ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich fand den Vollmond schon immer wunderschön. Ich sammelte Bilder von verschiedenen Vollmonden: Verschiedene Größen, Zeitpunkte, Wolken und sogar verschiedene Farben. Die Blutmonde hatten es mir besonders angetan. Der Mond wirkte hierbei orange-rötlich, durch eine bestimmte Konstellation bei einer vollständigen Mondfinsternis.
Die heilige Schrift
„Als die Posaune des ersten Engels ertönte, fielen Hagel und Feuer, mit Blut vermischt, auf die Erde. Ein Drittel der Erde, ein Drittel der Bäume und alles grüne Gras verbrannte. So steht es geschrieben in der Offenbarung Kapitel acht, Vers sieben.“, predigte der Pfarrer. Es war Gottesdienst, meine Oma hatte mich mit in die Kirche geschleift, und es war stinklangweilig. Lediglich die Vorstellung der Apokalypse fand ich interessant. Posaunen, welche Feuer, Blut und Hagel regnen lassen konnten.
„Nun, diese Bibelstelle klingt etwas heftig“, fuhr der Pfarrer mit seiner Predigt fort, „jedoch ist das Ende der Welt immerhin das Ende der Welt. Aber müssen wir jetzt Angst haben? Nein, sage ich. Denn Gott ist bei uns, und er wird die Rechtschaffenen erlösen und den unreinen Seelen vergeben.“ Als er das sagte, stand ein schwarzhaariges Mädchen mit Augenklappe auf der rechten Seite auf und ging Richtung Altar. Als sie dort angekommen war, drehte sie sich um.
Ihr sichtbares Auge war so dunkelbraun, dass es als schwarz akzeptiert wurde. Das Mädchen war gemeinhin als Satanistin verschrien, aber da unser Pfarrer für Offenheit bekannt war, ließ er sie reden.
„Das Ende der Welt ist nahe! Aber nicht so, wie soeben beschrieben. Es ist nicht euer geliebter, wohltätiger Gott, der die Menschen und ihren Planeten ausrottet. Es ist eine andere Macht.“ Dank der Akustik war sie in der gesamten Kirche laut und deutlich zu verstehen. „Wenn der Mond das Zeichen des Satan trägt, werden die reinen Geister erlöst, die Ketzer und Lästerer werden vernichtet!“ WIe um die Dramatik dieser Rede zu unterstreichen, schlug die Kirchentür auf und ließ den pfeifenden Wind herein. Das Mädchen verschwand wieder so schnell wie sie aufgetaucht war, und der Pfarrer räusperte sich.
„Ich möchte mich für meine Tochter entschuldigen, sie redet in letzter Zeit nur noch von sowas…“, sagte er schließlich. Dann endete der Gottesdienst. Gott sei Dank, dachte ich – und musste grinsen.
Die Spiegelschwestern
Am nächsten Tag musste ich in die Schule. Nach verschiedenen Flüchen und Verwünschungen der Sonne, der Schule und demjenigen, der das frühe Aufstehen für eine gute Idee befand, war ich endlich auf meinem Weg in den grauen Betonkasten, der sich ernsthaft „Schule“ nennen durfte. Im Ethikunterricht sah ich das Mädchen aus der Kirche. Die Tochter des Pfarrers. Kanae Corvus.
„He, Kanae!“, rief ich. Sie tat immer so, als würde sie mich ignorieren, aber ich wusste, dass sie nichts für Begrüßungen übrig hatte. „Wie meintest du das gestern mit dem Zeichen des Satans?“
Sie blieb stehen und schaute mich an.
„Wenn du es nötig hast, danach zu fragen, ist es sinnlos, es dir zu erklären. Ich weiß einfach, dass die ganzen Ungläubigen bald ihre gerechte Strafe erhalten werden.“
Ich hielt es für besser, sie nicht weiter zu fragen und jeglichen weiteren Kontakt zu vermeiden. Später, zuhause, fiel mein Blick auf den Kalender. Am nächsten Tag gab es Ferien und das Datum in zwei Wochen war eingekreist, es war der Tag der Mondfinsternis. Ich war aufgeregt, denn es war das erste Mal, dass ich einen Blutmond selber sehen konnte. Ich hatte extra für diesen Tag mir eine Kameraausrüstung gekauft, welche sonst die Profis benutzen. Ich würde von diesem Mond jede Menge Bilder machen.
