
Kunst ist etwas Tolles
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
„Scheiße, die Wand ist echt hässlich“ sage ich zu meiner Kollegin. Mein Büro war neu gestrichen worden, ein helles, reines Weiß. Mit „schönen“ Farben wollte man nicht arbeiten. „Das ist zu unseriös. Das muss Weiß sein!“ – so ein Schwachsinn.
„Ja, dann hol dir halt ein Bild?“ Agnes lacht und wirft ihre Haare über die Schulter. „Nicht, dass du und deine Kunden depressiv werden. Bei deiner langweiligen Beratung ist das eh schon ein Wunder, dass sich nicht jemand aus dem Fenster gestürzt hat“ stichelt sie weiter. „Halt die Klappe“ erwidere ich gespielt beleidigt und strecke ihr die Zunge raus. „Aber das mit dem Bild ist eine gute Idee.“ Die junge Frau nickt. „Klar, was erwartest du? War ja auch meine“ grinst sie und auch ich muss lachen. „Jaja, ist schon recht“ winke ich ab und widme mich wieder meinen Zahlen. Da kann man wirklich depressiv werden, wenn man die den ganzen Tag sieht…
Fünf Stunden später verlasse ich mein Büro. „Schönen Abend, Mädels“ verabschiede ich mich von meinen Kolleginnen und verlasse das Bankgebäude durch die Hintertür. Befreit atme ich durch – endlich Feierabend. „Hey, bin jetzt fertig. Wollen wir los?“ tippe ich in mein Handy. Als ich das Auto erreiche, kommt auch schon die Antwort meiner Freundin. „Klar, hol mich ab.“
Laute Metalmusik hörend mache ich mich auf den Weg und stehe keine fünf Minuten später vor der Tür von Bianca. „Hi, alles klar?“ begrüße ich sie und gebe ihr einen Kuss. „Sicher, der gleiche Lernstress wie immer, aber jetzt bist du ja da, um mich abzulenken“ erwidert sie augenzwinkernd. „Wo willst du jetzt hin?“ fragt sie mich. „Ins Bauhaus. Mal wegen Sofas schauen. Wenn ich jetzt dann umziehe, brauch ich ja eines. Und ein Bild fürs Büro will ich mir auch besorgen“ erläutere ich meinen Plan, während wir in ihr Auto steigen. „Alles klar, mal sehen, was wir finden“ stimmt sie mir zu.
„Scheiße, sind die alle teuer.“ Die Suche nach einem Sofa ist nicht erfolgreich verlaufen. Auch Bianca schüttelt enttäuscht den Kopf. „Ja, das stimmt. So richtig schöne waren auch nicht dabei.“ Ich zucke mit den Schultern und ziehe die Hübsche in meine Arme. „Das macht aber nichts, ich habe ja noch Zeit“ sage ich ihr und drücke ihr einen Kuss auf die Lippen. „Stimmt. Aber ein Bild wolltest du noch suchen“ erinnert sie mich, nachdem wir uns wieder gelöst haben. Sie streicht eine Strähne ihrer braunen Haare hinter das Ohr zurück. „Willst du etwas bestimmtes?“ fragt sie mich, während wir in Richtung der Dekoabteilung laufen. Ich greife ihre Hand und überlege: „Ja, naja nein. Irgendwas nicht zu aufdringliches. Aber nicht was, was man schon tausend Mal gesehen hat. Und es sollte nicht zu klein sein, ich habe viel Platz an der Wand.“ Mittlerweile stehen wir vor den Regalen, die mit verschiedenen Bildern gefüllt sind. „Hier, die Größe wäre gut“ sage ich und zeige auf ein Bild, das New York bei Nacht zeigt. Zweifelnd sieht mich meine Freundin an. „Nur die Größe, nicht das Motiv. Das ist langweilig“ beschwichtige ich sie. „Na gut, dann lass uns mal das Regal durchsehen“ schlägt sie vor und macht sich daran, die Bilder zu besichtigen.
