ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
= Der Waldkult – Spurensuche =
von OldPreacher
-> Teil I:
Ich schlängelte den Wagen durch das dichte Unterholz. Die vorbeiziehenden Äste schabten an das Autofenster. Das Glas und der Lack hätten nach dieser Tour so einige Kratzer. Aber das war mir egal. Den alten T4 hatte ich gebraucht gekauft und diente nur dazu von A nach B zu kommen. Ich schaute in den Rückspiegel und betrachtete mein feminines Gesicht. Meine braunen Haare waren nach hinten gekämmt, während meine grauen Augen mein Spiegelbild taxierten.
Mein Name war Steven. Steven Finley. Ich bin 19 Jahre alt und gehe mittlerweile auf die Uni. Ich hatte einen Traum. Dem FBI beitreten und mein Kindheitstrauma auslöschen. Jeder hatte solch ein Trauma. Gut, die meisten wurden nicht von irgendwelchen Sekten entführt. Drei Jahre war es jetzt her, dass mein Nachbar Mason mich entführte und in einen Keller sperrte.
Am Ende hatte ihn das jedoch nichts gebracht, außer den Tod.
Seit drei Wochen war ich dem Kult auf der Spur. Auf dem Beifahrersitz stapelten sich Notizen und Akten. Zwischen den Notizen lag meine Glock. Die Waffe hatte ich einem Dealer vor einigen Tagen abgekauft. Ich war kein Freund von Waffen, wenn man es aber mit einem verrückten Kult zu tun hatte, sollte man besser vorbereitet sein.
Aktuell hatte ich Semesterferien und dementsprechend genügend Zeit. Ich studierte Kriminalwissenschaften und war während der Studienzeit ziemlich eingespannt. Zusätzlich hatte ich auch einen Nebenjob bei einem Outdoorhändler. Das Geld benötigte ich eigentlich nicht. Ich bekam von der Universität ein volles Stipendium inklusive kostenloses Wohnen im Wohnheim. Ich teilte mir das Zimmer mit meinem Nachbarn Leroy Freeman. Leroy studierte Gerichtsmedizin und war eigentlich ziemlich in Ordnung. Nur sein erhöhter Konsum von Magic Mushrooms war teilweise störend.
Mit meinem ersparten Geld hatte ich mir vor einer Woche schließlich den alten Volkswagen T4 gekauft. Knapp dreitausend Dollar hatte ich dafür bezahlt. Der Van mag zwar alt sein, dafür war er jedoch ziemlich robust. Die Glock hatte ich von einem Bekannten gekauft. Eigentlich war der Bekannte, Leroys Dealer. Knapp fünfhundert Dollar plus drei Ersatzmagazine. Der Typ fragte nicht nach dem Grund.
Vorgestern hatte ich dann einen Tipp bekommen. Hier draußen sollte es eine kleine alte Waldhütte geben. Dort hatte der Kult mit einigen seiner Mitglieder ein Ritual durchgeführt. Die Info stammte von einem Obdachlosen. Ich traf ihn zufällig an der Uni an, als er versuchte die Mülltonnen der Mensa nach essbaren zu durchsuchen. Ich gab ihm einen Donut aus und er erzählte mir ungefragt seine Lebensgeschichte. Das meiste von dem war ziemlich überzogen, aber als er meinte, dass er vor drei Wochen von einem geheimnisvollen Kult zu einem Treffen eingeladen wurden war, klingelten bei mir alle Alarmglocken.
Nach einem weiteren Kaffee und zwanzig Dollar Bestechungsgeld, erzählte mir der Obdachlose die ganze Geschichte. Damals ging es James, der Name des Obdachlosen, gesundheitlich nicht gut. Er hatte sich das Bein verstaucht und kam nur sehr schwer von A nach B.
