Lange

Damon Wolf: Die letzte Begegnung

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Das Licht, welches Damon durch die Bäume hindurch in der
Ferne gesehen hatte, schien immer näher zu kommen. Er hielt es mittlerweile für
überflüssig, noch zu rennen, schließlich war er anscheinend fast da und Zeit
war immer noch ein Gut, von dem er am meisten hatte. Von da an dauerte es keine
zehn Minuten mehr und schon war er dem Licht so nahe, dass er sehen konnte,
dass es leicht flackerte. Sollte es wirklich die Hütte sein, die Damon sucht, hätte
es ihn auch sehr verwundert, wenn es dort Strom und damit auch Licht geben
würde. Die Vermutung lag nahe, dass es sich um ein Kaminfeuer handelte,
zumindest hoffte er dass es kein Lagerfeuer war, sonst wäre er vermutlich doch
noch nicht am Ziel gewesen. Denn was er suchte war eine Hütte, das hatten ihm
seine Auftraggeber ausdrücklich zu verstehen gegeben.

Da er schon seit Stunden durch den Wald irrte und Damon sich
sicher war, dass die Sonne in wenigen Stunden aufgehen würde, war er extrem
erleichtert, als er an der Hütte ankam. Die Hütte war nicht besonders groß,
aber auch nicht so klein wie Damon es erwartet hätte. Der Blick von außerhalb
legte nah, dass die Hütte mehrere Räume hatte. Vielleicht zwei oder drei. Er
stand direkt vor der Tür, an dieser Seite der Hütte gab es nur ein einziges
Fenster. Das  Fenster, durch welches er das
Licht flackern sah.

Bevor Damon mitten in einer kalten Winternacht an einer
einsamen Hütte tief im Wald einfach so an die Tür klopfte, als wäre es das
normalste auf der Welt, wollte er einen Blick durch das Fenster werfen. Doch,
wie er feststellen musste, war die Scheibe zu dreckig um irgendetwas außer dem
Flackern des Feuers zu erkennen. Also entschloss sich Damon, anzuklopfen. Um
nicht in die Verlegenheit geraten zu müssen, mehrmals zu klopfen, klopfte er
gleich so stark, dass es den Bewohner der Hütte mit Sicherheit aufwecken
müsste. Er klopfte also dreimal so stark, dass die ganze Hütte zu vibrieren
schien. Irgendwie gab das Damon nicht das Gefühl, dass die Hütte besonders
stabil war. Er wartete. Aus der Hütte kam kein Geräusch. Kein Knarzen, keine
Rufe eines eventuellen Bewohners und auch sonst nichts. Das sagte Damon auch
leise vor sich hin:

„Nichts“.

Also beschloss er, nochmal zu klopfen. Diesmal noch stärker.
Kleine Dachlawinen aus Schnee rieselten vom Dach der Hütte.

Es dauerte etwa 30 Sekunden, bis Damon hörte wie jemand im
Inneren der Hütte die Tür aufschloss.

„Muss ja ein zuversichtlicher Mensch sein, der so ohne
weiteres die Tür aufschloss, wenn jemand nachts bei ihm klopft“, dachte sich
Damon.

 Die Tür wurde einen
Spalt geöffnet. Ein paar Augen blitzte durch diesen Spalt und man hörte eine
kratzige Stimme:

„Ja?“

Die Stimme klang irgendwie kalt und leblos und hätte er das
paar Augen nicht gesehen, würde er wohl nicht denken, dass die Stimme zu einem
menschlichen Individuum gehörte.

Damon holte seine Brieftasche aus seiner Jackentasche und
klappte diese um.

