Der Herr der Wünsche
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es sind nun schon zwei Wochen vergangen, seit Leon gestorben ist.
Ich konnte immer noch nicht glauben das mein bester Freund tot war. Es war Mittwoch und ich war auf Arbeit, wie immer eigentlich. Es war noch nicht mal Mittag aber ich langweilte mich wieder, in dem kleinen Büro wo ich angestellt war, gab es eben Wenig zu tun. Ich ging kurz auf die Toilette und dabei auf mein Handy. 20 Anrufe in Abwesenheit von meiner Mutter. Blanke Angst machte sich in mir breit, sowas war nie ein gutes Zeichen.
Schnell ging ich in den Flur und rief zurück, schon nach dem zweiten Klingeln nahm sie ab. Sofort fragte ich was los sei und mit zittriger Stimme sagte sie diesen einen, so unwirklichen Satz „Leon ist tot“ Kurzes Schweigen, dann erwiederte ich, etwas wütender als gewollt: „Was soll das? Willst du mich verarschen, das ist nicht lustig!“ Meine Mutter veräppelte mich gern ab und zu aber so einen makaberen Scherz würde sie nicht bringen. Sie begann zu Schluchzen und als sie sich wieder gefangen hatte, sprach sie weiter.
„Ich…ich weiß es klingt unglaublich aber es ist wahr, sein Vater wollte ihn heute früh wecken aber…“ Hier brach sie ab und weinte hemmungslos. Leon und ich waren schon immer befreundet, unsere Eltern waren es ebenfalls und da wir auch nahe beieinander wohnten, verbrachten wir sehr oft Zeit miteinander. Eigentlich war er wie ein Bruder. Und nun sollte er tot sein? Weg, für immer? Das konnte ich einfach nicht in den Kopf bekommen. Als ich nach Hause kam saßen Leons Eltern und meine zusammen in der Küche. Es gab Kaffee aber sonst nichts. Leons Mutter weinte leise aber ohne Unterlass, sein Vater weinte nicht aber hatte einen furchtbar leeren Gesichtsausdruck. Seine Augen wirkten so, als wäre auch er gestorben.
Wie schrecklich musste es auch für einen Vater sein, sein Kind wecken zu wollen aber es geht nicht. Er wird einfach nicht wach, nie wieder. Laut dem Arzt war es Herzversagen. Aber es schien mir dennoch so unwirklich. Leon war ein großer, kräftiger Kerl der oft ins Fitnessstudio ging. Klar, er hat geraucht aber nur 4-5 Zigaretten am Tag. Und Alkohol trank er auch eher selten. Wieso sollte plötzlich sein Herz stehen bleiben? Aber dann kam der Tag seiner Beerdigung, es war kühl und windig, Nieselregen erzeugte einen diffusen Nebel, wirklich passend für eine Beisetzung.
Ich fühlte mich schlecht weil ich nicht weinen konnte, wie man es wohl erwarten würde aber es ging einfach nicht. Ich ging mit meinen Eltern zum Friedhof, dort waren schon viele Leute versammelt: Verwandte, Kollegen aber auch ehemalige Klassenkameraden. Das war nicht meine erste Beerdigung aber es schien alles so surreal. Das offene Grab, die Massen an Blumen aber allem voran Leon im Sarg. Er trug einen Anzug, den Anzug welchen er zuletzt vor zwei Jahren auf einer Hochzeit an hatte. Normalerweise kannte ich Leon nur in Bandshirts und schwarzen Jeans, manchmal mit Lederjacke. So sah er irgendwie verkleidet aus. Das Gesicht zeigte die typische Totenblässe aber immerhin hat man ihm seine Pircings gelassen obwohl Leons Eltern diese nicht mochten.
Ich hatte nichts was ich hätte in den Sarg legen können. Unsere Freundschaft schien uns so selbstverständlich das sie keiner Symbole bedurfte. In dieser Situation hätte ich aber doch gern etwas gehabt. Als der Sarg geschlossen wurde, zuckte ich zusammen. Leons Mutter brach in so hysterische Heulkrämpfe aus, das ein Arzt gerufen wurde der ihr Beruhigungsmittel gab. Noch seltsamer schien es mir als dann am Ende jeder noch eine Blume ins Grab werfen durfte. Als wäre alles ein Film und ich stand neben mir und sah mir selbst zu, so fühlte es sich an.
