Während der Fahrt war ich eingeschlafen.
Ich habe geträumt.
Von schrecklichen Dingen, so dass ich im Schlaf sogar einen Nackenschauer bekam.
Ich träumte wie ich ihm wieder begegnete.
Es war an einem sommerlichen Mittag auf einem unendlich weiten Weizenfeld. Durch dieses Feld streifte ich, auf der Suche nach ein bisschen Ruhe.
Und dann saß er da, mitten im Feld. Und es wurde schlagartig Nacht.
Er starrte mich einfach nur an. Regungslos, die ganze Zeit.
Ich wollte aufwachen, konnte mich aber nicht bewegen und war gezwungen ihn einfach nur zurück anzustarren.
Dann machte er sich zum finalen Sprung bereit.
Er traf mich und ich fand mich wieder liegend neben meinem Jeep vor dem Wald. Wieder gab ich drei Schuss ab und jedesmal wenn eine Patrone ihn hätte treffen müssen, löste er sich einfach in Rauch auf und stand plötzlich an einer anderen Stelle.
Ich rappelte mich auf, hatte mein Messer in der Hand und sah mich wieder hinter meinem Haus im Wald.
Wie ich es bereits erlebte. Ich stach auf den Rake ein, aber er fing meine Hand ab und sah mir erneut einfach nur in die Augen. Verständnislos. So als ob mein Widerstand schlicht keine Bedeutung für ihn hatte.
Ich war wie eingefroren und dann sah ich seinen anderen Arm ausholen. Seine Hand, mit den fünf langen Fingern die wie Säbel alles durchtrennten. Sie trafen nicht mich, sondern den Trucker.
Wir waren wieder in der Tankstelle und diesmal sah ich mit meinen eigenen Augen wie der Rake sie alle tötete.
Er schnitt den Kopf des Truckers in Scheiben. Tötete die Eltern des Kindes und ließ sie vor dessen Augen ausbluten. Das kleine Mädchen war vielleicht elf, vielleicht zwölf Jahre alt. Das Leben ist kein Hollywoodfilm. Wie konnte ich erwarten, dass sie schnell genug wäre um zu entkommen?
Dann waren wir wieder im Feld. Diesmal war es Tag, aber dunkle Gewitterwolken waren aufgezogen und verdunkelten die Sonne. Es regnete auf mich herab. Kein Wasser, sondern Blut. Literweise Blut goss auf mich herab und der Rake stand einfach nur vor mir. Er blickte auf mich herab. Schüttelte den Kopf.
Erst dann erwachte ich schreiend im Rückraum des Polizeiwagens.
Draußen gewitterte es noch immer.
Ich war nass, von meinem Schweiß.
Einer der Polizisten beruhigte mich, gab mir etwas zu trinken und wies mich dann darauf hin, dass wir wohl bald ankämen.
Am frühen Abend stiegen wir aus und betraten eine kleine Polizeistation am Stadteingang.
Mir wurden keine Fragen gestellt. Ich war auch nicht in der psychischen Lage, sie beantworten zu können.
Sie boten mir an in einem nahegelegenen Hotel zu schlafen. Das Zimmer war bezahlt für eine Nacht und einen Morgen bis 12:00 Uhr.
Ich nahm dankend an und fühlte mich seit gefühlten Monaten endlich wieder einigermaßen sicher.
Als ich dann gegen 21:00 in meinem Hotelbett saß, endlich wieder geduscht und neu gekleidet, sah ich zum ersten Mal die Nachrichten.
Und tatsächlich wurde von ihm, dem Rake, berichtet. Allerdings nahm die Presse und die Behörden immer noch an, es würde sich bei ihm um irgendeinen gewöhnlichen, durchgedrehten Mörder handeln.
Es gab auch keine Fotos oder Videos, dafür nur den Bericht von den gefundenen Leichen auf der Autobahntankstelle.
Ich nahm mir vor am nächsten Tage eine ausgiebige Aussage zu machen, um die Leute zu warnen, denn sie wussten nicht womit sie es zu tun hatten.
Bevor ich dann einschlief, völlig erschöpft von der Flucht und den Erlebnissen, fragte ich mich noch ob man mir wohl glauben würde. Aber das war mir egal, vermutlich war die Psychiatrie für mich von den Behörden schon längst bezahlt.
Tatsächlich schlief ich ein. Ein letztes Mal:
Auf der Digitaluhr leuchtete eine grüne „24:00“ als ich dann die Geräusche hörte.
Erdgeschoss: Ein Schrei. Ein weiblicher Todesschrei von der jungen Dame an der Rezeption.
Zweiter Stock: Ein Mann, vermutlich jemand der später nach Hause kam.
Vierter Stock: Noch ein weiterer Mann. Ich konnte abzählen, dass er noch genau fünf weite Schritte machen konnte. Dann knallte er zu Boden. Wenige Sekunden ein weiteres, kräftiges Poltern. Ein letzter Schrei.
Dann hörte ich ihn. Er kam das Treppenhaus hoch. Ich konnte jeden seiner Schritte hören. Konnte ihn hören, als die Tür für diesen Korridor einfach aus der Verankerung gerissen wurde.
Ich konnte auch hören, wie die ältere Frau nebenan aus ihrem Zimmer trat.
„Sind Sie denn verrück-?!“ Hörte ich noch die alte, zittrige Stimme sagen.
Sie schrie nicht mehr, ich glaube er hat sie schnell getötet.
Ich hielt inne. Wegrennen? … Wohin denn? … Warum denn? Sekunden, die wie Stunden vergehen. Momente, in denen man den eigenen Puls hört, weil alles so still ist.
Dann hörte ich ein Klopfen an meiner Tür.
Selbstverständlich kein höfliches, sondern ein unmissverständliches, lautes Pochen. Dreimal. Aber wir wussten ja beide, dass ich wach war.
Ich beschloss ein letztes Mal nach draußen zu treten – auf den Balkon des Zimmers. Meine Zeit war wohl doch noch gekommen.
Ich schob die Glastür und die Gardinen beiseite und erschauderte leicht, als meine nackten Füße die kalten Fliesen des Balkons betraten.
Dann setzte ich mich auf einen der Plastikstühle und blickte zum Vollmond empor. Ein paar Wolken streiften den Nachthimmel. Grillenzirpen, einige Autogeräusche aus der Innenstadt.
Eigentlich wunderschön.
Mein letzter Seufzer, als gleichzeitig die Tür bricht.
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