So kam ein Ausweis zum Vorschein, der den Menschen
normalerweise die Angst vor den Fremden nehmen sollten, die einfach so an ihrer
Tür klopfen, um ihnen Fragen zu stellen. Doch dieser alte Mann schien keine
Angst zu haben, erst recht nicht jetzt, als er ungefähr erkennen konnte, was der
Mann vor ihm aus seiner Jacke holte. Er dachte an die Polizei, oder vielleicht
sogar an das MI5. Doch was wollten die hier? Damon hielt dem Mann den Ausweis
an den Spalt. Da es sehr dunkel war und die einzige Lichtquelle, die die
Dunkelheit erhellte, das Feuer in seiner Hütte war, öffnete er die Tür ein
kleines Stückchen weiter, um lesen zu können, was auf dem Ausweis stand.
Plötzlich lief dem alten Mann ein eiskalter Schauer über den Rücken. Zeitgleich
sagte Damon:

„Agent Wolf. Die letzte Begegnung“.

Trotz der zahlreichen Mythen und Gerüchte die sich um die
„Letzte Begegnung“ rankten, fragte der alte Mann Damon, ob er den Ausweis
genauer sehen dürfte. Damon holte den Ausweis aus der Brieftasche und reichte
ihn dem alten Mann. Durch die mittlerweile etwas weiter geöffnete Türe erkannte
Damon nun, dass die Hütte entgegen seiner Vermutung doch nur aus einem
einzelnen Raum bestand. In der Hütte knisterte ein Kaminfeuer und ein scheinbar
gemütlicher Sessel stand mitten im Raum. Für den äußeren Anblick der Hütte war
die Einrichtung doch überraschend. Nicht modern, aber gemütlich. Dekorativ, auf
jeden Fall.

Der alte Mann inspizierte den Ausweis. Rechts am Rand befand
sich ein Bild des Agents vor ihm.  Lange,
schwarze Haare, ein ebenso schwarzer Dreitagebart stachen deutlich heraus. Die
eisblauen Augen aber waren wohl das markanteste an dem Gesicht des mysteriösen
Mannes. In einer gängigen, blauen Schriftart stand ganz oben über die komplette
Breite des Ausweises gestreckt: „The last encounter“.

Name: D. Wolf

Status: Agent

“Tätigkeitsbereich:
Außendienst“

Sicherheitsstufe: 4

stand links auf dem Ausweis untereinander gereiht. Direkt
daneben etwas gängigere Informationen zu Agent Wolf.

Körpergröße: 184 cm

Haarfarbe: Schwarz

Augenfarbe: Blau

Geburtsjahr: 1983

Ganz unten stand mittig:

Ausstellungsjahr: 2012

Und abschließend darunter ein Code, der womöglich zur Identifizierung
des Agenten dient.

„Darf ich eintreten?“

„Worum geht es denn?“ entgegnete ihm die kratzige Stimme.

„Mit Verlaub, es ist sehr kalt und ich laufe seit Stunden
durch diesen Wald, um sie zu finden, und wie sie sehen bin ich nicht gerade mit
warmen Klamotten ausgestattet“, antwortete Damon übertrieben förmlich. Doch es
stimmte, Damon trug nur einen etwas längeren Mantel, darunter ein weißes Hemd
und eine schwarze Hose, was ihn nicht wirklich vor der Kälte schütze.

„Nun, gut“.

Der Mann öffnete die Tür nun ganz und bat Damon herein.
Damon trat ein paar Schritte ins Innere der Hütte und sah, dass sich nirgends
in der Hütte ein Bett befand, auch keine Matte oder irgendwas worauf man
schlafen kann. Schlief der alte Mann auf dem Sessel? Müsste er dann nicht
starke Rückenprobleme haben? Denn für sein Alter war der Mann noch äußerst
wendig und beweglich. Aber man sah ihm definitiv an, dass er schon älter war,
mindestens 70 schätzte Damon.

Neben dem Sessel stand ein Tisch, darauf eine angebrochene
Flasche Cognac und ein halbvolles Glas, vermutlich ebenfalls Cognac. Bilder
hingen an der Wand, die Toilette befand sich wohl in der kleinen Holzkabine, die
Damon draußen aufgefallen ist.