Während ich die Linsen polierte, klingelte mein Handy. Ich ging dran.
„Ja?“, fragte ich. Ich hörte erst ein Schnaufen, dann eine weibliche, junge Stimme, die sagte: „Geh raus.“
Ich schaute etwas verwundert, es war ja nicht so, als hätten wir keine Klingel oder so. Aber ich ging trotzdem raus. Dort stand eine vermummte Gestalt. Sie trug einen schwarzen, bodenlangen Mantel mit Kapuze, welche ihr tief ins Gesicht hing. Sie drückte mich jedoch wieder ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Drinnen nahm sie die Kapuze ab. zum Vorschein kam ein junges Mädchen mit schwarzen Haaren und einer Augenklappe über dem linken Auge. Es war ein Mädchen aus der Kirche. Eine Tochter des Pfarrers. Satoko Corvus. Satoko war vielen im Dorf nicht bekannt, weil ihr Vater sie geheim hielt oder nur so vermummt raus ließ. Dadurch, dass sie praktisch wie das Spiegelbild zu Kanae aussah, wären manche auf die Gedanken von Humanexperimenten gekommen oder ähnliches. Unser altes Dorf war sehr abergläubisch, muss ich sagen. Satoko und Kanae wären als Hexen verschrien worden und ihr Vater – unser Pfarrer – als einer, der mit dem Teufel im Bunde steht.
„Bist du alleine?“, fragte sie. Ich nickte.
„Gut“ Sie atmete erleichtert auf und hing ihren Mantel weg. „Für wie lange?“
„Für ungefähr einen Monat. Meine Eltern sind beide auf Geschäftsreise. Aber was machst du hier?“
„Ich wollte mal raus“, antwortete Satoko. „Du kennst Papa ja…“ Ein Seufzen war zu hören. „Du bist der einzige, dem ich vertrauen kann. Ich kenne auch ansonsten eigentlich niemanden. Weißt du, Papa lässt mich nicht aus der Wohnung raus, und Kanae bringt nie jemanden mit.“ Ein Anflug von Einsamkeit lag in ihrer Stimme. Aus einem Reflex heraus wollte ich sie in den Arm nehmen, hielt es dann doch aber für besser, es zu lassen.
Am nächsten Tag klingelte Kanae bei mir.
„Hast du ein Spiegel für mich?“, fragte sie. Wieder mal typisch für sie, ohne Begrüßung.
„Hallo, Kanae. Nein, ich habe grad keinen Spiegel hier. Warum fragst du?`“
„Vater schickt mich. Er sagte, ich solle mein Spiegelbild finden und wieder mitbringen.“
„Es tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber hier ist sie nicht.“
Kanae griff auf meine Schulter. Ich zuckte kurz, aber dann hielt sie ein schwarzes Haar hoch.
„Nein? Wem gehört dann dieses Haar?“
Ich musste mir jetzt was gutes überlegen. „Ich…“, fing ich an. Kanaes Auge schaute mich an, aber ich hatte das Gefühl, das Auge hinter der Klappe würde mir direkt in den Kopf und auf meine Gedanken schauen.
„Ich habe Besuch von einer… von meiner Freundin“, platzte ich schließlich heraus.
Kanae verzog ihr Gesicht zu einem grässlichen Lächeln. „Dann viel Spaß noch. Verbringt eure letzte Zeit auf Erden ruhig gemeinsam. Vergiss nicht, das Ende ist nahe.“ Mit diesen Worten ging sie wieder, was ebenfalls typisch für sie war. Keine Begrüßung, keine Verabschiedung, nur das Nötigste wurde gesagt.
Als ich die Tür wieder schloss, stand Satoko hinter mir.
„Hast du… Hast du mich eben… deine Freundin genannt?“, fragte sie etwas zögerlich. Ich wurde etwas rot und sagte: „Äh, nun ja… ich… musste mir was wegen Kanae überlegen…“
„Denkst du von mir als deine Freundin?“
Jetzt hatte sie getroffen. „Ich… darüber habe ich… mir noch keine Gedanken gemacht… Aber ich wäre nicht abgeneigt, schätze ich…“
Sie quiekte erfreut und fiel mir um den Hals.
„Dann sind wir jetzt zusammen!“, beschloss sie freudig. Damit hatte ich wohl jetzt eine Freundin.
