Bahnübergang
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Dort stand er nun.
Hinter seinem Rücken scharten sich Hunderte von Schaulustigen, die lediglich durch ein Absperrband seines lokalen Polizeiteams vor dem Eindringen in den Tatort gehindert wurden.
Aber dies war kein Tatort, das wusste er.
Das hier war etwas anderes – etwas weitaus Verstörenderes.
Eine schweißgetränkte, blonde Locke fiel in sein Gesicht, doch davon nahm er keinerlei Notiz. Seit Stunden starrte er in die leeren Augenhöhlen der Toten, die inmitten der Gleise des Bahnübergangs lag.
Ihre Haare ähnelten vertrockneten, dunkelroten Zweigen, ihre knorrigen Hände lagen über ihrem Brustkorb gefaltet und hatten in ihrer jetzigen Position einen fast religiösen Anschein.
Ihre Haut blätterte von ihrem Körper ab, wie die Rinde einer Platane, das Fleisch darunter war pechschwarz gefärbt, wie Teer in den Lungen eines Kettenrauchers.
Nichts an ihr wirkte menschlich.
Ihr Tod, sofern sie denn je gelebt hatte, stellte keine Ausnahme dar.
Denn sie wurde nicht vom Zug überfahren, dafür gab es keinerlei Indizien. Ihr Zustand war bis auf das Fehlen der Augäpfel makellos gewesen, wenn man jenes Wort in einem Fall wie diesem verwenden konnte.
Er hatte die Präsenz des Gerichtsmediziners an seiner Seite fast schon vergessen, bis dieser zu Sprechen begann.
„Sie ist erfroren.“
Wie konnte er das nur in einem so ruhigen Tonfall sagen? Sah er nicht, was vor ihm lag?
Er fühlte sich eigenartig – eigenartig übergangen, missverstanden, ignoriert.
Seine Hände begannen zu zittern.
Nicht schon wieder.
„Warum fehlen ihre Augen?“
„Aber …“
„Warum ist ihr Haar so hölzern, ihr Gebaren so fremdartig, ihre Haut so zart und rissig, ihr Innerstes so dunkelschwarz, so schwarz wie die Nacht? Wo kommt sie her, wer oder was hat sie geschickt, in diese Welt eingeladen?“
„Bei allem Respekt, Detective …“
Was auch immer er als nächstes tat – es würde den Ausgang dieser Situation nicht mehr ändern.
Und das Schlimmste daran war, dass er allein an allem die Schuld trug.
Er selbst hatte sich in diese missliche Lage gebracht, aus der es nur einen Ausweg gab.
Ihm wurde speiübel.
Und mit roten, blutunterlaufenen Augen, die im Kontrast zu seiner blaugrünen Iris unheimlich bedrohlich wirkten, wand er sich der Menschenmenge zu.
Er sprach nicht, er schrie, während sich weißer Schaum an seinem Munde bildete.
„Was ist das hier? Wer von euch hat diesen Ort verflucht, wer hat den faulen Zauber ausgesprochen – so melde dich, Feigling!“
Die eben noch schaulustige Masse wurde nun von verängstigten, blassen Gesichtern geziert.
Einige Mütter nahmen ihre Kinder bei der Hand und eilten davon.
Seine Haare waren nun klitschnass und hafteten in großen, rankenartigen Locken an seiner kalten Stirn. Er sah an sich hinab.
Seine Kleidung, mit schwarzen Sporen übersät, wies an einigen Stellen Risse auf. Diese offenbarten eine dunkelrote, pulsierende organische Masse, die er nicht zu identifizieren wagte. Eine gleichfarbige Substanz tropfte in einem merkwürdigen, tranceartigen Takt auf den Boden. Er hob seine rechte Hand, um den Ursprung dieser zu verfolgen und erhaschte dabei einen Blick auf diese.
Der Handrücken war von steinernen, graublauen Venen überzogen, die sich in seinem Arm verliefen. Seine Fingernägel, lang und spitz, schnitten sich in das Fleisch seiner Handfläche während er diese zu einer Faust ballte.
Minuten vergingen.
Das leise Tropfen war inzwischen zu einem gewalttätig lauten Echo herangewachsen, welches seinen Kopf vereinnahmte.
Vergebens versuchte er, dagegen anzukämpfen.
Sein Haupt begann zu schmerzen.
Es fühlte sich so an, als säße irgendetwas darin. Als versuchte es, seine Augen auszukratzen.
In Höllenpein fiel er auf die Knie.
Diese prallten mit einem lauten Platschen in der von der Substanz gebildeten Pfütze auf, die der Farbe venösen Blutes glich.
Er wollte schreien, doch seine Gesichtsmuskeln ließen keinerlei Bewegung zu.
Sein Sichtfeld nahm erst eine rote Färbung an, bevor es gänzlich in milchigem Weiß erlosch.
Das Letzte, was sein steinernes Gehör vernahm, war die kratzige Stimme des Gerichtsmediziners.
„Überdosis.“