Zeitreisen sind nicht so, wie ihr euch sie vorstellt
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Mein Name ist Clark. Ich bin eine von drei Personen, die ehrlich behaupten
können, dass sie durch die Zeit gereist sind. Es ist nicht so, wie ihr euch es vorstellt.
Ich bin mir nicht wirklich sicher, wie sie uns ausgewählt haben. Ich
arbeitete an meinem Bachelorabschluss an meiner staatlichen Universität, als
das Team auf mich zukam. Sie nannten es „Projekt bTaOw33“. Kein cooler Name wie „Projekt-X“ oder „Projekt Alpha Time Warp“ oder sowas in der Art. Nur bTaOw33 – was auch immer das bedeutet.
Sie näherten sich mir und fragten, ob ich an einem Experiment
teilnehmen möchte, gegen Bezahlung meiner Studiengebühren. Ich hatte nur noch
ein Jahr Schule vor mir, aber diese beiden Semester würden mich 32.000 Dollar
kosten. Also habe ich natürlich ja gesagt. Als ich fragte, was das Experiment
sei, sagten sie mir, es wäre äußerst geheim. Ich würde Details an dem Tag
herausfinden, dann könnte ich mich entscheiden, auszusteigen, falls ich nicht
teilnehmen möchte.
Etwa 6 Wochen vergingen und ich war im Grunde genommen auf Abruf, um
bereit zu sein, wann immer sie mich brauchten. Schließlich bekam ich den Anruf.
Ich lebe in Atlanta und das Team traf uns drei auf einem Parkdeck etwa 20
Minuten außerhalb der Stadt. Dort angekommen stiegen wir alle in diese kurzen
Schulbusse und sie brachten uns zu den Bergen im Norden Georgias.
Es war etwa eine zweistündige Fahrt und wir hatten nicht wirklich viel
Zeit uns kennenzulernen. Uns wurden strenge Regeln auferlegt, um keine Informationen
über uns selbst preiszugeben oder während der Busfahrt miteinander zu sprechen.
Die letzten paar Meilen legten wir auf einer steinigen Schotterpiste zurück,
die einen Berg hinunterführte.
Der Bus parkte in einer kleinen, vielleichte einem halben Hektar
großen, Wiese. Das Gras war frisch gemäht und ich konnte es an Anblick und am
Geruch erkennen. Die Grasnische wurde von großen Bäumen aus dem umliegenden
Wald eingekreist.
„Also gut“, ein Mann stand von seinem Platz an der Vorderseite des
Busses auf, „Wir sind hier. Ich werde euch alle informieren, sobald wir im Haus
sind.“
Als wir nacheinander aus dem Bus stiegen, konnten wir sehen, dass in
der Mitte der Lichtung ein Gebäude stand. Es hatte auf der einen Seite ein sehr
großes Fenster, das im Wesentlichen die gesamte Wand einnahm. Jede andere Wand
war außen schwarz und ich konnte durch das Fenster sehen, dass die Innenseite
weiß gestrichen war.
Es gab einen großen, silbernen Metallring, der das Haus umgab. Er war
etwa drei Zoll von dem frisch gemähten Gras, war ein Fußbreit und hatte
Lichter, die aus Bohrlöchern kamen, die den kompletten Umfang umgaben.
„Passt auf, wo ihr hintretet und bitte tretet nicht auf diesen Ring“,
sagte derselbe Mann, „Sobald wir drin sind, setzt euch einfach hin.“
Wir alle traten über den Ring und machten uns auf den Weg ins Haus. Das
„Haus“, wie der Mann es nannte, bestand nur aus einem Raum. Im Inneren befanden
sich vier Stühle, die um einen ziemlich großen, runden Tisch herumstanden. Die
Stühle, die Wände und die eine Lampe waren alle weiß – das Einzige, was im Raum
nicht weiß war, waren die beiden Bücherregale an jeder Wand, die beide leer
waren.
Nachdem wir uns alle hingesetzt hatten, stellte sich der Mann vor.
„Alles klar, willkommen, willkommen. Mein Name ist Dr. Olson. Ich bin
froh, dass ihr euch alle entschieden habt, hieran teilzunehmen – an der
Geschichtsschreibung teilzunehmen. Wie wir euch allen gesagt haben, handelt es
sich hierbei um äußerst sensible Informationen. Nach meiner Erklärung, woraus
dieses Experiment besteht, werde ich euch fragen, ob ihr fortfahren wollt.
Verstanden?“
„Was, wenn wir nicht weitermachen wollen?“, fragte eine Frau etwa in
meinem Alter mit feurig roten Haaren. „Dann kennen wir diese streng geheime
Information, richtig? Und dann wirst du uns einfach gehen lassen?“
Der Mann lächelte. Er wusste, dass man ihn das fragen würde.
„Ja, es steht euch frei, von hier wegzugehen, wenn ihr wisst, woraus
das Experiment besteht. Die Universität und ich sind jedoch von drei Dingen
überzeugt. Erstens – ihr werdet nicht gehen wollen. Zweitens – die Anwälte der
Universität sind ziemlich mächtig und ihr habt die Geheimhaltungsverträge
bereits unterzeichnet. Und drittens – niemand wird euch glauben, wenn ihr es
jemandem sagt.
Stille erfüllte den Raum. Die Rothaarige ließ sich zurück in den Stuhl
fallen, ein nonverbales „Gut, dann fahr fort“.