Die Seele des Mondes
Der Tag der Mondfinsternis rückte immer näher. Satoko verbrachte die ganze Zeit bei mir, mal weg von ihrer Familie zu sein schien ihr gut zu tun.
Eines Abends war es schließlich soweit: Dunkel wars, der Mond schien helle. Mit diesen Worten ging ich nach draußen, Satoko – gut verhüllt – als Begleitung. Wir suchten uns einen Hügel, wo nicht zu viele Menschen waren und ich ungestört Bilder machen konnte. Ich packte meine Kamera aus und wartete, bis der Mond sich langsam rot färbte. Ich machte sofort ein Testbild und schaute es mir auf dem Laptop, welchen ich extra mitgenommen hatte, an. Als erstes dachte ich, es wäre Dreck auf der Linse, oder ich hätte einen Virus drauf. Auf dem aufgenommenen Bild zogen sich fünf Linien über den Mond, welche an den Ecken sternförmig zusammenliefen. Das Ergebnis war ein umgedrehtes Pentagramm, welches genau im Mond stand. Das Bild gefiel mir irgendwie, deswegen behielt ich es und machte weitere Bilder. Bei allen war jedoch das selbe zu sehen. Erst um das zwanzigste Bild herum fiel mir auf, dass der Farbton auf dem Bild nicht dem richtigen Mond entsprach. Das Bild war rötlicher, schon richtig blutrot. Im Zusammenspiel mit dem schwarzen Pentagramm auf dem Mond sahen die Bilder klasse aus.
Plötzlich hörte ich eine Stimme. „Wenn der Mond das Zeichen des Satan trägt, werden die reinen Geister erlöst, die Ketzer und Lästerer werden vernichtet.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich mir diese Stimme eingebildet hatte, oder ob es jemand gesagt hatte, jedenfalls stand Kanae auf einmal hinter mir. Satoko erschrak und stieß einen spitzen Schrei aus. Als ich mich umdrehte, sah ich warum: Kanae hatte ihre Augenklappe abgenommen. Das darunterliegende Auge glühte rot, und ich bildete mir für einen Moment ein, Kanae hätte schwarze Flügel.
„Hast du es endlich herausgefunden?“, fragte sie kalt. „Der Mond, dessen Schönheit heute alle bewundern, läutet die Vernichtung dieser Rasse ein.“
„Warum sieht man das Zeichen nur auf den Bildern und nicht so auf dem Mond?“, fragte ich.
Kanae lachte. Ihr Lachen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. „Nun, weißt du, es heißt, dass man in Bildern die Seelen von anderen sehen kann. Deswegen sollen Vampire auch kein Spiegelbild haben und manchmal sieht man Geister, die eigentlich nicht da sein sollten. Du siehst auf den fertigen Bildern praktisch die Seele vom Mond. Man sieht sie allerdings nicht ohne Hilfe, weil die Kraft des Meisters noch zu schwach ist. Er benötigt ein Opfer.“ Sie nahm einen Bogen von ihrem Rücken und spannte einen Pfeil ein. „Und dieses Opfer werde ich ihm bringen!“
Sie ließ die Sehne los, und bevor ich auch nur reagieren konnte, sank Satoko schon zu Boden. Der Pfeil steckte genau zwischen ihren Augen, sie war tot. Zum Glück relativ schnell, so hatte sie keine Schmerzen ertragen müssen. Das Blut floss ihr teilweise über den Mantel und bildete dann rötliche Schwaden, welche Richtung Mond wehten. Dieser verfärbte sich langsam immer rötlicher und bildete ein Pentagramm aus – wie auf meinen Bildern. Kanae lachte und richtete den Pfeil auf mich.
„Der Meister brauch noch mehr Blut, um zu erwachen!“, rief sie. „Ich werde ihm dieses Blut geben, ich werde ihm so viel Blut geben, wie er will!“
Ich hatte zum Glück damit gerechnet, deswegen konnte ich dem Pfeil ausweichen. Er blieb im Holz neben mir stecken, drei Zentimeter neben meinem Ohr. Ich ergriff die Flucht, während das Pentagramm immer deutlicher wurde. Ich hörte keine Schritte von Kanae, deswegen blieb ich irgendwann verstehen und verschnaufte. Neben mir blitzte ein rotes Auge in der Dunkelheit auf und ich sprang wieder einem Pfeil aus dem Weg.
„Was hast du vor?!“, schrie ich, während ich wegrannte.