In der nächsten Zeit ging ich jeden Tag zum Friedhof, nur um mich zu versichern das da wirklich ein frisches Grab und ein Kreuz mit Leons Namen war, welches nach einiger Zeit, wenn die Erde sich gesetzt hatte, durch einen Grabstein ersetzt werden würde. Ich starrte auch oft auf das Foto von ihm welches ich nun aufgestellt hatte, so als ob es mir etwas sagen könnte. Die Wochen vergingen aber es änderte sich nichts, manchmal sah ich sogar noch nach ob er mir eine Nachricht geschrieben hatte. Langsam quälte mich dies und ich wollte lieber akzeptieren das er nun tot war und nie wieder kommen würde. Aber aus irgend einem Grund weigerte sich ein Teil meines Verstandes dies zu akzeptieren.
Dann kam ein Dienstagmorgen. Ich stand an der Bushaltestelle, da ich meiner Mutter mein Auto geliehen hatte, ihr eigenes war in der Werkstatt und ich kam so auch recht gut zur Arbeit. Es war ein grauer Tag mit Nieselregen und Nebel, ganz so wie der Tag der Beerdigung. Ich war die einzige hier, nur an der Haltestelle gegenüber warteten ein paar Schulkinder. Dann kam Henry um die Ecke. Herny ging mit Leon und mir damals in eine Klasse, er war schon immer unauffällig aber durchaus gut zu leiden. Kurz grüßend zog er an mir vorbei und wollte schon über die Straße gehen als er sich noch einmal umdrehte, kurz inne hielt und schließlich auf mich zu ging.
Ich fragte mich schon, was er denn wollte aber Henry begann gleich ohne Umschweife zu reden. „Hey du….du hast immer noch Probelme mit der Sache oder? Also, es gibt da etwas was dir helfen könnte aber ich schicke es lieber per WhatsApp, ich habs etwas eilig.“ Ohne ein Wort des Abschieds rannte er fast zur anderen Haltestelle, bei welcher der Bus gerade anhielt. Ich war recht perplex und musste den ganzen Tag darüber grübeln, was er wohl meinte. Am Abend, gegen 20 Uhr war es dann soweit. Ich saß gerade vor dem Fernseher, zappte durch. Hatte Herny überhaupt meine Nummer?
Doch kaum sah ich auf mein Handy waren auch schon Nachrichten von ihm eingegangen. In der ersten stand folgendes: „Hallo Victoria, hier erstmal eine kurze Beschreibung. Dann folgt das Ritual. Das, was dir bei deinem Problem helfen könnte wäre der Herr der Wünsche. Er ist eine Art Wesen das große Kräfte besitzt und dir einen Wunsch erfüllen kann, wofür du aber etwas opfern musst. Bedenke aber das er nicht so etwas wie ne gute Fee ist und daher die Wünsche manchmal ganz anders erfüllt, als gedacht“.
Danach folgte ein Bild das offensichtlich seine Schwester Lisa gezeichnet hatte, denn darin war sie wirklich gut. Es zeigte einen großen Mann mit langem, leicht gelocktem Haar aber ohne Augen. Er wirkte irgendwie unheimlich obwohl nur das fehlen der Augen abnormal war. Schließlich folgte eine Textnachricht mit dem versprochenen Ritual. „Um den Herr der Wünsche zu beschwören muss man in ein leer stehendes Haus gehen, es kann auch eine alte Farbrik oder ein verlassener Stall sein, wichtig ist nur, das dort niemand mehr wohnt. Denn sonst könnte er sich entscheiden zu bleiben und das ist sicher nicht zum Vorteil des Bewohners.
Der Herr ist zwar kein durch und durch böses Wesen aber auch nicht harmlos. Am besten ist es, das Ritual am Tag durch zu führen. Dann sieht man besser was man tut und vorallem, was er tut. Es klappt auch nur, wenn man es allein macht, wobei einige sagen Zwillinge könnten das Ritual zusammen durch führen aber das ist nicht sicher. Damit der Herr der Wünsche erscheint benötigt man ein paar Opfergaben, denn nichts auf dieser Welt ist umsonst. Man braucht etwas von sich, etwas Wertvolles und etwas Lebendiges. Am einfachsten ist es da eine Haarsträhne, Geld oder Schmuck und Blumen zu verweden. Nun geht man also in das leere Haus, setzt sich auf den Boden in einem hellen Raum. Man legt seine Opfergaben vor sich und zündet ein kleines Feuer an. Dieses kann man einen Tag vorher vorbereiten aber die Opfergaben dürfen nur am Tag des Rituals mitgebracht werden,sonst scheitert es.