„Das Experiment“, fuhr Dr. Olsen fort, „ist Zeitreise.“
Ich lächelte, war mir aber nicht sicher, warum. Die anderen schienen
vor Vergnügen ein wenig zu schnauben. Die Spannungen im Raum schienen sich zu
lösen.
„Ok, ok, ich weiß, es klingt – ihr wisst schon – verrückt. Ich habe das
alles schon mal gehört. Ich bitte euch nicht, mir zu glauben. Ich bitte euch
einfach in diesem Raum zu sitzen, zu beobachten und mir zu sagen, was passiert.
Wir nickten alle zustimmend, ein paar OKs füllten die Luft. Der Doktor
fuhr fort, „In Ordnung, so wird es funktionieren: Ich fahre zum Kontrollzentrum
– es befindet sich nur etwa fünf Minuten den Berg hinauf. Ich habe dort auch
ein paar Kollegen. Von dort aus werde ich ´den Schalter umlegen´, um es einfach
auszudrücken.“
Als Dr. Olsen seinen nächsten Satz begann, lehnte er sich nach vorne
und sein Gesicht bekam eine sehr strenge, wütende Vaterqualität.
„Verlasst diesen Raum nicht. Nach dem ich gegangen bin, geht. Nicht.
Weg. Geht nicht weg, bis ich wieder den Berg herunterkomme, zurück in diesen
Raum gehe und euch sage, dass ihr gehen könnt. Ich habe dieses Experiment schon
einmal gemacht, aber nicht mit Menschen. Ich weiß, dass es funktioniert. Ich
weiß, dass es sicher ist. Ich kann euch versprechen, dass es sicher ist. Ich
kann eure Sicherheit jedoch nicht garantieren, wenn ihr das Haus verlasst.
Ich erinnere mich daran, dass sich die Luft hin zu einem unbehaglichen
Gefühl verlagert hat.
„Bist – bist du sicher, dass es so sicher ist? Worauf wurde es
getestet? Wie wird es sich anfühlen?“, sagte ein dürrer blonder Typ, der nicht
älter als 21 sein konnte.
Der Doktor fuhr fort: „Ich weiß, dass es sicher ist. Kein Tier, das ich
benutzt habe, wurde dadurch beeinflusst. Ich habe Ratten benutzt und habe mich
bis zu Hunden hochgearbeitet. Keine blauen Flecken, keine Schnitte, keine
Verhaltensänderung. Und um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was ihr erwarten
sollt. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich wie ein Kribbeln, ein Stechen, ein
Kneifen oder wie etwas Anderes anfühlt. Dies ist die erste menschliche Studie,
weshalb man auf jedes Gefühl achten muss, das man fühlt.“
„Warte, okay, wenn wir tatsächlich im Begriff sind, durch die Zeit zu
reisen, wohin – oder wann – reisen wir dann?“, fragte ich.
„Ihr werdet 3 Stunden in die Zukunft reisen. Nach Aktivierung an der
Kontrollstelle wird dieses Gebäude verschwinden. Mein Team und ich werden drei
Stunden lang auf Abruf sein, dann ist das Haus wieder da, mit euch allen drin,
drei Stunden in der Zukunft.“
Es folgte eine lange Stille. Ich bin skeptisch gegenüber fast allem,
aber etwas an Dr. Olsens Tonfall, seiner Körpersprache, die Art und Weise, wie
er es erklärte – es war schwer für mich zu zweifeln. Er meinte es todernst. Als
klar war, dass es keine Fragen mehr gab, sah Dr. Olsen auf seine Uhr, stand
auch und räusperte sich.
„Alles klar, es ist jetzt 13:22 Uhr, also sollte es kurz vor 13:30
sein, wenn ich es an der Kontrollstelle ankomme. Das Aufwärmen dauert nur etwa
zwei Minuten, sodass wir eure voraussichtliche Ankunftszeit auf 16:30 Uhr
markieren. Gibt es noch weitere Fragen oder Bedenken?“
Niemand sprach. „Ok – ich sehe ich alle in drei Stunden. Oder aus eurer
Sicht, in bloß ein paar Minuten.“ Der Doktor zwinkerte, nickte und schloss die
Tür, nachdem er hinzugefügt hatte, „Sichere Reise!“
Wir drei standen von unseren Stühlen auf, als wir sahen, wie der Doktor
wegfuhr. Dann wandten wir uns alle einander zu, die Spannung ließ wieder nach.
„Nun, er weiß echt gut, wie man sich vorstellt und verabschiedet“,
sagte die Rothaarige.
„Kein Scheiß“, antwortete der blonde Junge, „Äh, nun,
schön, euch kennenzulernen, Mit-Zeitreisende.“ Wir alle kicherten ein
wenig, diese nervöse Art zu lachen. „Mein Name ist Ryan.“
„Ich bin Clark“, antwortete ich mit einem Handschlag.
„Emma“, sagte sie, mit einem Lächeln, das jedem Mann oder
jeder Frau den Kopf verdrehen könnte.
Wir tauschten Höflichkeiten aus, sprachen über unsere Ausbildung und
wie wir ausgewählt wurden. Emma war die Erste, die fragte, was wir alle dachten.
„Also, wie groß ist die Chance, dass das echt ist? Versteh mich nicht
falsch, ich würde gerne die erste Zeitreisende der Welt sein, aber ich habe das
Gefühl, dass das mit einem Blindgänger enden wird, oder wir werden nur
verarscht.“
“ Ja!“ antwortete Ryan, „Als er alles erklärte, dachte
ich, es könnte ein Streich sein. Das mag ein echtes Experiment der Universität
sein, aber es ist ein Experiment, um zu sehen, ob sie Leute überzeugen können,
dass sie Zeitreisende sind.“
„Das ist Meta“, scherzte ich.
