die Berührung kann zu Hautentzündungen führen und Vergiftungen auslösen. 

Also, eine Salbe daraus zu machen oder einen Tee daraus zu kochen, scheidet aus. Ich mache es am Ende einfach ganz banal, ich nehme mir eine Socke, stopfe die Blüten hinein, schnüre sie mit einem Faden zu und hänge sie mir um den Hals. Ich weiß das klingt jetzt echt bescheuert, aber etwas anderes fällt mir wirklich nicht ein.

Ich lege mich auf mein Bett, ich überlege dir kurz, ob ich vielleicht ein Gebet sprechen sollte oder so etwas in der Art. Aber ich kenne keines.

Mein letzter Blick fällt auf diesen verfluchten Gürtel, der auf meinem Nachttisch liegt. Dann schließe ich die Augen.

 

Ich bin in einem Wald, es ist dunkel, aber trotzdem sehe ich alles. Ist das ein Traum? Ich höre einen Schrei. Vor mir steht eine Frau. Sie sieht erschrocken aus, sie versucht rückwärts zu laufen, aber sie stolpert. Sie kriecht rückwärts, sie schreit erneut, es ist beinahe unerträglich laut. Ich würde mir am liebsten die Ohren zuhalten, aber irgendwie wollen sich meine Hände nicht richtig bewegen. Ich spüre lediglich Erde unter ihnen. Ich sehe nach unten, wo sind meine Hände? Ich versuche sie zu bewegen, im Blickfeld meiner Augen sehe ich eine Hundepfote?

 Ach du scheiße. Ich bin der Wolf. 

Die Frau schreit weiter, ich drehe mich um und renne los. Ich spüre den Waldboden unter meinen Füßen, ich sehe die Bäume, an denen ich vorbei renne, in der Ferne höre ich Schüsse, ich rieche Schießpulver. 

Ich muss hier weg. Aber was dann? Wie soll es weitergehen?

Ich höre noch etwas. Ein Pfeifen, nein, es ist eine Flöte. Seine Flöte.

Das ist es. Ich gehe zu diesen gottverfluchten Händler und reiße ihn seine verdammte Kehle heraus. Danach werde ich den Gürtel zerstören, alles weitere ist mir im Moment egal.

Ich folge den Geräuschen, sie werden lauter und lauter. Ich nehme meine ganze Kraft zusammen und springe durch das Dickicht und lande auf der Lichtung und ich sehe direkt in einem Gewehrlauf.

 

Der junge Mann in seiner schwarz rot karierten Jacke starrt immer noch ungläubig auf den großen pelzigen Leichnam vor ihm. Neben ihm steht eine untersetzte Person mit breiten Schultern gekleidet, in einem grauen Mantel. Der junge Mann hebt langsam seinen Kopf und sieht seinen nebenan ins Gesicht. Im Schein der gerade aufgehenden Sonne scheinen seine Augen das Licht Gelb zu reflektieren. 

Also…” begann er. “War es das nun, sind wir quitt?” 

Der Mann im grauen Mantel lächelt.

“ Ja.” sagte er ruhig. “Deine Schuld ist beglichen. Natürlich nur so lange, bis du wieder neue Kugeln willst.“

Dem jungen Jäger läuft ein Schauer über den Rücken.

“Ich glaube das möchte ich lieber nicht, ich meine, der Preis ist schon ziemlich hoch.”

“Nun, das ist deine Entscheidung, wenn du es dir anders überlegst, du weißt ja, wo du mich findest.”

“Und was haben Sie nun damit vor? Möchten Sie vielleicht einen Pelzmantel für Ihre Frau?”

„Nein, meine Frau macht sich nichts aus solchen Dingen. Aber was denkst du, wie viele Gürtel könnte man aus so einem Exemplar anfertigen?“

 

Nun, das ist das Ende dieser Geschichte, aber ich habe noch viele weitere zu erzählen. 

Ihr kennt sich ja folgendes Gefühl: Ihr habt gerade eine Horrorgeschichte gelesen oder einen Horrorfilm gesehen und guckt natürlich aus reiner Sicherheit erst einmal in alle dunklen Ecken und allen Schränken nach und macht überall das Licht an. Aber ich kann euch beruhigen, ich werde nicht dort sein. Warum sollte ich auch? Ich bin schließlich nur ein Händler also keiner, von dem man Angst haben müsste, solange ihr bereit sein den Preis zu zahlen.

Wir sehen uns sicher irgendwann mal. Bis dahin wünsche ich euch noch eine gute Nacht.

Bewertung: 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ähnliche Artikel

Ein Kommentar

  1. Fantastisch wie du diesen alten Geschichten ein neues Gewand beschert hast! Eine der besten CPs die ich seit langem gelesen habe 🙂

    Ich glaube es haben sich aber in der Rechtschreibung ein paar Fehlerchen eingeschlichen. Schau da vielleicht bei Gelegenheit mal drauf.

Schreibe einen Kommentar

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"