GeisteskrankheitKreaturenLange

Furcht und Schrecken – Erste Striche

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Hier geht es zum voherigen Teil: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Furcht_und_Schrecken_-_Wie_man_Freunde_findet Furcht und Schrecken – ]Wie man Freunde findet

7. Akt – Zum Kampf!

Wie zwei Hunde. So umkreisen wir uns. Mit seinem länglichen,
braunen Haar, den glühenden Augen und der muskulösen Statur erinnert er mich
unwillkürlich an einen Wolf. Einen einsamen, stillen Wolf, der seine versteckte
Enklave nur dann verlässt, wenn der Jagdtrieb seine kühle Seele in Brand setzt.
Dunkles Blut tropft von seinen Fingerspitzen und prallt, beinahe unhörbar, auf
das trockene Laub am Boden. … Pling…

Der Wolf, der schwarze Tränen säte, verklingt es in
meinem Kopf und in vollen Zügen genieße ich die Poesie der Situation.

… Pling…

Warum er den Mann wohl getötet hat? Fragen kostet nichts.

Ich öffne meinen Mund, der von dem ganzen, gekünstelten
Lächeln schon schmerzt und rufe noch einmal spöttisch: „Du bist es! Der Mann
mit dem Leuzismus! Oder wie ist diese abstruse Sache mit deinen Augen
passiert?“ Ich bin mir darüber im Klaren, dass es höchst unvorsichtig
ist, eine mir vollständig unbekannte Kreatur zu reizen, trotzdem kann ich mir
den Spott nicht verkneifen. Meiner Meinung nach sieht mein Gesicht mit einem hämischen
Grinsen am besten aus.

Außerdem ist es höchst amüsant.

 Mein provokantes Auftreten trifft auf fruchtbaren Boden und
in einer blau-grünen Eruption der Wut, strahlen seine ungleichen Augen auf.
„Wer bist du?“, knurrt das Wesen und beäugt mich mit einer Mischung aus Zorn,
Neugier, Misstrauen und frostiger Kälte. Unwillkürlich kriecht ein Schauder
über meinen Rücken. Genervt schüttle ich ihn ab und fahre mit dem Spielchen
fort. „Mein lieber, guter Freund, stell doch bitte diese lächerlichen
Scheinwerferchen ab.“, sage ich gedehnt und gebe ein kleines, süffisantes
Lachen von mir. „Oder leidest du etwa unter einer Sehschwäche?“

Mit einem scharfen Knacken bricht ein dürrer Ast unter
meinen gleitenden Schritten, das Laub raschelt und durch die klare Waldluft
fährt ein gleißender Speer aus pfirsichfarbenem Licht, der auf meine Gestalt
prallt und mich in eine imposanten Aureole aus Gold hüllt. In meinem Kopf
erklingt ein Trommelwirbel mit einem lauten Tusch am Ende, ein roter
Samtvorhang gleitet fließend auf und ich verneige mich vor dem riesigen,
imaginären Publikum, das mich ehrfürchtig anstarrt.

Ich hole tief Luft und versuche meiner Stimme einen sonoren
Klang zu geben. „Meine Name“, sage ich langsam, „mein Name… ist Deimos.“
Tosender Applaus.

„Du siehst aus wie ein Schwächling.“, dringt eine vor
Verachtung tropfende Stimme, durch den Lärm und die schöne Illusion zerplatzt
wie eine Seifenblase. „Bitte?“, frage ich leicht pikiert, fange mich aber in
derselben Sekunde und verfluche mich für meine herum Träumerei. In diesem Akt
meines Theaterstücks ist höchste Konzentration gefordert! Etwas in mir weiß,
dass meinem neuen Gegner weitaus schwieriger beizukommen ist, als diesem
verblödeten Kretin von Jeffrey!

