Die Seite der Tür
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
„Der wirklich Wahnsinnige ist nicht der Verrückte.
Es ist der, der in seinem Wahn einem Sinn folgt“
Euphidires, griechischer Philosoph
Die Frage ist doch nur, auf welcher Seite der Tür man steht.
Auf der einen Seite sind diese Leute in weißen Jacken, die mich abfällig
ansehen und dann schnell wieder verschwinden. Auf der anderen Seite bin ich. Es
wird zwar nie explizit gesagt, wo man sich grad befindet, aber ich weiß sehr
genau, wo ich bin. Dort ist jemand, der allerhöchstens ein Alkoholproblem hat.
Und hier bin ich. Jemand, der ohne Zögern seine ganze Familie umgebracht
hat. Die Frau ans Bett gefesselt, ihr ein neues Abenteuer versprochen und sie
nur mit Messer und Kelle getötet und ausgeweidet hat. Der, der das auch noch
genossen hat. Der Gedanke daran lässt mich lächeln. Die Erinnerung daran ist
immer noch herrlich. Wie ich da saß, in den blutigen Überresten ihres einst so
perfekten Körpers, gebadet in ihrem Blut. Ihre Leber noch im Mund. Gott, dieser
Geschmack. Dieses saftige Fleisch, getränkt in der deliziösen Soße aus allen möglichen Körperflüssigkeiten. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.
Oh, jemand neues. Eine Frau. Sie sieht professionell aus.
Wie eine richtige Ärztin. Sie denkt vermutlich grad daran, was sie in ihrem
Leben alles getan hat, um es hierhin zu schaffen. Ich denke an den
Gesichtsausdruck meines Sohnes, als er mich dort gesehen hat. „Was macht
der Tomatensaft da im Bett, Papa?“ hat er mich gefragt. Tomatensaft! Dieser Dummkopf!
Darüber muss ich immer noch lachen. „Ach, ich hatte nur ganz viel Durst“,
habe ich ihm erklärt. Bin zu ihm gegangen und hab seinen Kopf getätschelt. Wie es jeder liebevolle Vater tun würde. Danach hab ich dann meine Fäuste darauf niederprasseln lassen. Er wollte schreien, mit seiner jungen, unverbrauchten Engelsstimme.
Doch ich habe ihn nicht gelassen. Stattdessen habe ich andere Laute aus ihm hervorgebracht. Das Brechen seiner Knochen. Das Reißen seiner Haut. Das erstickte Gurgeln. Es klingt noch in
meinen Ohren. Es war so ein fantastisches Gefühl. Ich erinnere mich noch, wie
die kalten Augen meiner ehemaligen Frau mich dabei verurteilend angestarrt
haben. Die Augen dieser selbstgerechten Kuh! Als ob sie es sich nicht auch gewünscht hätte! Das hat es nur besser gemacht. Mein Herz beginnt höher zu schlagen. Die
guten alten Familienerinnerungen.
Der Rest war dann relativ unspektakulär. Ich habe meinen Hund
in das Zimmer gelassen, damit er sich mit mir freuen konnte. Der gute Junge.
Wie er sich gefreut hat, hat ganz aufgeregt mit seinem Schwanz gewedelt, als er
mein Versöhnungsgeschenk für ihn gesehen hat. Ich wusste in diesem Moment, dass er mir all die
Schläge und Tritte verziehen hat. Ich habe ihn doch eigentlich
schon immer geliebt. Mit seinen kleinen süßen Augen, die ich geblendet hatte. Mit seinem putzigen Stummelschwänzchen, das ich gekürzt hatte. Und als er dann noch seine, sagen wir, Notdurft dort
verrichtet hat, ich hätte nicht stolzer sein können. Hach ja, er war so ein guter Hund gewesen.
Irgendwie fehlt er mir. Danach hatte ich fast schon demütig geduscht. Da tat es mir kurz leid. Da wusste ich, dass es vorbei war. Der ganze Spaß, sie zu belügen, zu misshandeln und schließlich in die Tiefen der Hölle zu schicken. Einfach vorbei. Ich geb auch offen zu, da könnten ein paar Tränen gerollt sein. Danach habe ich nur noch versucht, alle Spuren zu
verwischen.
Ich sah meine weiße Jacke an, die so anders war als die der
Leute, die ich grad gesehen hatte. Immerhin war sie keine Zwangsjacke. Ich
musste nochmal lächeln bei dem Gedanken, dass mir wirklich nie jemand auf die
Schliche gekommen war. Solche Idioten, diese Polizisten. Hatten mir sogar noch
ihr Beileid bekundet. Beinahe hätte ich laut losgelacht! Ich wandte mich von
den Patientenzellen ab und ging in mein Büro. Das Chefarztbüro der Psychiatrie.
Man kann es also auch als einer wie ich zu was bringen. Die Frage ist eben nur, auf
welcher Seite der Tür man sitzt. Nur schade, dass ich meinen Hund einschläfern lassen
musste.