Zehn Minuten später sind wir nicht wirklich weiter gekommen. Ein Gemälde eines Hirsches ist mein Favorit, aber so richtig begeistert bin ich nicht.
„Sehr verehrte Kunden, wir schließen in wenigen Augenblicken.“ Na toll, auch das noch. „Haben die nicht bis acht auf?“ frage ich verwundert. „Anscheinend nicht. Was ist jetzt?“ erwidert Bianca. Sie hat schon einen leicht genervten Unterton in der Stimme. „Ach, ich weiß nicht. Ich schau hier nochmal schnell“ sage ich und klappe die Bilder des Stapels nacheinander um, den genervten Seufzer und die verdrehten Augen meiner Freundin geflissentlich ignorierend.
Dann sehe ich es. „Bianca“ hauche ich. „Schau mal!“ Sie stellt sich neben mich. „Hast du was gefu… Ja!“
Wir blicken auf eine Fotografie, welche auf einen Keilrahmen gespannt wurde. Wie in einem Bann starren wir auf das Bild. Ein roter Ohrensessel neben einer schwarzen Stehlampe. Der Hintergrund verdreckt, alt und schon ein wenig verfallen. Im Vordergrund ein wenig Schrott, wie als würde der Sessel in einer alten, verlassenen Lagerhalle stehen.
„Das!“ entscheiden wir uns gleichzeitig. Schnell zücke ich mein Handy. „Agnes, schnell! Ist das Bild fürs Büro in Ordnung?“ tippe ich und schicke meiner Kollegin ein Foto. „Aaaaaagnes, die schließen gleich!“ Panisch mache ich ein wenig Druck, nachdem nicht sofort eine Antwort erfolgt. Aber eigentlich habe ich mich schon entschieden – hier lassen werde ich das Bild nicht.
„Ja, das sieht echt super aus. Nimm es mit :)“ Die Antwort von Agnes bestärkt mich nochmals und schnell packe ich das Bild. Ich nehme meine Freundin an der anderen Hand und lächle sie an. „Los geht‘s. Das nehme ich.“ Bestätigend nickt Bianca und wir begeben uns zur Kasse. Die Verkäuferin lächelt milde. „Ein interessantes Foto, nicht wahr?“ Sie scannt den Barcode. 29,99 EUR blinken auf. „Ja, das stimmt. Ich weiß nicht, was es ist, aber es hat was“ stimme ich ihr zu, während ich das Geld zusammensuche. „Ja, das hat es wirklich. Wird bestimmt toll wirken. Bis zum nächsten Mal“ verabschiedet uns die ältere Dame. „Bis bald“ antworte ich, während wir durch die Türe zum Auto gehen.
„Cooles Foto!“ Stolz stehe ich in meinem Büro vor dem aufgehängten Bild. „Und sogar im Wasser“ gebe ich an und lege die Wasserwaage auf den Rahmen. „Oha, du großer, großer Handwerker“ lacht Agnes und schlägt mir auf die Schulter. „Aber das Bild ist wirklich toll, wirkt super“ gibt sie anerkennend zu. „Ja, finde ich auch. Kaffee?“ „Kaffee!“
Einen Tage und viele Komplimente für mein Foto später stehe ich vor der Bank. Ein guter Tag, meine Laune ist am Höhepunkt. Mein Büro wirkt gleich viel einladender und ich habe mich immer wieder zu meiner neuen Errungenschaft umdrehen müssen. Ich habe das Bild sogar im Internet gefunden und als Hintergrund für mein Smartphone eingestellt, sodass ich mich immer wieder an der Schönheit erfreuen kann.
Das Bild zieht mich wie in einen Bann. Es wirkt interessant, auch wenn nicht viel darauf abgebildet ist. Aber die Stimmung ist einerseits romantisch düster, andererseits durch den leuchtend roten Sessel freundlich bunt. Wirklich eine tolle Fotografie.