„So, ein Schwächling also?“ Ich grinse. Meine äußere
Erscheinung täuscht, außerdem reichen ein breites Kreuz und einige Zentimeter
nicht dazu aus, um jemanden zum Sieger zu bestimmen. „Warum hast du diesen Mann dort getötet?“, frage ich
interessiert und nicke in die Richtung der erkalteten Leiche des Dicken. Mein
Gegenüber starrt mich an und runzelt die Stirn. „Wegen unverzeihlicher Dinge.“,
antwortet er knapp und presst die Lippen zusammen. „Hat den Tod verdient.“

Nicht besonders gesprächig der Gute.

„Darf man nach deinem Namen fragen? Ich finde mir steht
dieses Wissen nun zu, nachdem ich dir den meinigen verraten habe.“ Seine Mundwinkel verzerren sich zu einem kalten Lächeln. „Oh, ich habe aber nicht nach deinem gefragt, Fuchsgesicht.
Dir steht in dieser Sache gar nichts zu.“, kontert er. Verdammt. Hinter seiner schweigsamen Fassade sitzt
also kein Stumpfsinn.

Mein Körper steht wie unter Strom, als der kalte Blick des
anderen Mannes mich von Kopf bis Fuß mustert. Ruhigen Schrittes läuft er über
die heller werdende Lichtung auf mich zu und steckt wie beiläufig die Hände in
die Taschen seines Mantels. „Mich interessiert nicht wer du bist oder was du
willst. Meine Arbeit hier ist getan und wenn du nicht bald genauso tot sein willst,
wie unser widerlicher Freund dort trüben, dann verschwinde jetzt!“ Ich knirsche mit den Zähnen. Das glaubt er doch wohl selber
nicht.

„Oh, wie schade…“, hauche ich übertrieben betrübt und
weiche unauffällig ein paar Schritte zurück. „Dabei komme ich wegen eines sehr
wichtigen Anliegens zu dir… und ich hatte gehofft, wir könnten uns wie zwei
erwachsene Männer zusammensetzten und darüber reden, bevor es zu solch
unnötigen Drohungen ko…“

Mit drei großen und unfassbar schnellen Schritten steht er plötzlich
vor mir und unterbricht mich, indem er mir die Klinge eines Skalpells an die
Kehle hält. „Ein Kollege!“, rufe ich amüsiert und verachtend zugleich. „Auch
vom OP-Tisch geflohen? Na, sag schon, was wollten sie an dir denn sezieren?“
Schmerzvolle Erinnerungen an die gerade einmal etwas mehr als eine Woche
zurückliegende Lobotomie kommen in mir hoch. Die halbwegs verheilte Wunde, die
sich durch Lid und Augenbraue zieht, fängt an zu pulsieren. 

„Du redest zu viel.“, knurrt der Mann. „Und das geht mir gerade
verdammt auf die Nerven!“ Mit einer flinken Bewegung springe ich aus der
Reichweite seiner Waffe und ducke mich zusammen wie ein Raubtier. „Hat da etwa
jemand schlechte Laune?“, zische ich ironisch und der letzte Rest eines
Lächelns verschwindet von meinen Zügen. Ich werde mir sein Blut holen, koste
es, was es wolle…

Seitdem ich auf der Lichtung bin, spüre ich diese mächtige
Aura, welche aus seinem Körper heraus strömt und mich magisch anzuziehen
scheint, umso mehr. Ich konnte seine Gegenwart bereits in der Hütte wahrnehmen,
doch hier aus nächster Nähe, Angesicht zu Angesicht, überrollt sie mich
geradezu. Ich habe die Witterung meiner Beute aufgenommen, sie aufgespürt und
bin nun bereit, zu holen was mir gehört. Genaugenommen kann mir egal sein, wer er ist. Wie all die
Anderen wird er getötet, und dafür seine, mehr oder minder nachvollziehbaren
Gründe gehabt haben. Belanglos für mich. Belanglos für mein Meisterwerk.