Wenn das Feuer gut brennt, legt man die Opfergaben hinein, die Reihenfolge ist dabei egal. Nun schließt man die Augen und spricht: Herr der Wünsche ich rufe dich, bitte erfülle mir meinen Wunsch. Sehr wichtig ist es, das Bitte nicht zu vergessen. Generell muss man, während der ganzen Unterhaltung mit ihm höflich bleiben, sonst verwehrt er den Wunsch oder Schlimmeres. Wenn man nun die Augen wieder öffnet, sollte er vor einem sitzen und nach dem Wunsch fragen. Nun kann man sich wünschen was immer man will aber es kann sein, das der Wunsch anders erfüllt wird, als erwartet.
Wenn der Herr der Wünsche zustimmt, muss man sich bedanken und erneut die Augen schließen. Nachdem er also verschwunden ist, kann man gehen, das Ritual ist erfolgreich gewesen. Übrigens kann man es so oft wiederholen wie man will aber vorsicht! Bei jedem neuen Wunsch muss die Opfergabe größer und teurer werden.“
Ok…..was sollte das? Glaubte Henry tatsächlich an sowas oder wollte er mich verarschen? Nun, für Letzteres war er nicht der Typ aber es war doch wirklich lächerlich. Ich beließ es dabei und antwortete nicht. Wochen vergingen und mir ging es kein Stück besser. Noch immer konnte ich nicht damit umgehen das Leon verstorben war und ich vermisste ihn schrecklich. Und wenn man wirklich verzweifelt ist, macht man seltsame Dinge.
Irgendwann fiel mir die Nachricht von Henry ein und so beschloss ich es doch aus zu probieren. Schon allein um mir zu beweisen das es Quatsch war und ich das Ganze vergessen konnte. Denn die Idee vom Ritual spukte immer noch in meinem Kopf. Nur ab und zu aber dennoch präsent. Also, was brauchte man nochmal? Etwas von sich, etwas Wertvolles und etwas Lebendiges. Nun, eine Haarsträhne war kein Problem. Nun etwas wertvolles…..Ah! Ich hatte noch ein paar furchtbar hässliche Goldohringe. Unförmige, dicke Kreolen mit kleinen Edelsteinen besetzt. Diese waren ein Geschenk von einer Tante und ich würde sie sowieso nie tragen. Nun noch etwas Lebendiges, Blumen gab es ja genug, es war Mai. Nur wie machte ich am besten ein Feuer ohne das es außer Kontrolle gerät? Da nicht beschrieben stand wie groß das Feuer sein musste beschloss ich, einen Kochtopf dafür zu nutzen. Ich packte also einige Äste und Papier hinein, hoffend das es ausreichte.
Ich nutze einen freien Tag und verstaute alles in einer unauffälligen Tasche. Ich wählte ein Gebäude nicht weit weg von meinem Haus, es war wohl mal eine Schule aber das war viele Jahrzehnte her. Birken wuchsen aus dem Dach, der ganze Hof war von Gräsern durchwachsen welche die Pflastersteine herraus drückten. Vorsichtig drückte ich gegen die Tür, sie lies sich leicht öffnen, ein Teil des Schlosses brach einfach aus dem morschen Holz. Ich war nicht verwundert Graffiti an den Wänden und leere Bierflaschen in den Ecken zu finden. Ich war nicht die Erste hier. Zuerst sah ich mich um, die ehemalige Schule war nicht allzu groß. Das Hauptgebäude war ein großer, graubrauner Klotz, ohne Stuck oder irgend eine Zierde. Nur eine große Uhr war über der Eingangstür eingelassen. Die Zimmer waren etwas kleiner als normale Klassenzimmer und völlig leer. Nur der Staub der Jahrzehnte war überall in jedem Winkel. Nicht allzu spannend aber deshalb war ich ja auch nicht hier. Ich wählte den größten Raum in der Schule, welcher sicher früher mal die Aula war. Sonnenlicht fiel durch große, hohe Fenster. Anfangs versuchte ich einen kleinen Fleck auf dem Boden sauber zu machen aber der Staub war allgegenwärtig und so setze ich mich einfach. Ich packte meine Utensilien aus und begann ein Feuer in dem Topf zu entfachen.