„Oh, Leute! Leute, seht mal!“ Emma starrte aus dem großen
Fenster. Der Ring, der das Gebäude umgab, wurde langsam heller. Es sah aus wie
hundert Laserpointer, die sich langsam aufhellen und in den bedeckten Himmel
leuchten.
„Heißt das, wir sind in der zweiminütigen Aufwärmphase?“, fragte
ich und wusste bereits die Antwort.
„Ich schätze schon“, begann Emma, „Gott, mein Herz
rast.“
„Meins auch.“
„Dito.“
Wir standen alle. Komplett still und beobachteten, wie diese dünnen
Lichtstrahlen heller wurden, bis sie uns fast blendeten. Ich drehte mich, um
Emma anzusehen. Ihre Pupillen näherten sich der Größe einer Bleistiftspitze,
vielleicht kleiner. Ihr Blick, zusammen mit dem von Ryan, war auf die Strahlen
fixiert. Ich konnte sehen, wie ihre Gesichter von Sekunde zu Sekunde mehr
beleuchtet wurden. Sekunde für Sekunde wurde es immer heller – heller und
heller und heller, bis es so war, als würden wir von der Sonne verschlungen.
Und in weniger als einer Sekunde war es dunkel.
Ich wählte meine Worte vorsichtig – weniger als eine Sekunde. Es war
nicht so, als würde man ein Licht ausmachen. Es war nicht so, als würde man die
Augen schließen. Es war schneller. Es war sofort.
Ich sah, wie Emmas Pupillen schnell groß wurden, als das Fehlen von
Licht aus dem Fenster auf ihre Netzhaut traf. Das Innere des Hauses wurde dank
einer Lampe im Hauptraum noch beleuchtet.
Vor dem Fenster war nichts – keine Nachtzeit, kein Schwarz, kein Pechschwarz
– nichts. Es hatte fast eine Farbe an sich, aber eine, die ich nicht erklären
kann. Sie gab kein Licht ab. Es war die Farbe, die ein blinder Mensch sieht. Es
war die Farbe unserer Schlafnächte zwischen den Träumen. Es war die Farbe des
Todes. Es war nichts.
Wir alle schauten uns nach etwa einer Minute des Schweigens um und
starrten alle aus dem gleichen Fenster in eine Leere der Abwesenheit.
„Was zum Teufel ist hier los?“, sagte Emma mit wackeliger
Stimme.
„Ich – ich habe keinen – „, begann ich.
„Mein Herz hat aufgehört zu schlagen.“, sagte Ryan
unverblümt.
Ich sah, wie Emma zwei Finger an ihren Hals hob. Das musste ich nicht.
Ich konnte es spüren. Es war eines der ersten Dinge, die mir auffielen. Als ich
Emmas Pupillen anstarrte, als das Licht sein Crescendo erreichte, raste mein
Herz. Und sobald das Licht verschwand, taten es auch die rhythmischen Schläge
meines Herzens.
„Fuck – fuck fuck fuck, was zum TEUFEL ist passiert?“ Emma
geriet in Panik.
„Wartet, wartet. Das ist nur ein Teil davon“, begann Ryan, „Ich
flippe gerade genauso aus, vertraut mir. Offensichtlich geschieht etwas. Wenn
ihr dem Doktor glaubt, womit ich gerade anfange, könnten wir, ihr wisst schon,
durch die Zeit reisen.“
Ich stimmte ihm sogar zu, „Ja – ja, du hast recht. Wir müssen nur
hierauf achten, damit wir es später erklären können. Okay, der Herzschlag hat
aufgehört, check. Wir sind noch am Leben, check. Und die – die, Leere. Abgrund.
Ding. Check.
Wir drehten uns gemeinsam zum Fenster.
„Ich schaue es mir nicht gerne an“, sagte Emma. „Es ist
unnatürlich. Es sollte – ich weiß nicht – nicht sein. Es ist nicht schwarz, aber
es hat kein Licht, ich denke nicht.“
Sie hatte nicht unrecht.
„Ich bin irgendwie froh, dass ich im Moment keinen Herzschlag
habe, weil ich denke, dass ich dann einen Herzinfarkt hätte“, scherzte
ich. Ängstliches Lachen füllte den kleinen Raum.
Wir bewegten uns schließlich von unseren Plätzen, an denen wir aus dem
Fenster starrten. Es war eine Erleichterung, sich im Raum zu bewegen, und ich
bin mir nicht sicher, warum. Wir waren für ein paar Minuten still. Emma saß auf
einem Stuhl mit den Knien bis zur Brust, prüfte gelegentlich ihren nicht
vorhandenen Puls oder sah ihre Hände an. Ryan lehnte sich an die Rückwand und
starrte aus dem Fenster. Ich zog einen Stuhl neben Emmas und schloss mich ihrer
ruhigen Atmosphäre an.
Unsere friedliche Stille wurde mit Ryans Worten gebrochen: „Clark.
Emma. Da draußen ist etwas.“
Wir sahen ihn an, dann sahen wir aus dem Fenster. „Was meinst du
damit?“ fragte Emma.
„Da draußen. Ich kann Dinge sehen.“
„Dein Verstand spielt dir Streiche. Weißt du, wie wenn du in einem
pechschwarzen Raum bist, dein Verstand wird dich dazu bringen, Lichter, Formen
und so zu sehen.“ sagte ich.