„Nun denn.“, murmle ich leise und schließe meine Rechte um
den abgewetzten Knauf von Jeffreys Messer. „Frisch ans Werk. Mir bist du
vielleicht körperlich überlegen, aber du hast noch nicht die Bekanntschaft mit
meinem werten Bruder gemacht…“ Noch heute Abend wird eine weiße Leinwand
ihren ersten Pinselstrich erhalten.

„Also, mein geheimnisvoller Freund!“, rufe ich ihm laut und
deutlich zu. „Gewähre mir noch eine letzte Frage…“ Er zieht eine Augenbraue hoch und grinst. „Oh ja, es wird
wohl tragischer Weise deine allerletzte
sein.“ Ich ignoriere ihn und fahre fort. „Sag mir… welche Farbe
hat dein Blut?“

Im selben Moment löse ich die geistige Blockade, mit der ich
Phobos die letzten paar Stunden im Zaum gehalten habe. Ich springe brüllend auf
den Fremden zu, spüre wie meine Stimme zu seiner wird, sich verzerrt und einen
wilden, animalischen Klang annimmt. Ein letztes mal verziehe ich unseren Mund
zu einem hämischen Grinsen, dann weiche ich in den mentalen Raum hinter unseren
Augen zurück.

Er wird sterben. Es wurmt mich, dass ich sein Geheimnis
nicht mehr entlüften konnte, aber das wird nur ein kleiner Wermutstropfen sein,
wenn ich seinen kostbaren Lebenssaft erst einmal säuberlich verkorkt im
Seelenhort stehen habe. Ich beobachte seine Reaktion, als mein Bruder auf ihn
zustürmt. Leicht überrascht stelle ich fest, dass er nicht ansatzweise angespannt
oder gar ängstlich wirkt. Egal! Phobos ist nun bei ihm, richtet das Messer in
Sekundenschnelle so aus, dass es den Magen seinen Opfers durchbohren wird. Ich
wappne mich für den Aufprall. Bei dem Schwung wird er ihm höchstwahrscheinlich
noch einige Rippen brechen, vielleicht sogar so weit vordringen, dass das
Rückenmark verletzt wird. Schluss. Aus. Ende.

Und dann rennen wir an ihm vorbei ins Leere.

Was zum…? Verwirrung macht sich in mir breit. Wie konnte
er so schnell reagieren? Phobos kommt zum Halten und dreht sich schwungvoll um.
„Was soll der Scheiß?“, brüllt er wütend und stiert seinen Gegner mit
funkelnden Augen an. „Wo ist denn plötzlich deine gewählte Wortwahl hin?“,
höhnt dieser und klopft sich etwas Staub vom Mantel. „Zugegeben, du bist schnell.
Aber leider bin ich offenbar ein bisschen schneller.“ Seine zweifarbigen Augen
glühen auf und er hebt das Skalpell. Ich spüre, wie sich eine Migräne anbahnt.
Das wird ein harter Kampf werden.

Phobos kocht vor Zorn und sein Körper zittert unkontrolliert.
Ich spüre das wirre Zucken der Muskulatur und frage mich nicht zum ersten Mal,
wie dieser Verrückte es schafft, sich während eines Kampfes so gut zu
organisieren. „Ich töte dich!“, kreischt er wütend und sprintet abermals
auf den Mann zu. Erneut fährt das Messer durchs nichts als dünne Luft.

Ich kann nicht leugnen, dass ich verblüfft bin. Jeffrey war
nichts im Vergleich zu diesem Gegner. Und ich verstehe nicht woher er seine
Schnelligkeit nimmt. Phobos‘ übermenschliche Agilität und Stärke waren bisher
immer mein… unser Trumpf. Das Messer zuckt vorwärts, sein Körper zur Seite.
Abermals. Und er lächelt, oh wie er lächelt… Es macht mich fuchsteufelswild.
Ich hoffe Phobos zieht ihm das Fleisch in Streifen vom überheblich grinsenden
Gesicht.

