Was man unter Freunden macht
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich betrete den Raum, ein Tablett voller Tee vorsichtig
balancierend. Du sitzt schon auf dem Sofa, schaust hinaus in den warmen
rötlichen Sonnenuntergang und versuchst krampfhaft, nicht angespannt
auszusehen. Wirklich gut gelingen tut dir das jetzt nicht.
Vorsichtig stelle ich das Teeservice auf den kleinen
Beistelltisch und schenke uns beiden ein. Egal wie merkwürdig die Situation
ist, man darf doch seine Manieren als Gastgeber nicht verlieren. Kurz, beinahe
zufällig, trifft mein Blick deine Augen und sofort erkenne ich dieses tiefe
Unbehagen darin, diesen Zweifel, diese Vorsicht und diese…diese Reue.
Eine peinliche Stille legt sich zwischen uns, es ist schon
merkwürdig, wie Nähe so plötzlich in meilenweite Entfernung umschlagen kann.
Ich sitze betont gelassen auf meinem Sessel, während du an deinem noch viel zu
heißen Tee nippst, nur um überhaupt etwas zu tun. Ich koste es noch einen
Moment aus, dann durchbricht meine Stimme diese unheimliche Ruhe.
„Warum?“ Mehr braucht es gar nicht, du weißt
sofort worum es geht. Du zuckst nicht mal ein kleines bisschen, es war klar,
diese Frage stand unausgesprochen zwischen uns wie ein unsichtbarer Dritter.
Ich gehe davon aus, dass du dir eine passende Antwort zurechtgelegt hast, aber
um ehrlich zu sein, die möchte ich gar nicht hören. So einen vorgefertigten
Müll kann ich gar nicht gebrauchen.
„Tut man sowas Freunden an? Hast du eigentlich einen
Moment drüber nachgedacht, wie es mir dabei geht?“ Da habe ich dich wohl
überrumpelt. Garantiert hast du dir diese Situation schon tausende Male im Kopf
angesehen, hast dir vorgestellt wie ich von deiner rührenden Entschuldigung
bewegt sein und dir sofort alles vergeben würde. Ein richtig schönes Happy End.
Schade bloß, dass es so nicht laufen wird.
Deine Miene entgleist, dein Mund fällt auf. Ich sag doch, das
hast du nicht erwartet. Ein merkwürdiges Stammeln entfährt dir, als würde
jemand Dudelsack mit deinen Lungen spielen. Ein so hässliches Geräusch passt eigentlich
perfekt zu deinem hässlichen Inneren. „Naja, ich habe schon…“
„Einen Scheiß hast du!“ Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber
dein Mund öffnet sich tatsächlich noch weiter als er es ohnehin schon war.
Wahrscheinlich weißt du, was es alles braucht damit ich laut werde.
„Es hat dich nicht mal gejuckt!“ Ich sehe die
Verzweiflung in deinen Augen, diese nackte Panik vor dem was jetzt kommen kann
und…ist das Angst? Angst vor mir? Als ob ich meinen Freunden etwas antun
könnte. Lächerlich. „Du hast es einfach getan, mir einen eiskalten Dolch
in meine Rücken gerammt und mich dann verrecken lassen! War es das wert? War es
das?“ Meine Stimme hallt von den Wänden zurück und gelangt als zorniges
Echo zu mir zurück. Du versuchst, dich auf dem Ledersofa klein zu machen, als
würdest du im Boden verschwinden wollen. Das kam in deiner kitschigen
Friede-Freude-Eierkuchen-Version anscheinend
nicht vor.
Wieder versuchst du zu reden, aber es gelingt dir nicht. Die
Worte scheinen dir im Hals stecken zu bleiben. „Macht man so etwas unter
Freunden? Tut man sich so sehr weh?“ Die Wut in meiner Stimme weicht
kalter Verbitterung. Ich sacke in mir zusammen, verliere meine Haltung und
lasse mich resigniert in den Sessel fallen. Dieser Stimmungswandel scheint dich
zurück in die Realität zu holen. Leise, fast unhörbar flüsterst du die einzig
richtige Antwort auf diese Frage. „Nein…“ Auch wenn in deinen
Worten offensichtlich Schuld zu hören ist, so klingen sie merkwürdig gepresst.
Als fiele dir das Sprechen irgendwie schwer.
Langsam stehe ich auf und gehe auf das Sofa, auf dich, zu,
bis ich direkt neben dir stehe. Ich lasse mich wieder sinken und schaue dir
direkt in die Augen. Sie sind schon ganz glasig, so sehr bist du von deinen
eigenen Gefühlen überwältigt. Dein Gesicht ist ganz bleich, wahrscheinlich ist
dir beim Gedanken an deine eigenen Taten übel. Aber das ist okay. Ich kann dich
verstehen und ich bin froh um deine Entschuldigung. Freunde wären doch nicht so
lange wütend aufeinander.
„Aber weißt du, was Freunde machen?“ Ich lasse
kurz Stille einkehren, um die Dramatik meiner Worte noch zu steigern.
„Freunde verzeihen.“ Man merkt förmlich, wie diese Worte in dein
Gehirn kommen und dort allmählich realisiert werden. Ich sehe, wie die
Erleichterung und Freude in deine Augen zurückkehrt. Man kann in deinem Gesicht
beinahe ablesen, wie eine tonnenschwere Last von dir abfällt. Dann schließt du
deine Augen und schmiegst dich an meine Schulter. Ich merke, wie sich in mir
die Wärme ausbreitet. Wir sitzen einfach nur da, ganz ruhig, ich spüre deine
Haare auf meiner Haut und deinen flachen Atem auf meinen Arm.
Diese Genugtuung ist einfach fantastisch, wie eine warme
Suppe an einem kalten Tag breitet sie sich in mir aus. Und es wird noch
schöner, als die Zuckungen anfangen. Als du anfängst, unkontrolliert deine Arme
zu bewegen, wild um dich schlägst, bei Bewusstsein und doch nicht mehr in der
Lage zu schreien. Dann, alle Glieder von dir abgestreckt wie eine Furie,
erschlafft plötzlich jeder Muskel in deinem Körper. Du fällst in dir zusammen
wie ein Sandsack. Ein letzter geräuschvoller Atem entweicht dir. Ich gucke dich
an. Wie friedlich du doch aussiehst. Als würdest du einfach glücklich schlafen.
Wäre da nicht dieser Schaum vor deinem Mund.
Ich nehme wieder meinen Tee und schütte ihn in den Ausguss.
Ich möchte das Gift ja nicht trinken, denn ich weiß ja wie es wirkt.
Beziehungsweise, dass es überhaupt da
ist. Was du getan hast, sowas macht man unter Freunden nicht. Ich habe dir
vertraut. Und du hast es ausgenutzt. Man vergiftet seine Freunde auch nicht.
Aber wir sind schon lange keine Freunde mehr.