Heinz‘ Geist
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es war ein gewöhnlicher Montagabend als Heinz Krapinsky den Geist zum ersten Mal in seiner Wohnung sah.
Heinz ging gerade seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Fernsehen. Das war quasi auch seine einzige Beschäftigung, wenn er nicht gerade schlief oder einkaufen musste oder zum Rauchen auf den Balkon ging.
Er verbrachte quasi 90% seines Lebens auf der Couch in der Mitte des einen Raumes den seine Wohnung neben dem Flur und dem Bad besaß.
Heinz war kurz davor vor irgendeiner Quizshow einzuschlafen, als vom Balkon ein furchtbarer Schrei ertönte. Heinz schreckte auf und sah wie eine schemenhafte Gestalt die Tür aufschlug und ins Zimmer stürmte. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor.
Doch schon mit nach dem nächsten Blinzeln war die Gestalt wieder verschwunden, der Schrei verstummt und die Tür geschlossen. Heinz blickte auf den Boden, dann nochmal zum Balkon, dann auf den Fernseher (die Kandidatin hatte gerade die 64.000- Euro – Frage beantwortet), und dann auf die halbleere Flasche Bier in seiner Hand. Er trank den restlichen Inhalt in einem Zug aus, stellte die leere Flasche auf den Couchtisch und ging hinaus auf den Balkon. Wie immer lag dort auf dem kleinen Tischchen sein Feuerzeug, Zigaretten und ein überfüllter Aschenbecher, daneben ein Stuhl, der ebenfalls nicht verrückt zu sein schien. Heinz beugte sich über das Balkongeländer und blickte die Fassade runter, konnte jedoch nichts auffälliges entdecken. Er erschrak, als das Geländer plötzlich laut ächzte und ein kleines Stück nach unten sank. Er würde das später reparieren.
Heinz ging wieder nach drinnen, stellte den Fernseher leiser und legte sich schlafen.
Doch schon am nächsten Tag tauchte der Geist wieder auf.
Diesmal war Heinz wach, als die Gestalt sich vor der Kommode neben dem Fernseher materialisierte. Sie riss die oberste Schublade auf, blickte hinein und warf dann nach und nach alles hinaus, was darin war.
Heinz sprang auf und brüllte: „He, was soll das!“ Seine Stimme war kratzig und heiser, benutzte er sie doch quasi nur einmal in der Woche, wenn die Kassiererin im Supermarkt ihn fragte, ob er einen Bon für seine Fertiggerichte, den Schnaps und den Kasten Bier bräuchte.
Der Geist ignorierte ihn,riss die zweite Schublade auf und tat das selbe wie bei der ersten.
„Hör auf damit!“, rief er noch ein Mal.
Und tatsächlich bewegte sich der Geist weg von der Schublade in Richtung Wohnungstür, jedoch nur um sich direkt vor Heinz Nase plötzlich rückwärts fallen zu lassen und es sich auf dem Teppich vor dem Fernseher gemütlich zu machen.
Heinz wurde nun wütend, wollte auf den Geist zulaufen, stieß sich jedoch stattdessen das Bein so heftig am Couchtisch, dass die leere Bierflasche von gestern vom Tisch flog und davonrollte und Heinz mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück auf die Couch sank. Er schloss die Augen, fluchte, rieb sich das Bein, und als er sie wieder öffnete, waren der Geist ,wie auch die Unordnung, die er verursacht hatte, verschwunden.
Am Mittwochabend hörte Heinz in kurzen Abständen ein Klopfen aus dem Bad.
Er wollte zuerst gar nicht nachsehen, tat es dann aber doch, und tatsächlich: Da stand der Geist, mit dem Rücken zu ihm, vor dem Waschbecken.
Er hatte eine Faust geballt, mit der er immer wieder auf den Wasserhahn einzuschlagen schien. Mit einem Mal drehte er sich um und rannte direkt auf Heinz zu. Dieser schloss vor Schreck die Augen und – der Geist war wieder verschwunden.