Der Kampf geht weiter. Bitterer Ernst für uns, für ihn nur
ein Spiel? „Von wegen!“, schnaubt Phobos und verpasst dem Fremden einen
hinterhältigen Tritt gegen das Schienbein den nicht einmal ich habe kommen
sehen. Gleichzeitig reißt das Messer eine tiefe Wunde in seinen Oberarm. Der
Hieb wird zwar von dem ledrigen Staubmantel etwas abgefangen, trotzdem legt
sich für den Bruchteil einer Sekunde ein dunkler, schmerzerfüllter Schatten
über die Züge unseres Kontrahenten.  Ein
kaum hörbares Keuchen dringt zwischen seinen Lippen hervor und klingt in meinen
Ohren wie die süßeste Musik. Balsam für meine beleidigte Künstlerseele.

„Verdammter Drecksack…“, knurrt er heiser und ballt die Faust um den Griff
des Skalpells. Ein dünner Blutfaden rinnt gemächlich über die schneeweiß
hervortretenden Knöchel. Der wölfische Ausdruck in seinen Augen wird stärker
und er setzt seinerseits zur Offensive an. Die kleine Klinge schnellt vor und
verfehlt nur knapp unsere Halsschlagader. Phobos duckt sich darunter weg und
rollt sich auf dem knisternden Waldboden ab, springt in einer Fontäne von
Blättern in die Höhe, wirbelt um die eigene Achse, ein wahnsinnig gewordenes
Kind das im blutigen Herbstlaub spielt…

Dann geht es Schlag auf Schlag. Mal
gewinnt mein Bruder die Oberhand, mal der Fremde, mal spritzt sein Blut und
sprenkelt den Boden, mal muss er sich unseres aus den Augen wischen. Ich
ignoriere den beißenden, brennenden Schmerz der bald in unserem ganzen Körper
wütet, Phobos scheint ihn nicht zu spüren und kämpft verbissen weiter wie ein Berserker.
Fieberhaft suche ich nach einem Plan. Trotz der Vielzahl von Wunden die im
Körper unseres Gegenübers klaffen, scheint er kaum schwächer zu werden. Da
kommt mir eine verzweifelte Idee. Es könnte klappen.

Ich öffne meinen Geist und suche in der Finsternis nach
Lunas Seele. Nach wenigen Augenblicken erkenne ich ein kleines, schwaches
Leuchten in der Dunkelheit, lasse meine Gedankententakel danach wuchern und
packe es schließlich. Die Verbindung steht.

Luna! Hör mir zu!

Befehle ich barsch und erkläre ihr in aller Kürze meinen
Plan. Ich spüre Verstehen und Zustimmung. Ohne eine Antwort abzuwarten löse ich
die Verbindung wieder und konzentriere mich auf das Geschehen um mich herum.
Blutüberströmt stieren sich Phobos und der Fremde an, allzeit bereit zum vernichtenden
Stoß auszuholen. Im selben Moment hebe ich die mentale Faust und haue meinem
Bruder so fest ich kann eine rein. Perplex sackt er zusammen. Es tut mir
beinahe leid, allerdings bleibt keine Zeit für Entschuldigungen.

In letzter
Sekunde rette ich mich mit einem gewagten Hechtsprung aus der Reichweite des
geröteten Skalpells. „Warte!“, rufe ich mit trockener Stimme und hebe abwehrend
die Hände. Tatsächlich lässt mein Gegner die Waffe sinken und starrt mich
misstrauisch an. Zu meiner grenzenlosen Genugtuung erkenne ich die Erschöpfung
im Morgenlicht in seinen Augen glitzern. Ein keuchendes Kichern entfährt meiner
Kehle, hoch, gehässig und verrückt. Himmel, ich bin ja ein besserer
Schauspieler als ich dachte! „Ich…“ wieder ein Kichern, „Ich will dir
etwas erzählen, mein leuzistischer Freund.“ Ich versuche meiner Stimme einen
überzeugend wahnsinnigen Klang zu geben und es gelingt mir überraschend leicht.
„Da ist dieses kleine, überaus niedliche und unschuldige Mädchen…“ Und damit
beginnt eine Geschichte die sogar mich, den kaltblütigen und gelassenen Deimos
anekelt.

