Phobie und Wirklichkeit
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich war allein. An einem Sonntagvormittag. Meine Eltern wollten mich heute besuchen kommen. Doch ich vergaß es. Wie ich so vieles einfach vergaß. Die Wohnung war leer. Wie immer eigentlich. Ich wohnte bereits seit meinem 18. Geburtstag allein, mittlerweile war ich nun 21. Ich war gern allein. War ich doch in meiner Kindheit auch. Wollte doch niemand etwas mit mir zu tun haben. Aber ich wollte es selbst auch nicht. Warum sollte ich mich dieser Heuchelei, diesem falschen Lachen hingeben?
An diesem Tag war alles wie immer. Egal welches Wetter, ich tat immer dasselbe, war bereits bekannt dafür. Ich packte mir einen Zeichenblock, Stifte und eine Wasserflasche in meine hellgrüne, kleine Umhängetasche, und zog meine Jacke an. Es war eine dunkle, jedoch nicht schwarze Lederjacke, welche ich damals mit meiner ‚Freundin‘ gekauft hatte. Auch wenn manches sich geändert hatte, erfüllte das zähe Stück Stoff dennoch gute Dienste. Ich setzte mich auf mein Fahrrad und fuhr los. Es regnete leicht. Mein Gesicht war wie immer. Viele sagten mir, ich hätte einen ausdruckslosen Blick, eine unerträgliche Leere in den Augen. Sollten sie doch sagen, was sie wollten. Ich mochte mich ja selbst auch nicht sehen. Der Regen wurde stärker, und ich entschloss mich, erstmal unter einer Bushaltestelle Schutz zu suchen, zwischen einer Frau mit zwei Kindern, die zu quengeln begannen, und einem Mann, der allerdings eher damit beschäftigt war, in sein Telefon zu schreien. Ich schloss dort mein Fahrrad an, da es mir zu lange dauerte, und ging zu Fuß weiter.
Der Regen hatte aufgehört. Trotzdem war ich völlig durchnässt und die Wolkendecke hoch über mir, die irgendwie bedrohlich und dunkel schien, hatte auch noch nicht aufgerissen. Doch das machte mir nichts aus. Die Stadt war leer. Selten in der Ferienzeit. Ich setzte mich auf eine Art Mauer. Neben mir das Gymnasium auf welches ich hätte gehen sollen. Doch ich hielt es nicht lange dort aus. Zwischen diesen vielen Menschen, die mich anstarrten, auf mich zeigten, und Dinge riefen. Ich hatte nur eine einzige Freundin dort gehabt. Sie war mir dieser kurzen Zeit wie eine Schwester geworden. Wir redeten über alles. Nur nicht darüber. Über meine Angst. Meinen Verfolgungswahn. Ich konnte ihn meist nur kurz ablegen. Das war es auch, was unsere sogenannte ‚Freundschaft‘ zu Grunde gehen ließ. Meine ‚Phobie‘ wie sie es nannten. Die Männer in weiß. Ich legte mich hin. Ins nasse Gras. Der Geruch von Regen und Kühle umgab mich. Ich fühlte mich wohl.
Erneut regnete es. Stark. Viel stärker als zuvor. Die Tropfen flossen an meinem Gesicht herunter. Mir war nicht kalt. Die Stadt war immer noch wie leergefegt. Kaum jemand ging die Straßen entlang. Und wenn, dann war es mir egal. Es war einer der Tage, an denen ich mich fühlte, als wäre ich normal. Wie jeder andere auch. Normal. Der Regen stoppte. Die Wolkendecke riss nun endlich auf, und die warme Nachmittagssonne wärmte mein nasses Gesicht. Ich konnte die Strahlen der Sonne fühlen. Wie sie sanft meine Wangen streichelte, und meine Körper wärmte. Man hörte die Möwen. Trotz allem waren die Straßen leer. Niemand war da. War ich jetzt normal, wo ich die Sonne genoss?
Es wurde dunkel. Still. Man hörte eine Eule, die auf dem Kirchendach saß. Ich öffnete meine hellgrauen Augen, die für die Menschen um mich so leer zu seien schienen. Es schien spät geworden zu sein, und ich hatte nicht einmal meinen Block in die Hand genommen. Doch ich blieb liegen. Beobachtete sie. Die Sterne am Himmel. Ich dachte nach. Waren sie normal? War der hell leuchtende Mond denn normal? Wer oder was musste man sein, um normal zu sein? Das Handy klingelte. Ich hörte es. Ich ging nicht ran. Ich hätte es tun sollen.
