Der Heiland der Verdammten
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Jesus schloss die Augen und versuchte ruhig zu atmen, während Schmerz durch seinen Körper pulsierte. Die Nägel in seinen Handgelenken und Füßen schmerzten so sehr, dass er beinahe verrückt wurde. Doch er konzentrierte sich.
Es war gestern Abend. Sie hatten beim Abendmahl gesessen, oder? Ja, so muss es gewesen sein. Er erinnerte sich…
Es war Donnerstag. Der Abend, vor dem Tag, der später Karfreitag genannt wurde. Jesus brach ein Stück vom Brot ab und gab es an Judas, der ihn wortlos anschaute als er es nahm. Jesus wusste was dieser Blick bedeutete und in seiner Magengegend breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Das, was ihm bevorstand, war für niemanden leicht zu ertragen, das wusste er. Doch es musste getan werden. Heute noch. Der Plan stand. Und er war gut.
Er hatte sein Leben einer Mission gewidmet: Dem Umdenken der Gesellschaft und einer Umverteilung der Macht von den Mächtigen auf die normalen Menschen. Er und sein engster Kreis kämpften dafür seit Jahren. Sie waren Aktivisten. Sie waren effektiv und er war ihr Aushängeschild…der Messias, der Heiland. Weil er Dinge konnte, die andere nicht konnten. Weil er Krankheiten erkennen und heilen konnte, indem er die Selbstheilungskräfte der Menschen weckte, indem er ihnen sagte, Gott würde sie heilen. Er konnte den Menschen einflüstern, so dass sie sie glaubten. Dinge, über die sogar die Gurus im fernen Indien staunten, als er in seiner Jugend dort war, um Klarheit über sein Schicksal zu bekommen. Bis er in Nepal den einen Mönch traf, der sein Potential erkannte und ihn mit in sein Kloster nahm. Er hatte so viel dort gelernt. Er hatte so viel erlebt. Und vor allem hatte er gelernt, aus einer vagen, revolutionären Idee einen handfesten Plan zu schmieden.
Doch jetzt verengte sich sein Leben mehr und mehr in diesem einen Moment. Die Zeit war gekommen. Der Nullpunkt. Und er begann mit diesem Abendmahl. Nicht alle wussten Bescheid. Doch die, die es wussten, wurden langsam nervös. Jesus spürte das und beugte sich zu Judas.
„Was du tust, das tue bald“, sagte er leise und betont ruhig.
Judas senkte den Blick und nestelte unruhig mit seinen Fingern an seinem Halstuch. Nach einer Weile stand er auf und verließ wortlos den Raum. Die Würfel waren gefallen. Ein Stich fuhr durch Jesus Magen und das unterschwellige, nagende Bedrohungsgefühl in ihm wuchs. Er sah seine Jünger an, wie sie um den Tisch saßen und aßen. Eine Gemeinschaft aus Idealisten. Sie alle wollten das Richtige und Gute, doch wie oft verloren sie sich in Streit und Diskussionen um Kleinigkeiten. Doch es war das Große und Ganze, dass Jesus im Blick hatte. Eine Revolution. Ein Fanal an die Menschheit.
Er war nur ein Prediger, das wusste er. Für einige sicher ein Messias. Er hatte auf seinem Weg nach Jerusalem den Menschen unzählige Gelegenheiten gegeben, in ihm einen göttlichen Heiland zu sehen. Er hatte Menschen von Dämonen geheilt. Und er hatte Lazarus von den Toten aufgeweckt. Das glaubten die Menschen. Doch Jesus hatte erkannt, dass der Besessene nicht wirklich besessen war. Er war in einem psychischen Ausnahmezustand. Und die Reaktion der Dorfgemeinschaft, die ihn daraufhin als Besessenen bezeichnete und ankettete, verstärkte diesen Wahn in ihm. Doch als Jesus ihm die Hand auflegte und ihm sagte: „Ich vergebe dir, Bruder. Finde Frieden. Gott liebt dich“, da löste sich die psychische Spannung in ihm und die Psychose ging. Auch bei Lazarus sah Jesus, was die Menschen nicht sahen. Er war in einem scheintoten Zustand. Er brauchte ihn nicht von den Toten zurückholen, denn er war näher bei den Lebenden als alle dachten. Er musste ihn nur aufwecken und das gelang. Seine Wunder waren nur geschicktes Blendwerk, dass seinem Plan in die Hände spielte.
