GeisterMittelTod

Grüsse aus der Vergangenheit

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Nach dem Verzehr von ein paar Lasagne, welche er in der Mikrowelle gewärmt und dazu eine Flasche Bier geleert hatte, erhob er sich vom Küchentisch. Es war kurz nach neun Uhr als er in sein Arbeitszimmer hinüber schlurfte. Nach kurzer Zeit war die Luft wieder von Zigarettenrauch geschwängert. Der Aschenbecher quoll über von ausgedrückten Glimmstängeln. Flugasche lag überall verstreut daneben. Einer der Stummel glühte noch immer. Er hatte ihn nicht richtig ausgelöscht. Die Glut begann sich unaufhörlich in den Filter hineinzufressen und verursachte einen beissenden Gestank.

Das spärliche Flackern seines alten Computers warf ein schwaches Licht auf seine Erscheinung, zumal der Bildschirm von einem gelblichen Nikotinfilm überzogen war. Sein dünnes Haupthaar, das abgemagerte Gesicht mit den schmalen Lippen, der grossen Hakennase und den tief in den Höhlen liegenden Augen, liessen ihn bizarr erscheinen. Der Schatten seines knochigen Oberkörpers wurde auf die hinter ihm liegende Wand projiziert und ergab ein noch seltsameres Bild.

Der Rechner unter seinem Pult surrte regelmässig und monoton. Ein erneuter, heftiger Hustenanfall zwang ihn ein Papiertaschentuch zur Hand zu nehmen, um das dünne Blutrinnsal aufzufangen, welches ihm aus den Mundwinkeln floss. Als der Anfall vorüber war setzte er sich in gerader Haltung vor den Bildschirm.

Er war im Begriff sich an Namen und Personen zu erinnern, um diese im Netz ausfindig machen zu können.

Es waren Namen, die er von früher kannte. Menschen, Gesichter, Erlebnisse. All dies lag weit zurück. Dreissig, fünfunddreissig Jahre oder mehr. Vieles vermischte sich in seinen Gedanken. Jahre und Orte wurden durcheinander gewirbelt. Wie ein farbiger Schleier huschten Erinnerungsfetzen durch seinen Kopf. Freunde, Erlebnisse von damals und natürlich der Abend des Unfalls auf der nächtlichen Landstrasse.

Er wollte herausfinden wo sie heute wohnten, was aus ihnen geworden war. Einige alte schwarz weiss Fotografien lagen neben der Tastatur. Lächelnde Kinder und eine freundliche Lehrerin waren auf all diesen Bildern in Reih und Glied abgebildet. Auch das Gesicht von Melanie war klar zu erkennen. Er kannte alle diese Gesichter. Ob sie wohl noch lebten. An die Vornamen konnte er sich oft noch gut erinnern. Aber die Nachnamen bereiteten ihm grosse Schwierigkeiten. Viele waren weggezogen, hatten die Stadt, die Gemeinde oder gar das Land verlassen. Von den Mädchen ganz zu schweigen. Diese hatten wohl fast alle geheiratet und den Familiennamen gewechselt. Seit dem nahezu alle ein Mobiltelefon besitzen, wurde es auch zunehmend schwieriger, Menschen über das elektronische Telefonbuch ausfindig zu machen. Zum Glück lebten aber deren Eltern teilweise noch am selben Ort und waren nach alter Väter Sitte noch mit einem Festnetz Anschluss ausgerüstet und deshalb meistens auch ausfindig zu machen. Hoffentlich eine verlässliche Quelle. Er beschloss, diejenigen Telefonnummern, die er gefunden und notiert hatte, am nächsten Morgen anzuwählen und seine einstigen Mitschüler und Mitschülerinnen zu einem Treffen einzuladen. Zu einem Klassentreffen. Die wohl einzige und letzte Möglichkeit sie noch einmal alle zu sehen. Fast alle!