Das war schwieriger als gedacht, ich brauchte 17 Streichhölzer bis es brannte. Nun sah ich zu meinen Opfergaben und fragte mich, ob das wirklich tun wollte. Ich hatte weniger Angst davor, das wirklich etwas passierte, als davor erwischt zu werden. Ich legte die Dinge in den Topf und als die Blumen dazu kamen, begann es ordentlich zu qualmen. Ich schloss die Augen und sprach mit fester Stimme in die Stille hinein: „Herr der Wünsche, ich rufe dich, bitte erfülle meinen Wunsch.“ Wie lange musste ich eigentlich die Augen geschlossen halten, davon stand nichts in der Nachricht? Kaum hatte ich dies zu Ende gedacht, spürte ich eine Anwesenheit. Ja, ich fühlte überdeutlich das jemand in meiner Nähe war. Ich öffnete die Augen und benötigte alle Willenskraft nicht zu schreien oder davon zu laufen.
Mir gegenüber saß der Mann von der Zeichnung. In der Realität sah er noch unheimlicher aus, seine Augen fehlten, dennoch blinzelte er, ich glaube fast, da ist einfach etwas anderes, unsichtbares anstelle normaler Augen. Seine Haut war gräulich, wie die einer Leiche, ein paar Tage nach dem Tod. Sein dunklbraunes Haar war so lang, das es auf dem Boden auflag und er lächelte….dabei zeigte sich das seine Eckzähne spitz waren, nicht so lang und dünn wie bei einem Vampir, eher massiv wie die eines Raubtieres. Vielleicht war er auch ein Raubtier und ich, ich fühlte mich wie die Beute. „Nun, wie lautet dein Wunsch?“ sagte er, seine Stimme, tief und sanft aber mit einem bedrohlichen Unterton.
Ich musste mich wirklich zusammen reißen um überhaupt ein paar Worte heraus zu bekommen, nie hätte ich geglaubt das dieses Ritual funktioniert. „Ich wünsche das mein Freund Leon nicht gestorben wäre.“ War das richtig? Hatte ich es so formuliert das er mir keinen Strick draus drehen konnte? Unsicher sah ich den Herrn der Wünsche an, dieser schien kurz nach zu denken und sprach schließlich: “ Gut, ich werde dir diesen Wunsch erfüllen. “ Wieder zeigte er sein bedrohliches Lächeln, es war gar nicht einfach nun die Augen zu schließen, man erwartete, das man angegriffen würde. Doch wollte ich ihn auch auf keinen Fall verärgern oder beleidigen. Also bedankte ich mich leise und schloss die Augen.
Sekunden vergingen die sich wie Stunden anfühlten bevor ich mich traute sie wieder zu öffnen. Er war weg. Ich atmete erst einmal tief durch und fragte mich aber auch ob es wirklich geklappt hat. Sicherheitshalber nahm ich den erloschenen Topf wieder mit, um keine Spuren zu hinterlassen. Am nächsten morgen sah ich, wie immer erst einmal auf mein Handy, ich hatte einige WhatsApp-Nachrichten, zwei davon von Leon.
Ich fühlte eine Mischung aus Furcht und Freude, sofort zog ich mich um, ich musste ihn sehen. Mein Herz klopfte bis zum Hals als ich bei ihm klingelte. Bange Sekunden vergingen bis Leons Mutter die Tür öffnete. Fröhlich begrüßte sie mich und bat mich hinein, er wäre in seinem Zimmer. Vor seiner Zimmertür zögerte ich etwas aber ich riss mich am Riemen und trat ein. Tatsächlich! Leon saß auf einem Stuhl vor seinem Pc und zockte. Alles sah normal aus, auch begrüßte er mich, wie eh und je.
Aber seine Augen….gebrochen und starr blickten sie in eine andere Welt, wie es bei einem Toten üblich ist. Das jagte mir einen Schauer über den Rücken. Aber sonst schien es, als wäre nie etwas gewesen. Seine Eltern waren gut gelaunt, es gab kein neues Grab auf dem Friedhof, selbst die Todesanzeige in der Zeitung war verschwunden. Es war schon ziemlich unheimlich und auch dachte ich daran mir mehr zu wünschen, Geld oder ein eigenes Haus aber ich fürchtete auch die Folgen. Es vergingen wieder ein paar Wochen bis ich etwas träumte.
