GeisteskrankheitMittelMordSchockierendes EndeTod

Sindile

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Der Mann strich mit
dem Zeigefinger über das vergilbte Papier und erschauerte, als das
raue Material an seiner Haut rieb. „Was hat uns nur hierher
gebracht, Nostradamus, an diesen absoluten seelischen Tiefpunkt?“,
fragte er ins Nichts und seufzte zum Steinerweichen. Er erntete nur
Schweigen. Natürlich. Die Zukunft war nur noch ein Hirngespinst der
Vergangenheit und es schnürte ihm die Kehle zu, wenn er an das
heraneilende Ende dachte.

Zögerlich schaute er auf, und ließ den
müden Blick aus dem Fenster schweifen, das beinahe blind von Schmutz
und Alter war. Der Himmel war gelblich braun wie an jedem Tag und die
Sonne nur noch ein kleiner, blasser Schimmer, dem es kaum gelang,
definierbare Schatten am verödeten Grund zu werfen. Die gigantischen
Gebäude, welche die gesamte Planetenoberfläche bedeckten wie ein Heer
von Giftpilzen, waren zum Großteil verfallen, geschliffen von der
Zeit und nur noch spärlich bewohnt.

Die Nahrung reichte schon seit
vielen Dekaden nicht mehr aus um die Bevölkerung zu versorgen, also
sah man sich gezwungen Ausweichmöglichkeiten finden… Ein Zittern
fuhr über seinen ausgemergelten Körper, trotz der Windstille und
erdrückenden Hitze, die sich durch die leergefegten Straßen quälte
wie ein verendendes Tier.

Der Mann blickte zurück in den kargen
Raum, der ihn in den letzten drei Dekaden hatte überleben lassen und
ließ sich schwer auf seinen knarzenden Schemel fallen. Die Statik
und Ausweglosigkeit seiner Situation bohrte sich schmerzhaft in sein
Gehirn, fraß sich tief in ihm durch die Eingeweide, bis er es nicht
mehr ertragen konnte, kreischend aufsprang, seine Hände gegen die
zerkratzte Steinwand presste und immer und immer wieder seinen
Schädel dagegen schmetterte.

Immer und immer und immer wieder… bis
Blut aus seiner Stirn sickerte und ihm in die brennenden Augen
tropfte. Ein blassroter Schleier legte sich über seine Welt und für
einen Augenblick wünschte er, diese Art der Wahrnehmung würde ewig
andauern. Doch dann rollten ein, zwei blutige Tränen aus seinen
Augenwinkeln und alles wurde wieder grau.

„Nostradamus!“, heulte
in eine Zimmerecke. „Oh Gott, Nostradamus! Wo bist du? Warum hast
du uns wissentlich in diese Hölle rennen lassen? Warum?!“ Ein
krampfartiges Schluchzen quoll aus seiner ausgedörrten Kehle und
schüttelte seinen Leib. „Warum…“, fragte er noch einmal
gebrochen, dann raffte er sich auf, wankte auf sein Schreibpult zu
und beugte sich wieder über die alten Schriften.

Weil ich wusste,
dass ich eines Tages mit dir sprechen werde.

Er fuhr zusammen. „Was…? Wer…?!“

Ich wusste, dass ich eines Tages Kontakt mit dir aufnehmen kann,
Sindile.

„Woher kennst du meinen Namen?“

Ich kenne jeden Namen. In der Vergangenheit, der Gegenwart, als
auch der Zukunft. Ich weiß alles.

Sindile
fasste sich an die blutverschmierte Stirn und stöhnte. Ein
grauenhafter Kopfschmerz tobte im Inneren seines Schädels. „Wieso
sprichst du erst jetzt zu mir? Ich habe dich bereits so oft gerufen!“
Anklagen blickte er in die leere Zimmerecke.

Sindile!
Sagte
die Stimme scharf und lies ihn zusammenzucken wie unter einem
Peitschenhieb.

“Fordernd
zu reden steht dir nicht zu! Folge allein meinen Anweisungen und du
wirst diese verkommene Welt verändern. Ich will… dass du mein
Nachfolger wirst.“

Sindile
stand zitternd auf und lehnte sich an die schmutzige Wand. Alles
um ihn herum drehte sich… nein. Die Welt nahm ihre wahre Gestalt
an. Plötzlich hatte er das Gefühl, klarer sehen zu können, als
jemals ein Mensch zuvor. Sein Geist schien sich auszudehnen, die
Grenzen seines engen Hirns zu durchbrechen und sich über das gesamte
Universum hinweg zu erstrecken. Ein grauenerfüllter Schrei wand
sich aus seiner Brust nach draußen und erschallte schrecklich und
schön zugleich. Die
Welt erbebte. Dann versank sie wieder im Stillstand.

