Kannst du Mary hören?
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich würde mich gerne kurz vorstellen, bevor ich dir meine Lebensgeschichte erzähle. Schließlich habe ich trotz allem noch so etwas wie Manieren.
Mein Name ist Ann. Mehr musst du nicht wissen. Und nun, Anonym , musst du still sein. Die Geschichte ist relativ lang.
Meine Schwester Mary und ich hatten es noch nie besonders leicht gehabt. Viele von euch werden wahrscheinlich über diese Aussage lachen, und sich währenddessen fragen, was uns Bonzen denn schon fehlen könnte. Schließlich haben wir reiche Eltern, leben in einer Villa, haben einen Pool im Wintergarten, der auch als Nationalpark durchgehen kann…
Welche Probleme können wir denn schon haben?
Lasst mich doch Mal damit beginnen, dass unsere Eltern nie zu Hause sind. Das halbe Jahr lang sind sie auf irgendwelchen wichtigen Geschäftsreisen, und die andere Hälfte verbringen sie auf weit entfernten, tropischen Inseln, um Mal so richtig auszuspannen. Selbstverständlicher Weise ohne Kinder. Wir würden sie ja nur stören.
Aber ganz alleine bleiben wir auch nicht zurück. Man kann zwei acht-jährige Mädchen schließlich nicht alleine zwischen Ming-Vasen herumtollen lassen. Also wurden Mägde, Butler, Putzfrauen, Privatlehrer und
Köchinnen angestellt. Erwachsene. Keine Kinder. Wir hatten noch nie die Erlaubnis gehabt, mit einem anderen Kind draußen spielen zu dürfen. Doch man muss den Bediensteten lassen, dass sie am Ende doch eine Art Elternersatz für uns wurden, obwohl sie oft sehr strenge Regeln aufstellten, die wir strikt beachten
mussten.
Strenge Regeln? Ihr könnt euch darunter nichts vorstellen?
Ganz einfach! Ich und Mary ernteten schon tadelnde Blicke, wenn wir nur miteinander tuschelten. Sollten wir es wagen, in normaler Lautstärke miteinander zu reden, wurden wir immer angewiesen doch endlich einmal ruhig zu sein. Doch am schlimmsten war die Strafe, wenn wir beim Fangen spielen die Kontrolle verloren, und einander etwas zuriefen. Danach wurden wir immer sofort in separate Zimmer gesperrt. Wie Wachhunde, die niemand haben will, da sie, anstatt zu beißen, den Schwanz einziehen.
Leider habe ich sogar das schlechtere Los als Mary gezogen. Sie wird immer bevorzugt, vielleicht weil sie jünger ist als ich, oder pechschwarze Haare und blaue Augen hat. Meine blonde Haarfarbe war schon immer ein Problem gewesen, denn weder Mama noch Papa waren blond.
In die Schule darf zwar keine von uns, aber während ich im Privatunterricht versauere, und mir die Lehrer sagen wie schlau ich doch bin, sitzt Mary am Fenstersims, und schneidet Grimassen. Wenn ich dann über sie lache, werde ich sofort gescholten, und muss weiter rechnen. Dabei muss meine Schwester weder ihr Zimmer aufräumen, noch beim Abwasch helfen oder Hausaufgaben machen. Nichts dergleichen. Sie lacht nur immer mit diesem glockenhellen Lachen, und sagt mir, dass sie mich lieb hat.
Einmal überhörte ich eine Magd, die mit meinen Eltern telefonierte. Sie sagte, dass sie nicht mehr im Haus arbeiten wolle, da Mary ihr Angst einjage. Ich konnte sie nicht verstehen. Fest entschlossen ihr zu zeigen, dass Mary ein sehr liebenswürdiges Mädchen war, ging ich eines Nachts in die Küche, und weckte dann die Magd, die ohne einen Mucks von sich zu geben mit mir in den ersten Stock ging. Natürlich hatte ich ein Messer dabei, und das tut mir auch Leid, aber sonst wäre sie nicht mitgekommen. Von meinen vielen Kampfkunstlehrern wusste diese junge Frau auch, also wagte sie es nicht, sich gegen mich zu wehren, wenn ich eine Waffe dabei habe. Und nun waren wir in meinem ekelhaft blau gestrichenem Zimmer. Ich und meine Schwester hätten viel lieber ein rotes Zimmer. Und, oh Wunder, nachdem Mary mir gezeigt hatte, wie sie mit den Leuten reden konnte, begann auch die Magd endlich Marys Anwesenheit zu akzeptieren. Zuerst wehrte sie sich, und da musste ich ausnahmsweise sie schimpfen, doch danach war sie vollkommen nett, und ruhig. Das Messer brauchte ich nicht einmal mehr. Es lag einfach auf dem Fenstersims. Neben meiner Schwester, die ruhig lachte.