Schnell lief Heinz zum Waschbecken um zu prüfen, ob der Geist irgendetwas kaputt gemacht hätte. Er zog jedoch etwas zu sehr am Griff des Wasserhahns, denn dieser löste sich mit einem Ruck vom Rest des Waschbeckens, was Heinz zurücktaumeln und im Flur hinfallen ließ. Er blickte auf den Griff in seiner Hand, dann ließ er ihn vor der Badtür liegen. Er würde das später reparieren.
Am Donnerstag war das Zusammentreffen mit dem Geist eben so kurz wie unspektakulär.
Heinz hatte sich gerade eine Flasche Korn auf den Tisch gestellt, als der Geist vor dem Tisch auftauchte, sich die Flasche schnappte und sie kurzerhand auf den Boden auskippte. Heinz stürzte auf den Geist zu, wollte ihn und die Flasche mit beiden Armen packen, doch im Moment als er ihn berührte war der Geist auch schon verschwunden und Heinz landete auf seinem zum Glück recht stabilen Tisch. Die Flasche stand neben ihm, voll und unberührt.
Am Freitag hatte Heinz sich gerade Käse gemacht (was bedeutete, dass er eine Scheibe Käse auf einen Teller gelegt und für etwa zwei Minuten in die Mikrowelle gestellt hatte) als er im Augenwinkel ewas Leuchtendes auf dem Balkon bemerkte. Er erkannte es gerade als eine kleine Flamme, als diese plötzlich zu einer sehr großen Flamme wurde, bevor sie im nichts verschwand.
‚Ich ignoriere ihn einfach‘, dachte Heinz, ‚wenn ich aufhöre, ihn zu beachten, dann verschwindet er vielleicht.‘
Und tatsächlich war Heinz sich, als es am Samstagabend immer später wurde, fast sicher, dass der Spuk jetzt ein Ende hätte. Erleichtert ging er auf den Balkon, um vor dem Schlafengehen noch eine zu rauchen. Er hatte die Zigarette gerade in den Mund gesteckt, als ihn ein lauter Schrei von jenseits des Balkons fast zu Tode erschreckte, der dann jedoch abrupt endete. Instinktiv beugte er sich wieder über das Geländer und blickte nach unten. Und tatsächlich: da war der Geist. Er lag unten auf der Straße vor dem Haus, vollkommen reglos, starrte Heinz an und lächelte.
In diesem Moment gab das Geländer wieder ein Stück nach und Heinz zuckte erschrocken zurück. Erleichtert stellte er fest, dass der Geist wieder verschwunden war.
Er beschloss, dass es morgen endlich an der Zeit wäre, das Balkongeländer zu reparieren, dann ging er in seine Wohnung und legte sich schlafen.
Bis er sein Vorhaben jedoch am Sonntag tatsächlich beginnen sollte, war es erneut Abend geworden. Er hatte lange geschlafen (obwohl für ihn jeder Tag gleich war, schlief er an Sonntagen dennoch länger), vor einer Folge irgendeiner Gerichtssendung gefrühstückt, dann noch zwei weitere Folgen dieser Sendung geschaut, dann war eigentlich schon wieder Zeit fürs Mittag, und im Fernsehen lief ein Film, den er seit mindestens zwei Monaten nicht gesehen hatte…
Am späten Nachmittag hatte er sich dann Werkzeug von einem Nachbarn geborgt und wollte nun nach einer weiteren kleinen Pause das Geländer reparieren.
Leider hatte er nur wenig handwerkliche Kenntnisse und sich außerdem (schließlich war ja Sonntag) bereits fünf Flaschen Bier gegönnt.
Er beschloss, dass er wahrscheinlich die Schrauben am Geländer festziehen müsse und nahm eine Bohrmaschine zur Hand. Er setzte sie an eine Schraube an und schaltete sie ein, jedoch hatte er den falschen Aufsatz gewählt, sodass sie statt die Schraube festzuziehen von dieser abruschte und Heinz, der nicht nicht schnell genug reagieren konnte sich mitten durch die linke Hand bohrte. Mit einem Aufschrei ließ er das Gerät fallen. Das Loch in seiner Hand blutete stark. Er brauchte so schnell wie möglich Verbandszeug, wenn er nicht verbluten wollte. Heinz stürmte in seine Wohnung und hin zur Kommode, in der er quasi alles aufbewahrte, was nicht essbar war. Er riss die oberste Schublade auf, fand Besteck, Batterien, Mahnungsschreiben. Er warf alles beiseite was ihn störte. Als er kein Verbandszeug fand, durchsuchte er die untere Schublade, doch auch hier war nichts Brauchbares zu finden.