Einige Tage später traf er dann eine ehrenamtliche Helferin. Lauren, war auf dem ersten Blick eine warmherzige Person. Sie arbeitete in der Obdachlosenküche und James verstand sich schnell mit ihr. Irgendwann lud Lauren, James dann zu einem Treffen ein. Sie meinte damals, dass andere gleichgesinnte Menschen eine Religionsgemeinschaft gegründet hatten. James sollte zu einer abgelegenen Waldhütte kommen und an der Messe mitmachen. Natürlich war James skeptisch, aber Lauren lockte mit kostenlosen Essen und Kleidung. Abends ging James dann zur Hütte. Er erzählte mir, dass er sich im Wald eine Menge Zecken geholt hatte.
Dort angekommen traf er dann Lauren und zwei weitere Frauen an der Hütte an. Die Namen der beiden anderen Personen, kannte er nicht. Er berichtete jedoch, dass diese beiden fremden, ungefähr vierzig Jahre alt waren. Sie führten James und einen anderen Obdachlosen, Kevin, in die Hütte. Dort gab es dann tatsächlich etwas zu Essen.
Der Tisch war beladen mit Burgern, Fritten und Getränke. James kam das jedoch etwas dubios vor. Wieso sollte man mitten im Wald, zwei fremde Obdachlose beköstigen? Der andere Obdachlose stürzte sich sofort auf das Essen und schaufelte sich das Fast Food in den Magen. James beobachtete das Geschehen und wollte sich gerade ebenfalls das Essen in den Rachen schaufeln. Dabei bemerkte er jedoch die drei Frauen. Sie standen in der Ecke der Hütte dicht beisammen. James erzählte mir, wie die drei Frauen einfach nur stumm dastanden. Auf deren Gesichtern war ein grauenhaftes, verzehrtes Lächeln. Sie schauten auf Kevin und dann hoben alle drei synchron den Kopf und schauten James an. Ihre Gesichter waren zu grausigen Fratzen gefroren. Und dann sah er es. Aus deren Köpfen wuchsen Hörner, ihre Hälse verlängerten sich und ihre Augen wurden tiefschwarz. Ihre Münder öffneten sich und zum Vorschein kamen Nadelförmige Zähne.
Das war dann doch zu viel für James. Mit verstauchtem Bein rannte er aus der Hütte und verschwand im Buch. Er spürte, wie er verfolgt wurde, konnte jedoch rasch entkommen. Für James war der Wald kein Problem. Er war damals in Vietnam und musste sich tagelang vor den Vietkong verstecken. Noch während er durch den Busch rannte, hörte er einen schrillen Schrei. Kevin.
Nach dieser Begegnung tauche James für einige Wochen unter und wühlte lieber nach Essensresten. Er hatte kein Bedürfnis mehr auf die Obdachlosenküche.
Nachdem er mir seine Geschichte erzählt hatte, gab ich ihn weitere hundert Dollar, damit er sich ein Busticken kaufen konnte. Er hatte eine Tochter in Fresno und würde dort unterkommen.
Vor mir zeichnete sich im Scheinwerferlicht des T4 die alte Waldhütte ab. Ich bremste und schaltete den Motor aus. Dann lauschte ich. Nichts. Ich nahm meine alte Taschenlampe in die eine und die Glock in die andere Hand. Dann stieg ich aus dem Van und ging den überwucherten Feldweg bis zur Hütte entlang. Die Waffe steckte ich in den Hosenbund. Notfalls war sie jedoch schnell griffbereit.
Die alte Waldhütte sah wie eine alte Blockhütte aus. Die Außenwände waren jedoch teilweise marode. Giftgrünes Moos hatte sich bereits an den Außenwänden ausgebreitet. Ich schaute mich mit der Taschenlampe weiter um. Neben der Hütte gab es einen kleinen, verfallenen Schuppen. Abseits davon stand ein abgedeckter Brunnen aus alten, verwitterten Backsteinen. Die Fensterläden der Hütte waren verschlossen, so dass ich mit der Taschenlampe nicht reinleuchten konnte.