Zwar legte die Frau nun immer ihren Kopf neugierig schief,
und riss die Augen weit auf, als ob sie es nicht fassen konnte, doch ihr Lächeln war so angenehm und allgegenwärtig, dass wir uns stundenlang bis zum nächsten Tag unterhielten. Sie kümmerte sich nicht einmal mehr um die roten Flecken auf unseren Kleidern (auf ihren waren sogar mehr!), die sonst immer sehr viel Tadel ernteten. Auf meine Frage: „Kannst du Mary hören?“ Antwortete sie mit ihrem wunderbaren Lächeln. Deswegen entschied ich mich dazu noch mehr Leuten zu zeigen, wie wir wirklich sind. Und bald saßen wir alle gemeinsam in meinem Zimmer, tranken Tee (natürlich keinen echten, ich bin alt genug um zu
wissen, dass die Tassen leer sind) und unterhielten uns stundenlang. Sogar die Wände durften Mary und ich rot färben. Es war ein wunderbarer Tag, und Mary saß
an ihrem Platz auf dem Fenstersims, und lachte.
„George, beeil dich doch endlich.“ Befahl eine großgewachsene, braunhaarige Frau herrisch. „Niemand öffnet diese dämliche Tür.“ Tatsächlich stand sie schon seit drei Minuten vor ihrer Villa, und klingelte ungeduldig, doch kein Bediensteter, keine Magd, und nicht Mal ihre Tochter öffneten die Tür. Als ihr Mann ihr dann endlich den Schlüssel reichte öffnete sie die Tür, bereit alles Lebende, dass sie finden konnte zu feuern, doch die Eingangshalle schien wie ausgestorben. Zudem war alles so dunkel, dass man nur
die Konturen der Treppe erkennen konnte. Als sie den Lichtschalter betätigte, erklang ein kleines Surren. Doch der Raum blieb weiterhin unbeleuchtet, und die Rollladen fest verschlossen.
„Und wir brauchen einen Elektriker.“ Rief sie nach draußen zu ihrem Lebenspartner, der sich weiterhin am Gepäck abrackerte. Wenn man dieses Haus für nur 3 Monate unbeaufsichtigt ließ, lief alles aus dem Ruder. Es wurde Zeit wieder neue kompetentere Leute einzustellen. Mit einem wütendem
Schnauben machte sie sich auf den Weg in den ersten Stock, und betätigte jeglichen Schalter, den sie finden konnte. Ohne Erfolg. Doch beim Weitergehen wurden ihre Highheels plötzlich klebrig, und die Wut in ihr begann zu brodeln als sie schrie: „Ich hab doch gesagt, dass ihr Ann keine Limonade geben sollt. Inkompetenter Haufen.“ Doch als sie ihren Weg fortsetzen wollte, schlug ihr urplötzlich der schrecklichste Gestank entgegen, dem sie je in ihrem Leben ausgesetzt gewesen war. Er war gleichzeitig süßlich, aber auch so ekelhaft verwesen, dass ihr trotz geschlossener Nase und vorgehaltener Hand kotzübel wurde. Sofort verflüchtigte sich ihre Wut, als sie gegen diese Geruchswand ankämpfte, und bald vor der Zimmertür ihrer Tochter stand.
Die Frau wollte gerade die Tür öffnen, und fragen, was zum Teufel hier gespielt wurde, doch wie von selbst schwang sie auf. Und der Anblick verschlug ihr die Sprache. Für einige Sekunden bemerkte sie nicht einmal mehr den schrecklichen Geruch, der aus dem Zimmer mündete.
Zuerst sah sie die rot besprenkelte Wand, die mit irgendwelchen Fetzen beklebt war. Bevor sie verstand, aus welchem Material sie bestanden, erblickte sie ihre inkompetenten Arbeitskräfte. Der Gestank bereitete ihr mittlerweile beinahe physische Schmerzen, doch er war im Moment so nebensächlich wie ein abgerissener Fingernagel.
Alle waren in einem Kreis versammelt. Alle blickten mit weit geöffneten Augen in die Mitte des Kreises. Allen fehlten die Augenlider.
Die Frau schlug sich eine Hand auf den Mund, und taumelte zurück, und fühlte schon, dass sie kurz davor war, sich zu übergeben. Der Raum schien sie zu zerdrücken, und ihr jegliche rationale Fähigkeit zu nehmen. Sie dachte nicht einmal mehr danach, ihren Mann zu rufen.