Der Mann ließ sich in den Sessel fallen. Er richtete den
Blick auf das Glas Cognac und Damon sah ihm an, wie er der Versuchung widerstand,
noch einen Schluck zu nehmen. In einer Ecke der Hütte stand ein alter
Schreibtisch mit Büchern, Briefen und Zetteln, die darauf verteilten. Ein kleines
Notizbuch erweckte Damons Aufmerksamkeit. Es war auffällig rot und eine erstaunlich
große, rötlich-braune Feder lag direkt daneben. Das Buch war, abgesehen von
seiner Farbe, zwar nicht wirklich auffällig, doch irgendwas daran interessierte
Damon.

Jedoch wollte er sich nicht davon ablenken lassen und so
stellte er seine Umhängetasche auf dem Schreibtisch ab und nahm eine dicke
Mappe heraus. Während er sie in der Hand hielt, drehte er sich zu dem alten
Mann um und blätterte durch die Mappe. Dem Mann fiel währenddessen auf, was auf
dem Cover der Mappe stand.

Fall 4291 C

B, L & Z

Außendienst

“Benötigte
Sicherheitsstufe: 3“

“Top Secret/Streng
geheim“

Damon, der nach wie vor durch die Mappe blätterte, bemerkte
jedoch wie der alte Mann das Cover las. Er sah ihm an, dass er überlegte was „B, L & Z“ bedeuten könnte. Endlich
erreichte Damon die Seite, die er gesucht hat. Er nahm sie heraus und verglich das
Gesicht des alten Mannes mit dem Bild auf dieser Seite. Kein Zweifel, er hatte
seinen Mann gefunden.

„Nun denn, Mister Bancroft. Wenn sie gestatten, würde ich
ihnen nun gerne ein paar Fragen stellen. Sicher sind sie daran interessiert, zu
wissen worum es denn überhaupt geht. Wir sind daran interessiert, herauszufinden,
wo sich drei gewisse…“

Damon zögerte.

„…Personen befinden“, fuhr er fort. „Eine unserer
Abteilungen hat herausgefunden, dass sie, Mr. Bancroft, uns möglicherweise
helfen können“.

„Entschuldigen sie die Unterbrechung, Agent. Doch wüsste ich
etwas über drei Personen, die so viel Mist gebaut haben, dass selbst die letzte
Begegnung nach ihnen sucht, dann wäre ich schon längst bei der Polizei gewesen.
Ich meine, die müssen ja schon ordentlich was verbrochen haben, wenn sie, Agent,
wegen ihnen den Weg hierher zu mir auf sich genommen haben“.

„Das kann man so sagen, ja. Aber ich will nicht behaupten,
dass sie wissen, wo diese drei sind. Aber sie könnten uns eine große Hilfe sein.
Darf ich beginnen?“

Mr. Bancroft nickte ihm zustimmend zu.

„Nun, hier steht…“

Damon sah wieder auf die Seite aus der Mappe und zitierte.

„…hier steht, dass diese Hütte ihr einziger Grundbesitz
ist. Sie besitzen weder ein Haus noch sind sie irgendwo eingemietet“.

Er sah den alten Mann wieder an.

„Auf meinem Weg hierher bin ich nicht davon ausgegangen, dass
sie hier Strom hätten, doch eben ist mir draußen aufgefallen dass neben der
Hütte ein Stromaggregat steht. Und das…“

Damon machte ein paar Schritte und blieb vor einer weißen
Truhe stehen. Er klopfte demonstrierend darauf.

„…das ist wohl eine Kühltruhe, nehme ich an? Sie leben
hier also keineswegs abgeschnitten von der Außenwelt und ernähren sich nicht
nur von dem, was sie ohne Strom lagern und zubereiten können. Nur würde mich
interessieren, woher sie ihre Vorräte bekommen. Es gibt keine Straßenanbindung
zu ihrer Hütte und ein Auto besitzen sie auch nicht, zumindest nicht hier. Laut
der Karte, die ich auf dem Weg hierher gelegentlich benutzt habe, ist die
nächste Stadt mit einem Supermarkt mindestens 20 Kilometer von hier entfernt. Also
wie überleben sie hier draußen?“

Bancroft sah ihn entgeistert an. Damon öffnete währenddessen
die Kühltruhe und sah selbstbestätigend hinein.