Langsam näherte ich mich der Tür. Auch diese sah etwas verwittert aus, wurde jedoch erst kürzlich gesäubert. Das Schloss an der Tür war neu und stammte wohl aus dem Bauhaus. Ich drückte die Klinke runter. Verschlossen.
Das Schloss sah nicht besonders robust aus und ich beschloss es mit meinen Dietrichen zu knacken. Es dauerte einige Sekunden, aber dann war die Tür offen. Langsam drückte ich die Klinke runter und öffnete mir einem leisen knarzen die Tür.
Die Luft drinnen war stickig. Es roch nach getrockneten Kräutern und leicht süßlich. Verwesungsgeruch. Leroy hatte mich mal in die Pathologie der Uni genommen. Dort roch es genauso. Ich suchte nach einem Lichtschalter und fand einen. Es wunderte mich, dass es hier Strom gab. Dann schaute ich mich um.
Der Raum war nicht besonders groß. An den Wänden gab es Regale, auf denen eine dicke Staubschicht lag. In der Mitte des Raumes stand ein massiver Eichentisch. Langsam näherte ich mich der Raummitte. Der Verwesungsgestank nahm deutlich zu. Ich schaute mir den großen Tisch genauer an. Auf der Oberseite konnte ich verschimmelte Essensreste ausmachen, alte Pommes, ein Stück verschimmeltes Brot und ein Ohr. Ich musste würgen. Erst jetzt sah ich das ganze infernalische Ausmaß auf dem Tisch. Getrocknetes Blut befleckte die gesamte Tischplatte. Selbst auf dem Boden sah ich mehrere Pfützen des getrockneten Lebenssafts.
Ich rannte aus der Hütte und übergab mich in ein nahendes Gebüsch, dabei bemerkte ich das leise Klicken und Schnalzen aus dem Wald nicht. Ich wisch mir den Mund sauber und drehte mich in Richtung Tür.
Verdammte Scheiße. James hatte recht gehabt. Hier wurde jemand getötet. Ich dachte an das halbe Ohr, dass auf dem Tisch lag. Unwillkürlich musste ich einen Brechreiz unterdrücken. Gerade wollte ich wieder in die Hütte gehen, als ich eine schemenhafte Bewegung wahrnahm.
Sofort blieb ich stehen. Kalter Schweiß bereitet sich auf meiner Stirn aus. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Ich drehte mich vom Haus weg und schaute in die Dunkelheit. Dort hinten, zwischen den Bäumen stand jemand. Langsam richtete ich meine Taschenlampe auf die Gestalt. Nichts. Dort wo der Schatten stand, war nur ein großer Brombeerbusch. Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich schloss die Augen und dachte nochmal nach. Der Schatten sah definitiv wie eine menschliche Gestalt aus. Der Kopf lag jedoch auf einen viel zu langen Hals. Auch die Extremitäten schienten überproportional lang zu sein.
Langsam öffnete ich meine Augen. Aber hier war nichts, außer einige kleine Insekten und geflügelte Raubtiere wie Eulen und Fledermäuse, die durch die Nacht nach Beute streiften. Schnell ging ich zurück in die Hütte und durchsuchte sie nach brauchbaren Hinweisen. Ich fand einige abgetragene Sportschuhe und einen blauen Sack mit blutverschmierten Klamotten. Wahrscheinlich gehörten sie den Obdachlosen.
Ich holte mein Smartphone aus der Tasche und machte ausgiebige Fotos. Anschließend verließ ich die Hütte und stieg in meinen Van. Als ich die Autotür schloss und gerade den Schlüssen ins Zündschloss stecken wollte, spürte ich einen warmen, feuchten Atem an meinem Nacken. Ich erstarrte, langsam wie in Trance wandte sich mein Blick gen Rückspiegel. Mein Herz setzte aus, ich bekam keine Luft, mein ganzer Körper formte sich zu Eis. Direkt hinter mir saß eine Alptraumhafte Gestalt. Die Haut war faltig und bleich, der lange Hals konnte nur mit Mühe den unförmigen Kopf tragen. Eine Reihe Nadelförmiger Zähne lächelte mich an, die dunklen unheilvollen schwarzen Augen taxierten mich und ließen mich weiter erstarren. Dan hob die Kreatur ihren dürren Arm. Lange Finger mit spitzen unsymmetrischen Fingernägeln näherten sich meiner Kehle.
