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Fehldiagnose

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Ich summte ein sanftes Wiegelied, um das kreischende Bündel in meinen Armen ein wenig zu beruhigen, welches sich mit all seiner niedlich-lächerlichen Kraft gegen mich wehrte, obgleich es nicht die geringste Chance auf Flucht als sein Eigen bezeichnen konnte. Das Kind war wohl ein wenig verstimmt; kein Wunder: In diesem Alter sind sie leicht zu reizen.

Es will keine Heia.

Mama muss ganz kurz weg.

Das Essen schmeckt nicht.

Da ist ein gruseliger Schatten.

Hunger. Durst. Bäuerchen. Durchfall.

Nur selten handelt es sich um etwas Ernstes.

Auch dieses Mal waren die Tränen meines kleinen Engels kaum gerechtfertigt, da er sich wohl schrecklich über die Flüssigkeit aufregte, welche an ihm herabtropfte, und auch meinen weißen Morgenmantel allmählich befleckte, indem er mit den Beinen strampelnd von mir loskommen wollte. Er wurde immer lauter. Selbst seine Lieblingsrassel konnte ihn nicht überzeugen, zu schweigen, obwohl ich die Klinge längst zur Seite und somit aus seinem Blickfeld gelegt hatte („Lass die Finger davon!“). Doch mir war klar; ich musste mich nur gedulden. Sobald mein Mann Heim kehrte, würde der Kleine so müde sein, dass er kaum mehr einen Mucks von sich geben würde. Und dann wäre alles wieder gut…

Schade eigentlich, dass Geduld nie meine Stärke war.

Schon in meinen jungen Jahren hatte mir meine Mutter stets eingetrichtert, dass ich das Gewebe aus Blut und Haut, welches sich über einer Verletzung bildet, in Ruhe lassen, und stattdessen mit Geduld behandeln solle. „Wenn du den Schorf abreißt, wird er hässliche Narben hinterlassen! Das ziemt sich doch nicht für eine junge Dame wie dich! Lass die Finger davon!“ Und dennoch riss ich daran. Oder wohl eher: genau deswegen. Ich ließ die Hände von nichts, nicht einmal den tiefsten Schnitten, was manchmal dazu führte, dass sich die Wunden wieder öffneten, oder ich mir einen bösen Infekt einhandelte. Und dennoch war es mir das Ganze wert. Und dennoch tat ich es immer, und immer wieder. Und dennoch kam ich nie von dieser einen speziellen… Angewohnheit weg.

Versehentlich beim Kochen geschnitten? Der Schorf würde kaum auf sich warten lassen. Perfekt, zwar nur gering, aber widerstandsfähig. Mitten auf dem Asphalt dein Knie aufgeschürft? Sobald der Schmerz in ein paar Tagen nachlässt, beginnt der Spaß! („Lass die Finger davon!“) Vom kleinen, garstigen Hund der noch kleineren und garstigeren Nachbarin gebissen? Anzeige. Schorf. Zwei Fliegen mit einer Klappe.

Ich wusste, wie lange ich warten musste, und konnte es dennoch nie erwarten. Manchmal sah ich sogar bei der Bildung der Wundablage zu, was natürlich mehrere Stunden meiner Zeit in Anspruch nahm, und mit der Zeit nur noch zu meiner Ernüchterung beitrug. Mein Leben bestand nur noch aus diesem einen, skurrilen Hobby, was mir irgendwann fälschlicherweise die Eigenschaft des „Tollpatschigen“ anhängte.

Bis schließlich mein Sohn gebar. Das Licht meines Lebens. Yin meines Yangs. Er änderte alles, änderte meine Einstellung und gab meinem Leben den fehlenden Sinn zurück. Sogar meine Angewohnheit konnte mich nicht mehr mit der Erfüllung beglücken, welche ich von seinem zahnlosen Grinsen erhielt, das ein Kind so leichtfertig, aber dennoch selten in die Welt streut. Ich war so unendlich glücklich in den ersten Monaten, dass selbst die Ehe zu meinem Mann wieder gefestigt wurde, und ich sogar den Kontakt zu meinen Eltern suchte! Ich erfuhr aber nur noch von ihrem Tod… Was natürlich stark zu meiner Euphorie beitrug! („Lass die Finger davon!“)

Aber es dauerte nicht lang, bis ich bemerkte, dass seine Haut so wandlungsfähig, so unberührt, so PERFEKT war.

Es begann mit den Wunden, die daher kamen, dass er sich mit seinen süßen kleinen Nägeln manchmal aufkratzte, weil seine Haut dank des Wachstums ein wenig spannte. Es bildete sich kurz darauf Schorf, den ich abziehen würde, um die rötliche, aber verheilte Haut unter der Oberfläche zu betrachten, was mir das erste Mal an einem kühlen Wintertag aufgefallen war. Dieses Gefühl… zwar gewohnt, aber so viel intensiver – nur weil ich wusste, dass seine Haut die Beste war – stellte alles je dagewesene in den Schatten, obgleich sein zahnloses Grinsen nicht von seiem anfänglichen Wert verlor.

Mein Engel war einfach bezaubernd. Auf jede Weise. In jeder Hinsicht.

Und das war der Grund, weswegen ich heute Nacht, bevor mein Mann nachhause kommen würde, das Rasiermesser genommen, und nur ein kleines Stückchen Haut an seinem hinteren Oberschenkel aufgeschnitten hatte. Genau an diesem bestimmten Ort, der von seinen kleinen Höschen bedeckt werden würde, sodass niemand außer mir es bemerken konnte. Unser kleines Geheimnis.
Er hatte geschrien, und sich umhergeworfen. Auch jetzt wehrte er sich noch vehement. Langsamer. Müder. Aber standhaft. Doch mir selbst hatte es kaum mehr als ein kleines Lächeln entlockt, da ich wusste, dass darunter frisch verheilte, perfekte Haut auf mich warten würde („Lass die Finger davon!“), und er nun mein gesamtes Leben einnehmen würde, so wie es sich jedes Kind von seiner Mutter wünscht. „Und jeden Tag werden wir ein bisschen mutiger, hm?“, summte ich, nur um anschließend dasselbe, sanfte Wiegelied wieder anzustimmen.

Die Wunden werden größer; der Schorf auch.
Und ich warte, bis sich die Schicht bildet, welche die Perfektion unter sich bedeckt.
Wenn er alt genug ist, kann ich noch mehr Stellen erreichen, von denen nur wir wissen werden. Wir zwei ganz allein.

Ich presste einen kleinen Kuss auf seine feuchte Stirn. Seine Bewegungen wurden immer fahriger. Der Blutfluss versiegte ebenfalls ein wenig, während seine Atmung immer knapper, und schwächer wurde. Jetzt konnte ich ihn waschen gehen, warm einpacken und in seine Krippe legen. Mein Mann würde heimkehren, das friedlich schlafende Kind sehen, und sich mit mir Arm in Arm über das Bettchen beugen. Es war einfach perfekt. Das perfekte Szenario. Und endlich suchte ihn das ein, worauf ich schon so lange gewartet hatte.


Schlaf.

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