
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Mit geradezu majestätischer Anmut kräuselte sich sanft der Rauch der Zigarette, die bereits halb abgebrannt, mit der heißen Glut, umgeben von kalter, grauer Asche, da vor ihm im Aschenbecher lag. Nur einzelne Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die zugezogenen Vorhänge und durchschnitten das abgedunkelte Zimmer. Der Rauch der Zigarette wand sich durch das einfallende Licht in abstrakten Formen und zeichnete beinahe verstörende, verzerrte Gemälde aus dünnen Schatten auf den Tisch. Der Schatten des Glases mit billigem Whisky, das ebenfalls inmitten des Lichteinfalles stand, bemalte den Tisch rötlichbraun und schien nun auch dem des Rauches eine Farbe zu geben. Er schloss langsam wieder die Hand um das Glas und kratze mit dem Daumennagel über das Ende des Filters seiner Zigarette zwischen den Fingern, die im Aschenbecher langsam auszugehen drohte, wenn er nicht bald einen weiteren Zug machen würde.
Er drehte das Whiskyglas leicht auf dem Tisch hin und her; die goldbraune Flüssigkeit darin schwankte sanft und er führte sich langsam seine Zigarette zwischen die Lippen und machte, unentwegt ins Leere starrend, einen letzten Zug. Sie war bereits bis zum Filter heruntergebrannt; die Glut verbrannte ihn an den Fingern, doch es war ihm egal. Er drückte den letzten Rest der Zigarette im Aschenbecher aus und nahm noch ein letztes Mal das Knistern der sterbenden, zu Asche werdenden Glut wahr. Lange Zeit starrte er, ohne nur einmal zu blinzeln, auf den Tisch, der, in der Kombination der Dunkelheit des Zimmers und der verbannten Sonne, eine bedrückende Atmosphäre ausstrahlte.
Er hob langsam das Glas mit Whisky an und setzte es behutsam an seine Lippen, bevor er den letzten Rest in einem schnellen Schluck in seinen Mund goss und er brennend durch seinen Rachen und die Speiseröhre lief. Es war der letzte Schluck einer ganzen Flasche Whisky, die er in sich geschüttet hatte. Dieser verlieh ihm den Mut für das Kommende. Er setzte das Glas mit einem dumpfen Geräusch auf den Tisch. Das rötlichbraune Licht und die letzten Schattenformen des Rauches darauf waren verschwunden.
Er griff wieder zu der Zigarettenschachtel, schüttelte sie einmal und öffnete sie kurz, um einen letzten, prüfenden Blick hineinzuwerfen; sie war leer. Er legte sie wieder auf den Tisch und das Zippo-Feuerzeug auf die Schachtel. Das war der Abschluss, so dachte er. Kein Tropfen Whisky, weder im Glas noch in der charakteristisch eckigen Flasche. Die Stummel der letzten, gerauchten Zigaretten türmten sich in dem Aschenbecher vor ihm. Er blickte weiter starr auf den Tisch. Zu wissen, dass es jetzt keinen Grund mehr gab, es weiter hinauszuzögern, hatte ein mulmiges und flaues Gefühl in seinem Magen zur Folge…
Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit unwillkürlich zitternden Fingern griff er zu der Waffe, die da auf seinem Tisch lag; es war ein gewöhnlicher Colt 1911, mit neu eingelegtem Magazin. Seine zitternden Finger schlossen sich um den Griff und hoben das schwere Gerät auf. Ein dumpfes, mechanisches Geräusch erfüllte den Raum, als beim Aufheben das Gehäuse die Platte des Tisches streifte; graues Metall kratzend auf Holz. Die Finger seiner anderen Hand schlossen sich um den Verschluss und zogen ihn mit einem Ruck nach hinten. Die erste Patrone des Magazins schob sich in den Lauf, woraufhin er den Verschluss wieder nach vorne schnellen ließ. Er entsicherte und führte das Tötungsgerät nun langsam in Richtung seiner Schläfe.
Seine Finger und sein ganzer Arm schienen sich zu verkrampfen, und er hoffte unwillkürlich, nicht durch eine ungewollte Muskelanspannung zu früh abzudrücken. Das würden die letzten Sekunden seines Lebens werden. Und wie bei im Sterben Liegenden schossen auch ihm in diesem Moment Millionen von Gedanken durch den Kopf, bei denen er unweigerlich spürte, dass eine Patrone das vergleichsweise geringere Übel sei. Er dachte an sie und alles, was er mit ihr geteilt hatte. An alles, was sie zusammen erlebt hatten. Alles, was sie sich erzählt hatten. Er dachte an den Schmerz zu wissen, dass er sie zurücklassen, sein Versprechen brechen würde. Aber er dachte auch an den Schmerz, den er bis dahin selbst fast täglich erlitt und der ihn so kaputt machte. Jeden Tag etwas mehr. Jeden Tag etwas mehr unaufhaltsam auf einen Abgrund zu. Und an die vielen schlaflosen Nächte, in denen er nur dalag und seine Gedanken ihn quälten, bis er zu weinen begann – jede Nacht, immer wieder.
Wie jede noch so kleine Hoffnung, die wie ein kleines Pflänzchen aus der Erde wuchs, sofort wieder niedergetrampelt wurde. Er wollte immer stark sein – auch für sie. Aber seine Kraft war erschöpft; er war am Ende. Er warf einen letzten Blick auf dutzende Fotos, die ebenfalls auf seinem Tisch hinter dem Aschenbecher lagen und die er die ganze Zeit mit dem starren Blick betrachtete. So viele Erinnerungen. So viele schöne Momente. Nun alle zerstört, weil er den Schmerz nicht länger ertrug. Nicht, weil er es nicht wollte, sondern weil er es nicht mehr konnte. Weil auch er nur ein Mensch war, der an seine Grenzen stoßen konnte. Wie erstaunlich, was Liebe anrichten kann, hatte er doch alles nur aus Liebe getan. Doch was nützt Liebe, wenn man sie niemals zurückbekommen wird? Sie wird zu Gift. Einem absolut verehrenden, tödlichen Gift, das das Herz, den Verstand und zum Schluss die Seele auffrisst; wie brennende Säure. Er kniff die Augen zusammen, als sich sein Finger fester um den Abzug der Waffe an seiner Schläfe legte. Sein Zittern wurde stärker, die Gedanken schneller, rasten, zerstreuten sich in alle Richtungen, wie ein schwarzes Prisma, aus dem nur Dunkelheit entwich. Solange, bis nur noch einer übrig war: der, den Abzug zu drücken…
Ein ohrenbetäubender Knall erfüllte für einen Bruchteil einer Sekunde den ganzen Raum, doch schien sein Widerhall endlos lange. Sein lebloser Körper sackte durch die Wucht zur Seite und hing regungslos im Stuhl. Die Waffe fiel aus seinen toten Fingern zu Boden, wo sie scheppernd aufschlug. Seine Hand schlug direkt daneben auf, gefolgt von einem Schwall aus Blut, das plätschernd und kleine, rote Pfützen bildend zu Boden rann, und einer einzelnen, letzten Träne, die sich aus seinem halboffenen Auge löste und langsam über seine Wange lief. Zum letzten Mal, für alle Zeiten.
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Vertonung: https://www.youtube.com/watch?v=BW-6M5Tgoog