Mit meinem gesamten Willen zwang ich meinen Körper zu reagieren. Ich riss die Autotür auf und sprang aus dem Wagen, rollte mich auf der feuchten Erde ab, griff in den Hosenbund und zog meine Waffe. Die Kreatur kreischte und sprang aus dem Van direkt auf mich zu. Ich schoss dem Monster in die Brust. Kurz ließ der Knall meine Ohren klingeln, dann stieß die Kreatur einen infernalischen Schrei aus. Die Kugel hatte die dürre Brust durchbohrt und das Monster wurde durchgeschüttelt. Schwarzes Blut tropfte aus der Wunde. Doch das Monster lebte noch. Es machte Anstalten auf mich zu zugehen, doch ich schoss diesmal in den Kopf.
Der Schädel platzte wie eine überreife Melone auf und eine schwarze Masse sprudelte hinaus und sickerte in die Erde. Das Unkraut am Boden begann zu welken. Ich machte schnell ein Foto, stieg in den Van und sauste davon.
Einige Tage später saß ich in meinem Zimmer im Wohnheim. Ich hatte die Fotos an einer Pinnwand befestigt. Zusammen mit zahlreichen Notizen ergab es bald eine brauchbare Spur. Noch immer spürte ich den schrecken in meinen Knochen. Ich musste wissen, was dieses Wesen war. Als Leroy das Foto mit der Kreatur sah, dachte er erst, dass es sich hierbei um ein Kunstprojekt handelte. Er fragte mich, ob ich auf okkulte Dinge stand und ich bejahte. Ich wollte meine Ruhe haben. Überraschenderweise verwies Leroy mich an einen esoterischen Laden in Portland.
Erst hielt ich die Idee für dumm. Das letzte was ich brauchte war eine Kristallkugel oder eine Hausfrau, die mir die Karten legte. Doch ich brauchte Infos also fuhr ich los.
Der Laden sah von außen unauffällig aus. Allerdings änderte sich das Bild, als ich den Laden betrat. Drinnen sah es wie in einem Pfandhaus aus. Überall lagen die seltsamsten Dinge. Der ganze Raum war vollgestellt mit Abermillionen Bücher, die teilweise mehrere hundert Jahre alt sein mussten. Dann gab es Unmengen von Glasbehältern in denen Kräuter und andere Materialien aufbewahrt wurden. Aber auch Kleidung, Modeschmuck mit okkulten Symbolen und mittelalterliche Waffen gab es. Schwerter, Macheten, Schilde, Speere und Hämmer. Verdammt, dass sah aus wie ein Shop für Rollenspieler.
An der Ladentheke lehnte eine junge Afroamerikanerin, ihr dichtes braunes Haar steckte unter einem roten Beanie mit einer Menge Smiley und Wicca Pin-Ups. Sie blätterte gerade in einem Comic. Ich versuchte einen Blick auf den Titel zu werfen: Violent Messiahs
„Hallo?!“ fragte ich nervös. Die junge Frau schaute einmal kurz auf, kaute auf ihr Kaugummi und widmete sich wieder dem Comic. Ich starrte sie an. Ungeheuerlich! Ich wurde ignoriert. „Du stinkst nach Tod“ erwiderte sie einige Sekunden später. „Wie bitte?“ ich antwortete irritiert.