„Es stimmt. 20 Kilometer bis zum nächsten Supermarkt. Die nehme
ich jeden Samstag auf mich und laufe mit einem Schlitten, den ich hinter mir
herziehe, dorthin. Dort kaufe ich mir meine Vorräte für die nächste Woche und
ziehe sie auf dem Schlitten wieder hierher zurück. Im Sommer ersetze ich den
Schlitten durch einen kleinen Bollerwagen“.

„Woher haben sie das Geld dafür? Es sieht nicht so aus, als
würden sie arbeiten“.

Bancroft räusperte sich.

„Ihre Unterlagen müssen fehlerhaft sein. Diese Hütte ist
nicht mein einziger Grundbesitz. Dieser ganze Wald ist mein Besitz. Ich
verpachte Teile des Waldes an Förster und Jäger, das Geld überweisen sie mir.
Ich besitze ein Bankkonto, die Bank befindet sich auch in der Stadt. Aber wieso
wollen sie das alles wissen, Agent?“

Damon lächelte ihn an.

„Es hat mich nur interessiert“. Damon legte die Seite wieder
zurück in die Mappe und packte die Mappe in seine Tasche. Dann holte er eine
andere Mappe raus und drehte sich wieder zu Bancroft. Dann blätterte er in
dieser Mappe rum. Bancroft sah wieder auf das Cover.

Fall 4291 D

S & R

Außendienst

“Benötigte
Sicherheitsstufe: 2“

Confidential/Vertraulich

„Mr. Bancroft, wie lange leben sie schon in dieser Hütte?“

Bancroft überlegte kurz.

„Etwa fünf Jahre“. Er rechnete nochmal nach. „Ja, das kommt
hin“.

„Wo haben sie zuvor gelebt?“

„Madagaskar“.

„Wie lange?“

„So lange ich denken kann. Ich wurde dort geboren“.

Damon nahm einen Kugelschreiber. Für Bancroft sah es aus,
als würde er etwas aufschreiben, doch eigentlich hakte Damon einzelne Zeilen auf
einer Seite in der Mappe ab.

„Wie alt sind sie, Mr. Bancroft?“

„Steht das nicht in ihren Unterlagen, Agent?

Damon sah ihm in die Augen. Er machte sein Pokerface, sein
Boss sagte ihm immer, dass er das besonders gut könne.

„Doch, aber ich möchte es bitte von ihnen hören“.

Bancroft wurde leicht nervös, doch das fiel Damon nicht auf.
Er überlegte, dachte nach.

„Dreiundsiebzig“, sagte Bancroft mit gespielter
Selbstsicherheit.

Damon sah wieder in die Mappe und suchte. Dann hakte er
wieder eine Zeile ab.

„Korrekt“.

„Natürlich“.

„Okay, Mr. Bancroft, ich bitte sie, mir etwas über
Madagaskar zu erzählen. Wie war ihr Leben dort, haben sie gearbeitet? Hatten
sie Geschwister? Warum sind sie aus Madagaskar hierher gezogen? Ich möchte
alles wissen, ich bitte darum!“

Er richtete seine geöffnete Hand auffordernd auf Bancroft.
Während Bancroft begann, zu erzählen, blickte Damon kurz unauffällig auf die
verdreckte Fensterscheibe, die ihm schon aufgefallen ist, bevor er geklopft hat.