“Geh
ans Fenster,“
befahl Nostradamus. Sieh
nach unten, auf die Straßen.“

Sindile
überwand den Schwindel und starrte auf den staubigen Asphalt, der
sich viele hundert Meter unter ihm durch das Gewirr der verfallenen
Wohntürme schlängelte. Dort bewegte sich etwas. Ein winziger,
dunkler Fleck im gelblichen Dämmerlicht. Mit zusammengekniffenen
Augen erkannte der Mann, dass es sich dabei um einen Menschen
handelte. Plötzlich gesellten sich zwei weitere dunkle Gestalten
dazu, die erste rannte, allerdings nicht weit. Sie fiel. Die zwei
anderen umringten sie, ließen nicht von ihr ab und dann breitete
sich ein größer werdender schwarzer Schatten auf dem lehmfarbenen
Untergrund zu ihren Füßen aus.

Sindile wandte sich erschöpft ab.
Er wollte nicht mehr.

Nein!,
fauchte der Seher in ihm. Verharre!
Folge meinen Worten!

Und
dann begann der große Nostradamus einen Monolog, dessen Inhalt nicht
von dieser Welt war und der bis daher unausgesprochenes Grauen
enthielt. Sindile schrie, zerkratzte sich Haut an Armen und Gesicht,
wollte sich mit glühenden Nadeln das Hirn aus dem Schädel kratzen,
doch der Prophet schwieg nicht. Als sich Sindile vor Qualen aus dem
Fenster stürzen wollte, verwehrte sein Meister ihm diesen Wunsch und
er musste gezwungenermaßen gehorchen. Nach Äonen, so schien es dem
Mann, endete Nostradamus seinen Vortrag und verstummte.

Sindile, der
zuckend am Boden lag, brauchte lange um sich zu erholen. Speichel
rann aus seinen eingerissenen Mundwinkeln, sammelte sich im Staub zu
kleinen Pfützen an und
Blut floss aus seinen Augäpfeln.
Irgendwann
hatte er genug Kraft gesammelt um sich am Schreibtisch hochzuziehen
und einen kurzen Blick aus dem milchigen Fenster zu werfen. Entgegen
seiner Erwartungen waren die Gebäude noch nicht zu Staub zerfallen und nicht einmal die schwächliche Sonne hatte es sich dem Horizont
weiter genähert.

Sindile strich mit dem Zeigefinger über das
vergilbte Papier und erschauerte. Dort lagen die letzten noch
existenten Schriften des Necronomicons. Die Allerletzten. Plötzlich
wurde sein verzagtes Herz von Stolz erfüllt. Er war der letzte
lebende Nachfahre Abdul Alhazreds, er war der Besitzer des letzten
Necronomicons, er hatte mit Nostradamus gesprochen und war sein
Schüler geworden. Er war Sindile.

Zakamuva
Sindile.“ Der
letzte Überlebende.“

Die Welt lag in Trümmern und er würde sie von dem letzten Rest an
Schmutz befreien, der noch auf ihr existierte. Schwankend stand er
auf und griff nach der verstaubten Axt, die unter seinem Schreibtisch
lag. Dann machte er sich auf den Weg nach unten. Er verließ zum
ersten mal nach drei Dekaden den Turm, der ihm so viele Jahre lang
Schutz geboten hatte. Er brauchte diesen Schutz nun nicht mehr. Denn
er war nicht mehr allein.

Es
brauchte lange, beinahe zwei Stunden, bis er unten angekommen war und
sich sein Körper an den höheren Luftdruck gewöhnt hatte, er klar
sehen und atmen konnte. Er machte ein paar Schritte nach draußen und
spürte zum ersten mal seit einer Ewigkeit, das wärmende, wenn auch
schwache Sonnenlicht auf seiner Haut. Dann stieß er auf die Leiche.
Man hatte sie sauber filetiert und ausgenommen. Alle verwendbaren
Teile gestohlen.

Anhand der Kleidung erkannte Sindile, dass es sich
um eine Frau gehandelt haben musste. Schwere Stiefelabdrücke waren
um sie herum verteilt, denn das Schlachtfest hatte einen wahren See
aus schwarzem Schlamm hinterlassen. Staub und Asche gemischt mit
Blut. Der Schlick trocknete bereits und Fliegen surrten um den
Kadaver. Sindile warf einen spähenden Blick in das Gewirr der
Häuserschluchten, dann schulterte er seine Axt und folgte den
feuchten Spuren, die sich von dem Leichnam wegbewegten. Er
schlurfte langsam durch die Straßen, ganz ruhig und gemächlich.

Früher oder später würde er dem ersten Abschaum begegnen. Die Axt
glänzte matt in der Sonne.

Er
war bereit.

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