Sie lege den Comic beiseite und schaute mir dann in die Augen. „Es ist so wie ich es sagte. Du stinkst nach Tod und bösartiger Magie. Bei dir empfange ich echt üble Vibes.“
Sie schnalzte mit der Zunge und kam dann um die Theke und blieb einige Zentimeter vor mir stehen. Ich roch den süßlichen Kaugummigeruch. Ihre großen braunen Rehaugen starrten in die meinen. Der Ansatz ihrer Brüste berührte bereits meine Jacke. Ich schluckte.
„Ich weiß nicht, was sie meinen“ antwortete ich. Sie hob eine Augenbraue und ging dann wieder zurück an die Theke. Dann kramte sie einige Gegenstände hervor und breitete diese vor sich aus. Ich ging näher an die Theke und begutachtete die Gegenstände.
Das erste war ein Talisman. Die gebogene Kralle stammte wahrscheinlich von einem Raubvogel. Die Kralle war an einem schlichten braunen Lederband befestigt. Solche Ketten sah man häufig auf Straßenständen, wo Ureinwohner angeblich magische Gegenstände feilboten. Der zweite Gegenstand war ein kleines Ledersäckchen. Bei dem dritten und letzten Gegenstand handelte es sich um einen Silberring mit einem verzierten Pentagramm.
Bevor ich etwas sagen konnte, ergriff die Verkäuferin das Wort. „Also. Ich will erst gar nicht wissen, was du für Probleme hast, daher empfehle ich dir mal die Standartausrüstung. Die Adlerkralle verstärkt deinen Sinn für übernatürliche Gefahren. Im Ledersäcken findest du geweihtes Meersalz, damit kann man kleinere Räume schützen. Streu das Salz einfach an den Fenstern und Türen des Zimmers und schon kann kein böses Wesen hinein. Und der Silberring mit dem Pentagramm sorgt dafür, dass du von keiner Macht besessen werden kannst“ gab die Frau von sich. Ich schaute sie skeptisch an. „Das wären dann 450 Dollar“ die Verkäuferin hielt mir die offene Hand hin. „Ich bin nicht hier, um irgendwelchen esoterischen Schnickschnack zu kaufen“ antwortete ich verärgert.
Die Verkäuferin verdrehte die Augen und ging dann nach hinten, in den Personalbereich. Nach einigen Sekunden kam sie mit einem hölzernen Stab zurück. Dieser war knapp dreißig Zentimeter lang und endete oben in einigen dicken hölzernen Knoten.
Plötzlich rammte sie den Stab in den Verkaufsboden. Überrascht schaute ich auf das skurrile Schauspiel. Der Boden im Laden bestand aus soliden Eichenbelägen und trotzdem steckte der Stab jetzt im Boden. Dann flackerte das Licht und urplötzlich drehte sich der Verkaufsraum. Mir wurde schwarz vor den Augen, doch nach einigen Sekunden endete der Effekt. Ich öffnete die Augen und blickte mich um. Ich stand nicht mehr im Laden. Vor mir erstreckten sich bis zum Horizont große, weitläufige Dünen. Die Luft war trocken und die Hitze trieb selbst das letzte bisschen Wasser aus meinem Körper. Wo zum Teufel war ich?
Es endete von einer Sekunde auf der anderen, da stand ich plötzlich wieder im Verkaufsraum. Aus meinen Klamotten träufelten feine Sandkörner. Die Verkäuferin schaute mich an. „Wie war der Kurztrip in die Sahara?“ fragte sie mich. Verständnislos schaute ich sie an. Das war doch nicht möglich. Hat sie mich gerade wirklich teleportiert? Noch immer streckte sie die Hand aus und nach kurzem zögern bezahlte ich sie. Mir schwirrte der Kopf. Ich musste aus diesem Laden raus. Die Frau zwinkerte mir zu und reichte mir dann die Papiertüte mit den Gegenständen. Hastig griff ich nach der Tüte und lief Richtung Ausgang. „Übrigens, ich bin Charlie!“ rief die Verkäuferin von hinten.