Er drehte sich auf seinem Bürostuhl um 180 Grad nach hinten, um ein frisches Päckchen Zigaretten dem kleinen Regal zu entnehmen. „Hallo“ flüsterte eine junge Frauenstimme hinter ihm. Die Stimme klang als käme sie aus einem grossen, leeren Raum. Georg Spillmann fuhr blitzschnell herum. Er schaute sich um aber da war niemand. Da konnte ja auch niemand sein, er war allein in seiner kleinen Wohnung. Es musste wohl an seinem Medikamentencocktail und den Chemotherapien liegen. Der Bildschirm flackerte wie gewohnt und der Rechner unter dem Pult summte stetig und vertraut weiter wie bisher. Er musste sich das wohl eingebildet haben. Er schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zu seinem Päckchen Zigaretten hin, welches er zuvor hatte zu Boden fallen lassen.

„Hallo Georg“ erklang es erneut. Er drehte blitzartig den Kopf. „Ist jemand da?“ fragte er in die Dunkelheit des Zimmers hinein. Er spürte wie eine leichte Gänsehaut ihn beschlich. Keine Antwort.

Er hatte ja eigentlich auch nichts anderes erwartet. Er lauschte eine Weile in die Stille hinein. Öffnete ganz langsam, fast lautlos die neue Packung Zigaretten. Er klaubte ein Stäbchen daraus hervor und zündete es an. Er sog den Rauch genüsslich ein und hielt kurz den Atem an. Der blaue Dunst tänzelte vor dem fahlen Licht des Bildschirms, als würde sogleich ein kleiner Flaschengeist entstehen. Stille. Der Computer summte monoton. Georg atmete aus.

Er schüttelte erneut den Kopf und machte sich wieder an seine Recherchen. Aber irgendwie verfolgte ihn diese Stimme nun in seinem Kopf. Er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren. Er kannte diese Stimme. Dessen war er sich nun bewusst geworden. Aber woher?

Das Smartphone klingelte und zerriss die Stille. Er suchte das Gerät unter den herumliegenden Blättern und folgte dazu dem Klingelton.

„Spillmann!“ Stille.

„Hallo ist da jemand?“ Keine Antwort.

Er schaute aufs Display. „Anonym“ stand da in grossen Lettern geschrieben. „Hallo“ sagte er erneut mit krächzender Stimme. Wieder keine Antwort. Verärgert unterbrach er die Verbindung und legte das Gerät beiseite. Ein paar Sekunden vergingen. Es klingelte erneut. Wieder erschien auf dem Display „Anonym“. Er nahm den Anruf sichtlich genervt trotzdem entgegen. „Ja, Spillmann“ sagte er mit einem fragenden, fast zögerlichen Unterton. „Hallo Georg“ klang es aus dem Lautsprecher. Dieselbe Stimme, die er vorher zu hören geglaubt hatte. Wieder flüsterte die Frauenstimme und klang als käme der Anruf aus einem kahlen Raum.

Es schauderte ihn. „Wer ist da bitte“? Keine Antwort. Jäh unterbrach er die Verbindung und stellte das Gerät auf den „Lautlos“ Modus. Er musste tief Luft holen, was ihm erneut einen Hustenanfall bescherte. Es begann von neuem. Husten, Blut, Taschentuch. Als er sich etwas beruhigt hatte sackte er auf seinem Bürostuhl zusammen und stiess sich etwas vom Pult ab.

War er jetzt auch noch verrückt geworden? Reichte der Lungenkrebs nicht bereits? Er versuchte sich zu erinnern, wem die Stimme gehört haben mochte. Er kannte sie, dessen war er sich sicher. Im Geist ging er seine alten Schulkameraden durch. Auch die aus der Abschlussklasse. Eine Kinderstimme war es nämlich nicht. Es hätten ja ein paar Jugendliche gewesen sein können, die sich mit ihm einen Jux erlaubten. Eine Freundin hatte er längst keine mehr und seine wenigen verblieben Kumpels wussten ja über seine Krankheit Bescheid.

Nein, es musste jemand aus der Vergangenheit sein. Melanie? Nein, die war ja schon viele Jahre tot. Bei diesem Gedanken erschauerte er.

Da war sie wieder, diese unbeleuchtete Landstrasse, damals. Sein erstes eigenes Auto. Die junge Frau auf dem Fahrrad. Er war viel zu schnell unterwegs, betrunken. Plötzlich tauchte dieses Fahrrad im Lichterkegel seines Wagens auf. Er war bereits zu nahe an dem Zweirad und zu betrunken, um auszuweichen oder gar rechtzeitig zu bremsen. Er spürte noch immer das zweimalige Holpern seines Wagens, als er die Radfahrerin überrollte.