Das alles festigte Jesus Ruf als Messias mit göttlichen Kräften und bald nannten seine Anhänger ihn den Sohn Gottes. Doch das alles diente nur dem Plan. Der Revolution. Ja, der Plan…
Er war gut, doch er verlangte von Jesus das äußerste ab.
Ein Prediger ist nur ein Prediger. Er mag Anhänger haben, doch er ist schnell vergessen. Ein Messias ist größer und hat mehr Einfluss. Seine Worte dringen tiefer in die Menschen ein. Und wenn er sagt: „Befreit euch!“, dann wird es sicher einige Menschen geben, die diesen Ruf hören. Doch Ein Märtyrer überdauert. Denn er gibt sein kostbarstes für die Sache – sein Leben. Märtyrer können Kriege auslösen und Revolten anzetteln. Sie können Königreiche hinwegfegen und Welten verändern. Doch die Judäer hatten es mit einer Besatzungsmacht zu tun, die die beste Armee der Welt hatte – den Römern. Kein Judäer war mit seinen Messern und Steinschleudern den Pilums der römischen Armee gewachsen. Jesus wusste: Ein Märtyrer allein reicht nicht. Der Feuersturm, den er erzeugen würde, würde in den Schwertern der Besatzer schnell ausbrennen. Es brauchte mehr.
Es gab nur eines, das mächtiger war, als ein römisches Schwert: Glaube und Hingabe. Jesus musste nicht nur sterben. Er musste den Menschen dabei zeigen, dass er mehr war, als ein Mensch. Dass Gott selbst ihn auserwählt hatte. Dass er Gottes Willen erfüllte. Dass er selber Gottes Sohn war. Ein Göttliches Wesen, das gekommen war um die Welt zu befreien und dafür von den Menschen gefoltert und getötet wurde.
Und dafür musste er sterben und von den Toten wiederauferstehen.
Der Plan stand. Und er lief an. Das Schicksal würde entscheiden, ob sie Erfolg hatten. Judas war gegangen und nun war es nicht mehr aufzuhalten. Er würde zu den jüdischen Priestern gehen und ihn verraten, damit sie Jesus verhafteten und töten ließen. Es war alles geplant.
Nach dem Abendmahl gingen er und seine Jünger hinaus in den Olivenhain. Während sich seine Jünger in politischen Diskussionen ergingen, setzte Jesus sich ab, um eine Weile für sich zu sein und seine Angst herauszuschreien. Hatten sie alles richtig bedacht? Würde es funktionieren? Was, wenn etwas schief ging. Er wollte nicht sterben. Noch nicht. Er hatte Angst.
Nicht lange danach kam Judas zurück, mit bewaffneten Abgesanten des Hohepriesters Kaifas.
„Den ich küsse, der ist es“, hatte Judas ihnen gesagt.
Als er auf Jesus zuging und ihn auf die Wange küsste griffen die Abgesandten ein um Jesus festzunehmen. Ein Handgemenge entstand. Judas fiel auf die Knie und schluchzte. „Es tut mir leid, Rabbi.“ Jesus sah ihn liebevoll an. „Du hast der Revolution den größten Dienst erwiesen, Judas.“ Dann wurde er weggerissen und niedergeschlagen. Der Plan lief.
Und Jesus wusste, dass sie ihn schlagen würden. Er wusste, dass sie ihn anspucken würden. Er wusste, dass sie ihn foltern würden. Dass geifernde Mengen seinen Tod fordern würden. Doch diesen Tod musste er sterben, damit seine Ideen und Theorien mehr wurden als bloße Theorien. Damit sie göttliche Wahrheiten wurden und eine Sturm entfesselten, dem nicht mal die Römer standhalten konnten.
Pilatus war ahnungslos. Er durchschaute den Plan nicht. Er sah nur die aufgestachelte Menge und einen zerlumpten Prediger, den man übel zugerichtet hatte. Es war DER entscheidende Moment des Plans. Der genialste Schachzug der Weltgeschichte. Ein lange im Voraus geplanter Spielzug, der darauf setzte, dass der Gegenspieler das Spiel nicht verstand. Würde Pilatus ihn zum Tode verurteilen, wie Kaifas und seine Anhänger es forderten, hätte Jesus gewonnen. Würde er ihn leben lassen, wäre der Plan gescheitert.
