Gefangenschaft – „Happy“ Birthday
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Der Regen prasselte unaufhörlich auf das Dach meines Autos, während ich verträumt durch die Windschutzscheibe in die spärlich von künstlichem, orangegelbem Licht durchflutete Dunkelheit starrte. „In einer Woche… in einer Woche ist es soweit“, murmelte ich mir selbst zu, während ich das kleine Geschenk, das ich meinem Schatz schenken wollte, fest in meiner zur Faust geballten Hand drückte. Es klingelte durch die kleinen Glöckchen leise, während ich es umso fester drückte. Fast fühlte es sich so an, als ob ich nicht das Geschenk, sondern sie in meiner Hand festhalten würde. Doch… einen Moment lang musste ich mich noch gedulden. Diese eine Woche konnte ich doch noch aushalten, wenngleich ich schon die letzten Monate für sie durchgehalten hatte. Dennoch stellte sich in mir zugleich die Besorgnis ein, ob auch es in der notwendigen Verfassung war, die restliche, wenige Zeit für meinen Schatz zu kämpfen. Meinen Teil hatte ich nur zur Genüge erfüllt. Ich hatte dafür gesorgt, dass sie alles Notwendige bekam, um mir meinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen: Ich hatte ihr zu essen gegeben, zu trinken. Selbst das Bad durfte sie unter meiner Begleitung für die körperliche Hygiene und alles andere ohne jegliche Probleme nutzen. Das war alles, was sie benötigte, mehr war nicht von Bedeutung – und dennoch hatte sie sich mit den zunehmenden Monaten geweigert, Nahrung oder Flüssigkeit zu sich zu nehmen, obwohl es für meinen Schatz am allerwichtigsten gewesen wäre. Wie sollte sie denn sonst diese lange Zeit nur überstehen? Also zwang ich dieses Gör regelrecht, eine ordentliche Nahrung aufzunehmen, und wenn sie sich weigerte, holte ich einen Kieferspreizer hervor, mit welchem sie gar keine Chance hatte, ihren Mund widerwillig zu schließen, und wenn sie es dennoch mit aller Macht versuchte oder gar ihren Kopf von mir wegdrehte, drückte ich ihr abscheuliches Gesicht in die brennend heiße Pfanne und schrie: „FRISS, DU WIDERWÄRTIGE SAU!“ Und erst dann, wenn das Essen bereits von ihren erbärmlichen Tränen und feuchtem Rotz bedeckt war, fing sie an zu essen.
So vergingen Monate… etliche Monate, die für diese doch recht kurze Zeitspanne, bis mein Schatz endlich zu mir kommen würde, sich wie eine nie enden wollende Zeitschleife anfühlten. Doch je näher der Tag unseres ersten Treffens rückte, desto mehr und mehr konzentrierte ich mich darauf, für das letzte bisschen Zeit (besonders jetzt diese eine, letzte Woche, die mir bevorstand), alles zu geben, sodass sie es gut haben würde, bis sie da war – bis wir uns endlich sehen würden und ich sie nach allem, was war, endlich in den Armen halten konnte! Dieser Gedanke. Dieser eine Gedanke war es, der mich zum weitermachen antrieb. Zum Durchhalten, bis alles vorbei war. Und genau aus diesem Grund, würde ich jetzt wieder in mein Haus gehen, mich um sie kümmern und das für die restliche Woche, die mir noch blieb. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Antlitz, als ich an den heranrückenden Moment dachte: Bald. Sehr bald werden wir…
Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn, bis mir ein leises Knacken signalisierte, dass dieses offen war. Der anfängliche Regen hatte trotz meiner Hoffnungen und Wünsche weder etwas nachgegeben noch gänzlich aufgehört. Stattdessen setzten nun auch helle Lichtblitze, welche den Himmel durchfluteten, gepaart mit einem regelrechten Orchester von tobendem Donnergrollen ein. Doch das hielt mich nicht im geringsten von meinen freudebringenden Denkinhalten ab. Vom Regen durchnässt trat ich in meine warme Stube ein, lief die Treppen, welche durch eine einzige, flackernde Lichtquelle in Form einer Glühbirne erhellt wurden, hinauf. …uns das erste Mal sehen! Öffnete die schwere Metalltür, welche ich ebenso zuvor verriegelt hatte und sah durch ein Schein des künstlich-gelben Lichtes meiner Glühbirne gepaart mit einem zum zeitgleichen, monumentalen Augenblick auftretenden Blitz, wie Blut im leisen Drippeln ihre Beine hinunterlief, während sie sich schreiend mit dem Oberkörper aufbäumte. Binnen weniger Sekunden registrierte ich das sich vor meinen Augen gebotene Schauspiel, doch wünschte ich, ich wäre nicht um diese jämmerlichen Sekunden zu spät gekommen, denn noch im selben Moment fiel sie nach vorne und wäre beinahe mit ihrem gesamten Oberkörper auf den Boden aufgeschlagen (Schuld trugen die Ketten, die ich nach langem Gejammer ihrerseits gelockert hatte, soweit, dass sie sich in ihrem jetzigen Zustand frei bewegen konnte), hätte ich sie nicht rechtzeitig aufgefangen. „NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!“, schrie ich wie von Sinnen, als ich mit eignen Augen zusah, wie sie in meine Arme fiel. „MEIN BABY!“, hielt ich sie weiter in den Armen, schreiend, während heiße Tränen meine eiskalte Wange hinunterliefen.