Mike presste sein Ohr von außen gegen das Fenster. Er
verstand nicht alles, was sein Partner mit Bancroft sprach, da das Fenster
ziemlich dick war, doch das nötigste hatte er mitbekommen. Er wusste, dass
Damon Bancroft nur bat, seine Lebensgeschichte zu erzählen, damit Mike Zeit
hatte, nachzudenken. Er holte sein Handy raus und checkte, ob er Empfang hatte.
Dann öffnete er die verschlüsselte Mail-App und begann zu schreiben:

An: Salmon Gabe

“Boss, Agent Wolf ist
an ihm dran. Er muss sich ziemlich sicher sein, kommen sie so schnell wie
möglich. Kommen sie mit dem Helikopter, in der Nähe ist eine Lichtung zum
Landen. Ich schicke ihnen die Koordinaten und warte dort. “

-Madox

Mike schickte die Mail ab. Seine Arbeit war hier getan. Er
zündete sich eine Zigarette an und machte sich auf den Weg zu der Lichtung.  

„Danach habe ich, bis ich hierher gezogen bin, seit
dem Tod meiner Eltern, mit meinen beiden Brüdern zusammen gewohnt. Wir wohnten
im Haus unserer Eltern. Nachdem beide ihr eigenes Leben wollten und beide vom
Duft des Abenteuers woanders hingezogen wurden, sah ich keinen Sinn mehr, in
Madagaskar zu bleiben. Dieser Wald gehörte meinem Vater, der selbst in der Nähe
wohnte, bis er Mutter kennen lernte und nach Madagaskar zog. Den Wald hat er mir
vererbt und ich nutzte die Chance und richtete mich hier ein“, erzählte
Bancroft zu Ende.

„Wo sind ihre Brüder hingezogen?“ fragte Damon.

„Der älteste hat uns nie gesagt, wo er hingeht. Er wollte
nicht, dass wir ihn finden. Der zweitälteste flog nach Persien“.

„Nach Persien? Sie meinen in den Iran?“

„Natürlich. Alte Gewohnheiten, tut mir leid.“

Da der Mann angeblich 73 war und Damon wusste, dass der Name
„Persien“ schon seit 1935 inkorrekt ist, konnte es unmöglich eine „alte
Gewohnheit“ sein, es sei denn, der Mann vor ihm war doch älter als er behauptete
und als es die Unterlagen vorgaben. Damon fragte sich, ob Mike noch zuhörte,
denn das eben Gesagte wäre bestimmt interessant für ihn gewesen.

Während Damon dem Mann noch diverse mehr oder weniger
relevante Fragen stellte, um Zeit zu schinden, wartete Mike auf der Lichtung.
Die Zeit verstrich, und nach 20 Minuten hörte Mike das Brummen eines
Helikopters in der Ferne. Die Lichter seitlich am Helikopter zeigten ihm, dass
er immer näher kam, bis er schließlich mehrere hundert Meter über der Lichtung
in der Luft stand. Langsam sank er ab, was für Mike das Zeichen war, in Deckung
zu gehen. Die Windstöße der Rotoren 
drückten die Bäume um die Lichtung herum seitlich weg und selbst Mike
musste stark kämpfen, um nicht von der gewaltigen Kraft der Propeller
umgestoßen zu werden. Der Helikopter landete und ein Mann stieg aus. Er sah
jung aus für sein Alter, hatte eine glatte Haut und blonde, nach hinten gegelte
Haare. Er und Mike hatten eine gewisse Ähnlichkeit, nur dass Mike einen weniger
bedrohlichen Gesichtsausdruck hatte.

Da er direkt unter den Rotoren stand, schaute er dem
Helikopter unbekümmert beim Abheben zu. Nach nicht einmal zwei Minuten war der
Helikopter wieder in der Ferne verschwunden.

Mike kam aus seiner Deckung raus und reichte seinem Boss die
Hand.

„Madox“.

„Operator Gabe?“

„Ich hoffe die Hütte ist weit genug weg, damit das Ziel uns
nicht gehört hat?“ fragte Salmon Gabe mit einem sarkastischen Unterton.

„Das ist sie. Wolf ist noch nicht fertig mit der Befragung,
wenn alles glatt läuft, bekommen wir noch heute die ungefähren Standorte aller
Ziele“.

Plötzlich vibrierte Madox´ Handy. Er holte es aus der
Hosentasche und sah eine SMS von Damon.