„Nein“, antwortete er, „es ist da. Schaut. Seht mal, da
draußen. Ihr könnt, äh, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Schaut
einfach mal.“
Emma und ich richteten beide unsere Aufmerksamkeit wieder einmal auf
die Leere. Es war still. Es war ruhig. Es bewegte sich nicht – ungewöhnlich.
Doch es fühlte sich an, als wäre es dazu bestimmt, dort zu sein. Als wäre es zu
Hause, und wir waren die Eindringlinge.
„Ich sehe nichts“, sagte Emma.
“ Ich auch nicht.“
Ryan starrte weiter hinaus, unnachgiebig. Emma und ich blieben am
Tisch, fummelten an unseren Fingern und tippten nervös mit den Fingern. Ich bin
mir nicht sicher, wie viel Zeit vergangen ist, bevor die Stille unterbrochen
wurde. Alles, was ich weiß, ist, dass es sich wie eine lange Zeit anfühlte –
vielleicht eine Stunde, vielleicht zwei.
„Nun, das dauert eine ganze Weile, nicht wahr?“ meinte Emma.
„Im Ernst, ich habe das Gefühl, dass wir schon seit ein paar
Stunden hier drin sind“, antwortete ich.
„Nein“, sagte Ryan, „nicht einmal eine Sekunde ist
vergangen.“
Emma und ich sahen uns verwirrt an.
„Was meinst du damit?“
„Es ist noch nicht einmal eine Sekunde vergangen.“
wiederholte er. Sein Blick war immer noch auf die Leere gerichtet. „Hier
vergeht keine Zeit. Wenn man sich das ansieht. In sie hinein. Ihr werdet es
sehen. Es ist keine Zeit vergangen. Es wird keine Zeit vergehen. Wenn man sich
das ansieht, macht das alles Sinn.“
Emma und ich schlossen die Augen wieder einmal, aber diesmal war es
weniger Verwirrung und mehr Schrecken.
Ich meldete mich zu Wort, „Komm schon, Mann, hör auf, uns zu
verarschen.“
Er antwortete nicht. Er blinzelte nicht.
Tage vergingen, glaube ich. Emma und ich saßen da und redeten viel. Wir
wurden nicht hungrig, müde oder durstig. Wir mussten das Badezimmer nicht
benutzen. Wir kamen zu einigen Erkenntnissen. Eine davon war, dass es in diesem
Raum keine Temperatur. Es war ein Fehlen von Hitze oder Kälte. Luft war nicht
vorhanden. Nach etwa zwölf Stunden, so schätzten wir, begannen unsere Körper
nicht mehr automatisch zu atmen. Wir brauchten keinen Sauerstoff.
Die andere Erkenntnis drehte sich um die Leere. Ryan hatte während
unseres gesamten Aufenthaltes, abgesehen von den ersten paar Minuten, darauf
gestarrt. Er hat sich nicht bewegt. Er hat nicht geblinzelt. Manchmal murmelt
er etwas über die Zeit oder das Universum, aber das meiste davon war
Kauderwelsch. Emma und ich haben entschieden, dass vielleicht doch etwas da
drin ist. Wir konnten es nicht sehen, aber Ryan konnte es und es machte ihn
verrückt. Wir haben entschieden, dass es am besten ist, es nicht zu lange zu
betrachten.
Nachdem wir wochenlang in diesem Raum festsaßen, wurden Emma und ich
immer unruhiger. Wir fingen an, uns über kleine Dinge zu streiten und hörten
schließlich auf, uns ganz zu unterhalten. Manchmal hörte ich sie schluchzen,
versuchend ruhig zu sein. Ich habe auch viel Zeit mit Weinen verbracht. Es
traten jedoch keine Tränen aus.
Dass Emma und ich uns gegenseitig ignorierte,n stoppe eines Tages,
nachdem Ryan einfach laut und deutlich sagte: „Ich gehe raus.“ Es war
sogar das erste Mal, dass Emma und ich uns in ein paar Tagen angesehen hatten.
Es war das erste Mal, dass Ryan seit Wochen zusammenhängende Worte gesprochen
hat. Er sah uns nicht an, als er es sagte.
Und aus irgendeinem Grund hat keiner von uns protestiert. Vielleicht
haben wir ihn aus Langeweile, Depression oder Neugierde nicht aufgehalten. Er
ging zur Glastür hinüber und stand für einen Moment und ließ die Augen nicht
von der Leere weichen.
Er sprach zu uns, immer noch dem Nichts gegenüberstehend, „Ich
werde seine Geheimnisse lernen. Seine Kraft. Ich werde ein Gott werden. Und es
begrüßt mich.“ Er öffnete die Tür.
Er streckte seine Hand zur Leere aus. Es sah aus wie eine optische
Täuschung. Genau dort, wo sich der Türrahmen befand, sobald er diese Grenze durchbrach,
verschwand seine Hand. Alles, was ich sehen konnte, war sein Handgelenk, an dem
nichts befestigt war.
Er brachte seinen Arm zurück in den Raum.
Seine Hand fehlte. Dort waren freiliegende Knochen, Fleisch und Gewebe.
Aber er blutete nicht. Er schrie nicht.
Er lächelte.
Dann ging er hinaus in die Leere und sah aus wie ein Geist, der durch
eine Wand ging.
Emma und ich starrten entsetzt. Sie lief zu mir hinüber und wir weinten
eine Weile zusammen.
Sie sagte fünf Worte zu mir, durch dickes Schluchzen, das mich bis aufs
Mark erschütterte – das erste echte Gefühl, das ich hatte, seit ich herkam.
