Ein Verhör
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
„Also das Erste, an das ich mich erinnere ist eigentlich der Albtraum in der allerersten Nacht. Er hat sich so echt angefühlt, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich hatte auch noch Probleme nach dem Aufwachen mich in meiner Wohnung zurechtzufinden und kurzzeitig fragte ich mich: Was wäre denn, wenn es kein Traum war? Habe ich diese Frau getötet und es verdrängt? Sowas gibt es doch, in Filmen oder nicht? Glaube ich zumindest. Ich konnte spüren wie das getrocknete Blut an meinem Körper geklebt hatte, das Gewicht des Brecheisens in meiner Hand. Wie die Frau mit jedem Schlag weiter verstummte und nur noch das entsetzliche Geräusch brechenden Knochens und Knirschens zu hören war. Ich erinnere mich an ihr blassblondes Haar. Aber wissen Sie, ich habe mich ja auch furchtbar schuldig gefühlt. Wenn ich so etwas wirklich jemals getan hätte, hätte ich im Traum keine Schuld empfunden, oder? Mörder empfinden doch keine Reue. Naja, jedenfalls habe ich meinen Tag danach ganz normal begonnen, bin in die Uni gefahren, habe mit Freunden gegessen. Aber immer dabei war ein seltsames Gefühl, scheinbar aus meinem Hinterkopf und Unterbewusstsein entspringend. Aus irgendeinem Grund ließ mich die Frage nicht los, ob ich es wirklich getan haben könnte. Das ist jetzt kein Geständnis, wissen Sie? Warum schreiben Sie sich das auf?“
„Ich schreibe mir das nicht auf, Klara. Was ist als Nächstes passiert?“
„Okay, also es war eigentlich ganz komisch, ich habe den Tag beendet ohne weitere Zwischenfälle, ich erinnere mich, dass ich noch mit Anna in der Stadt einen Salat essen war und dann zurück in die Wohnung gefahren bin. Aber sobald ich zuhause war fühlte ich mich plötzlich so unwohl. Und unsicher, als wäre etwas nicht in Ordnung. Ich ging zum Messerblock und nahm eines heraus. Das Größte. Dann schaltete ich das Licht aus und legte es neben mich ins Bett. Es faszinierte mich, es im Halbdunkel des Zimmers zu betrachten, das weiß ich noch. Die lange, scharfe Klinge schimmerte im Mondlicht und alles was ich dachte war, dass ich sie berühren wollte. Ich tat es natürlich, und schnitt mich auch, was sollten Sie jetzt auch anderes erwarten, aber danach fiel mir das Einschlafen plötzlich total leicht.“
„Hattest du keine Angst, dich in der Nacht darüber zu rollen oder zu schneiden?“
„Nein, warum fragen Sie mich denn so etwas?“
„Wolltest du dich selber verletzen, Klara?“
„Nein, eigentlich noch nie. Das war nicht so etwas, wissen Sie? Es ging nicht darum, mein Leben zu beenden.“
„Okay. Wie hast du dich denn am nächsten Morgen gefühlt?“
„Sehr glücklich im Grunde. Ganz und gar unbeschwert kann man schon fast sagen. Meine düsteren Gedanken vom Vortag schienen wie weggeblasen. Aber dann habe ich die Decke weggerollt und es gesehen.“
„Was denn, Klara? Du hast jetzt schon sehr lange nichts mehr gesagt.“
„Achso, entschuldigen Sie. Das war nicht persönlich gemeint. Das Blut meinte ich. Es war sehr klebrig und dunkel eingetrocknet, als wäre es schon mehrere Stunden dort gewesen. Als ich mich im Bad vor den Spiegel stellte, konnte ich erst das ganze Ausmaß erkennen. Es bedeckte meinen ganzen Körper und ich brachte eine Viertelstunde zu, es aus meinen Haaren zu kämmen. Zwischenzeitlich versuchte ich auch es abzulecken, muss ich zugeben. Aber man kennt das doch, der eiserne Geschmack macht einen irgendwie süchtig, oder nicht?“
„Hatte das Messer dich in der Nacht geschnitten? Hattest du Schnittwunden?“