Bancroft ist R.

-Wolf

Madox zeigte die Mail seinem Boss. „Er ist sich
hundertprozentig sicher, sonst würde er mir nicht schreiben. Wer weiß, was ihm
der alte Mann noch erzählt hat.

„Agent Wolf, gestatten sie mir, kurz die Hütte zu verlassen
und auf die Toilette zu gehen?“

„Selbstverständlich, es ist ihr Heim. Nur zu!“

Bancroft stand auf und ging zur Tür. Damon sprintete vor dem
Mann zur Tür und hielt sie ihm auf. Bancroft bedankte sich höflich, schlüpfte
in seine Schuhe und ging nach draußen. Damon steckte den Kopf nach, um
sicherzugehen, dass Mike wirklich weg war. Danach ging er wieder zum Schreibtisch
und bemerkte wieder das Notizbuch. Er öffnete es und ein kleiner,
zusammengefalteter Zettel fiel heraus. Damon fragte sich, ob es angebracht
wäre, den Zettel zu öffnen und dachte sich, dass es in Anbetracht der Umstände keinen
Unterschied mehr machte. Also faltete er ihn auf und sah, dass es ein Brief
war.

Liebster Bruder,

“Ich dachte es
interessiert dich, dass ich nun wieder in Vaters alter Hütte lebe. Ich hoffe du
bist nicht sauer, dass ich herausgefunden habe, wo du dich versteckst. Salim
ist wieder in Persien, er hatte kein Interesse zu bleiben, nachdem du weg warst.
Ich wollte dir mit diesem Brief nur mitteilen, dass ich in Sicherheit bin und
keiner nach mir sucht. Solltest du jemals Hilfe brauchen, dann melde dich. “

In Liebe,

Roch

Ein Brief für Bancrofts ältesten Bruder, doch er wurde nie
abgeschickt.

Damon hörte Schritte im Schnee und faltete schnell den
Zettel zusammen. Als er den Zettel zurück in das Buch legte, bemerkte er einen
anderen Zettel, der in dem Buch versteckt war. Auch er war zusammengefaltet und
auf dem obersten Blatt stand nur ein Buchstabe:

B.

„Schon wesentlich interessanter“, dachte sich Damon und
steckte den Zettel ein. Bancroft kam zurück in die Hütte, zog sich die Schuhe
aus und setzte sich wieder in den Sessel.

Damon merkte, wie sein Handy vibrierte und sah darauf. Eine
Antwort von Mike.

“Alles klar. Gabe ist
hier, sind unterwegs.“

-Madox

Zufrieden steckte er das Handy weg.

„Mr. Bancroft, es ist Zeit, das Gespräch zu beenden. Ich hoffe,
ich habe ihre Zeit nicht zu sehr verschwendet und bedanke mich für ihre Hilfe“.

„Im Gegenteil, es war eine Freude hier draußen mal jemanden
zu sehen. Ich habe in einer Kiste einen alten Wintermantel, falls es draußen zu
kalt ist können sie ihn gerne haben. Der Weg ist weit“.

„Oh, ich habe keineswegs vor, die 20 Kilometer zu laufen“.

Bancroft sah ihn verdutzt an.

„Was meinen sie?“

Damon schlug seinen Mantel nach hinten und zog einen Revolver
aus dem Halfter. Er zielte mitten auf Bancrofts Gesicht.

„Sehen sie sich als Gefangenen, Roch!“

Roch blieb erstaunlich ruhig.

„Sie haben mich durchschaut, Agent. Es hätte mir von Anfang
an klar sein sollen, worauf sie aus sind“.

„Wissen sie denn, worauf ich aus bin?“

„Natürlich. Die menschlichen Namen und Standorte von ihnen
allen. Es war Zufall, dass sie mich gefunden haben, nicht? Aber sie wissen
nichts. Rein gar nichts“.