Panisch sah ich in die Augen dieses wertlosen Stücks Scheiße. Dieses nutzlosen Produkts, das ich nutzte, um meinen Traum zu verwirklichen. Doch hatte ich weniger Angst um dieses Produkt (nein, ich hatte nicht ansatzweise Angst um sie. Ehrlich gesagt hatte ich überhaupt keine Angst, was mit ihr geschehen mag), als um meinen Schatz, meinen Sinn des Lebens! Ich sah zu, wie mein Produkt sich zitternd und krampfend in meinen Armen wand, derweil es schmerzerfüllt aufstöhnte. Urplötzlicher Zorn vermischte sich mit meiner anfänglichen Angst, sodass ich es fest an ihrem Kiefer packte, sein Gesicht zu mir zog und ihm folgende Worte entgegenknurrte: „Ich schwöre dir, wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt und mein Kind gesund zur Welt bringst, schlitze ich dir deine fette Wampe auf und hole es selbst da raus, hast du mich verstanden?“ Nackte Panik mischte sich samt der höllischen Pein in ihren Augen. Gespielt theatralisch leckte ich eine Träne von ihr weg. „Du wirst jetzt stark sein, ja? Ich weiß, es tut weh, aber denk daran“, versuchte ich ihr Mut zu zusprechen, während ich ihr sanft durchs Haar strich, „wie viel du in den letzten Monaten schon geschafft hast und erdulden musstet. Den letzten Schritt, diesen allerletzten Schritt, wirst du doch auch noch schaffen, nicht wahr? Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du es schaffen wirst! Na los!“, forderte ich sie auf. Just in dem Moment, in welchem sie ihren Mund öffnete, entlockte sie anstelle jener Worte einen Schrei. Es war der schlimmste Schrei, den ich je zu Ohren bekam. In ihm lag so viel Schmerz, so viel Leid, so viel Qual – keines dieser Worte war jedoch ansatzweise in der Lage zu beschreiben, was er in diesem Augenblick für mich bedeutete. Er erfüllte mich (eigenartigerweise) mit unsagbarer Freude. Freude auf meinen Lebenssinn. Mach weiter so, dachte ich euphorisch. Sieh mich an! Sieh mich an und schrei weiter für mich!
Sichtwechsel: Rosita
Mein gesamter Körper zitterte, während das Blut ungehindert meine Beine hinunterlief. Es färbte meine graue Jogginghose in ein widerwärtiges und beunruhigendes Dunkelrot. Zeitgleich mit der warmen Flüssigkeit, welche sich drippelnd auf dem Holzboden wiederzuerkennen gab, setzte ein unerträglicher Schmerz ein. Es fühlte sich regelrecht so an, als hätte man mich in der Mitte mit einem Skalpell aufgeschnitten und würde mich nun mit bloßen Händen entzwei reißen. Mit dem entscheidendem Unterschied, dass dieses zweigeteilte Zerreißen lediglich in meinem Unterleib stattfand und sich weiter bis zu meiner Scheide hinabzog. Ich schrie. Schrie aus Leibeskräften. Im selben Moment hätte ich damit gerechnet, dass der Vater meines Kindes mich mit einem harten Schlag ins Gesicht für mein Gekreische bestrafen würde, doch seine erwarteten Schläge blieben aus. Stattdessen forderte er mich nahezu drohend auf, mich auf meine Atmung zu konzentrieren, derweil er mich untenrum meiner Kleidung vollständig entledigte. Also tat ich, was er sagte. Doch ich tat es weniger, um seiner Aufforderung nachzukommen, sondern weil ich wusste, dass eine gleichmäßige Atmung dem Kind einerseits Sauerstoff gab, was es jetzt besonders nötig hatte, und andererseits die anfänglichen Schmerzen für einen geringen Moment linderte. Nase ein, Mund aus. Nase ein, Mund aus, sagte ich mir immer und immer wieder auf. „Das machst du gut, meine Hübsche. Mach weiter so. Atme!“, mir war bewusst, dass er sich gleich in meiner Nähe befand, doch hörte sich Dereks Stimme so unendlich weit entfernt an. So, als wäre er gar nicht hier. Doch ehe ich realisieren konnte, dass diese eigenartige Wahrnehmung mit meinem elendigen Zustand, in welchem ich mich befand, zusammenhing, sorgte eine erneute Welle von Pein (welche nunmehr intensiver und langanhaltender war als die vorherige), dass ich in diese, jetzige Realität brutal zurückgeschleudert wurde. Wieder konnte ich nicht anders, als diesem Schmerz mit einem kehligen Schrei zu entgegnen. Mein Hals schmerzte mittlerweile.
