Zamolxis
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Es roch einfach nur widerlich. Selten hatte er etwas solch Schäbiges
gesehen, obwohl er den größten Teil seines Lebens kreuz und quer durch die Welt
gereist war. Doch dieser Ort toppte alles. Hier stand er also, ein hochgewachsener,
dunkelhaariger Mann Mitte dreißig mit leicht südländischem Hautton. Gehüllt in
seinen langen und edlen Mantel fiel er hier aus dem Bild wie der Putz von den
Häusern der verdreckten Straße. Er befand sich genau unter dem verblichenen
alten Schild, das ihn schon beinahe zu verspotten schien. „Willkommen im
Romanian Quater.“ Lächerlich. Als ob irgendjemand in diesem Bezirk
willkommen war. Einst war dies einer der reichsten Orte der ganze Stadt,
aufgebaut von rumänischen Auswanderern, die vor der Fremdherrschaft aus Europa
in die neue Welt geflohen waren und dort als Forstunternehmer ihr großes Glück
gefunden hatten. Doch mit der Globalisierung kam der Abstieg und nun befand
sich hier, zwischen den Ruinen einstiger Herrenhäuser, das ärmste und
unwirtlichste Viertel von ganz Monacan. Nichtsdestotrotz war er nun hier und
betrachtete angewidert die düstere und verfallene Straße, die vor ihm lag. In
den dunklen Seitengassen hockten Obdachlose, Dealer und andere zwielichtige
Gestalten, welche ihn misstrauisch beäugten, die meisten aus Verwunderung,
Misstrauen und Gier. Langsam betrat er den bröckelnden Weg vor ihm und lauschte
dem regelmäßigen Geräusch seiner Schuhe auf dem Boden. Wie das Ticken eines Schweizer
Uhrwerks brach es die drückende und fast schon unheimliche Stille über diesem
Ort. Tack Tock, Tack Tock, Tack Tock.
Die Individuen in den Seitengassen wichen in die wohlige Dunkelheit zurück,
sobald er sich ihnen näherte. Doch wer konnte es ihnen verübeln? Dieser Ort
wurde selten vom gleichen Grauen heimgesucht, jeden Tag erdachten sich die hier
Hausenden neue Grausamkeiten.
Was würde dieses vermaledeite Viertel wohl heute heimsuchen?
Diese Frage stand unausgesprochen im Raum, sie waberte durch die Luft und
infizierte alles Lebende wie eine grässliche Seuche, sie vernebelte ihre
Gedanken und veränderte ihr Handeln. Auch er spürte, wie sich die finstere und
abweisende Ausstrahlung des Ortes langsam auf ihn auswirkte. Seine Gedanken
wurden immer düsterer und sein Ausdruck bekam etwas Feindseliges. Er
betrachtete die Einwohner nun eingängiger mit finsterer Miene und selbst sie,
die schon Jahre in diesem vergifteten Klima ausharrten, mieden seinen Blick. Er
passierte grad eine besonders verrottete und heruntergekommene Gasse, als er
sie sah. Dort, inmitten all des Verderbens und den Überresten gescheiterter
Existenzen stand sie, gelehnt an eine längst verdorrte Eiche und musterte die
Umgebung. Perplex vor Erstaunen blieb er stehen und sah sie einfach nur an. Sie
war wie die Sonne nach einer kalten und finsteren Nacht, ihre Schönheit. Ihr
langes blondes Haar fiel in Locken wie die Mähne eines Engels zu Boden und
umrahmte ihr schmales Gesicht. Zwischen ihren vollen Lippen steckte eine fast verglimmte
Zigarette, deren Rauch ihre himmelblauen Augen mit einer verruchten Aura
umhüllte. Mittlerweile musste er wohl eine Weile dort gestanden haben, denn nun
starrte auch sie zurück. Doch im Gegensatz zu ihm zeigte ihr Blick keine
Bewunderung, es war eher Verunsicherung mit einem Hauch von Misstrauen. Was
sollte er tun? Sie ansprechen oder weggehen? Sie könnte eine Prostituierte sein,
nichts Besonderes in dieser Gegend, und er hatte nun wirklich keine Lust auf
irgendeine Pretty Woman Geschichte.
Noch bevor er sich überhaupt entscheiden konnte hatten sich seine Beine schon
in Bewegung gesetzt und er kam ihr immer näher. Er starrte sie noch immer an,
doch selbst wenn es ihm aufgefallen wäre, von ihren wunderschönen tiefen Augen
hätte er sich wahrscheinlich eh nicht losreißen können. Aber jetzt stand er vor
ihr. Was musste er jetzt noch mal tun? Still starren? Peinlich berührt
wegsehen? Reden? Reden! Das war es. „H-Hallo“, stotterte er. Wie
würde sie reagieren. Auf welche Art sie ihn wohl ablehnen würde? Langsam, ohne
den Blick abzuwenden, nahm sie die Zigarette aus ihrem Mundwinkel. Sie würde
sie bestimmt auf seiner Handfläche ausdrücken. Oh Herr, er hatte keine Lust auf
Schmerzen. Was hatte er sich auch gedacht? In Angst vor der bevorstehenden Qual
kniff er seine Augen zusammen. Er konnte es schon fast spüren, das stechende
Brennen auf seiner Handfläche. Doch…nichts. Zögernd öffnete er seine Augen
wieder und sah grade noch, wie sie mit ihren Fingern den Stummel wegschnippte.