Immer wieder zücke ich mein Handy, nur um meinen Sperrbildschirm zu betrachten.
Auch die nächsten Tage büßt das Bild nichts von seiner Schönheit und seiner Anziehung auf mich ein. Immer wieder ertappe ich mich, wie ich minutenlang mich umdrehe und das Foto anschaue. Teilweise verdunkle ich sogar die Scheiben, um es ungestört betrachten zu können.
Ich versuche, den Anblick in meinen Kopf zu brennen, damit ich das Foto nie wieder vergesse. Jedes noch so kleine Detail merke ich mir. Ich bin süchtig. Süchtig nach einem Foto. Aber, ist das was schlimmes? Nein, ich glaube nicht.
Kunst ist doch etwas Tolles.
Die Arbeit stapelt sich zwar etwas., aber die Kunden können auch mal warten. Sie sollen aufhören, so viel Stress zu machen und sich lieber mit schönen Sachen beschäftigen. Musik. Malerei. Oder Fotografie.
Mein Chef ist im Urlaub, Ärger bekomme ich in der Arbeit erst einmal keinen. So kann ich ganz in Ruhe weiter betrachten. Weiter erforschen. Weiter meine Sucht befriedigen.
Agnes wollte das Bild abhängen. Sie hat gemerkt, dass ich nur noch darauf starre. Das hat sie aber ganz schnell wieder gelassen. So ein Kugelschreiber in der Hand tut doch weh. Aber sie wollte ihre dreckigen Finger nicht von meinem Schatz lassen. Jetzt sitzt sie am Schreibtisch und heult. Das Geschluchze nervt. Ich kann mich gar nicht auf mein Bild konzentrieren. Langsam werde ich echt sauer.
Zuerst will sie mir meinen Schatz nehmen. Wahrscheinlich wollte sie ihn für sich selber haben.
Jetzt stört sie meine Konzentration.
Was kommt als nächstes? Wahrscheinlich hängt sie mich beim Chef oder bei den Bullen hin.
Körperverletzung. Was für ein hässliches Wort.
Da bleibe ich doch lieber bei meinem schönen Bild.
Und ich sehe, dass auch Agnes immer wieder auf das Bild schielt. Ihr scheint es schon auch zu gefallen.
Ich werde sie fragen, ob sie sich mir anschließen will – sozusagen als Entschuldigung für den Kugelschreiber.
Aber dann muss sie die Klappe halten.
Mein Kollege Rudi wohnt mir schon bei. Zumindest sein Kopf. Er hat gesagt, dass er das Foto hässlich findet. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Also wird er mir jetzt so lange beiwohnen, bis er seine Meinung ändert. Und nachdem er seine Augen nicht mehr schließen kann, bleibt ihm nichts anderes übrig, als meinen Schatz zu betrachten.
Stören kann uns auch niemand mehr. Die Telefonleitungen habe ich gekappt, die Tür ist verriegelt. Faszinierend, wie einfach so eine Bank lahmgelegt werden kann. Vor allem in der Urlaubszeit, wenn so gut wie niemand da ist.
Seit geraumer Zeit höre ich zwar Sirenen vor der Türe, aber die Bullen brauchen noch etwas, bis sie hier rein kommen. Bis dahin werde ich das Foto nicht aus den Augen lassen. Danach – nun ja, wahrscheinlich werde ich eingesperrt oder erschossen. Und mein Bild wird vielleicht nie mehr von jemandem gesehen.
Aber wisst ihr was? Das lasse ich nicht zu.
Kunst ist da, um geteilt zu werden.
Also teile ich sie.
Auch mit euch.
Das Foto darf niemals vergessen werden. Es soll noch viele Menschen Freude bereiten.
Ich glaube, das Bild büßt in der digitalen Form nichts von seiner Schönheit ein.
Viel Spaß!
Kunst ist doch etwas Tolles!