„Werden wir für immer hierbleiben?“
Emma und ich verbrachten viel Zeit mit Weinen.
Was gab es sonst noch zu tun? Stellt euch vor, ihr steckt in einem Raum
fest, in dem es nichts zu tun gibt, außer Stühle zu stapeln oder sich frustriert
auf leere Bücherschränke zu stürzen.
Wir haben versucht, Sex zu haben. Es war nur eine andere Sache zu tun,
um die Zeit zu vertreiben. Aber da kein Blut durch unsere Venen floss, machte
es die Dinge kompliziert. Wir spielten alle Namensspiele, unsichtbares
Tic-Tac-Toe, Zungenbrecher, etc. Wir konnten ‘Ich Sehe Was, Was Du Nicht Siehst‘
nicht wirklich spielen, da unsere Farboptionen entweder „weiß“ oder
„leerenartig“ waren. Manchmal versuchten wir zu schlafen, ohne
Erfolg. Wir lagen einfach da, gelegentlich zusammen und manchmal getrennt. Die
Augen geschlossen, ohne rhythmisches Auf und Ab unserer Brust, ohne leises
Geräusch eines Herzschlags – nur völlige Stille.
Ich dachte nicht, dass ich es jemals schaffen würde.
Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit ich da drin verbracht habe. Es
war schwer zu sagen und wurde mit der Zeit immer schwieriger. Am Anfang war es
einfach. Man konnte erkennen, dass ein paar Sekunden vergangen waren, dann
wurden die Minuten zu Stunden. Aber besonders nachdem Ryan weg war, war es
schwierig. Es gab keine aufgehende Sonne. Es gab keinen mondbeschienenen Himmel
mit funkelnden Sternen. Es gab kein Müdigkeitsgefühl, keine Schlappheit oder Schläfrigkeit,
die sich nach einem langen Tag einstellte. Ich fühlte mich, als ob sich meine
innere Uhr von alleine überarbeitete, da sie, naja, kaputt war.
Emma und ich begannen wirklich den Verstand zu verlieren, aber nicht so,
wie Ryan es tat.
Um unsere traurigen Tage zu verdrängen, taten wir so, als wären wir
Kinder. Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine tatsächliche Entscheidung
unsererseits war oder ob unser Verstand uns dazu brachte, es im Gegenzug für
ein Stückchen Vernunft zu tun. Manchmal war einer von uns Kellner und der
andere aß in einem schicken Restaurant. Manchmal spielten wir Doktor und eine
Person musste sich ausziehen und untersuchen lassen. In manchen Szenarien war
sie meine Frau. Ich kam von einem langen Tag auf der Arbeit nach Hause und sie
hatte ein Abendessen für mich vorbereitet. Sie rief die Kinder herbei und wir
taten so, als ob wir essen würden, und ich erzählte ihr alles über meinen Tag,
während ich unserem Hund heimlich Essensreste gab.
Unser Lieblingsszenario war „Fremde“. Zumindest nenne ich es
jetzt so, wenn ich zurückblicke. Wir hatten damals keinen Namen dafür.
Ich saß am Tisch und tat so, als wäre ich in einer Bar oder einem Club.
Sie kam und nahm sich einen Sitz und ich schenkte ihr ein paar Blicke und Seitenblicke,
bevor ich dem Barkeeper sagte, dass ich ihr einen Drink kaufen möchte. Sie
versuchte, ihr strahlendes Lächeln einzudämmen und schlug mit ihren Wimpern.
Dann machte sie sich auf den Weg vom anderen Ende des Tisches – gegenüber der
Bar – und nahm den Stuhl neben meinem. Ich fragte nach ihrem Namen, und dann
gingen wir langsam vom oberflächlichen Gespräch in die Welt des gegenseitigen,
tieferen Kennenlernens – Kindheitserinnerungen, Ängsten, Sehnsüchten,
Geheimnissen, Träumen.
Dann würde schließlich einer von uns aus der Rolle fallen und wir
würden lachen. Wir würden auch in unseren Köpfen Stücke füreinander schreiben
und aufführen. Oder wir machten Drehbücher für Fernsehsendungen oder Filme und
spielen sie – meist improvisiert. Das waren die guten Momente. Die Sicheren.
Diese Fluchtwege waren für uns gleichbedeutend mit den Fluchtwegen von normalen
Menschen in der realen Welt, die fernsahen oder durch eine App scrollten, damit
sie sich nicht der Realität stellen mussten, die sie verschlang.
Aber irgendwann setzt immer die Realität ein. Unsere ganze Welt war in
diesem Raum. Ich fing an zu vergessen, wie das Gesicht meiner Mutter aussah.
Ich fing an zu vergessen, wie mein Gesicht aussah.
Eines Tages, oder Nacht, oder was auch immer, schaute ich in die Leere.
Emma und ich behandelten sie so, wie jemand einen nackten Obdachlosen behandeln
würde, der ihn anschreit – es ist am besten, nicht zu lange hinzusehen, aber es
ist okay, es ihn kurz zu betrachten oder ihn im Augenwinkel anzusehen. Ich
starrte in ihn hinein und stellte mir Fragen über ihre Farbe. Die Abwesenheit
davon. Ich fragte mich, wo wir physisch sind. Waren wir irgendwie in einer
anderen Dimension? Wurden wir jetzt beobachtet?
Als ich weg starrte, sah ich etwas. Ich weiß, dass ich es getan habe.
Es war unmöglich zu übersehen, wie ein Pinselstrich auf einer leeren Leinwand.