Der Traum begann recht normal: ich war in der Schule und ging mit einigen Klassenkameraden nach draußen, es ging heimwärts. Leon holte mich schließlich ein und fragte, ob er noch kurz mit mir reden könne. Im Traum, waren seine Augen so wie früher, lebendig. Wir gingen also zu einer Bank, setzen uns und so begann er: „Weißt du, was du da mit mir gemacht hast, ist nicht cool. Ich weiß du hast mich vermisst und ich weiß auch das du es nicht böse meintest aber diese Existens ist unerträglich. Schlimmer… als der Tod.“
Ich war geschockt, Grauen durchfuhr mich, wieso sagte er das? War das wirklich nur ein Traum oder schon eine Botschaft? Da sich das Ritual als wahr herausgestellt hat, war ich auch dabei nicht mehr so skeptisch. Dennoch tat ich anfangs nichts aber der Traum wiederholte sich und bei jedem mal schien Leon verzweifelter zu werden. Schließlich schrieb ich Herny, wie man einen Wunsch rückgängig machen kann und hoffte, das er dies auch wusste. Er wusste es. Man musste das Selbe tun wie zu Anfang, nur musste die Opfergabe großzügiger ausfallen da man den Herr der Wünsche ja ein zweites Mal beschwor. Dann musste man sein Anliegen darbringen und er würde sagen was der Preis dafür wäre.
Unsicher blickte ich auf den Display…“was der Preis dafür wäre?“ das gefiel mir nicht, was ist, wenn der Herr etwas verlangte was ich nicht geben konnte? Aber ich konnte Leon auch nicht im Stich lassen, er würde mir ja auch helfen wenn ich an seiner Stelle wäre. Wieder bereitete ich alles vor, besorgte mehr und seltenere Blumen, diesmal auch Geld statt Schmuck und statt eine Haarsträhne, naja diesmal ließ ich mich zur Ader. Das klingt sicher alles ziemlich verrückt aber ich wollte sicher gehen das alles funktioniert und das Ritual glatt geht. Diesmal ging ich in ein anderes Haus, es lagt etwas ausserhalb des Dorfes und somit würde mich niemand bemerken.
Der Tag war sonnig und warm aber durch die vielen Bäume um das alte Gehöft fiel nicht viel Licht ins Innere. Ich musste über einen kleinen Schutthaufen steigen aber dann legte ich auch schon los. Ich tat alles wie beim letzen Mal und auch diesmal saß der Herr der Wünsche wieder vor mir. Durch das diffuse Licht sah er aber furchterregender aus als sonst. Nachdem er mich fragte was mein Wunsch sei, sagte ich das ich meinen vorherigen Wusch zurück nehmen will. Er sah verblüfft aus, offenbar passierte das nicht oft. „Nun, auch das ist möglich wenn auch schwieriger. Es braucht dafür etwas mehr.“ sprach er mit sanfter Stimme aber bedrohlichem Lächeln. „W-Was braucht es denn?“ fragte ich zaghaft. „Nun, ich benötige ein menschliches Herz.“ erwiderte er. Erschrocken zuckte ich zusammen, wie sollte ich an ein Herz kommen? Das schien mir unmöglich, zumindest kaum machbar ohne straffällig zu werden. Aber was sollte ich tun? Ich konnte das Ritual abbrechen aber dann wäre Leon für immer in diesem Zustand gefangen. Unschlüssig schweigend sah ich ihn an. „Ich werde einfach hier warten, komm zurück wenn du es hast.“ nahm er mir die Entscheidung ab. Somit stand ich mit wackeligen Beinen auf und lies sofort die Gedanken kreisen woher ich so schnell ein Herz herbekommen würde.
Tatsächlich hatte ich eine Idee….aber ob das klappen würde? Ich erinnerte mich das es doch ein frisches Grab auf dem Friedhof gab, die Beerdigung war erst eine Woche her. Es war zwar Juni aber in 1.80m tiefe dürfte die Verwesung nicht so weit fortgeschritten sein. Ich fühlte mich wirklich schlecht bei dem Gedanken jemanden in seiner ewigen Ruhe zu stören und quasi aus zu weiden aber es musste sein. Ich benötigte ein paar Tage zur Vorbereitung aber in einer lauen Nacht zog ich los. Der Friedhof war nicht weit und die Tore natürlich abgeschlossen aber der Zaun wurde erneuert, so konnte ich von einem Feld aus einfach hineinspazieren. Nur der Vollmond beleuchtete schwach den Totenacker. Hin und wieder sah man auch eine Grabkerze flackern. Vorsichtig nährte ich mich dem frischen Grab. Nur wenige Kränze und gestecke schmückten es. Entweder war diese Person nicht sehr beliebt oder wollte es so. Nervös begann ich mit dem abräumen, ständig umblickend, allzeit in Erwartung erwischt zu werden. Aber das geschah nicht.