Ich stieg in meinen Van und schloss die Augen. Langsam beruhigte ich mich wieder. Dann öffnete ich die Tüte mit den okkulten Gegenständen. Als erstes nahm ich die Adlerkralle in die Hand. Beinahe hätte ich die Kette überrascht fallengelassen. Ein sanftes Kribbeln durchzog meine Hand. Ich legte mir die Kette um den Hals und wartete. Erstmal passierte nichts, doch dann kam da dieses Gefühl. Es war so, als würde ich all die Eindrücke aus meiner Umgebung auf einmal wahrnehmen. Nein. Viel mehr war es so, als würde mein Geist über meinen Körper schweben. Ich spürte einen herannahenden Truck. Sofort öffnete ich die Augen und sah gerade noch so, wie ein junger Mann zur Seite sprang, als ein großer blauer Lieferwagen die Straße langraste. Verdammt. Das war echt unheimlich.
Dann nahm ich den Ring in die Hand. Das Silber war kalt und trotz der geringen Größe, wog der Ring relativ schwer. Ich steckte ihn mir an den rechten Ringfinger. Erstmal passierte gar nicht, doch plötzlich spürte ich einen sengenden Schmerz am Finger. Ich schrie auf und sah wie das Silber sich verflüssigte und in meine Haut einsickerte. Am Ringfinger blieb nur noch ein kleines Pentagramm Symbol zurück. Es sah so aus, als hätte mir jemand ein Tattoo verpasst. Ich lehnte mich zurück, nahm paar kräftige Atemzüge und beruhigte mich wieder. Dann startete ich den Wagen und fuhr zurück zur Universität.
Die Fahrt verlief ereignislos und nach einer knappen dreiviertel Stunde erreichte ich den schlecht beleuchteten Parkplatz des Wohnheimes. Bereits als ich auf den Parkplatz fuhr, hatte ich ein ungutes Gefühl. Etwas lag in der Luft. Ich wusste nicht, ob es am Anhänger lag, aber einer plötzlichen Vorahnung halber, nahm ich die Waffe aus dem Handschuhfach und steckte mir diese in den Hosenbund. Der Parkplatz des Wohnheimes, war von uralten Kastanien und Walnussbäumen umgeben. Vieler der Blätter hatten sich bereits verfärbt, ein Zeichen dafür das der Herbst bereits vor der Tür stand. Auf einem der Bäume hockte ein Rabe, der sich fleißig das Gefieder putzte.
Als ich aus dem Wagen stieg, schaute mich der Rabe mit seinen kleinen, schwarzen, Murmelaugen an, krächzte und flog dann weg. Mittlerweile war es doch schon recht düster. Die Lichter im Wohnheim waren aus, was wahrscheinlich daran lag, dass die meisten Studenten bei der neuen Verbindungsparty sind und sich kräftig, den flüssigen Sprit in die Kehlen gossen. Leichte Nebelschwaden überdeckten die altersschwachen Straßenlaternen am Parkplatz, so dass ein diffuses Lichtspiel entstand. Irgendetwas stimmte hier gewaltig nicht. Der Anhänger schien zu brennen, denn ich spürte eine ungeheuerliche Wärme an meiner Brust.
Langsam ging ich in Richtung Eingangstür. Auf halbem Wege blieb ich nochmals stehen. Der Nebel wurde langsam dichter. Erste Ausläufe des nie endeten Graus umschlungen bereits meine Knöchel. Ich drehte mich ruckartig zur Tür und nach ein paar Schritten öffnete ich diese dann. Die alten Scharniere, der in die Jahre gekommenen Tür öffneten sich mit einem quietschen. Ich betrat den langen Flur des Wohnheimes, während die alte Haustür langsam ins Schloss fiel. Der Flur des Wohnheimes war knapp fünfzehn Meter lang. Insgesamt gab es auf jeder Seite vier Türen mit jeweils einem Doppelzimmer. Im ersten Stock waren demnach die Beherbergung von sechzehn Studenten möglich.