Ja, es war da. Es war etwas, das in dieser riesigen Weite des Nichts
existierte. Ein Baum. Es war ein Baum. Eine perfekt symmetrische Kiefer, fast
wie die abstrakten Tintenkleckstests, die für psychiatrische Untersuchungen
verwendet werden. Es war einfach so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es war
nicht so, als würde man einen Baum aus einem Fenster in der realen Welt sehen.
Nein, ich war nicht zusammen mit dem Baum dort. Ich habe ihn nur beobachtet.
Ich fühlte mich wie ein Außerirdischer von einem anderen Planeten, der ihn sah.
Der Baum wusste nicht, dass ich da war, und ich wusste nicht, wo er war.
Plötzlich kam eine starke und schnelle offene Handfläche mit meiner
Wange in Berührung und ich hörte Emma schreien.
„Reiß dich verfickt noch mal zusammen, Clark, bitte!“
„Oh–“ mein Gesicht stach, aber der Schmerz wurde gedämpft,
als ich bemerkte, dass sie weinte, „woah hey, hey, was ist los?“
„Du– oh Gott, du bist wirklich zurück, du bist wirklich zurück,
Gott sei Dank“, sagte sie durch zittrige Lippen, „du hast nur
tagelang nach draußen gestarrt. Ich konnte nichts tun, um dich da loszureißen!“
“ Ta-Tage?“
„Ja! Gott, ich habe dir die Augen verdeckt oder dich geschüttelt, aber
nichts funktionierte, also…“
Sie sprach weiter, aber ihre Stimme klang, als würde sie einen Brunnen
runterfallen, als meine eigenen Gedanken meine Aufmerksamkeit übernahmen. Tage?
Ich schaute zehn Sekunden lang nach draußen, höchstens zwanzig. Es gab keine
Möglichkeit, dass Tage vergangen waren. Ich habe ihr das gesagt.
„Was?“, sagte sie, „Verarschst du mich? Du hast dagestanden,
genau da! Unbewegt wie eine Statue, für so eine verdammt lange Zeit. Ich
schrie, ich schüttelte dich, ich flehte dich an.“
„Ich schwöre, ich sage die Wahrheit.“ Ich packte ihre Hände
tröstlich. „Alles, woran ich mich erinnere, ist, etwas da draußen zu
sehen, dann weiß ich nicht – ich weiß nicht, was passiert ist.“
„Was hast du gesehen?“ Ihr Weinen hatte ein wenig
nachgelassen und ihre Traurigkeit wurde durch Neugierde ersetzt.
„Äh, ich glaube, es war ein Baum.“
“ Ein Baum?“
„Ja, nun ja, irgendwie schon. Er hatte – eine Art Bewegung, als
würde er wachsen. Nicht vom Boden aus wie ein normaler Baum, aber er hat sich –
ausgebreitet, schätze ich. Wie wenn man das Netz von einem Weihnachtsbaum
abnimmt und alle Äste stürzen und der Baum voller aussieht. Es war genau so,
aber konstant – ständig expandierend wie eine optische Illusion.“
Sie sah mich an, als ob ich ihr gerade sagen würde, dass ich Krebs
hätte – ein Ausdruck von Sympathie, der mit Sorge verworren war. Sie holte
einen kräftigen Atemzug aus: „Ich war so besorgt, dass du gehen würdest,
wie–wie er es getan hat.“
Ich umarmte sie und kratzte die Oberseite ihres Kopfes, um sie zu
trösten. Dann packte sie meinen Hals und küsste mich leicht. Es war nicht das
erste Mal, dass wir uns geküsst hatten, wir hatten es schon viele Male zuvorgetan.
Ich weiß nicht, wie es angefangen hat. Ich kann mich nicht einmal an unseren Ersten
erinnern. Es ist zu lange her. Aber ab und zu sahen wir uns nur an und küssten
uns. War es eine Beziehung oder Langeweile? Ich wusste scheinbar alles über
sie, aber ich weiß es nicht. Ich saß da mit ihr fest, was sollten wir sonst
tun? Hätten wir uns draußen, in der realen Welt, verstanden? Wenn dieses
Experiment funktionieren würde, wären wir dann „zusammen“?
Ich weiß es nicht.
Es war viel Zeit vergangen, seit Emma mich geohrfeigt hat, damit ich ‘aus
der Sache rauskomme.‘
Wir waren ruhiger als sonst – nachdenklicher wegen der aufgetretenen
Ereignisse.
Sie erwähnte es zuerst und unterbrach unser vorheriges Gespräch:
„Also, hey, sagen wir, wir schaffen es hier raus. Ob das nun in Millionen
Jahren oder einer Milliarde oder wann auch immer ist.“
„Äh, mhm.“
„Nun, du weißt, wie du aus dem Fenster geschaut hast, und die Tage
vergingen in ein paar Sekunden? Was, wenn… was, wenn das das Beste ist, was
man tun kann. Um diese Jahre zu überstehen. Vielleicht, wenn wir einfach nach draußen
schauen, fühlt es sich wie ein paar Stunden an und dann, bumm, sind wir wieder
in der Realität.“
Ich hatte mich auch darüber gewundert. „Was ist, wenn wir nie
wieder aufhören? Was ist, wenn wir rausgehen, wie Ryan es getan hat? Oder was,
wenn wir einfach für immer hier drin festsitzen, hypnotisiert?“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte sie. „Ich habe darüber
nachgedacht, sicher. Aber….“
„Aber was?“
„Aber – äh, ich weiß es
nicht. Was für eine andere Option haben wir? Realistisch? Wir können nicht so
weiterleben. Wir können nicht jeden Tag damit verbringen, durch die Wellen des
Redens und Schweigens und des Lachens und Weinens zu gehen. Ich verliere meinen
verdammten Verstand und ich weiß, dass du das auch tust!“
Ich presste meine Lippen zusammen und mein Schweigen antwortete ihr,
also fuhr sie fort.