„Sie sagen, du behauptest Gottes Sohn zu sein. Stimmt das?“, fragte Pilatus.
„Ich bin es“, keuchte Jesus unter Schmerzen.
Pilatus blieb keine Wahl. Er verurteilte Jesus zum Tod am Kreuz.
Der Plan war aufgegangen.
Doch was ihm jetzt bevorstand, war fürchterlich. Das wusste er. Er würde gefoltert werden und gekreuzigt werden. Und es wurde so schlimm, wie er dachte…..
Jesus öffnete die Augen wieder und ächzte. Sein Körper war eine Flamme aus Schmerz und er hatte Mühe, nicht zu schreien. Vor ihm, vor dem Kreuz an dem er hing, lag seine Mutter und Maria aus Magdala weinend im Staub und schrien, weil sie den schieren Horror kaum ertragen konnten, mitzuerleben, was er, Jesus zu ertragen hatte. Maria aus Magdala, seine Geliebte, war eingeweiht. Doch das machte es für sie nicht leichter. Römische Soldaten bildeten eine Mauer und hielten die aufgebrachte Menge an Schaulustigen und Jüngern zurück. Während die einen Jubelten und ihn beschimpften, waren die Anhänger Jesus in Tränen aufgelöst. Der Plan funktionierte. Er würde ein Märtyrer werden. Nun musste er nur noch sterben.
Hinter ihm schluchzte ein Mann. Er war nicht alleine gekreuzigt worden. Mit Jesus wurden zwei weitere Männer hingerichtet. Räuber und Mörder. Er hatte sie im Verlies in Pilatus Burg kennengelernt. Zoatham und Camma. Wiederliche Zeitgenossen, die ihr Leben damit verschwendeten zu rauben und zu morden, statt das beste aus sich zu machen, was sie konnten. Doch jetzt weinte der eine, vermutlich Camma, wie ein Baby im Angesicht des nahenden Todes.
„Ich bereue es, was ich getan habe. Es tut mir so leid. Ich wollte es doch nicht. Ich wollte es wirklich nicht“, schluchzte er. Unaufhörlich. Es nervte Jesus.
„Wenn du bereust, wird Gott dir vergeben und du und ich werden schon heute Abend zusammen bei ihm sein. Es gibt süßen Wein und Trauben.“ Jesus wusste, dass er log, doch er war von dem Geheule genervt.
Camma säufzte erleichtert, dann röchelte er und starb.
Zoatham, der andere Gekreuzigte lachte ein heiseres, schmerzerfülltes Lachen.
„Du Lumpenheiland“, röchelte er. „Wenn du wirklich Gottes Sohn wärst, würdest du uns hier raus holen.“ Jesus schwieg dazu. „Du kannst nichts. Sieh dich an. Du gibst dein Leben für Menschen die es nicht verdienen. Schau dir diese Geisteskranken dahinten an, wie sie grotesk lachen und Schaum vor dem Maul haben. Und nun stirbst du und gibst dein Leben für sie, für eine Idee, die niemals fruchtet und wenn doch, wirst du es nicht erleben, weil sie dich umgebracht haben. Du willst Gottes Sohn sein? Was für ein Vater lässt sein Kind derartig verrecken? Ich werde es ihn fragen, wenn ich nachher mit ihm im Himmelreich Trauben esse.“
„Dein Platz ist nicht im Himmelreich, Zoatham. Er ist in der Hölle“, flüsterte Jesus. Zoatham lachte und hustete. Seine Lunge füllte sich mit Blut. Er starb.
Nun war es auch für Jesus Zeit. Sein Blick traf Maria Magdalena. Sie erwiderte seinen Blick schmerzerfüllt und er nickte ihr unmerklich zu.
„Wasser!“, rief er. „Ich habe Durst. Gebt mir bitte etwas zu trinken.“,
„Was braucht ein Toter Wasser?“, rief ein Römer. Seine Kumpane lachten.
Maria Magdalena reichte dem Römer einen Eimer mit einem Schwamm. „Habt doch Mitleid mit einem Sterbenden, Herr“, sagte sie. Der Römer schaute sie an, sah dann zu Jesus und nickte. Er tränkte den Schwamm in der Flüssigkeit.
„Essig?“, fragte er Maria Magdalena.