„Wir wissen, dass Simorgh unter dem Namen Salim im Iran
lebt. Den Rest bekommen wir noch raus. Und durch ihn kommen wir an den ältesten
ran…“ Damon lächelte schadenfroh. „Ziz“.

„Was wollen sie von uns? Uns töten?“

„Wir wollen verhindern, dass ihr fünf die Welt vernichtet“.

„Fünf?“

„Sicher weißt du wen ich meine, Roch“.

Rochs Augen blitzten auf. Er ließ den Kopf sinken.

„Den Leviathan“.

Damon nickte zustimmend.

„Das ist außerhalb eurer Gehaltsklasse. Sobald der Leviathan
bemerkt, dass ihr auf der Suche nach ihm seid, wird er dafür sorgen, dass die
gesamte „letzte Begegnung“ ausgelöscht wird“.

„Du weißt ja noch nicht mal alles“. Trotz der Einschüchterung
von Roch war Damon voll Freude und Stolz. „Es geht noch weiter. Sobald dein
ältester Bruder Ziz uns verraten hat wo wir den Leviathan finden…“

„Vorausgesetzt er tut es“, unterbrach Roch ihn.

„Das wird er. Sobald er es uns verraten hat finden wir auch
raus, wo wir den letzten finden“.

„Den letzten…“ murmelte Roch vor sich hin“.

„Noch wissen wir nicht, wie er heißt, doch das wird uns das
hier…“

Damon holte den Zettel, den er aus dem Notizbuch gestohlen
hat, aus der Tasche und hielt ihn in Rochs Richtung.

„das wird uns das hier sicherlich verraten“.

Als Roch bemerkte, dass der Agent den Zettel hatte, verlor
er jegliche Menschlichkeit. Er sprang aus dem Sessel auf und begann auf  bestialische Art und Weise zu schreien. Damon
konnte Wut und Verzweiflung aus diesem Schrei heraushören. Er hörte nicht auf
zu schreien und nahm gleichzeitig eine erstaunliche Verwandlung vor. Damon
hatte schon viel erlebt, aber das war selbst für ihn etwas Neues. Auf Rochs Oberkörper,
auf seinen Extremitäten und dort, wo früher Haare waren und jetzt eine
Halbglatze, wuchsen Federn. Rochs Körper wuchs in erstaunlicher
Geschwindigkeit. Er windete sich unter Schmerzen, die die plötzliche
Metamorphose hervorrufte. Plötzlich stoppte der animalische Schrei und Roch
schlug Damon zur Seite. Er rannte durch die Tür und hinaus in das Weite des
Waldes.

Damon rappelte sich auf und rannte ihm hinterher. Die Sonne
war mittlerweile schon am Aufgehen und die Bestie rannte unaufhaltsam durch den
Wald, aus seinem Rücken wuchsen langsam Flügel, die immer größer wurden und
jeden Baum, der in ihrem Weg war, aus dem Weg räumten. Während Damon Roch
verfolgte, war er fasziniert von der Verwandlung, doch er wusste das Roch
sterben musste, sonst würde er seine Brüder, den Leviathan und den letzten
warnen. B.

Rochs Flügel hatten mittlerweile eine Spannweite von mehreren
Metern und der Körper von Roch war annähernd vier Meter hoch. Dort, wo er
entlang gerannt war, hatte er eine tiefe Schneise in den Wald gerissen, die
Flügel haben alles aus dem Weg gerissen. Plötzlich bemerkte Roch, dass er auf
zwei weitere Agents zu rannte, die beide mit Revolvern auf ihn zielten. Also
sprang er ab und wedelte mit den Flügeln.

Er war seit Jahren nicht mehr geflogen. Es fühlte sich
befreiend an, endlich wieder in die Lüfte emporzuschießen. Majestätisch drehte
er seine Kreise über dem Wald. Alte Federn wirbelten durch die Luft.