Die Wände bestanden bis zur Hüfthöhe aus alten Eichenplatten, der Rest der Wand bestand aus alten Backsteinen, denen man in den letzten Jahren mit weißem Mörtel überstrichen hatte. Der weiße Mörtel war mittlerweile, gräulich und zeigte an einigen Eckpunkten bereits risse. Es schien fast so, als würden sich die Jahrhundertalten Backsteine gegen den neuen Anstrich wehren.
Der Boden bestand aus billigem Linoleum, der die alten Marmorplatten überdeckte. Früher seien wohl einige Studenten auf den rutschigen Marmorplatten ausgerutscht. Um nicht verklagt zu werden, entschied sich der Verwaltungsrat der Universität, um eine kostengeringe Alternative.
Alle drei Meter befand sich eine große Deckenleuchte, insgesamt fünf dieser Leuchten gab es. Allerdings schienen die erste Deckenleuchte und auch die vierte einen technischen Defekt vorzuweisen. In regelmäßigen Abständen fingen die Lampen an zu flackern. Ich erinnerte mich, dass es heute Morgen in aller früh noch nicht so war. Die restlichen Lampen strahlten nur noch mit halber Leuchtkraft, fast so als würde sich etwas von dem Licht ernähren und langsam den Lebensgeist der Lampen aussaugen, was natürlich Schwachsinn war, denn immerhin handelte es sich hier um tote Objekte.
Das wenige Licht sorgte für ein diffuses Schattenspiel. Hinzu kam die unbeschreibliche Kälte. Der kalte Schweiß auf meiner Stirn begann bereits zu gefrieren, kleine Rauchwaden entwichen beim Atmen aus meinem Mund. Irgendetwas stimmte hier gewaltig nicht. Mein sechster Sinn schrie Alarm, was wahrscheinlich auch am Anhänger lag. Hier lauerte etwas Gefährliches, etwas Lebensbedrohliches. Das Zimmer von Leroy und mir befand sich auf der linken Seite. Zimmer Nummer drei. Langsam ging ich zu meiner Zimmertür. Je näher ich der Tür kam, desto mehr spürte ich die Gefahr.
Dann stand ich vor meiner Tür und drehte langsam den Knauf auf. Wie in Zeitlupe öffnete sich die Tür. Im Zimmer war es noch kälter und es roch nach BBQ. Nein, es roch eher nach verbranntem Fleische. Leroy lag links auf seinem Bett. Mein Herz setzte aus. Automatisch ging ich zu dem Bett und schaute meinen Zimmergenossen an. Seine Augen waren weit offen und nach hinten gedreht, so dass man nur noch das Weiße sehen konnte. Sein Gesicht war zu einer starren, grotesken Grimasse gefroren. Sein Mund stand weit offen, so als würde er schreien. Doch Leroy gab keinen Ton von sich. Er lag nur stumm da.
Ich spürte, wie sich ein Blick in meinen Rücken bohrte. Langsam, wie in Zeitlupe, drehte ich mich um. Dort, hinten an der rechten Ecke stand eine Gestalt im Schatten. Meine Kehle schnürte sich vor Angst zu, als ich sah wie die Gestalt langsam nach vorne, in das spärliche Licht, der Straßenlaternen trat. Es war Mason.
Die Gestalt hatte nichts mehr von einem Menschen. Jegliche Haut und Kleidung waren verbrannt, an einigen Stellen sogar schon verkokelt. Gelbe Augen und Nadelscharfe Zähne lächelten mich an. Ich wusste einfach, dass dieses Ding Mason ist oder war. Die Kreatur röchelte und dann sprach sie. „St—even…s-o si-eht m-an si-ch wie-der” röchelte das Monster. Panisch griff ich in meinen Hosenbund und zog meine Waffe. Zitternd richtete ich das Tötungswerkzeug auf Mason, oder was auch immer dieses Monster jetzt auch war. Die Kreatur lächelte und mir einer Handbewegung flog die Waffe aus meiner Hand und landete in einer dunklen Ecke. Ungläubig starrte ich auf meine leere Hand.