Hoffnungslos und sichtlich flehend sah ich in die glanzlosen Augen meines Gegenübers. Seine Mimik war gänzlich ausdruckslos. Anders, als es mit eindeutiger Sicherheit viele Väter im Moment der Geburt waren, sah er mich nicht sorgenvoll oder voller Zuversicht, dass ich es schaffen würde, an, sondern strahlte eine unfassbar unangenehme Ignoranz und Kühle aus. So, als sei ich ihm nichts wert. Als sei ich… mehr ein Objekt, nein, ein Produkt, das dazu diente, ihm das zu geben, worauf er so lange gewartet hatte. War ich also für ihn nichts weiter als eine Brutmaschine? Doch Zeit, auf diese Frage eine Antwort zu finden, blieb mir nicht, denn unmittelbar nach jeder Feststellung setzte erneut eine Wehe ein, die mir das Gefühl gab, meine Nervenbahnen bis ins Unermessliche zu reizen. Und vielleicht brauchte ich diese Frage auch erst gar nicht zu stellen, denn sein Ausdruck, sein Verhalten mir gegenüber, die er die letzten Monate über an den Tag legte, und diese hoffnungsvollen Behauptungen der Liebe, die er mir immer wieder einredete: Alles eine Fassade. Eine Fassade, die ich mir immer weiter, immer mehr mit Stolz und Freude aufgebaut hatte, weil der Wunsch mit jedem Tag in mir wuchs, er könnte mich doch noch lieben und würde mich auf Händen tragen. Jedoch zersprang in jenem Moment meine wundervolle Hoffnung. Wie ein gläsernes Schloss zerfiel es durch ein regelrechtes Erdbeben in Abermilliarden einzelne Splitter vor meinen Augen. Einzelne Splitter, die in der Sonne glitzerten und dem Gesamten ein abscheulich-schönes Ambiente verliehen. So, als müsste etwas traumhaft Wundervolles zerbrechen, um innerhalb dieses Desasters wieder unvergleichlich zu werden. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Der Vergleich von schön und hässlich? Gegenwart und Vergangenheit? Liebe und Hass? Zuversicht und Lügen? Welche Rolle hatte das alles für ihn schon gespielt, wenn er sich jetzt an meinem Leid nahezu aufgeilte? Wenn er JETZT seine Hände in mein vergossenes Blut tauchte, als wäre es für ihn etwas Heiliges? Und meine rechte Hand fast schon mit seiner Kraft zerquetschte, während er sich mit der anderen meinen Lebenssaft ins Gesicht schmierte und mich dabei mit so einer krankhaften Besessenheit ansah, dass es mir einen grauenerregenden Schauder auslöste, während er mich anschrie, ich solle pressen? „NA LOS, VERDAMMT NOCHMAL, ODER ICH HOLE ES GEWALTSAM AUS DIR RAUS!!!!“, brüllte er mich an. Sein Antlitz zitterte vor brodelndem Zorn, sein Druck an meiner Hand führte dazu, dass er mir die Finger brach und seine Adern in seinen Augen waren geplatzt. Der beigefügte pulsierende Schmerz in meiner Hand hörte jedoch sofort auf, als die Wehen in einem nunmehr viel kürzeren Abstand als zuvor auftraten. Fast schon im Minutentakt, signalisierten sie mir, dass ich meinem Kind nun helfen musste. So tat ich wie mir geheißen und presste, so fest ich konnte. Ich konnte meinen Peiniger leise lachen hören. Fast schon von einer lächerlichen Euphorie getrieben, vernahm ich, wie er mir über meine schweißnasse Stirn strich und mich mit seinen von Gott und Vernunft verlassenen Augen ansah, derweil er mich auf meine heiße Wange küsste und mir in einem nahezu motivierenden Mantra zuflüsterte: „Mach weiter! Hör nicht auf, hörst du? Noch ein bisschen und du hast es geschafft. Du kannst es, ich weiß, dass du es kannst!“ Sein Klang hallte widerlich-bitter in meinen Ohren nach, während sich alles um mich herum zu drehen anfing. Die Pein, der hohe Blutverlust und die unerträgliche Anstrengung führten dazu, dass ich mir schon fast wünschte zu sterben. Es kümmerte mich mittlerweile nicht mehr im Geringsten, wer von uns beiden überleben würde. Alles, was ich wollte, war sterben. Ich wollte einfach sterben! Ruckartig griff ich nach dem weißen T-Shirt des Vaters meines Kindes und zog ihn nah zu mir, sodass wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Bring mich um! Bring mich um! Bring mich um! Bring mich um! BRING. MICH. UUUUUUUUUUUUUUUUUUUM!“, flehte ich und spürte, wie heiße Tränen zahlreich über mein Antlitz liefen. „Ich schaffe das nicht!“, schrie ich. „Hol es aus mir heraus! BITTE! Es ist mir egal, ob du mich aufschlitzt oder selbst die Betäubung weglässt, aber… aber… Hol dieses Biest aus mir heraus!“, knurrte ich und verkrampfte meine linke Hand, mit welcher ich sein Shirt festhielt, so sehr, dass ich dabei ein Stück Stoff herausriss, als er sich ruckartig von mir entfernte. Im Licht, das durch den Flur zu uns hereinschien, konnte ich seine Augen das erste Mal glänzen sehen. Doch entsprach dieser Glanz keinem natürlichem, wie ihn jeder Mensch hatte, der nicht seinen Verstand verloren hatte. Dieses Glänzen kam vielmehr einer Anbahnung etlicher Tränen gleich, die sich jeden Moment über sein Gesicht bis hinab auf den von Fruchtwasser versauten Boden vergießen werden würden.
„Nein…“, sagte er in solch einer Kälte, dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich war hier. Ich wollte diesem überaus bedeutungsvollem Moment beiwohnen, dich unterstützen, doch wie ich sehe, kannst du das Ganze auch ganz gut ohne mich bewältigen, nicht wahr?“, grinste er und wandte sich zum Gehen. Panik keimte in mir auf und ließ mich gepaart mit der nächsten Wehe, die sich bereits ankündigte, fast schon verrückt werden. „Was? Nein! Du kannst mich jetzt nicht alleine lassen! ICH BRAUCHE DICH!!! BLEIB HIER! BLEIB HIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEER!!!“, kreischte ich, einerseits des Schmerzes wegen und andererseits, weil ich mit eigenen Augen mit ansah, wie er nicht für eine Sekunde zögerte oder sich gar zu mir umdrehte. „Vergiss nicht zwischen dem Zeitpunkt der Wehen zu atmen!“, sagte er und grinste dabei so widerwärtig krank, dass mir schlecht wurde. Mit jenen Worten verschwand er im künstlichen Licht des Flures, welches ihn vollständig einhüllte, und ließ mich vollkommen alleine zurück. Ein verzweifelter Schrei entlockte sich meiner Kehle. Er war gepaart mit Angst, Selbsthass und dem bitter-süßen Schmerz, welcher jedoch vielmehr von meiner Seele ausging, als dass es die Wehen waren, die mich fast mein Leben kosteten. Doch jener Schrei, welcher meiner Kehle entsprang, ging in dem unmittelbaren, monströsen Donnergrollen unter.