„Klara?“
„Ich verstehe Ihre Frage nicht. Das ist nicht relevant. Ich habe das nicht hinterfragt.“
„Natürlich, entschuldige. Fahr doch bitte fort.“
„Sehr gerne. Was mir seltsam vorkam war, dass ich meinen Schlafanzug gar nicht mehr trug. Das ist mir aber auch erst aufgefallen, als ich in den Spiegel geschaut habe. Ich kannte die Klamotten gar nicht. So eine Oma-Bluse und Stoffhose. Ich war mir sicher, dass ich die selbst im größten Alkoholrausch nicht gekauft haben könnte. Aber naja, ich habe sie dann einfach mal in die Waschmaschine geschmissen und mich umgezogen. Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht, aber Sie wissen ja sicher noch von früher wie das ist, der ganze Uni-Stress, die Nächte durchlernen, kaum Schlaf, Ritalin…vielleicht war es früher aber auch nicht so schlimm. Ich hatte ja noch Glück, weil ich grundsätzlich immer eine stabile Psyche hatte. Aber wie soll es Menschen wie Anna gehen, mit Depressionen? Haben Sie sich das schon mal gefragt?“
„Natürlich habe ich mich solche Dinge gefragt, Klara.“
„Gut, ich denke das sollten Sie auch. Jedenfalls bin ich dann losgefahren zur Uni-“
„Klara, konzentrier dich jetzt bitte. Bist du am Donnerstag, den 29.7. zur Uni gefahren?“
„Sagen Sie mal, spinnen Sie eigentlich? Ich bin eh schon verwirrt und schlecht ist mir auch. Kann sein, dass ich nicht da war, das hat man auch manchmal, so Tage wo man nur im Bett liegen will.“
„Also hast du in den letzten Monaten nie unter Zeitverlust gelitten?“
„Doch, natürlich, wenn Sie mich das so fragen. Ich stand einmal im Bad und habe mein Aussehen noch ein Letztes mal überprüft bevor ich rausgehen wollte. Plötzlich klingelte mein Handy und ich dachte noch: Vielleicht sagt Anna ja ab? Und ich ging ran und sie schrie mich an, dass das jetzt das letzte Mal wäre, dass ich sie sitzen gelassen habe. Was mir einfallen würde, mich 6 Stunden nach Start unserer Verabredung noch nicht entschuldigt zu haben. Ich versuchte natürlich sofort sie zu beruhigen und ihr klarzumachen, dass ich nicht zu spät sei, aber als ich auf die Uhr am Handy sah zeigte sie mir 22 Uhr an. Anna hatte Recht gehabt, wir waren um vier verabredet gewesen. Aber ich wurde auch wütend. Sie hätte mich ja auch nicht direkt so dumm anmachen müssen, oder? Das hatte ich nicht verdient nach all den Jahren, in denen ich mir ihr Gejammer ohne Murren angehört hatte. Jetzt erklären Sie mir doch, wie das sein kann. 6 Stunden, einfach weg. Was stimmt denn nicht mit mir?“
„Wo ist Anna jetzt, Klara?“
„Wieso, wo soll sie sein? Um diese Uhrzeit vermutlich – wieviel Uhr haben wir eigentlich?“
„Du hast dieses Spiel jetzt lang genug mit mir gespielt, Klara.“
„Ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen. Ich denke es ist an der Zeit für mich nach Hause zu gehen.“
„Du gehst nirgendswohin Klara, verstehst du das denn nicht? Du bist seit Jahren nirgendswo hingegangen. Ich kann einfach auch langsam nicht mehr, verstehst du? Du machst mich wahnsinnig!“
„Was auch immer Sie meinen, Doktor. Was auch immer sie meinen.“
„WARUM ZUR HÖLLE LÄCHELST DU?“
Die Tür des Verhörzimmers wurde mit einem Ruck aufgerissen und starke Arme griffen Frau Dr. Rosenbach von hinten um die Taille. Draußen vor dem Sichtfenster drückte der Sicherheitsbeamte sie sachte aber bestimmt gegen eine Wand. „Hast du dich jetzt wieder beruhigt, Melanie?“. Die Ärztin nickte schnell mit dem Kopf und er ließ sie los. „Es tut mir leid, Paul, ich weiß dass das eine Katastrophe war. Ich hab mich langsam nicht mehr unter Kontrolle. Vielleicht brauche ich Urlaub, oder jemand Anderes soll den Fall übernehmen. Das frisst mich auf, verstehst du?“