Die Unschuld des Kindes zerbricht auf meinen Lippen und in die Augen
meines Gegenübers tritt ein stumpfer, brodelnder Hass, wie ein schwarzes Meer
aus kochendem Schlamm. „Du lügst…“, zischt er dumpf. Doch selbst ich glaube
mir mittlerweile fast. Mein schauspielerisches Talent ist wirklich sagenhaft.
„Oh tue ich das?“, frage ich mit hämischem Grinsen und hochgezogener Braue.
„Vielleicht möchtest du ja mit ihr selbst reden.“ Mit diesen Worten drehe ich
mich um und sprinte über die sonnendurchflutete Lichtung auf den Waldrand zu.
Hinter mir höre ich ihn fluchen. „Du verdammter, kranker Bastard!“

Die
Bäume verschlucken mich und im schattigen Smaragdgrün höre ich das Pochen
meines eigenen Herzens. Und ich höre sein wütendes Schnauben, seine schnellen
schweren Schritte. „Schnapp!“, kicher ich leise in mich hinein. In die Falle
gegangen. Ich mobilisiere die letzten mir verbliebenen Kraftreserven und renne
auf die Hütte zu, die bald vor uns auftaucht. Die Tür steht offen. Gutes Kind.
Sie hat mir also gehorcht. Nun ja… wie sollte sie auch anders? Ohne zu
bremsen schlittere ich in die staubige Dunkelheit hinein, durchquere den
verrottenden Flur, komme in der Küche zum Stehen und reiße Luna an mich, die
dem Plan gemäß bereits gewartet hat. Gutes Kind. Ich presse ihren zarten Körper
wie ein lebender Schutzschild an meine Brust. „Guck so verängstigt wie du
kannst!“, zische ich ihr ins Ohr kurz bevor der Fremde das Zimmer betritt.

Will dem Kind helfen. Er hilft immer… verhallen
Lunas Worte in meinem Gedächtnis. Ja, er hilft immer. Das ist sein
Schwachpunkt.

„Siehst du? Siehst du?!“, kreische ich ihn mit irrem Grinsen
an. Seine Augen wandern hasserfüllt über mein Gesicht und bleiben auf dem
ausgemergelten, zerstörten Körper des kleinen Mädchens hängen. „Was hast du ihr
angetan…“, flüstert er hasserfüllt. „WAS HAST DU IHR ANGETAN, DU KRANKES
SCHWEIN!?“

Im selben Moment schleudere ich Luna von mir, die sich mit
aller Kraft um seine Beine klammert und in ohrenbetäubendes Jammern und
Schreien ausbricht. Ich springe in den klaffenden Schlund der weit geöffneten
Kellertür und verrammle diese von innen, bevor er das Kind abschütteln und mir
folgen kann. Einen Herzschlag später graben sich meine Finger in den fettigen
Wachsklumpen und in Windeseile erblickt eine neue Puppe das Licht der Welt.
Wütendes hämmern hinter der verschlossenen Tür. „Der Retter“ versucht sie
aufzubrechen. Nur noch ein paar Sekunden, bitte…

Die Figur nimmt Gestalt an,
breite Schultern, längliches Haar, wölfische Augen. Ich drücke eine kleine
Kuhle auf Höhe der Brust und erstarre. Das Blut… Ich habe nichts von seinem
Blut. Natürlich nicht, wofür sollte ich sonst dieses ganze Theater machen?!
Schwer lastet die Ernüchterung auf meinen Schultern, beinahe so schwer wie die
vollgesogene Jacke…

Die Jacke! Ich presse den feuchten, dunkelbraun verfärbten
Stoff zusammen bis ein dicker, schwarzer Tropfen daraus hervordringt. Plitsch.
Die Delle füllt sich und ich verschließe das kostbare Tröpfchen
Seelenkatalysator im Körper der Puppe. Plötzlich ertönt ein splitterndes
Krachen und mein Gegner bricht durch die morsche Tür. Sein Gesicht wirkt
seltsam ruhig und entspannt, als er gemächlich auf mich zugeht.