Sichtwechsel: Derek
Einige Zeit war bereits vergangen, seit ich sie das letzte Mal schreien hörte. Ich saß hier auf der Treppe, die zum Dachboden führte, und wartete, während ich auf meine zittrigen, blutverschmierten Hände starrte. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie MEIN BABY als Biest bezeichnen, dachte ich, derweil einzelne Tränen mein Kinn hinunterliefen und leise auf die knarrende Holztreppe hinabfielen. So viel… Ich hatte so viel für sie geopfert. Der ganze Plan, den ich mir zurechtgelegt hatte: Die Entführung, die jahrelangen Beobachtungen, die Liebe, die ich ihr schenkte. Warum hatte sie das nie zu schätzen gewusst? Ich habe mir doch solch eine Mühe gegeben! Also… Also konnte ich nicht anders. Es musste dazu kommen, wie es bislang gekommen war. Ich wollte… Ich wollte doch nur… „unseren einzigen Wunsch erfüllen, meine liebe Kaitlyn“, flüsterte ich, während ich das silberne Amulett in Form eines Herzens, in dem ein Bild, lange vor ihrem Tod aufgenommen, steckte, fest in meiner rechten Hand, welche ich zur Faust geballt hatte, drückte. Ich erinnerte mich noch an ihre von purem Glück durchströmten Worte, als wäre es erst gestern gewesen. Ich hatte ihr Lächeln Gott sei Dank noch so scharf in Erinnerung, als hätte mein Gehirn ein Foto für mich geschossen, um diesen einen, wertvollen Augenblick für immer in mein Gedächtnis zu brennen: Sie stand vor mir, legte ihre Hand auf ihren Bauch und murmelte in einem fast schon von Freudentränen überfluteten Ton: „Wir bekommen ein Baby“, murmelte ich den Satz vor mich hin, während ihre Stimme zeitgleich in meinem Kopf ertönte, so als ob wir es im Einklang verkünden würden. Erneut rannten Tränen mein Antlitz hinunter. Es hätte alles so unendlich perfekt werden können. So makellos, so vollkommen. Doch das Schicksal musste sich dazu entscheiden mir anders in die Hände zu spielen, als ich es ursprünglich wollte und als ich es mir Ursprungs gewünscht hatte.
Die nächsten Wochen nach der Verkündung vergingen wie gewohnt, mit dem entscheidenden Unterschied, dass unsere beide Freude auf das Kind wuchs, je mehr Zeit verging und je weiter das Baby in dem Bauch meiner Kaitlyn heranwuchs. In dieser Spanne unterstützte ich sie, wo ich nur konnte. Ich bestand regelrecht darauf, dass sie ihre regelmäßigen Kontrollen beim Arzt so legte, dass ich dabei sein konnte. Nicht ein einziger Termin verstrich, ohne dass ich dabei war. Alles wirkte so unnatürlich perfekt und verlief so unglaublich reibungslos. Wir waren dabei, der Inbegriff einer makellos reinen Familie zu werden, bis… ein einziger Abend mein glänzendes Bild der Perfektion ein für alle Mal buchstäblich in Stücke riss: Ich kam eines Abends von einem langen, harten Arbeitstag nach Hause, voller freudiger Erwartung, den restlichen Moment dieses Tages in den Armen meiner Göttin verbringen zu können. Gerade als ich im Begriff war, die Tür zu unserem Schlafzimmer aufzumachen, vernahm ich ein lustvolles Stöhnen aus jenem Zimmer. Es gehörte meiner Frau. Schmunzelnd stand ich einige Augenblicke noch vor der Tür und bewegte meine Hand nur langsam in Richtung der Türklinke. Soweit, wie ich mich über eine Schwangerschaft belesen hatte, war es in einer solchen Situation keineswegs untypisch, dass Frauen ein erhöhtes Verlangen nach Sex hatten. Zwar hatte ich dieses Verlangen bislang noch nicht bei Kaitlyn feststellen können, doch da sie sich inzwischen in der 15. Woche befand, nahm ich an, dass sich diese Lust allmählich in ihr entwickeln sollte und vielleicht war ihr Stöhnen ein Zeichen dafür, dass sie sich nur… darauf vorbereitete. Meine Hand lag bereits auf der eisernen Türklinke und erfüllte jene mit einer minimalen Kälte, wenngleich meine Hand vor allgemeiner Freude, meine Frau wiederzusehen, anfing zu zittern. Ich hatte sie so sehr vermisst. Selbstverständlich war meine Liebe zu ihr auch lange vor der Nachricht, dass wir bald schon eine kleine Familie werden würden, für sie unvergleichlich gewesen. Dennoch, seit ich dieser Verkündung beiwohnen durfte, war meine Zuneigung zu ihr um eine unbeschreibliche Zahl intensiviert worden. So sehr, dass es keine Worte gab und keine Skala, die hätten beschreiben können, wie sehr ich diese Frau verehrte.