Er nickte verständnisvoll und trat einen Schritt zurück und auf das Sichtfenster zu. Die Frau dahinter war klein, zierlich und bleich. Sie hatte langes blondes Haar und stechend blaue Augen und sie trug eine Zwangsjacke, wie viele der in diesem Zimmer befragten Patienten. Durch ihre geringe Größe versank sie fast darin. Als er seinen Blick gerade zu ihrem Gesicht wandern ließ, blickte sie auf. Ihr Blick war leer und ausdruckslos, fast wie der eines Haifischs. Aber sie verzog den Mund kurz zu einem Lächeln. Eines von der Sorte, das auch Melanie vorhin so aus der Ruhe gebracht hatte. Er schauderte und verschränkte die Arme. Langsam drehte er sich wieder zu der aufgelösten Ärztin um. Ein Bisschen vielleicht auch, um das Mädchen nicht mehr ansehen zu müssen. Er ging zum anderen Ende des Raumes und schloss die Tür des Beobachtungszimmers mit einem Klicken ab. „Wer ist sie?“, fragte er ruhig und lehnte sich der Doktorin gegenüber an die Wand. „Ich habe dich noch nie so erlebt, Melanie.“ Die zuckte nur mit den Schultern und er konnte sehen, dass sie kurz tief Luft holte. Dann ging sie hinüber zum Sichtfenster, und nahm eine der dicken Akten vom Tisch. Sie öffnete sie, blätterte etwas darin herum und sah ihn dann an.
„Das ist Klara Bauer. Sie sieht vielleicht jung aus aber das täuscht, sie ist bereits 29.“ Melanie verzog kurz das Gesicht. „Paul, der Grund weswegen ich einfach nicht mehr kann, ist Folgender: ich betreue diese Patientin hier seit mehr als sieben Jahren. Der Auslöser war das Verschwinden ihrer besten Freundin Anna Paulsen, die seit Juli vor acht Jahren nicht mehr aufgefunden wurde. Oder genauer gesagt suchen wir vermutlich mittlerweile eher nach ihrer Leiche. Hinzu kommt noch, dass auch Klaras Nachbarin, eine ältere Dame wenige Tage vorher das Haus verlassen hat und nicht mehr aufgetaucht ist. Die Polizeibeamten wollten Klara natürlich befragen, fanden ihre Wohnung aber verschlossen und augenscheinlich verlassen vor.“ Melanie wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen und ich konnte sehen, dass sie versuchte, nicht in Klaras Richtung zu schauen, die im Zimmer nebenan still und ruhig die Tischplatte zu betrachten schien. „Nach 3 Tagen haben sich Nachbarn angefangen, über den Gestank zu beschweren, der aus Klaras Wohnung kam. Nun ja, verantwortlich dafür war in erster Linie der warmgewordene und seit Tagen nicht entsorgte Müll in der Wohnung. Aber leider fanden die Beamten nach Aufbrechen der Wohnung auch Klara, im Badezimmer.“ In diesem Moment wurde Paul wieder bewusst, warum er eigentlich lieber Tierpfleger geworden wäre und er schloss schon mal die Augen. „Sie stand da drei Tage im Bad, Paul. Vor dem Spiegel. Im Dunkeln. Ohne zu essen, zu trinken oder zu duschen. Sie sagte hinterher sie hatte nur kurz ihr Aussehen überprüfen wollen.“ Paul nickte und versuchte seine Gedanken zu sammeln. Das hatte er bei weitem nicht erwartet, als er die junge Frau vorhin in das Zimmer geleitet hatte.
„Aber warum ist sie denn hier und nicht in der geschlossenen Psychiatrie?“, fragte er zögerlich. „Weil das noch nicht alles war, Paul. Klara hatte Kleidung gewaschen. Kleidung einer Seniorin. Und als man sie im Bad fand, war sie bedeckt von Blut, als hätte sie darin gebadet. Wer weiß Paul, vielleicht hat sie das.“ Melanie blickte kurz auf den Boden. „Annas Blut. Zumindest 3 Liter davon.“