„Hast du wirklich gedacht, dass du mich mit so einer primitiven Waffe töten kannst, Steven?“ kam es von Mason. Mittlerweile konnte er vernünftig, wenn auch etwas heiser, reden. Auch einige Brandstellen an seinem Körper schienen heller zu werden. Als hätte er meine Gedanken gehört, antwortete Mason. „Oh. Dein Freund hier, leiht mir ein bisschen seiner Lebenskraft. Ich bin immer noch tot, Steven. Und auch mit der Lebenskraft deines Freundes, werde ich nicht wieder leben. Allerdings reicht es aus, um meine verletzte Seele ein bisschen zu heilen. Stelle dir das einfach, wie ein Energieschub vor.“ Mason kicherte wie ein verrückter. „Du elendiger Bastard, ich habe dich getötet. Dich und deine, von Inzucht getrieben Brut!“ schrie ich die Bestie an.
Mason aka Monster kam langsam auf mich zu und starrte mich hasserfüllt an. „Dachtest du wirklich, dass der Tod das Ende wäre? Nein es geht gerade erst los. Erst werde ich Besitz von dir ergreifen und dann werde ich alle die du liebst auslöschen!“ Masons Stimme wurde merklich kälter.
Voller Panik und Wut griff ich in meine Jackentasche und warf das geweihte Salz auf die abscheuliche Höllenkreatur. Das weiße Gold ergoss sich über den verbrannten Körper. Mason stieß einen schrillen Schrei aus, das geweihte Salz hinterließ schwarze Brandflecke auf dem geschundenen Körper.
Dann war die Wirkung des Salzes wohl vorbei, denn die hasserfüllten dämonischen Augen blickten mich kalt an. Dann, ganz langsam öffnete sich der Mund der Kreatur. Schwefelhaltiger Atem bliess mir ins Gesicht. „Ich werde mir deinen Körper nehmen“ flüsterte die Kreatur mir hasserfüllt zu.
Urplötzlich wurde ich, wie durch eine unsichtbare Macht, durch den Raum geschleudert. Mein Rücken knallte gegen meiner Zimmertür, die Luft wurde mir gewaltsam aus der Lunge getrieben. Ich kämpfte gegen die nahende Bewusstlosigkeit an, kurz klärte sich mein Blick auf.
Mason stand vor mir. Seine Gestalt jedoch verflüssigte sich, ein schwarz-roter Nebel formte sich und flog mit atemberaubender Geschwindigkeit auf mich zu. Mit voller Wucht traf der Nebel auf meine Brust. Rippen brachen und mein Blick schwärzte sich. Kälte bereitete sich aus. Doch dann, spürte ich einen sengenden Schmerz an meinem rechten Ringfinger.
Das Tattoo mit dem Pentagramm leuchtete golden auf und ein markerschütternder Schrei erklang. Der diffuse Nebel wurde aus meinem Körper geschleudert und flog an die gegenüberliegende Wand. Es knallte und dann war der Spuk vorbei. Die Kälte klang ab, als die Heizungen im Zimmer wieder die Arbeit aufnahmen. Auf der gegenüberliegenden Wand war ein großer schwarzer Brandfleck zu erkennen. Mason, oder das was von ihm übriggeblieben war, existierte nicht mehr. Anscheinend hatte die Kreatur die verbleiben Kraft genutzt, um meinen Körper in Besitz zu nehmen. Das Pentagramm jedoch hat dies verhindert.
Kurze Zeit später hörte ich das gleichmäßige Atmen von Leroy. Anscheinend ging es ihn wieder gut. Mühsam setzte ich mich auf das Bett und schlief ein. Meine letzten Gedanken drehten sich um den Kult und um Charlie. Letzten endlich haben mich die magischen Gegenstände gerettet. Sie würden mir in Zukunft eine große Hilfe sein. Denn jetzt wiegte mich bittere Entschlossenheit in den Schlaf.
Ende