ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Der Greis
Der Raum war düster, nur eine einzelne Kerze tauchte ihn in ein
rötlich-gelbes, warmes Licht. Das Feuer tanzte gleichmütig um den Docht, der in
dem verflüssigten Wachs der Kerze steckte und malte damit abstrakte Figuren an
die Wand. Ein Knarren war zu hören, als sich die schwere Holztür, am anderen
Ende des Raumes, öffnete. Ein alter Herr, vom Leben gezeichnet, hinkend und mit
krummen Rücken betrat den Raum. Das Feuer der Kerze flackerte etwas, als ein
leichter Windhauch ebenfalls den Raum erschloss. Die Dielen des Bodens
knarrten, als der alte Mann auf mich zu kam. Ich saß da, an einem alten Tisch
aus dunklem Holz, ebenfalls gezeichnet von der Zeit, spröde, mit tiefen Rillen
im Holz und Kerben, die augenscheinlich von einem Messer stammten, welches
jemand in die dicke Holzplatte trieb. Das schwache Licht der Kerze ließ die
Furchen als tiefe Schlitze erscheinen.
Der Mann, der sich nun in Richtung des Stuhls gegenüber von
mir an den Tisch bewegte, trug eine Kiste auf den Armen. Seine hellblauen, trüben
Augen waren nun das erste Mal schwach im Licht erkennbar. Mit einem dumpfen
Geräusch stellte er die Kiste auf dem Holztisch ab und ergriff die hohe Kerze,
die anmutig in einem Kerzenständer mit einem ringförmigen Griff steckte, um die
Kiste für mich zu beleuchten. Ich erhob mich von Neugier und Unsicherheit
geplagt von dem alten, unbequemen Holzstuhl, auf dem ich bisweilen verharrte,
und schaute auf die Kiste. Es war eine schwarze Kiste, offenbar auch aus Holz
gefertigt und dunkel bemalt. Darüber war ein schwarzes Tuch gespannt. Das
Feuer, das durch die Bewegung des alten Mannes flackerte, zeichnete sanft die
Umrisse des Stoffes, der über die Kiste gespannt war und ließ seine grobe
Struktur erahnen.
Ich blickte den Mann fragend an, doch er sagte nichts. Ohne ein
Wort überreichte er mir ein langes, glänzendes Messer, das einen unheimlichen
Schatten an die Wand hinter ihm warf. Ich blickte erst auf das Messer in seiner
zittrigen, alten Hand und dann direkt in sein Gesicht. Einige Sekunden, die mir
wie Stunden vorkamen, stand ich nun vor ihm, ohne zu wissen, was ich nun tun
sollte. Langsam erhob ich meinen Arm und schloss meine Finger um den Griff des
Messers, dabei seine kalte, geradezu tot wirkende Haut streifend, und ließ den
Griff langsam aus seinen knöchrigen Fingern gleiten, bevor er zur Gänze in
meiner Hand versank. Das Feuer der Kerze, die er immer noch hielt, spiegelte
auf der polierten, glatten Klinge und ich hielt weiter verständnislos den
Blickkontakt mit ihm.
„Stich zu“, flüsterte er sodann, mit bibbernder, schwacher
Stimme und einem Hauch von Angst, die den ganzen Raum in eine kalte Atmosphäre
zu tauchen schien. Ich wand das Messer in meiner Hand und erkannte kurz mein
sich in der Klinge spiegelndes Gesicht, bevor ich meine Finger fester um den Griff
zusammenpresste und instinktiv mit dem Messer auf den Stoff, mitten ins Innere
der Kiste einstach. Ich fühlte einen Widerstand darin, der die Wucht der Klinge
dämpfte und ich blickte ungläubig auf. „Was ist da drin?“, fragte ich, bevor
ich mich in Gedanken selbst fragte, warum ich auf diese Kiste eingestochen
hatte, als hätte mich eine fremde Hand geführt. „Weiter“, flüsterte der alte
Mann. Ich hielt noch lange seinen Blick, bevor ich mein Gesicht verzerrte und
wie irr auf die Box einstach. Das Messer bahnte sich unnachgiebig seinen Weg
durch den Stoff, der über die Kiste gespannt war und mit jedem Stich an
Stabilität verlor. Der Widerstand darin erzürnte mich nur noch weiter und ich
konnte fühlen, wie sich meine gesamte Aggression, die ich über die Jahre in mit
versammelt hatte, mit einem Schlag ins Innere dieser Kiste entlud.