Lüstern leckte ich mir über die Lippen, während ich nun langsam die Tür vor mir öffnete. Auch wenn es nur wenige Sekunden waren, die uns voneinander zu trennen schienen, wuchs in mir die Anspannung so sehr, als wären es Stunden oder Tage, an denen ich auf unser Wiedersehen wartete. Jedoch verflog jene Vorfreude augenblicklich, kaum erblickte ich den wahren Grund ihres Stöhnens: Ein anderer Mann lag auf ihr und befriedigte, sichtlich von diesem Moment vollends benebelt, ihre feurige Lust. Ich sah mit eigenen Augen zu, wie er an ihrem Hals saugte, sie untenrum mit seinen widerlichen Händen rieb, um ihr ein erneutes Stöhnen zu entlocken, diesmal lauter als zuvor. Ihr Gesicht errötete leicht bei den leidenschaftlichen Bewegungen, die seine abscheuliche Pranke ausübte. Und auch sie war gänzlich von diesem Akt benebelt, sodass sie mich ebenfalls nicht wahrnahm. Ich allein war gezwungen, dieser exhibitionistischen Szene beizuwohnen, allen voran, weil ich aufgrund meiner bis ins Mark erschütternden Fassungslosigkeit nicht in der Lage war, meine Augen zu schließen oder mich gar aus diesem Raum zu entfernen. Alles, wozu mein Körper lediglich im Stande war zu tun, war es, mich kraftlos zu Boden fallen zu lassen, so dass ich mit den Knien auf dem Boden aufschlug und meinen Oberkörper reflexartig mit meinen Händen abstützte, derweil sich alles um mich herum anfing zu drehen und ich mit jeder unerträglichen Minute, die ich dieser Zurschaustellung hilflos ausgesetzt war, dem Keuchen, dem Stöhnen und schlussendlich dem lustvollen, sowie zugleich erleichterten Aufschreien beider in solch einem erhöhten Volume wahrnahm, als hätte jemand direkt vor meinen Augen einen Porno gestartet und die Lautstärke absichtlich mit jedem Moment immer mehr erhöht. Erst als er erschöpft und keuchend neben ihr lag, schienen beide aus ihrer sexuellen Trance aufgewacht zu sein, doch als meine Frau erschrocken meinen Namen rief, war ich bereits aus der Tür verschwunden und hatte diese mit solch einer Wucht zugeschlagen, dass ich befürchtete, die Türklinke würde jeden Moment abgerissen werden.
Pure Dunkelheit hatte den Himmel bereits eingehüllt, als ich das Haus verließ und in Richtung meiner Lieblingskneipe lief. Es war ein (zumindest zu dieser späten Stunde) rege besuchter Irish Pub, in welchem ich ohne zu zögern mich vor dem Barkeeper an den Tresen setzte und das Hochprozentigste bestellte, dass sie anboten: „Everclear! Pur!“, orderte ich und erntete einen misstrauischen Blick, der mich nachdenklich von oben bis unten musterte, als würde er sagen wollen: „Das überleben Sie niemals!“ Doch war es mir ganz gleich, was dieser einfältige Praktikant dachte, der allem Einschein nach mit seinen 20 Jahren noch bei seiner Mutter wohnte und auf ihre Kosten aß und lebte. „Wird‘s bald?!“, wurde ich lauter und hämmerte hemmungslos mit der Faust auf den hölzernen, glatten Tresen. Den Schmerz, der durch meine Nervenbahnen jagte, ignorierend besah ich mir den Haufen vollgesoffener Idioten, welche entweder bewusstlos oder lallend in der Ecke der Kneipe verreckten. Aber das war in so einer erfolgreichen Kneipe wie dieser kein Wunder mehr. Dieser Abschaum, welcher sich hier als Grüppchen aufhielt, war der letzte Rest eines langen Abends gewesen. Die letzten vertriebenen „Kakerlaken“, die keiner haben wollte. Vielleicht wurden sie von ihren Frauen vor die Tür gesetzt. Vielleicht wurden sie von ihrem Chef, welcher am Anfang viel von ihnen gehalten hatte, letztendlich aus welchen Gründen auch immer gekündigt, oder sie fielen einem anfangs bloßen Genussmittel gänzlich in die Klauen der grenzenlosen Abhängigkeit. Was auch immer sie dazu trieb, hier zu enden: Ihre Schicksale waren genauso verflucht gewesen wie meins. Fate is a fucking goddamn bitch! dachte ich, während ich wenige Minuten später grinsend das kühle Glas meines puren Glücks in den Händen hielt. Gierig kippte ich das brennende Allheilmittel meine Kehle hinunter. Die brodelnde Wut in mir fing langsam an zu kochen, je mehr ich von diesem göttlichen Zeug trank. Vielleicht war es nicht richtig, Alkohol als ein Geschenk Gottes zu bezeichnen. Aber wem hatten wir dann diesen absolut hirnrissigen „Zauber“ zu verdanken, der Wasser in Wein verwandelt hatte? „Danke, du nicht existente Ausgeburt einer unbefleckten Maria!“, kommentierte ich lauthals, den Everclear gen Himmel streckend, während ich mich torkelnd auf den Heimweg machte. „Gesegnet sei dein Geschenk an mich!“ Nachdem ich den letzten Rest des Glases in mich gekippt und jenen Behälter achtlos auf den Asphalt geworfen hatte, sodass das vernehmbare Klirren das Zerbrechen dieses billigen Glases verkündete, merkte ich, wie sich mein durch das Genussmittel herbeigerufene Zorn samt den gestochen scharfen Bildern in meinem Schädel, wie sich Kaitlyn von einem anderen Mann ficken ließ, in Form eines viel zu schnell ablaufenden Films aufbaute. Meine Hände zitterten vor Wut, derweil ich sie reflexartig zu Fäusten ballte. Schon wieder, dachte ich. Schon wieder eine Frau, welche mich eines anderen Mannes wegen verließ. Mit jenem Denkinhalt, welcher blitzartig durch meinen Geist schoss, erinnerte ich mich gleichzeitig an eine Memoire zurück, in welcher selbst meine Mutter mich für einen Mann hatte sitzen lassen. Zu jenem Zeitpunkt war ich gerade mal elf Jahre alt gewesen, als sie eines Tages mit Koffern vor meinem Zimmer stand, urplötzlich mich an meinen Haaren packte und mich einmal fest gegen die Wand schlug, während sie mich mit solch einem übertrieben euphorischen Gesichtsausdruck ansah, dass ich dachte, sie würde jeden Moment gleich explodieren, als sie stolz verkündete, dass sie mich für ihren Lover verlassen würde und nur ich der Grund sei, warum mein Vater gleich nach meiner Geburt spurlos verschwunden war. Ohne je – bis zum heutigen Tag – ein Lebenszeichen von sich zu geben. „Mama wird ein unvergleichliches Leben ganz ohne dich genießen. Und Mama wird nie, nie wiederkommen. Schließlich… bist du inzwischen alt genug, um für dich selbst zu sorgen, und brauchst meine Hilfe nicht mehr, meinst du nicht auch? Sicher, der einfachste Weg wäre gewesen, dich einfach abzutreiben, dann würde dein Vater heute immer noch bei mir sein, doch so naiv, wie ich war, so besessen ich von ihm gewesen bin, glaubte ich allen Ernstes, dass du widerwärtiges Balg die Lösung unserer Beziehungsprobleme hättest sein können. Ich dachte, wenn du da bist, dass er sich verpflichtet fühlen würde, sich mit mir um dich zu kümmern, und dass er somit keine andere Wahl hatte, als sich an mich bis ans Lebensende zu binden. Doch… wer hätte erwarten können, dass er mich direkt nach deiner Geburt verlässt?