Alle trugen ein ins Gesicht eingeritztes Lächeln. Alle
hatten rot bemalte Lippen und Wangen. Alle hatten befleckte Kleider.
Alle waren tot.
Die rote Flüssigkeit war das Blut, welches sich durch den halben Gang des ersten Stockes erstreckte. Der Nacken der jüngsten Magd, die eigentlich vor wenigen Tagen gekündigt hatte, war am meisten malträtiert, dennoch blickte sie in Richtung des Fenstersimses, auf dem eine ruhig lächelnde, wunderschöne Puppe saß, und das Geschehen zu beobachten schien. Die Dame erkannte die Puppe. Sie war ihrer Tochter einmal heruntergefallen, und hatte dabei ihren Kopf verloren. Sie hatten den Kopf zwar wieder befestigen können, doch nun sah er irgendwie schief aus. Als ob der Hals verrenkt wäre. So viele Bilder, so wenige Gedanken.
„Mama“ erschallte eine fröhliche Stimme, und die Frau erkannte aus dem Augenwinkel ihre Tochter, die sich langsam aufrichtete. Auch
ihr fehlten die Augenlider, und auch sie trug dieses groteske Grinsen, doch
sie schien den Schmerz nicht einmal zu bemerken, obwohl die Wunden ziemlich frisch sein mussten, da sie noch bluteten. Die rote Masse tropfte gleichmäßig auf den Boden, und nun konnte die Frau nicht mehr. Sie wollte sich übergeben, schaffte es jedoch nicht, und verharrte weiterhin in ihrer Schockstarre an der
Tür. Die kalten, und irre blitzenden Augen ihres Kindes wanderten unruhig im Raum umher, als ob sie nicht sehen konnte. Als ob sie vollkommen verrückt wäre.
Ihre Tochter… Der Anblick war grausig.
Das ist alles nur ein Traum… Ein schrecklicher Albtraum.
Wach auf! Los!
Unerträgliche Angst breitete sich in ihr aus, und auch eine
Schuld. Eine unerträgliche Schuld. Gleich würde sie neben ihrem schnarchenden
Mann aufwachen. Gleich… „Ich weiß wie du mit Mary reden kannst.“ Rief das
Mädchen fröhlich aus, und machte einen Schritt auf ihre Mutter zu. „Natürlich
hat sie mir einen kleinen Tipp gegeben, aber den Rest habe ich ganz alleine
rausgefunden.“ Mit einem stolzen Gesichtsausdruck kam sie weiter auf ihre
Mutter zu, doch ihre Bewegungen waren ruckartig, so als ob sie von unsichtbaren
Marionettenschnüren gezogen werden würde.
Und dann, bevor die Hausinhaberin es
realisieren konnte, wurde ihr ein Messer in die Magengrube gerammt, und sie auf
die Knie gezwungen.
„Kannst du Mary schon hören?“
Von unten erkannte die Frau, dass auch der Kopf von Ann irgendwie ungerade war, und ihr letzter Gedanke war
deine Haare sind ja völlig ungekämmt, bevor ihr mit einem Ruck der Hals mit
unnatürlicher Kraft und Schnelligkeit umgedreht wurde. Das letzte, was ihr Mann
hörte, war ein markerschütternder Schrei, und als er in der Dunkelheit die
Treppen hinaufrannte, mischte sich der Schrei mit einem glockenhellen,
wunderschönen, aber zugleich erschreckenden Lachen. Es war nicht der Schrei
seiner Frau, sondern der von Ann, als sie das letzte bisschen ihres Verstandes
verlor. Sie gab ihrer Mutter einen letzten Kuss auf die Stirn, bevor sie das
Messer wieder aus ihr herauszog. Später würde sie genauso wie die anderen
aussehen, und schon jetzt redete sie angeregt mit den anderen. Wunderbar nicht wahr? Bald saßen alle wieder in dem nun größerem Kreis, mit weit offenen Augen, neugierig schiefgelegtem Kopf, und einem ruhigem Lächeln auf den Lippen. Auch Ann setzte sich zu ihnen. Eigentlich hätte ihr Herz schon längst nicht mehr schlagen dürfen, doch es war so, als ob sie die Schnüre eines Marionettenspielers am Leben halten würden.
Und du denkst, dass Mary nur eine ganz normale Puppe ist, und ich doch eine Schraube locker habe, nicht wahr? Wie Schade.
Dann werde ich dich wohl auch vom Gegenteil überzeugen müssen, Anonym.
Sag mir, kannst du Mary schon hören?
-by