Ich atmete tief ein und sog die kalte und frische Luft ein. Ich riss meine Augen auf. Ich hörte leise Schritte. Ich setzte mich schlagartig auf. Niemand war dar. Ich fasste mir an den Kopf, in meine nassen blonden Haare. Es war wieder da. Meine Finger krallten sich in meine Stirn. Ich war nicht normal. Nein. Nicht ich. Wieder. Schritte. Meine Hände griffen an meinen Kopf. Nein. Das ist nicht echt. Warum hört es nicht auf? Warum muss ich das jeden Tag ertragen?! Warum ich?! Warum kann ich nicht normal sein?…Wieder Schritte. Sie kamen näher. Mit aufgerissenen Augen sah ich nach Hinten. Ich riss sie noch weiter auf, als ich männliche Schuhe sah, die von weitem aus den Schatten der Bäume auf mich zu kamen. Das war es, was ich immer gefürchtet hatte. Wenn Wirklichkeit und Phobie sich gegenüberstellen. Wirklichkeit und Phobie.
Ich schnappte mir meine Tasche und rannte los. Die Straßenleuchten flackerten. Fielen schließlich aus. Eine nach der anderen. Ich schloss voller Panik mein Fahrrad ab, aber meine Hände zitterten zu sehr, um den nassen und rutschigen Schlüssel sicher in das Schloss zu versenken. Immer wieder liess ich ihn fallen. Ich drehte mich um. Ich sah nichts. Man hörte Grummeln. Ein Gewitter. Ein heller Blitz schoss aus den Wolken und…Ich sah die Silhouette eines Mannes. Ich war nicht verrückt. Von wegen ich hätte Wahnvorstellungen. Ich liess das Fahrrad stehen. Ich hatte nicht genug Zeit. Der Mann kam näher. Ich rannte wie verrückt, und der Regen schoss wieder aus den Wolken, die knurrend Blitze erscheinen liessen. Meine Schritte waren schnell und unregelmäßig, meine Schuhe fanden kaum Halt. Doch ich achtete nicht auf die Pfützen, die meine Jeans bis zu den Knien durchnässte.
Ich war zu Hause. Ich sah aus dem Fenster den Mann, der im Schutz der Bäume auf mich lauerte. Ich sah glühende, rote Augen. Das war kein Mann. Das war nicht einmal menschlich. Die Blitze zeigten ein stumpfes verzerrtes Lächeln, auf einer weißen, leicht faltigen Haut. Mein Handy klingelte wieder. Diesmal, ging ich ran. Ich hätte es nicht tun sollen.
„Na..? Deine Eltern werden nicht kommen. Sie haben kaum Widerstand geleistet. Nur du fehlst noch…nur du…“
Der Anruf brach ab. Ich ließ das Handy fallen. Sie werden nicht wiederkommen. Sie waren tot. Diese abscheuliche Bestie hatte sie getötet. Heiße Tränen liefen meine Wangen hienunter. Ich war wie in Trance. Wie, als ob man schlafwandeln würde. Nur das ich wusste, was ich tat. Ich ging in die Küche. Nahm das große Fleischmesser. Ich öffnete die Tür. Ich hatte sowieso nichts zu verlieren. Und schrie.
„Na komm doch! Los hol mich! Ich steh genau hier, also los!!“
Die männliche Person.. die Bestie kam auf mich zu. Ich rannte ebenfalls. Das… Ding… schlug mich mit einer gewaltigen Wucht davon, dass ich in den schlammigen Boden viel. Doch ich hob das Messer auf, beachtete nicht meine eigenen Wunden. Ich holte aus. Traf seinen Kopf. Glaubt mir, meine Augen waren sicherlich zu diesem Zeitpunkt alles andere als leer. Sie waren voll. Gefüllt von Trauer, Schmerz, Blut, und… Freude. Ich stach zu. Immer wieder. Ich sah zu, wie die glühenden Augen erloschen. Ich setzte mich auf seinen Brustkorb.
„Nur noch ich fehle… huh? „
Ich ließ die Spitze des Messers über seine Wange, bis zu seinem Hals, über seine Brust, bis hin zu mir gleiten. Ich hatte etwas furchtbares getan. Aber… warum fühlte ich mich… so gut dabei? Es legte sich ein leichtes Lächeln in mein Gesicht, als ich dem Messer zusah, wie es, durch meine Hand geleitet, über dem Körper seine Spuren schnitt. Es fiel mir aus der Hand. Beides war mir entglitten. Der Hang zur Phobie. Der Draht zur Wirklichkeit. Phobie, und… Wirklichkeit. Mein Kopf hob sich, als der Regen begann, das Blut von meinem Gesicht zu waschen, meine Augen zu tränken, meine Tränen zu verstecken. Stille. Nur das Rauschen des Regens, das tropfen aus der Regenrinne hinter mir. Ich sah zum Haus nebenan. Eine Dame stand am Fenster, krallte ihre Finger um den weißen Telefonhörer, in welchen sie panische Worte rief, die ich nicht verstand. Ich lächelte ihr zu. Sie liess den Hörer sinken. Ganz langsam. So langsam, wie ich mich neben der Leiche des Wesens niederliess.
Langsam wachte ich auf. Ein komischer, fast schon beissender Geruch umgab mich. Ich konnte mich nicht bewegen. Langsam öffnete ich meine Augen. Ich sah ein helles Zimmer. Ein Mann im weißen Kittel kam zu mir. Ein Mann, in weiß.