Unzählige Male glitt das scharfe Messer in die Kiste und mit
jedem Mal mehr schien sich eine schwarze, zähflüssige Substanz an der Klinge
festzusetzen. Nichts jedoch konnte mich aufhalten in meinem Tun und so sollte
es noch ewige Minuten dauern, bevor ich das Messer zum letzten Stich erhob, aus
dem Stofftuch zog und noch einige Zeit innehielt. Ich sah langsam zu dem alten Mann
auf, der einige Schritte zurückgewichen war und dessen Gesicht nun im dunklen
Schatten des Raumes verborgen lag. Immer noch das Messer, mit dem schwarzen,
klebrigen Schmierfilm daran, in der Hand stand ich nun da und versuchte zu
realisieren, was ich da gerade tat – und vor allem wieso. Ich ließ langsam
meine Hand sinken und legte das Messer behutsam auf den alten Tisch, auf dem
die Kiste stand. Das Feuer der Kerze
tanze wie wild durch all die Bewegung und Energie, die ich in diesem Raum
auslebte und auf die schwarze Kiste vor mir projizierte. Ich sah weiter in die
Richtung des alten Mannes und fragte nochmal: „Was ist da drin“. Er reagierte
nur zögerlich, kam dann jedoch langsam auf mich zu, während sein im Schatten
verborgenes Gesicht sich immer weiter in das Lichte der Kerze tauchte. Vor dem
Tisch blieb er stehen und starrte mich an. Seine spröden Lippen zitterten und
seine Augen hatten die Farbe von einem hellen, trüben Blau in ein tiefdunkles
Schwarz gewechselt. Zitternd hob er die Hand und entfernte langsam das
zerfetzte Tuch, das an der schwarzen Kiste angebracht war und deutete mir mit
dem Finger einen Blick hinein zu wagen, während er mit der anderen Hand wieder
nach der Kerze griff, um mir Licht zu spenden. Ich konnte nur schwer den Blick
von seinen finsteren Augen abwenden und bemühte mich in die Kiste zu sehen.
Darin lag ein Säugling, wohl nicht älter als ein paar Wochen oder Monate. Die
Stiche des Messers, das ich in die Kiste getrieben hatte, hatten seinen kleinen
Körper völlig entstellt. Einer seine Arme war fast vollständig abgerissen,
schwarzes Blut quoll aus seinem beschädigten Körper. Auch der Schädel hatte
sehr viele Verletzungen abbekommen.
Ich stand da, mit zitternden Lippen und wusste nicht mehr,
wie mir geschah oder was ich sagen sollte. Ich legte meine Finger um den Rand
der schwarzen Kiste und konnte spüren, wie sich eine Träne dazu anbahnen würde,
mein Auge zu verlassen. Der Mann, der mich dabei beobachtete, griff in die
Kiste und hob den völlig zerbersten Schädel des Säuglings an. Ich blickte rasch
zu ihm auf, weil ich keine Vermutung hatte, was er nun anstellen würde. Zu
perplex war ich von der Situation, von dem was ich tat und von dem alten Mann,
der das ganze erst zu verantworten hatte. Er zog derweil unbeirrt den Säugling
am Kopf aus der Kiste und stieß mit einem Ruck seine Hand in eine der Wunden
in den Schädel, direkt in das Gehirn des Säuglings. Die Geräusche, die dabei zu
vernehmen waren, waren derart abscheulich, dass ich nur noch katatonisch, gefangen
von meinen Gedanken und Emotionen dastehen und zusehen konnte, was er tat. Er
versenkte nun seine ganze Hand im Schädel und zog dann daran. Ich dachte erst,
dass er das Gehirn entfernen wolle, doch er zog eine kleine rote Schatulle aus
dem Kopf des Säuglings. Sie war mit Staub und alten Blättern von verwelkenden
Bäumen bedeckt. Einzelne Dornenranken quollen noch aus der Kopfwunde des
Säuglings, die die Schatulle offensichtlich umschlossen hatten. Die Dornen
hatten die Hand des alten Mannes schwer verletzt, doch er sah mich nur mehr an,
öffnete die Schatulle und zog eine Rasierklinge heraus. Ich wusste nicht mehr,
wie mir geschah, alles ging zu schnell, um überhaupt zu fragen, was hier los
war. Der Mann sah mich an und schluckte die Rasierklinge vor meinen Augen
herunter. Dann legte er die Schatulle in die schwarze Box und sagte:
„Erinnerungen sind immer schmerzhaft. Doch man muss sie immer bei sich
tragen.“ Dann verließ er den Raum wieder und ließ mich allein im Kerzenlicht
zurück.
Vertonung (von )
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