Also nahm ich meinen Spaten und grub. Es ging leichter als gedacht, war aber immer noch anstregend genug mich schwitzen zu lassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stieß ich auf den Sarg. Der faulige Duft der Vergänglichkeit machte sich breit und der Deckel war stark eingedrückt, wohl durch das Gewicht des Bodens. Es kostete dennoch einige Kraft diesen auf zu stemmen. Eine Wolke Faulgase erhob sich in die kühle Nachtluft und lies mich würgen. Aber ich musste mich zusammen reißen, für Leon. Die Leiche war eine Frau mittleren Alters gewesen, mit langem blonden Haaren welche durch die austretenden Säfte teilweise in ein schmutziges Braun verfärbt waren. Sie trug ein langes, weißes Kleid mit rosa Rosen darauf. Der ganze Körper war schon recht aufgequollen sodass auch das Gesicht verbeult und unförmig wirkte. Die Augen waren schon fast komplett zerfallen, so starrten mich fast leere Höhlen an. An vielen Stellen war die Haut aufgeplatzt und zeigte das darunter liegende Fleisch. An einigen stellen war auch das Kleid dunkel von Erde und Üblerem.
Der Gestank war wirklich überwältigend. Aber immerhin, sie war obduziert worden. Ich musste also nur die Y-Naht aufschneiden um an das Herz zu gelangen, hoffentlich war es dem Herrn der Wünsche noch nicht zu verwest. Ich nahm die Schere zur Hand und begann zu schneiden. Die groben Nähte gaben leicht nach und schon bald klafften die unverheilten Wundränder auseinander. Magen und Darm waren aufgeplatzt und entließen einen dickflüssigen, grüngrauen Schleim. Wieder kämpfte ich mit der Übelkeit aber ich hatte es fast geschafft. Ich griff unter die Rippen nach dem Herz, es war schon lose, sicher vom Phatologen untersucht. Schnell packte ich das Organ in eine Plastiktüte damit ich mich wieder ans verschließen machen konnte. Deckel drauf, Erde, fertig. Ich war überrascht das man tatsächlich keinen Unterschied sah aber um so besser. Zuletzt setze ich noch die Blumen wieder hin und räumte meine Sachen ein. Als ich zu Hause ankam, schmiss ich die Dinge in eine Ecke, das Herz in den Kühlschrank und mich unter die Dusche. Ich duschte eine halbe Ewigkeit um den Gestank los zu werden.
Am nächsten Tag war es dann endlich soweit. Ich machte mir zwar immer noch Gedanken ob man doch bemerken würde, was ich getan hatte aber dem war nicht so. Gegen Nachmittag packte ich meine Opfergabe ein und ging zurück zu dem Hof. Heute war ein ziemlich stürmischer Tag, Regen und Sonne wechselten fast stündlich und so traf ich auch niemaden auf dem Weg zu dem alten Bauernhof. Dort setze ich mich, packte das Herz aus und legte es vor mich. Nun Augen schließen und abwarten. Sekundenlang hörte ich nur den Wind heulen aber dann fühlte ich eine Präsens. Als ich die Augen öffnete saß der Herr der Wünsche vor mir, der Wind wehte sein Haar zurück. „Sieh an, du hast es geschafft, das kommt nicht oft vor.“ sagte er. Nun nahm er das Herz an sich, roch kurz daran….und biss ab. Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, nicht zu würgen, durfte man doch nie die Höflichkeit vergessen. Er aß es tatsächlich auf….noch heute wird mir übel wenn ich daran dachte.
„Nun, dann nehme ich den Wunsch zurück, wie abgemacht.“sagte er gönnerhaft. So bedankte ich mich, schloss die Augen und ging darauf hin nach Hause. Am nächsten Morgen sah ich gleich auf mein Handy, keine neue Nachricht von Leon. Auch alle anderen Nachrichten die wir in der Zwischenzeit geschrienen hatten, waren weg. Das Grab auf dem Friedhof wieder da und auch die Todesanzeige war wieder in der Zeitung. Ich seufzte. Manchmal ist es doch gut, wenn Wünsche nicht wahr werden. Auch wenn ein solcher Verlust schmerzt, geht das Leben weiter.
Gestern erst war ich auf der Party einer Freundin. Es waren unheimlich viele Leute da. Aber mir fiel ein Mann mit langem Haar auf. Als ich an ihm vorbei ging, drehte er sich um. Er hatte keine Augen. Er beugte sich zu mir vor und sprach leise „Was ist? Ich habe nie gesagt, das ich gehe.“