„Ich will nicht
wissen wie lange du sie gefoltert und dich an ihr vergangen hast, du perverser
Bastard.“, sagt er und spuckt verächtlich auf den Boden vor mir. „Ich weiß nur,
dass du es verdient hast, zu leiden wie sie. Aber da jede Sekunde die du länger
den kostbaren Sauerstoff dieser gottverdammten Erde verbrauchst eine
Verschwendung und eine Beleidigung ist, werde ich es schnell machen.“ Er
umrundet das Gerümpel das immer noch unbenutzt auf dem staubigen Kellerboden
herumliegt und steht nun auf der anderen Seite des Menschenmachers, mir gegenüber.

„Du hasst mich…“, sage ich gedehnt. „Bist wohl auch wütend auf mich…“, mein
beinahe bedauernder Gesichtsausdruck hellt sich auf und ich lächle ihn
strahlend an. „Aber weißt du, mein Freund… was du nicht weißt, macht dich
nicht heiß!“ Und mit diesen Worten drücke ich mit beiden Daumen auf die Augen
der wachsweichen Figur in meinen Händen und verkünde mit lauter, voll tönender
Stimme: „Du wirst weder mich, meinen Bruder noch das Mädchen sehen können. Du
wirst dich nicht an uns erinnern. Du wirst nicht nach uns suchen. Du wirst
blind sein für uns und alles was uns betrifft. Bis zu deinem Tod, es sei denn,
ich löse denn Bann eigenhändig und mit freiem Willen. Und nun… vergesse!“

Mit den Daumen reibe ich über die wächsernen Augen, die sich
zurückbilden und nichts als eine glatte, glänzende Fläche unterhalb der Stirn
zurücklassen. Der Fremde stöhnt gequält auf, taumelt, stützt sich an der Kante
des Tisches ab und starrt blicklos durch mich hindurch. Etwas in seinen
unterschiedlichen Augen scheint zu erlöschen, sie werden glanzlos und eine
stumpfe Nickhaut legt sich wie
ein sanfter, fettiger Schleier darüber. Er stöhnt noch einmal, fährt mich
fahrigen, zittrigen Bewegungen durch sein wirres Haar und schließt erschöpft
die leeren Augen. Als er sie wieder öffnen, haben sie sich geklärt und er hat
seine Standfestigkeit scheinbar wiedererlangt. 
Verwirrt und aufmerksam sieht er sich im Keller um, fasst sich an die
Stirn und betrachtet verwundert seine blutbesudelte Kleidung. Als sein
stählerner Wolfsblick direkt über die Stelle schweift an der ich stehe, nicke
ich ihm höflich zu. Doch er reagiert nicht und schaut sich weiter um.
Angespannt und auf der Hut, wie ein lauerndes Raubtier. Schade dass er mich
nicht sehen kann. 

Mit einem
verächtlichen Grinsen schmettere ich ihm ein faustgroßes, massives
Tintenfässchen gegen die Stirn. Das dicke Glas zerspringt, eine indigofarbene
Flut ergießt sich über sein Gesicht und mischt sich mit dem bereits vorhandenen
Blutrot. Kurz bietet sich mir ein Bild von meisterlicher Schönheit. Zwei
strahlende Farbtupfer, grün und stahlblau, auf violett marmoriertem Grund. Dann
verdrehen sich die Augen in das Innere des Schädels und er stürzt.

Das ist Kunst.

8. Akt – Im Rausch

Ich gehe hinauf in die Küche, nicke Luna kurz zu, wasche mir
die Hände und steige die Kellertreppe wieder hinab. Sorgfältig entnehme ich
unserem Gast Spritze um Spritze seines kostbaren Blutes, bis ich einen
kristallenen Flakon damit gefüllt habe. Zufrieden stopfe ich den Korken in den
Hals des Gefäßes und stelle es stolz in den Seelenhort. Wunderschön.