„Nein Herr, es ist saurer Wein. Wasser gab es nicht.“
Er zuckte die Schultern, steckte den Schwamm auf sein Pilum und drückte ihn Jesus auf den Mund. Jesus saugte an dem Schwamm und schluckte die Flüssigkeit. Er hatte vor der Kreuzigung den leicht betäubenden, sauren Wein abgelehnt, den Hingerichtete traditionell vor ihrem Maryrium bekamen. Er wollte den Menschen zeigen, dass er aufrecht sterben würde. Er musste so offensichtlich sterben, wie es ging. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod, doch er starb für sie. Das war es, was die Masse sehen sollte. Doch Maria Magdalena brachte eben jenes, saure, betäubende Getränk mit zur Hinrichtungsstätte, nur – nun…. etwas verbessert vielleicht. Das spürte Jesus sofort. Eine wohlige Benommenheit breitete sich in seinem Körper aus. Sie hatten es im Vorfeld so oft geprobt. Gleich würde er das Bewusstsein verlieren und in einen scheintoten Zustand fallen. Es war nicht mehr viel Zeit. Er hob den Blick zum Himmel.
„Vater… Warum hast du mich verlassen?“, rief er dramatisch. Dann verlor er das Bewusstsein. Der Prediger war gestorben. Die Menge verstummte und sah ihren Märtyrer am Kreuz.
Nur noch ein Schritt, bis der Plan gelang.
Drei Tage später erwachte Jesus in einem Grab. Sein Körper war in Verbände gehüllt und mit heilenden Salben eingerieben worden. Alles tat ihm weh…doch er lebte. Er brauchte einige Minuten um sich zu orientieren. Neben der Grablege stand ein Krug mit frischem Wasser und eine Schale Obst. Er trank gierig, denn er war durstig. Nach einiger Zeit kleidete er sich in die weißen Gewänder, die neben der Grablege lagen und stand auf. Er ächzte bei den ersten Schritten. Der Schmerz war grauenhaft. Doch die Frauen hatten gute Arbeit geleistet. Seine Wunden begannen schon zu verheilen. Er verließ das Grab. Zwei Eingeweihte standen davor um es zu bewachen. Als sie Jesus sahen, fielen sie auf die Knie, fassten seine Hände und weinten. Auch Jesus konnte sich einige Tränen nicht verkneifen. „Rabbi!“, schluchzten sie.
Nun musste er sich den Menschen zeigen. Er war von den Toten auferstanden. Ein Beweis, dass er wirklich Gottes Sohn war und dann waren seine Predigten mehr als nur Worte. Dann waren sie die Worte Gottes und sie würden die Römer aus Judäa vertreiben. Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Und seine Zeit war gekommen. Er atmete ein und genoss die kühle, klare Luft.
„Ich muss noch etwas erledigen“, sagte er den beiden Wächtern und ging langsam zur Hinrichtungsstätte, an dem die Toten Zoatham und Camma noch hingen. Er warf einen Blick auf sein eigenes Kreuz. Getrocknetes Blut bildete schwarze Flecken auf dem Holz. Jesus schluckte und unterdrückte ein Gefühl des Entsetzens. Dann richtete er den Blick auf Zoathams Leichnam.
„Zoatham, höre mich“, rief er, schloss die Augen und breitete seine Arme beschwörend aus. „Ich rufe dich aus dem Tod zurück ins Leben. Folge meiner Stimme. Steh auf und wandele.“
Nichts geschah. Jesus öffnete die Augen und dann sah er, wie der Finger des Mörders zuckte. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Erst leicht, dann immer stärker. Ein röchelndes Atemgeräusch erklang. Zoatham hob den Kopf, öffnete die Augen und sah Jesus wortlos an.
„Siehe, du lebst“, sagte Jesus und lächelte.
„Was…. Warum… Warum bin ich hier? Ich war doch gerade… Es war so schön dort. Voller Licht…..“, stammelte Zoatham.
Jesus sah ihn an. „Ich habe dir gesagt, dass dein Platz in der Hölle ist. Dein Platz ist hier. Willkommen zurück.“
Jesus drehte sich um und ging. Hinter ihm schrie Zoatham ein heiseres, verzweifeltes und wütendes Schreien am Kreuz.
Der Sohn Gottes hatte gerade sein erstes Wunder getan und nun war er bereit, sich der Welt zu zeigen.
Frohe Ostern.