Auch wenn Damon nicht viel hatte, eins hatte er mit Sicherheit:
Er war zielsicher. Er zielte mit dem Revolver auf Roch und wartete auf den
richtigen Moment. Er drückte ab und die Kugel bahnte sich ihren Weg in die
Luft. Es waren nur wenige Sekunden und die Kugel traf Roch mitten in sein
Vogelherz. Wie in Zeitlupe sackte er in sich zusammen, bis er mit einem Schlag
wieder auf dem kalten, verschneiten Waldboden landete. Überall flogen Federn,
inmitten welchen ein toter, meterhoher Vogel lag. Damon lief langsam auf ihn zu
und zielte weiter auf den Vogel. Doch es dauerte keine zehn Sekunden bis der
Vogel wieder die Gestalt eines alten Greises annahm. Nun kamen auch Mike und
Salmon hinzu. Wortlos starrten sie auf den Vogel.

Plötzlich unterbrach Mike das Schweigen.

„Lief nicht ganz nach Plan, was?“

„Nicht wirklich“, antwortete Damon, „aber wir haben den
Vornamen von Simorgh… er wohnt im Iran“. Er wird uns verraten wo Ziz ist.
Und…“, sagte Damon als er den Zettel mit dem „B“ aus der Tasche holte, „wir
haben vermutlich Informationen über B. Ich hatte keine Gelegenheit den Zettel
anzusehen, vermutlich wird er sie interessieren, Boss“.

Er reichte Salmon Gabe den Zettel. Dieser nahm ihn entgegen.

„Danke. Ich werde ihn weiterreichen. Man erwartet unsere
Informationen an oberster Stelle. Tut mir einen Gefallen. Lauft zur Lichtung
und beordert den Helikopter her. Ich sehe mich in der Hütte um.

Mike und Damon liefen los und nachdem sie außerhalb von
Salmons Sichtweite waren, kniete sich Salmon vor dem Leichnam nieder. Er
öffnete den Zettel und las.

Behemoth

“Der Behemoth ist mit
dem Leviathan und meinem Bruder Ziz eines der mächtigsten Urwesen der Welt. Er
lebt schon einige Jahrtausende länger als wir anderen vier und nichts ist
seiner Macht gewachsen.“

Darunter hatte Roch eine ausgerissene Bibelseite eingeklebt.

“Siehe, der Behemoth, den ich neben dir gemacht habe, frißt
Heu wie ein Ochse.
Siehe, seine Kraft ist in seinen Lenden und sein Vermögen im Nabel seines
Bauchs.
Sein Schwanz strecket sich wie eine Zeder, die Adern seiner Scham starren wie
ein Ast.
Seine Knochen sind wie fest Erz, seine Gebeine sind wie eiserne Stäbe.
Er ist der Anfang der Wege Gottes; der ihn gemacht hat, der greift ihn an mit
seinem Schwert.
Die Berge tragen ihm Kräuter, und alle wilden Tiere spielen daselbst.
Er liegt gern im Schatten, im Rohr und im Schlamm verborgen.“ 
(Hiob, Kap. 40 Z. 15-21)“

 Salmon warf den Zettel zur Seite. Seine Augen starrten wie
gebannt auf den Leichnam.

Plötzlich wechselten seine Augen die Farbe, aus einem grün
wurde ein höllisches Rot. Sein kompletter Körper wuchs, seine Hände und Füße
verwandelten sich langsam in Hufe, seine Haut wurde rot-orange. Aus seinem Kopf
wuchsen Hörner und an seinem Steißbein wuchs ein meterlanger Schwanz, der
aussah, als könnte er alles wegpeitschen, was ihm im Weg stand. Operator Gabe
verwandelte sich in einen massiven, majestätischen, schuppigen Ochsen.

Behemoth

Er begann, sich am Leichnam von Roch zu laben. Er genoss es,
diesen Urvogel zu essen, denn so wie dieser Vogel sich für ihn interessierte,
interessierte auch der Behemoth sich für den Roch.

“Das verzehrte Fleisch eines
erlegten Roch verjüngt einen Menschen und verleiht ihm ewige Jugend.“

Fortsetzung folgt.

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