Er wollte ins Bad laufen, um seine Hand wenigstens mit Klopapier zu umwickeln, doch rutsche er auf der Bierflasche aus, die er am Dienstag vom Tisch geworfen hatte und landete rücklings mit dem Rücken auf dem Teppich.
Er rappelte sich wieder auf und erreichte schließlich das Badezimmer, musste jedoch feststellen, dass das eine klägliche Blatt, dass noch an der Papprolle hing, wohl kaum ausreichen würde, um die immer stärker werdende Blutung zu stoppen.
Und dann kam ihm ein weiterer Gedanke: Was wenn sich die Wunde entzündete?
Er beschloss, dass er die Wunde auswaschen müsste, bevor er sie – wie auch immer – verband.
Jedoch war der Wasserhahn noch immer kaputt. Er hob den Griff mit seiner unverletzten Hand auf und versuchte, ihn irgendwie wieder auf den Rest des Hahns zu setzen, was ihm jedoch auch nach mehreren verzweifelten Versuchen nicht gelingen wollte. Wütend ließ er den Griff im Becken liegen, und lief zum Couchtisch zurück. Wenn er die Wunde schon nicht reinigen konnte, musste er sie wenigstens desinfizieren. Er nahm nie Flasche Korn und übergoss seine verletzte Hand damit, zumindest versuchte er das, da er jedoch inzwischen stark zitterte, traf er hauptsächlich sein schmutziges Oberteil und den Teppich.
Die Wunde blutete noch stärker, als seinem leicht vernebelten Geist eine weitere Idee kam, um sowohl die Blutung zu stoppen als auch mögliche Keime abzutöten: Er musste die Wunde ausbrennen.
Schnell eilte Heinz wieder auf den Balkon und fand auf dem Tisch sein Feuerzeug. Er brachte es zum brennen, und versuchte nun die verletzte Hand und die, die das Feuerzeug hielt vor seinem Bauch zusammenführen.
Leider kam er dabei aufgrund seines Zitterns mit der Flamme an sein Oberteil, das durch den starken Alkohol, mit dem es getränkt war, sofort zu brennen begann.
Instinktiv wich Heinz zurück und prallte dabei gegen das Geländer, das diesem Stoß jedoch nicht mehr standhielt und sich mit einem letzten Ächzen entgültig von der Wand verabschiedete.
Heinz schrie, als er in die Tiefe stürzte, doch brach sein Schrei abrupt ab, als ihm etwas Merkwürdiges auffiel: Er kannte diesen Schrei.
Mehr noch, er kannte auch die Art, wie er in seine Wohnung gelaufen war, nachdem er sich verletzt hatte, wie er die Schubladen durchwühlt hatte, wie er hingefallen war, den Wasserhahn bearbeitet und den Schnaps vergossen hatte – es waren all die Dinge, die der Geist zuvor getan hatte, der Geist der er selbst gewesen war oder noch sein würde, das Echo seines herannahenden Todes.
Ihm, Heinz Strapinsky, von allen Menschen, war es vergönnt worden, einen flüchtigen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Vielleicht war es eine Warnung von einer höheren Macht, vielleicht auch eine Gabe, der er sich sein Leben lang nicht bewusst gewesen war.
Doch es war egal, er war zu dumm gewesen, dessen Bedeutung zu begreifen, zu dämlich, sein Schicksal zu verhindern und hier war nun seine Strafe.
Und während er an all das dachte, musste er plötzlich lachen, laut und schallend, ob nun aus Verzweiflung oder aus Belustigung über seine eigene Blödheit, er lachte und lachte, während er seinem Ende entgegenraste und als er auf das harte Pflaster der Straße aufschlug, hatte er ein breites Lächeln im Gesicht.