“, sie lachte, ehe sie fortfuhr. Es glich keinem fröhlichen, herzhaften Lachen, nein. Er war gebettet in vor langer Zeit vergrabener Pein und mit einem zarten Hauch Bitterkeit versehen. „Lebe wohl… mein kleiner Prinz“, flüsterte sie mir bewusst sarkastisch ins Ohr, küsste mich ein letztes Mal auf die Wange und verschwand in der endlosen, einsamen Dunkelheit der Nacht. Tränen liefen mir heiß über die Wange, kaum dass sie gegangen war. „MAMA!“, schrie ich in die kalte Dunkelheit hinaus, ungeachtet dessen, wer mich alles zu hören vermochte. „KOMM ZURÜCK, MAMA!“, weinte ich. Jedoch… galt ihr letztes Wort als bewahrheitet. Je mehr ich in den vergangen Jahren hoffte, sie wieder in meine Arme schließen zu können und ihr diesen Fehler zu vergeben, desto stärker schwand die Hoffnung, sie würde zu mir zurückkommen. An manchen Tagen stellte ich mir selbst vor, wie sie irgendwo tot liegen würde, die Polizisten bei mir klingeln und mir diese schockierende Nachricht überbringen würden, sodass sich unser Wiedersehen auf dem Friedhof ereignete und ich in ihre blassen, offnen Augen starrte, derweil der Pastor den Sarg langsam vor mir zu schließen begann.
Die Jahre vergingen und ich lernte meine Situation zu akzeptieren. Ich musste erkennen, dass ich nichts mehr ändern konnte an dem, wozu sich meine eigene Mutter entschieden hatte. Bis ich imstande war, durch den Nebenjob während meines Jurastudiums in eine eigene Wohnung zu ziehen, hatte ich viel Zeit meines Lebens bei meinen Nachbarn verbracht. Einige Tage nach dem Verschwinden meiner Mutter war ich zunächst nur gelegentlich dort gewesen, um mir nach der Schule eine warme Mahlzeit genehmigen zu können. Sie wussten, dass meine Mutter nicht nur eine alleinerziehende Frau, sondern selbstverständlich auch seit meiner Geburt Alleinverdienerin war. Nie hätten sie auch von ihr je erwartet, dass sie mich vernachlässigen würde oder mich misshandelte. Nein. Dafür war diese Frau in ihren Augen viel zu fürsorglich für ihren einzigen Sohn gewesen und arbeitete so hart für ihn, damit er nur das Beste vom Besten bekam. Und wenn sie mal einen blauen Fleck an meinem Arm entdeckt hatten, dann grinste meine Mutter nur und lachte: „Das muss er sich auf dem Spielplatz beim Spielen mit den anderen Kindern zu gezogen haben. Sie wissen doch, wie Kinder sind, tollpatschig, wie eh und je!“ Sie hatte es immer wieder geschafft, durch ihre Manipulationen ein makelloses Bild einer einsamen Mutter mit ihrem Sohn zu kreieren. Dadurch, dass sie zwei Jobs hatte und nur zur späten Nacht zu Hause war, waren meine Nachbarn es von mir gewohnt, dass ich bei ihnen klingelte und um Einlass bat. Jedoch, je häufiger die Tage wurden, in denen ich zu ihnen kam, desto misstrauischer wurden sie. Als sie mich schlussendlich fragten, wieso ich tagtäglich zu ihnen kam und ob meine Mutter inzwischen durch ihre anstrengenden Arbeiten nicht mehr in der Lage sei, sich länger um mich zu kümmern, brach ich schlussendlich in Tränen aus. Weinend und schluchzend erzählte ich ihnen, wozu sich meine Mutter entschieden hatte, wenngleich ich nicht verstand, wie sie das machen konnte. Schließlich… war ich noch ein Kind! Ihr Kind! Nachdem ich meine Erzählung beendet hatte, sah sich das alte Nachbarpaar (Mrs. Und Mr. Jackson hießen sie) fassungslos an. Dieses „Scheinbild“, das meine Mutter für sie geschaffen hatte, bröckelte binnen weniger Sekunden voller Unglauben vor ihren Augen auseinander. So wie ich später erfahren hatte, besaßen sie selbst keine Kinder, wenngleich ihr Kinderwunsch beidseits vorhanden war, aber nie erfüllt werden konnte, egal wie lang und wie sehr sie es versuchten. Somit entschlossen sie sich irgendwann, es nicht mehr zu versuchen und auf Hoffnungen zu setzen und erklärten sich bereit sich mit dieser überaus traurigen Erkenntnis zu leben. Doch als sie mich in meine Obhut nahmen, nachdem selbst die Polizei meine Mutter nicht ausfindig machen konnte, war ich für Mrs. und Mr. Jackson wie ihr eigenes Kind. Von da an verlief mein Leben in großem und ganzen sehr gut. Zumindest besser als in den Zeiten vor dem Verschwinden meiner Mutter und den Tagen danach. Der Schicksalsschlag, der mein Leben und meine psychische Verfassung ein für alle Male änderte, kam erst zu einem viel späteren Zeitpunkt. Nachdem ich mein Abitur erfolgreich abgeschlossen hatte, beschloß ich, meinen Traum, Jurist zu werden, zu verwirklichen, jedoch in New York. Ich war schließlich mit meinen 20 Jahren noch jung und fand die Vorstellung, in ein anderes Land zu reisen, so überwältigend, dass meine Zieheltern, als ich sie über meine Pläne in Kenntnis setzte, beschloßen, mich auch finanziell zu unterstützen. Während der Zeit, in der ich mich für mein Abitur vorbereitete, legten sie alle möglichen Ersparnisse, die sie besaßen, zusammen. Schweren Herzens verkauften sie sogar langjährige Familienerbstücke, deren Wert im dreistelligen Bereich lag. Doch so sehr sie jeden Cent für mich zusammenkratzten, reichte es gerade mal für die Reise, und etwas war noch übrig geblieben, sodass ich mir zumindest zeitweise die Miete leisten konnte… wenn es eine vergleichsweise günstige Wohnung war, natürlich.