Die nächsten Stunden verbringe ich damit, den schlaffen
Körper meines Opfers durch den Wald zu schleifen, so weit weg von der Hütte wie
es irgend möglich ist. Sollte er sie aus irgendeinem Grund wiederfinden, wird
es nicht zu seinem Glück sein… Als ich ihn irgendwann auf einer kleinen
Lichtung ablege, ist die Sonne bereits weit über ihren Zenit gekrochen und im
Begriff, hinter den Wipfeln des rauschenden Waldes im Blau zu ertrinken.
Schweiß perlt von meiner Stirn und ein vereinzelter, glitzernder Tropfen bricht
im hinunterfallen einen der letzten Strahlen. Ächzend lehne ich mich an einen
Baum und schließe erschöpft die Augen. Atmen. Lauschen. Fühlen.

Ich drehe mich um und verlasse die Lichtung ohne einen Blick
zurück. Vielleicht sieht man sich ja irgendwann wieder, irgendwann
einmal…

Vielleicht. Ein seltsames Wort.

Als ich bei der Hütte ankomme ist es bereits dunkel. Der
Wald hat all seine Bedrohlichkeit verloren und wirkt auf einmal nur noch alt.
Alt und unendlich einsam. Luna kauert auf ihrem Sessel, die mageren Knie an den
Körper herangezogen wie ein scheues Tier. Ich nicke ihr zu und werfe einen
Kanten harten, alten Brotes in ihre Richtung, den sie geschickt auffängt und
gierig verschlingt. Auch ich versuche etwas zu essen, nach gefühlten Tagen zum
ersten Mal. Doch Aufregung, Neugier und Nervosität zügeln meinen Appetit. Ich
beobachte das kauende Mädchen eine Weile, schweigend, dann stehe ich auf und
gehe hinunter in mein düsteres Reich.

Unten angekommen starre ich in den alten Silberspiegel und
erschrecke beinahe vor mir selbst, den trüben, grünen Augen die umrandet von
tiefen, gräulichen Augenringen aus einem schmutzverkrusteten Gesicht blicken.
Ich sehe alt aus. So alt wie der Spiegel, so alt wie der Wald. So alt wie die
Welt. Doch steht mir nicht genau das zu?

Ich schüttle die seltsamen Gedanken ab und richte meine
Aufmerksamkeit auf den blutgefüllten Flakon. Im schummrigen Kerzendämmern des
Gewölbes scheint er geradezu eine pulsierende, rote Aura auszustrahlen. Ein
angenehm erregender Schauer durchfährt mich. Es ist soweit!

Ich nehme das Fläschchen aus dem Seelenhort, schließe die
Rechte um meinen besten Pinsel und bewege mich ehrfürchtig auf die weiße
Leinwand zu, 40x50cm, die ich extra für diesen bedeutungsvollen Moment gedacht
habe. Ich tauche den Pinsel langsam in das Blut und beobachte fasziniert wie
sich die feinen Härchen gierig mit der zähen Flüssigkeit vollsaugen. Der Pinsel
scheint auf das knöcherne Weiß der Leinwand zu zu schweben, wie ein Meteor der auf
der Oberfläche eines unschuldigen, unbefleckten Planeten aufschlagen und ihn in
ein brennendes, schreiendes Inferno der Ästhetik und Perfektion verwandelt
wird. Die Spitze setzt auf dem Papier auf.

Und ein flammender Schmerz durchzuckt meinen Körper.