„Was ist schlimmer? Eine Billion Jahre in diesem Raum zu
verbringen, bis du dein Haar herausziehst und langsam die Wahnsinnsrutsche
herunterrutschst oder in den verdammten Abgrund des Nichts zu schauen? Und ja,
es besteht die Möglichkeit, dass wir wie Ryan einen an der Waffel haben werden und
hypnotisch aus dieser Tür gehen, aber ist es das wert? Ich denke schon.“
Wir hatten zu viel Zeit da drin verbracht. Ich weiß nicht, wie lange,
aber es fühlte sich an wie mehrere Leben. Wenn das mit dem Tod endete, begrüßte
ich ihn. Ich wusste, dass wir es tun mussten. Es war unsere einzige
Möglichkeit.
„Okay. Wir verbarrikadieren die Tür“, schlug ich vor.
„Wir stellen den Tisch, die Bücherregale und alles andere davor. Es ist
mindestens eine Verteidigungslinie, damit wir nicht gehen.“
„Ja, es ist keine Garantie, aber ich mag die Idee.“
Und genau das haben wir getan. Die Idee, dass wir in ein paar Stunden
dort draußen sein könnten, war die einzige Motivation, die wir brauchten.
Nachdem die Möbel bewegt wurden, saßen wir auf dem Boden in der Mitte
des Raumes. Unsere Beine waren gekreuzt, und wir saßen uns gegenüber.
„Ich bin, äh, verdammt verängstigt“, sagte sie offen.
„Ich weiß. Ich bin es auch.“
„Was, wenn wir uns nie wiedersehen? Was, wenn wir nie wieder
jemanden sehen – was, wenn es das ist? Du weißt schon? “
Ich packte ihre Hände und zog sie ein wenig näher heran, bevor ich
antwortete.
„Egal was passiert, ich bin dankbar, dass ich dich hier bei mir
hatte. Ich hätte nicht allein hier sein können. Dieser Ort ist die Hölle, aber
ohne dich wäre es so viel schlimmer gewesen.“
Sie nickte mir zu und lächelte. Ich erwiderte die gleiche Geste.
Wir beide passten unseren Körper, immer noch in sitzender Position, an,
sodass wir in Richtung Fenster blickten. Ich blickte zu meiner Rechten und
bewunderte Emmas Blick hin zum Fenster – so wie ich es tat, als wir hierher
„transportiert“ wurden. Ich drückte ihre Hand.
„Bereit, eine Ewigkeit zusammen zu verbringen?“, sagte sie
mit einem wackeligen Atemzug und lachte fast.
„Du weißt es.“
Und damit blickten wir ins Nichts.
Es ist schwer zu beschreiben, was ich gesehen habe.
Das Erste, was ich in diesem Vakuum der Leere sah, war wieder einmal
der Baum. Er bewegte sich und atmete und verhielt sich wie zuvor. Nach einer
Weile bemerkte ich, dass ich die Wände des Raumes nicht mehr sehen konnte. Es
war, als wäre ich in diese Dunkelheit gehüllt – als wäre ich ein einsamer
Astronaut ohne Planeten oder Sterne als Orientierung. Ich konnte meinen Hintern
auf dem Boden nicht mehr spüren, auch nicht mehr Emmas Hand, die meine packte.
Tatsächlich konnte ich nichts wirklich fühlen. Es war, als würde ich langsam
jeden meiner Sinne verlieren.
Diese schreckliche Nichts-Farbe verflüchtigte sich langsam, und der
Baum tat es auch. Der beste Weg, wie ich beschreiben kann, was als Nächstes
kam, ist, es mit etwas zu vergleichen, das ihr alle gesehen habt.
Wenn ihr eure Augen schließt, seht ihr noch etwas Licht. Ihr seht
Formen und Objekte und andere Dinge, die euer Gehirn euch vorschreibt zu sehen.
Wenn ihr auf eine Wand starrt, eine leere Wand, gibt es fast eine Bewegung. Ein
statisches Gefühl an der Wand, das man nie wirklich wahrnimmt, bis man sich
konzentriert. Das ist es, was als nächstes kam. Als das „Nichts“
verschwand, konnte ich diese Formen in der Dunkelheit sehen. Zufallsmuster,
Sterne und Statik erfüllten meine Sicht.
Ich hatte das Gefühl, dass ich fallen würde. Die Zufälligkeit der
Formen nahm Gestalt meiner nostalgischsten Erinnerungen an – Dinge, von denen
ich nicht einmal wusste, dass ich sie in den Tiefen meines Geistes abgespeichert
hatte. Ich fühlte dieses, dieses Jucken fast. Ich schwöre, in diesen Momenten
hatte ich keinen Körper, keine Augen und doch konnte ich sehen. Ich fühlte mich,
als hätte jemand mein noch aktives Gehirn in ein Glas geschoben, um mich am
Leben zu erhalten, und das war es, was ich erlebte.
Nur mein Gehirn, das sein Ding ohne Input oder Output machte. Ich
fühlte ein Kribbeln, aber ich war mir nicht sicher, wo ich es fühlte. Ich
existierte, aber nicht in einem physischen Sinne. Ich dachte, ich wäre tot. Ich
hoffe, dass das nicht so ist, wenn man tot ist.