Eines Tages, als ich die letzten Kisten bereits in meine Wohnung verstaut hatte und diese gerade auspacken wollte, um das Wohnzimmer mit einigen Erinnerungsstücken, die mir meine Zieheltern schenkten, auszustatten, klingelte es plötzlich an meiner Tür. Eine junge, brünette Dame stellte sich mir als meine Nachbarin Kaitlyn Thomas vor. Sie hatte die schönsten jadefarbenen Augen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Ihre Haare hatte sie zu einem hochgesteckten Pferdeschwanz zusammengebunden und ihr Aufzug wirkte einerseits elegant und andererseits lässig, vielleicht auch etwas sportlich. Bis heute weiß ich nicht, was es genau war, dass mich an dieser Frau so sehr faszinierte, doch eines konnte ich mit Sicherheit sagen: Diese Faszination herrschte nicht nur bei mir selbst, sondern ging ohne jedwede Zweifel ebenfalls von ihr aus. Woran ich das erkannte? Ihr fast schon penetrantes Grinsen, wann immer sie mich die darauffolgenden Tage traf, wenn ich mich auf den Weg zur Uni machte, verriet mir, dass sie mich mochte… Augenscheinlich sehr mochte. Irgendwann kamen unsere ersten Dates und beim vierten oder fünften Date verbrachten wir unsere erste Nacht zusammen… In jenem Moment, als unsere nackten und erhitzten Körper eng nebeneinander lagen und wir uns leicht keuchend in die Augen des jeweils anderen sahen, während wir unsere Hände fest umklammert hielten, waren wir uns eines ohne jegliche Bedenken bewusst: Wir waren für einander bestimmt. Und nun glaubte sie, unser ewiges, vorhergesagtes Schicksal einfach so vor meinen Augen zerstören zu können. Diese… diese…. Schlampe dachten allen Ernstes, dass sie das Recht besaß, unsere Bestimmung, nein… unseren Bund mit einem Messer durchtrennen zu dürfen! Doch wenn sie sich dies schon erlaubte, dann… dann…
Als ich die Tür zu unserem Haus, in welchem wir vor etwa zwei Jahren eingezogen waren, nachdem wir beide zu arbeiten begonnen hatten, öffnete (selbst wenn ich zu Anfang Probleme hatte, nach der Klinke zu greifen) hörte ich das verletzliche Schluchzen meiner einstigen Frau. Oh! Die feine Dame! Die feine Dame, die sich erlaubte, unsere Verbundenheit zu durchtrennen, hat erkannt, dass sie einen Fehler gemacht hat! Diese Hure wird gleich noch ein weiteres Bündnis verlieren! Mit dieser Entschlossenheit, die sich (im Nachhinein) als eine folgenschwere und unüberlegte Handlung herausstellte, ging ich zunächst in die nahegelegene Küche, schnappte mir schnell ein Brotmesser und ging zu unserem anliegenden Wohnzimmer. In jenem Raum war alles dunkel. Einzig und allein ein kleines, künstliches Licht, welches von der Stehlampe im gelblichem Schein auf ihr von Tränen und verschmierten Mascara benetztes Antlitz schien, während sie nunmehr schluchzend auf der Couch lag, ließ diese kalte Düsternis für einen Moment weichen. Mit schweren Schritten machte ich mich allmählich auf den Weg zu ihr. Das Messer sorgsam hinter meinem Rücken versteckt, sodass sie nicht die Chance besaß, einen Verdacht zu schöpfen. „Derek?“, fragte sie müde und vollkommen verweint nach mir. „Derek… ich habe einen Fehler begangen, es tut mir so unendlich leid!“, schluchzte sie weiter. Es tat ihr leid? ES. TAT. IHR. LEID?! Instinktiv musste ich mir ein kehliges Lachen verkneifen. Dabei weiß ich, was dir gleich noch so viel mehr leidtun wird! Meine Gedanken rasten euphorisch und unkontrolliert bei der Vorstellung, wie ich ihr so viel mehr wehtun würde, als sie mir wehtat, und ich ihr eigenhändig die letzte Verbindung zu mir kappen würde, so wie sie auch meine Verbindung zu ihr gekappt hatte! „Ein bisschen… spät für so eine lächerliche Entschuldigung, findest du nicht auch?“, entgegnete ich. Mir war es vollkommen gleich, ob sie hörte, wie betrunken ich noch war, oder ob sie meine Fahne roch. Alles, woran ich mich noch erinnern konnte, war ihr geschocktes Gesicht gewesen, bevor ich ihr den Gnadenstoß ins Jenseits verpasste. Danach überrollte mich ein vollkommener Blackout. Das Nächste, woran ich mich erinnern konnte, war, wie ich eine warme, dicke Flüssigkeit auf meinen Händen wahrnahm. Es fühlte sich an, wie… Mein Kopf schmerzte und die schleichende Benommenheit sorgte dafür, dass ich mich nur langsam auf die gesamte Szenerie fokussieren konnte, die sich vor meinen Sehorganen präsentierte. Der Ursprung des Lebenssaftes, welcher sich breitflächig auf dem weißen Teppichboden unseres Wohnzimmers verteilt hatte, stammte von meiner Frau, wie sie regungslos dort lag, die Augen ins grelle Licht dieser beschissenen Lampe gerichtet. Es dauerte nur einen erschreckenden Bruchteil von Sekunden, bis mir wieder einfiel, was in meinem von Alkohol gesteuertem Wahn vorgefallen war. „Nein… nein… bitte, bitte…“, flehte ich ins Nichts, während ich zitternd meinen Kopf hob, nur um mich gleich darauf in einem Schwall meiner eignen Kotze zu übergeben. Ich hatte… ihren Bauch brutal aufgeschlitzt und somit unser eigenes Kind getötet… Ich schrie, als mich diese Erkenntnis wie ein brutaler Schlag ins Gesicht traf. Instinktiv stand ich auf und rannte aus unserem Haus, hinaus in die Dunkelheit, die sich durch die lila, rosa und roten Farben am Himmel allmählich zu lichten begann. Ziellos rannte ich in einen nahegelegenen Park, welcher zu dieser frühen, morgengrauen Stunde noch nicht besucht war. Kraftlos sank ich zu Boden und betrachtete meine Hände, an denen ihr Blut eingetrocknet war… Keuchend und fassungslos kniete ich in derselben Position nieder, wie auch damals, als sie mir dieses widerwärtige Schauspiel der sexuellen Begierde demonstriert hatte. „Ich bin ein Monster“, murmelte ich vor mich hin. „Ich bin ein Monster“, wiederholte ich immer und immer wieder.