Großer Gott, oh Gott im Himmel, es tötet… oh Himmel,
bitte, es tötet mich, es brennt, b… brennt so sehr…
aaaargh…sterbensterbensterben, was heißt schon leben… Warum?
AAAAAARRRGGH… BITTE! Oooh… Der Schmerz, es brennt, frisst mich, Himmel
warum? WARUM?! Bitte… b… bitte nicht… Oh Gott, oh mein Gott, oh…
ahahaha… hahahahahaha…

„HAHAHAHAHA…!“

Mein brüllendes, gequältes Lachen erfüllt den Raum, als die
reine Energie durch meinen Körper fließt und mein Gehirn mit der Hitze von
tausend Sonnen zum Schmelzen bringt. Oh Himmel… oh du süßer Betrüger… Ich
will sterben, doch es lässt mich nicht. Ich will leben, doch es macht mir das
Leben zur Hölle. Rausch. So nennt man das, einen Rausch. Ein Strich. Noch ein
Strich. Ein weiterer…

Sechs Striche.

Sechs Striche zieren die Leinwand bevor mein Körper
erschlafft, mir der Pinsel aus der Hand gleitet und sanfte Dunkelheit, zärtlich
wie die Umarmung einer liebenden Mutter um mich legt. Während ich das
Bewusstsein verlieren, erhasche ich noch einen letzten Blick auf den alten
Silberspiegel und in meine Augen.

Sie sind jetzt rot. Strahlendes Rot. Alles Weiß ist aus
ihnen verschwunden, die Pupille ebenso wie die Iris. Ein unendlicher, alles
verschlingender, blutig roter Abgrund starrt mich an. Doch das wundert mich nicht mehr.

Ich gleite dahin, auf einer samtigen dunklen Woge, hinein
ins Nichts. Ein pulsierendes Dröhnen umschließt mich, rhythmisch und kraftvoll,
das Dröhnen ist rot, rot wie meine Augen. Ein Herz, ein riesiges, schlagendes
Herz. Es umschließt mich.

Nein.

Ich bin das Herz.

Doch in welchem Körper?

Ich fange an zu schreien, von Grauen erfüllt. Ich schreie
und schreie und schreie, bis meine Stimme versagt und in der liebevollen,
pulsierenden Finsternis verklingt. Ich schwebe dahin, getragen von… was? Ob
das der Tod ist?

„Nein“, schnarrt plötzlich eine schrecklich vertraute
Stimme. „Natürlich nicht, du verdammter Wicht!“ Ich schlage die Augen auf. Um
mich herum ist schwarz wie in einem Grab. Nein nicht schwarz… rot! Nein,
gelb! Grün! Blau, Violett, Braun, Cyan, Zinober, Petrol, Mauve… Ich stöhne
entsetzt. „Was… was ist das? Wo bin ich?“, frage ich entgeistert und halte
mir den Kopf. Himmel, dieser Ort scheint alle Farben zu enthalten und
gleichzeitig vollkommen farblos zu sein…

Der beißende Gestank nach Schwefel und Ammoniak liegt in
der… Luft?

Ein Würgereiz steigt in meiner Kehle hoch und ich erbreche
mich geräuschvoll auf den seltsamen, pulsierenden Boden der erschreckend
organisch wirkt. Und diese Stimme… Woher kenne ich sie nur? Ein hämisches
Grunzen erklingt. „Erbärmlich.“

Natürlich… Es ist meine eigene Stimme. Nur tiefer,
verzerrter, wahnsinniger…

Ich bin es nicht gewohnt sie von außerhalb meines eigenen
Kopfes zu vernehmen. Zu dem bereits vorhandenen Schrecken gesellt sich ein
neuer, bei weitem abstrakter und fürchterlicher als alles, was bisher geschehen
ist. Ich hebe den Blick. Über mir steht ein Mensch. Ein physischer Körper. Er
beugt sich zu mir herab, packt mich am Kragen und zieht mich mit Leichtigkeit
auf die Beine. Ich blicke in ein brutales, verrücktes Gesicht mit
tiefschwarzen, vollkommen schwarzen Augen.

„Willkommen im Riss, Deimos!“, sagt mein
Zwillingsbruder.

Hier geht es zum nächsten Teil: [http://de.creepypasta.wikia.com/wiki/Furcht_und_Schrecken_-_Der_Riss Furcht und Schrecken – Der Riss]

() 15:21, 23. Jun. 2015 (UTC)

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