„Ich werde meinen Meister auferstehen lassen, ich werde Satan erwecken!“ Wieder flog ein Pfeil haarscharf an mir vorbei. „Bleib stehen!“, rief Kanae, „Dann stirbst du schneller!“
„Klingt ja sehr freundlich“, dachte ich und bog um eine Kurve. Als ich mich umdrehte, war Kanae verschwunden. Ich achtete jetzt auf jede Bewegung in der Dunkelheit, aber da war nichts. Nur eine Krähe im Himmel, welche ihre Bahnen zog. Erst beim zweiten Gedanken fiel mir auf, dass es eigentlich nicht sein konnte. Krähen waren um diese Uhrzeit längst nicht mehr aktiv. Und sechs Flügel hatten sie schon gar nicht. Das Wesen stürzte plötzlich auf mich zu. Ehe ich mich versah, stand Kanae neben mir und hatte mir einen Arm um den Hals gelegt.
„Was ist es, dass dich so an dieser Welt hält?“, fragte sie.
„Bitte? Ich habe einfach keine Lust, jetzt schon zu sterben!“
„Warum? Was hält dich im Leben? Nimm dir ein Beispiel an Satoko; sie hatte sich schon lange damit abgefunden, dass sie eines Tages sterben würde. Sie hatte sich sogar als Opfer bereiterklärt! Sie war die letzten Tage nur bei dir, weil sie um ihr Ende wusste und vorher wenigstens noch so etwas wie Liebe erfahren wollte. Sie war schon lange in dich verliebt, hatte aber nie den Mut, es zu sagen. Sie hat den Tod nur noch an deiner Seite erwartet.“
„Ach… und… Du erwartest, dass ich ihr jetzt einfach so folge?“
„Ja“
„Was hätte ich für Gründe?“
„Also, erstens: Du bist keine Schönheit. Satoko war und ist seit langem die erste, die was für dich empfunden hat. Du wirst so schnell keine Freundin finden.“
„Danke aber auch!“
„Klappe, ich rede. Zweitens, wenn ich dich jetzt töte, bist du schon tot, wenn der Meister endlich kommt und richtet.“
„Und warum lebst du dann noch? Dich wird er dann auch töten!“
„Schweig, du Narr!“ Sie rammte mir ihre Faust in den Bauch „Er wird seinen Anhängern nichts passieren lassen! Er wird mit uns eine neue Welt kreiren, eine Welt in der die Menschen nicht so missraten wie hier sind!“
Währenddessen stieß vom Mond ein dünner, roter Strahl auf die Mauern der Kirche und setzte sie in Brand. „Es hat begonnen!“, sagte Kanae. „Denk dran, wer früher stirbt, ist eher tot! Wie entscheidest du dich?“
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, schenke dieser Ketzerin keinen Glauben!“, hörte ich auf einmal ihren Vater. Kanae wich zurück und fauchte kurz. „Wenn du Vertrauen in Gott hast, passiert dir nichts!“, sagte er.
Jetzt hatte ich die Wahl. Entweder ich würde mein gesamtes bisheriges Leben und die ständigen Lästereien über die Kirche und Religion vergessen und die Erlösung im Herrn suchen, oder ich würde mich von der fanatischen Schwester meiner toten Freundin töten lassen. Oder von ihrem Meister, was dann wohl ewige Qualen zur Folge hätte. Alles nicht besonders schön. Aber am Ende entschied ich mich für einen Weg.
Die einzige richtige Entscheidung
Ich rannte. Ich rannte, ich rannte durch den Wald. Ihre Stimmen hallten mir immer hinterher, am Himmel waren Rauchwolken zu sehen. Satan war real, er hatte angefangen, die Welt zu zerstören. Und alles, was auf ihr lebte.
Schließlich musste ich stehen bleiben, weil ich ansonsten in eine Schlucht gefallen wäre. Hinter mir stießen Kanae und ihr Vater aus dem Wald.
„Für welchen Weg entscheidest du dich?“, riefen beide. Ich drehte mich um und fing etwas an zu lachen.
„Ihr habt mich glauben lassen, dass ich nur zwischen euch beiden entscheiden könnte“, sagte ich. „Aber ihr habt eine Möglichkeit außer Acht gelassen… Ich danke jedem, der mich hier her gebracht hat!“
Ich breitete die Arme aus und spürte, wie mir der Wind von hinten durch die Haare wehte.