„Ich bin ein-“, ehe ich den Satz zu Ende sprechen konnte, hörte ich den Schrei eines neugeborenen Babys. „Rosita…“, dachte ich, kaum war das laute Geschrei meiner Tochter zu hören. Woher ich wusste, dass sie meine Tochter sein würde und nicht doch ein Sohn, ehe ich das Kind gesehen hatte? Ganz einfach: Ich war von Anfang an der unermüdlichen, festen Überzeugung gewesen, dass es nicht anders sein konnte. Als ich die Treppenstufen hinaufrannte und die Tür ruckartig aufriss und mich mit langsamen Schritten meinem Kind näherte, schlug mir mein Herz bis zum Hals, als meine müden Augen feststellten, dass sich das Schicksal dieses eine Mal auf meine Seite gestellt hatte. Ohne eine Sekunde länger zu zögern, nahm ich mein Baby in die Arme und drückte das schreiende Balg etwas an meine Brust, ihr Körper war heiß. Die Nabelschnur hatte ich zuvor mit einem Messer, welches ich mir geholt hatte, durchtrennt. Sie war so schön. Meine Tochter… meine Tochter war so wunderschön. So unvergleichlich, dass ich ihr glatt vollends verfallen könnte. Ihre Haut war so zart und weich, als ich ihr langsam und behutsam mit einem Finger über ihren rechten Arm strich, während ich sie mit einem Lied versuchte in den Schlaf zu singen: „Hush little baby don‘t you, hush little baby don‘t say a word, Papa‘s is gonna buy you a mocking bird. And if that mocking bird don‘t sing, Papa‘s gonna buy a diamond ring…“
Erst als ich an der letzten Strophe angekommen war, schlief meine Kleine in meinen Armen ein. In jenem Augenblick fiel mein Blick teilnahmslos auf das „Produkt“, dass ich für neun Monate verwendet hatte, um meinen unvergesslichen Schatz zu schaffen. Sie keuchte, atmete schwer, doch sah sie mir in die Augen und zum ersten Mal, seit ich sie hier für meinen Zweck gefangen hielt, zeigte sie in ihnen weder Abscheu noch Furcht oder gar Traurigkeit. Alles, was ihre Augen sagten, war: Töte mich! Töte mich endlich! Ich sah mit an, wie ihre Augen zu dem Messer wanderten, welches sich unweit von ihr befand, doch sie war sichtlich zu schwach, um sich selbst ihren eigenen, letzten Atemzug zu rauben. Ein erneutes und letztes Lächeln für diesen Augenblick stahl sich in mein Gesicht. Doch dieses Mal galt es vielmehr meiner Tochter als meiner Brutmaschine. Absichtlich kickte ich das Messer in die Ecke des Zimmers, sodass sie in ihrem Zustand nicht die Möglichkeit besaß, an es heranzukommen. „Dachtest du wirklich, dass ich es dir so einfach mache, jetzt, wo du meinen langersehnten Wunsch erfüllt hast? Dachtest du wirklich, dass der Tod so einfach ist oder ich meinen Fehler von damals noch einziges Mal an dir ausübe? Aber wenn das alles so unendlich einfach wäre, dann sag mir, warum habe ich dich während der Geburt noch am Leben gelassen?“, stellte ich die Frage in den Raum. Doch als sich allmählich Tränen in ihren Augen bildeten und sie ihre widerlichen, spröden Lippen nicht einen Zentimeter zum Sprechen regte, antwortete ich an ihrer Stelle: „Weil ich jede einzelne, mickrige Sekunde deines Leidens auskosten wollte, denn…“ Den letzten Satz flüsterte ich mit einem süßlich-bitteren Nachgeschmack in ihr Ohr, ehe ich das Zimmer verließ und von dort an nie wieder betrat: „…Du wirst meine Liebe – meine WAHRE Liebe, die ich tötete, niemals ersetzen können. Du bist nicht meine Kaitlyn. Du bist schlicht und weg einfach ein NIE-MAN-D,“ betonte ich jede Silbe absichtlich scharf und ließ die Tür zur Außenwelt ein letztes Mal ins Schloss fallen.
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