Und jetzt…oh Gott, sie lächelte. Sie lächelte ihn an. Eine Welle von Euphorie
durchströmte seinen Körper. „Hallo“, antwortete sie mit einer
Stimme, als würden die Himmlischen ihr sanftestes Orchestra erklingen lassen.
Viel zu spät bemerkte er die drückende Stille, die sich wieder gelegt hatte. Er
hatte es vermasselt. Doch dann lachte sie und schon waren all die Sorgen
vergessen.
Nachdem sie ein wenig geredet hatten, begannen sie einen
kleinen Spaziergang entlang an den Ruinen des ehemaligen Reichtums zu machen. Mit
ihr an seiner Seite war die Welt hier doch nicht so schlecht. Alles schien auf
einmal so viel fröhlicher und lebendiger, selbst die verzweifelten Armen in den
versifften Ecken dieses unheiligen Ortes schienen plötzlich eine Erleuchtung
der guten Laune erhalten haben. Er war so vernarrt in sie, dass er es gar nicht
wirklich bemerkte, wie sie ihn in immer verzweigtere und abgelegenere Gassen
brachte. Nachdem sie einige Zeit gelaufen waren und sich über alle möglichen
Themen unterhalten hatten, fand er sich in einer finsteren und düsteren
Sackgasse wieder. Sie drehte sich so, dass er nur sie und die mit allen
erdenkbaren verblichenen Farbtönen besprühten Mauer hinter ihr sehen konnte. Schon
seit einer Weile hatte sie ihre Hand in die seine gelegt, doch nun nahm sie
auch seine andere und stellte sich ihm direkt gegenüber. Wieder hatte sie
dieses bezaubernde Lächeln im Gesicht und wieder verlor er sich in diesen
wunderschönen Augen. Ohne ein Wort zu sagen machte sie einen Schritt auf ihn
zu, lächelte noch ein Mal und dann küsste sie ihn. Er war völlig überwältigt,
trotz der schäbigen Umgebung hatte er selten in all der Zeit so etwas Schönes
erlebt. Er kostete den Moment voll aus. Dann kam der Schrei.
Er riss seine Augen auf, der laute Ausruf hallte noch durch
die Gasse. Sie machte einen Schritt von ihm weg und nun sah sie ihm in die
Augen. Dann folgte ein Lachen. Kein fröhliches Lachen, es war ein tiefer, schauriger
Laut, er schien direkt aus den Tiefen der Hölle und dem Gedächtnis der Zeit zu
entstammen, für einen kurzen Moment erzitterte das gesamte Viertel. Noch ein
letztes Mal sah sie ihm in sein Gesicht, dann erhob sie sich in die Luft. Sie
wusste nicht was passierte, wie war das möglich? Hatte sie nicht eben noch
voller Bedauern vorgehabt, diesen süßen Straßenflirt hier auszurauben? Warum
zur Hölle schwebte sie? Dann sah sie nach unten. Der Mann stand wieder auf dem
kleinen Platz, aber dieses Mal lächelte er. Er sah sie kurz an und sie fing
seinen Blick auf. Er deutete ihr, nach unten zu schauen. Ihre Augen weiteten
sich vor Schreck, als sie den Boden unter ihren Füßen erblickte. Wie durch ein
Wunder hatte sich dort ein Kreis aus Speeren gebildet, die wie die hölzernen
Zähne eines weißen Hais aus der Erde ragten, bereit sie zu verschlingen.
Plötzlich erklang seine Stimme, doch sie hatte sich verändert. Statt charmant
und liebevoll klang sie nun grausam und bedrohlich. Wie das Grollen eines
Donners fegten seine Worte über den Platz. „Ich weiß, dass es merkwürdig
klingt“, setzte er an, „Aber irgendwie habe ich mich wohl in dich
verliebt.“ „Bitte was?“, schoss ihr durch den Kopf. Klar, es war
ein schöner Nachmittag gewesen, aber wieso schwebte sie? „Du brauchst
nicht verunsichert zu sein. Nachher
wirst du alles verstehen.“ Nachher? Würde er sie also leben lassen? Schon
stahl sich ein kleiner Funken Hoffnung in ihren Geist, doch im gleichen Moment
fiel sie. Die spitzen Speere bohrten sich durch jede Faser ihres Körpers, sie
rissen ihre Haut auf, brachen ihre Knochen, durchbohrten ihre Adern und färbten
sich im Bad ihres Lebenssaftes langsam rot. „Nachdem ich dir das ewige
Leben geschenkt habe“, war der letzte Satz, den sie hörte bevor ihr Bewusstsein
sie verließ. Voller Stolz betrachtete er sein Werk. Es würde noch einige
Stunden dauern bis sie erwachen würde. Dann könnten sie diesen grässlichen Ort
zusammen aufbauen. Sofort verdunkelte sich seine Miene wieder. Was war nur aus
diesem Volk geworden? Einst waren sie so prächtig gewesen, unter seiner
Herrschaft. Doch er würde seinen Nachfahren hier ein neues Refugium errichten.
Noch wechselten sich die hier geschehenden Scheußlichkeiten noch von Tag zu Tag
ab, doch bald wäre er der Einzige, der hier Angst verbreiten würde. Denn egal
wie weit es hier gekommen war. Er war noch immer ihr Gott.