Und dann, schneller als ein Lichtschalter, ohne Soundeffekt, kein
Übergang jeglicher Art – POP – war ich zurück und stand in diesem Raum.
Der Sonnenschein zog durch den bedeckten Himmel und überflutete sofort
das Fenster. Ich stand jedoch nicht vor dem Fenster.
Ich stand Emma gegenüber, mit Ryan direkt hinter ihr. Beide sahen aus
dem Fenster, genau wie wir, bevor alles dunkel wurde.
Mein Fokus lag auf Emmas Pupille, so wie es zuvor war. Sie hat sich
nicht in der Größe verändert.
Bevor ich anfangen konnte, das Geschehene zu verarbeiten, schrie Ryan
lauter, als ich es physisch für möglich hielt. Ich erschrak und fing an,
Abstand zu nehmen, aber Emma zuckte nicht einmal zusammen. Ryan packte die
Lampe vom Tisch, schlug sie auf den Boden, hob ein großes Stück Glas auf und
schob es durch seine Brust und in sein Herz. Seine Hände bluteten und aus seiner
Brust strömte literweise Blut. Er starb innerhalb einer Minute.
Er lächelte die ganze Zeit.
Emma, noch ungerührt, starrte immer wieder aus dem Fenster. Ich habe
nur versucht, meine Gedanken zu verarbeiten, die reichlich vorhanden waren –
Ryan, der sich selbst erstach, war das geringste meiner Sorgen, um ehrlich zu
sein. Ich stützte mich gegen die Wand gegenüber von Ryan und sackte ein, bis
ich auf den Boden fiel. Ich setzte mich in eine fötale Position und betete,
dass der Doktor den Berg hinunterkommen würde.
Das Experiment hatte funktioniert, irgendwie. Der Raum verschwand und
wir erschienen genau drei Stunden in der Zukunft. Dr. Olsen sagte, dass er das
Fenster eingebaut hat, falls wir Lichter oder Blitze sehen konnten. Er wusste
nichts von der Leere. Nach Ryans Tod hat die Universität das Projekt bTaOw33
ziemlich schnell geschlossen, aber ich bezweifle, dass dies das Letzte war, was
die Welt davon sehen wird.
Dr. Olsen kann die Ereignisse nur aus meiner Sicht hören. Emma ist in
einem katatonischen Zustand. Sie hat seit ihrer Rückkehr kein Wort gesprochen
oder ein Geräusch gemacht – sie ist völlig unansprechbar. Es gibt keine
Anzeichen dafür, dass es ihr besser geht. Ich habe sie einmal in dem Haus
besucht, in dem sie jetzt lebt, und ich werde nie wieder zurückkehren.
Sie starrt auf die Wände, genau wie Ryan in die Leere starrte. Wenn es
da draußen einen Gott gibt, bete ich einfach, dass sie nicht mehr irgendwie dort
ist, an diesem Ort. Ich hoffe, ihr Verstand ist frei oder in Frieden.
Warum bin ich nicht katatonisch? Warum habe ich es gut überstanden?
Habe ich das Gleiche gesehen, was Ryan gesehen hat? Ich bin mir nicht sicher.
Ich versuche, nicht daran zu denken. Ich habe subjektiv länger gelebt, als irgendjemand
jemals erleben muss – um zu leiden. Ich
habe nicht den Mut, mich umzubringen, obwohl ich oft darüber nachdenke. Es ist
mir egal, ob ich durch das Teilen meiner Geschichte in Schwierigkeiten mit dem
Gesetz komme. Es ist therapeutisch, zu teilen. Und wie Dr. Olsen von Anfang an
sagte, wird mir sowieso niemand glauben.
Der Alltag stört mich nicht. Es macht mir nichts aus, mit Menschen zu
interagieren. Ich mag es wieder Essen zu essen oder eine schöne heiße Dusche zu
nehmen. Ich find es gut zu wissen, dass ich sterben kann, dass ich sterben
werde.
Es sind nicht die Wachmomente, die mich stören, nein. Es ist, wenn ich
schlafe. Meine Träume sind schrecklich und drehen sich fast immer um diesen Ort,
diesen Raum. Der Doktor sagt, dass es daran liegt, dass dieser Raum der Ort
ist, bei dem mein Gehirn denkt, dass es dort den größten Teil seines Lebens
verbracht hat. Er sagt, dass sie abnehmen werden, wenn meine Reize aus der
„realen Welt“ zunehmen.
Aber Träume sind nicht das Schlimmste am Schlafen.
Es ist jeder andere Moment zwischen den Träumen.
Wenn ich in der Besinnungslosigkeit versinke, so passiert es auch
meinem Körper und meinen Sinnen.
Mein Verstand ist immer noch aktiv, aber ich bin von dieser Leere umgeben.
Ertrinkt in seiner Leerheit.
Diese Farbe.
Dieses Nichts.
Jede Nacht.
Es verfolgt mich.
Ich hoffe zu Gott, dass ihr es nie seht.
Man merkt nie, dass es da ist.
Denn wenn man es tut –
Wird es nicht verschwinden.
Original:
[https://www.reddit.com/r/nosleep/comments/an0s3x/time_travel_is_not_what_you_think_its_like/ Teil 1]
[https://www.reddit.com/r/nosleep/comments/anq3zt/time_travel_is_not_what_you_think_its_like_part_2/ Teil 2]