Kalte Schweissperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Die Erinnerung war so real als wäre es gestern gewesen. Er wischte den Schweiss mit dem blutigen Taschentuch in seiner Hand ab. Viele Jahrzehnte hatte er diese Nacht aus seinem Gedächtnis verdrängt und verbannt.

Er nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und öffnete zitternd die Fahrertür. Dann torkelte er hinter seinen Wagen. Da lag sie im Licht seiner Taschenlampe. Melanie Kulmbacher. Die hübsche junge Frau aus seiner Nachbarschaft mit der er auch die Abschlussklasse besuchte. Blut tropfte aus ihrem langen Haar. Er fühlte ihren Puls. Nichts. Sie war tot. Er machte ein paar Schritte auf die angrenzende Wiese und übergab sich. Es begann stark zu regnen. Was sollte er tun? Er war zum Mörder geworden. Aus Dummheit, jugendlichem Übermut und Selbstüberschätzung. Er würde ins Gefängnis gehen, für viele Jahre schoss es durch seine Gedanken. Nein, beschloss er. Die Strasse war zu dieser Uhrzeit gänzlich unbefahren. Der Regen würde die wenigen Blutspuren verwischen und den Wagen konnte er in seiner Garage-Box selber wieder instand stellen. Plötzlich war er wieder klar im Kopf. Der Alkoholrausch war durch den Adrenalinschub wie weggeblasen. Er beschloss Melanie in dem nahegelegenen Waldstück zu verscharren.

Er öffnete den Kofferdeckel seines Kombis und legte den toten Körper hinein. Obendrauf das Fahrrad. Die alte Wolldecke, die er immer in seinem Wagen mitführte benutze er zum Zudecken seiner schrecklichen Fracht. Er schloss den Deckel und setzte sich mit zitternden Händen hinters Lenkrad. Bei der nächsten Möglichkeit bog er in den Wald ein. Legte dann die Leiche und das Rad in eine natürliche Kuhle und bedeckte alles so gut es ging mit Laub. Nun fuhr er vom Regen durchnässt nach Hause und holte einen Spaten aus der Garage.

Zurück am Ort, wo er die Leiche hatte liegen lassen, begann er im prasselnden Sommergewitterregen ein Loch auszuheben. Der Waldboden roch frisch nach Erde und Moos. Er legte die junge Frau und das Fahrrad hinein und schaufelte das Grab wieder zu und bedeckte es erneut mit Laub und Ästen. Völlig erschöpft fuhr er zurück nachhause. Dort reinigte er den Spaten mit dem Schlauch und fuhr den Wagen in die Box. Danach stellte er sich unter die heisse Dusche.

In den nächsten Tagen sah er überall im Dorf Aushänge mit Vermisstenanzeigen. Auch die Regionalzeitung berichtete über das Verschwinden der jungen Frau. Die Polizei befragte die Leute im Dorf. Auch ihn. Er blieb erstaunlich ruhig. Nichts geschah. All diese Jahre über, einfach nichts.

Die Stimme aus seinem PC riss ihn jäh aus seinen Gedanken. „Georg Spillmann, ich bin da, um Dich abzuholen.“ Das Gesicht von Melanie begann sich langsam auf dem Bildschirm zu manifestieren.

Ein erneuter grässlicher Hustenanfall folgte.

Einen Monat später fand die Polizei seine Leiche. Einer Nachbarin war aufgefallen, dass sie ihn schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte und rief die die Behörden auf den Plan. Es stank grauenhaft nach Verwesung in der Wohnung. Georg Spillmann hatte sich erhängt. Auf dem Display seines Smartphones fand man 39 unbeantwortete Anrufe mit dem Namen „Anonym“. Der PC surrte leise und der Bildschirm flackerte fahl im gelblichen Licht.

In den Polizeiakten stand später zu lesen, dass sich Georg Spillmann wohl wegen seines Lungenkrebses, der sich bereits in fortgeschrittenen Zustand manifestierte, das Leben genommen hatte.

Bewertung: 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"