ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Prächtig und groß steht die Nordmanntanne in unserem Wohnzimmer. Schwer beladen mit Christbaumkugeln und Glöckchen, mit
elektronischen Kerzen, Lametta und einem Stern als Spitze. Wir haben alle anderen Lichter ausgeschaltet. Es leuchtet nur noch der Baum und der Adventskranz drüben auf dem Tisch. Im Hintergrund läuft leise Chris Reas „Driving home for Christmas“. Mir liegt immer noch der Geruch von den Plätzchen in der Nase, die wir gerade gegessen haben.
„Jetzt ist es Zeit für die Bescherung“, hast du gesagt und wir sind beide aufgestanden und haben die Verstecke geplündert, die wir tagelang voreinander geheim gehalten haben. Ich hoffe, dir gefällt, was ich für dich habe. Es ist nicht viel, aber es kommt von Herzen und es ist
wundervoll verpackt.
Weißt du noch, wie wir gemeinsam spazieren waren? Es war Anfang Dezember und uns ist ein alter Herr entgegengekommen, der einen prächtigen Siegelring am Finger trug. Er hat echt ausgesehen, nicht wie billiger Kitsch. Wie ein Familienerbstück. Du hast dir freundlich an den Hut getippt, als er uns entgegengekommen ist und dann hast du dich zu mir gebeugt und deine Bewunderung für den Ring flüsternd gestanden.
Ich bin so gespannt, was du sagst, wenn du siehst, was ich für dich habe!
Schnaufend kommst du zurück ins Wohnzimmer. Deine Hände sind leer. Nun – fast leer. Du drehst das Briefmesser von deinem Schreibtisch zwischen den Fingern. Das ist mein Geschenk? Es ist nicht mal verpackt!
Jetzt legst du es auf den Küchentisch. Es ist nicht mein Geschenk. Da ist überhaupt kein Geschenk. Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass ich nicht enttäuscht wäre, dass ein Kuss alles ist, was ich bekomme. Lächelnd schaust du auf den bunt verpackten Quader in meinem Schoß hinab. „Das ist für mich?“, fragst du.
Ich nicke und halte dir dein Geschenk hin. Du nimmst es entgegen und beginnst, es auszupacken. Unter dem Geschenkpapier
befindet sich eine blaue Box, etwa tennisballgroß. Als du sie aufklappst, weiten sich deine Augen vor Erstaunen. Ich lächle scheu. „Gefällt es dir?“
Fassungslos schaust du zu mir hoch und nickst. Ich bekomme noch einen Kuss, einen längeren dieses Mal. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du kein Geschenk für mich hast. Andererseits, was rege ich mich überhaupt so auf? Bin ich so oberflächlich? Brauche ich Geschenke, um dich zu
mögen, zu lieben? Nein. Ich sollte mich wirklich nicht so anstellen.
Als du dich von mir löst, hast du dieses Lächeln auf den Lippen. Ich nenne es in Gedanken immer dein Haifischlächeln. Ein bisschen gierig, ein bisschen verrückt, ein bisschen anders. Verschwörerisch. Und es macht mich auch ein bisschen heiß.
Du nimmst meine Hand und hilfst mir auf die Beine. „Komm. Schau, was ich für dich habe.“
Also doch
ein Geschenk! Neugierig lasse ich mich von dir aus dem Wohnzimmer führen. Mir
entgeht nicht, dass du in einer beiläufigen Bewegung das Briefmesser vom Tisch
klaubst und ich frage mich, wieso.
„Es ist ziemlich groß“, sagst du mit deinem Haifischlächeln. „Hoffentlich gefällt es dir.“
„Bestimmt“, erwidere ich und tätschelte deinen Arm mit der Hand, die du nicht fest mit deinen Fingern umschlossen hast. Wir gehen in die Garage. Du stößt die Tür auf und da liegt es, direkt vor mir: Mein Geschenk. Ich bin vor Überraschung ganz sprachlos. Sachte drückst du mir das
Briefmesser in die Hand. Jetzt erst verstehe ich – ein so großes Geschenk, das so derartig gut verpackt ist, mit den Fingern zu öffnen, wäre eine Heidenarbeit.
Aufgeregt drehe ich mich noch einmal zu dir um und
küsse dich schnell, dann gehe ich, zitternd vor Spannung, in die Knie und befühle, was du mir mitgebracht hast. An manchen Stellen hart, an anderen eher
weich. Manchmal auch irgendetwas dazwischen.
„Na los“, sagst du grinsend, „pack es aus.“
Also zücke ich das Briefmesser und setze es an. Du
musst es gut geschärft haben. Ich übe nicht einmal richtig Druck aus und die weiße Hülle teilt sich schon. Was darunterliegt, ist rot und kann es kaum erwarten, ausgepackt zu werden. Ich fange langsam an. Ich mag das Kribbeln der Aufregung, also ziehe ich es in die Länge.
Ein sauberer, gerader Schnitt. Dann noch einer. Die beiden Linien laufen zu einem umgedrehten V zusammen. Ich schiebe das Messer unter die Spitze und lockere sie ein wenig. Dann nehme ich die weiße, von feinen Härchen überzogene Verpackung zwischen Klinge und Daumen; packe fest zu. Ein bisschen, wie eine Orange zu schälen. Nur etwas zäher.
Ruckartig reiße ich meine Hand nach unten. Die weiße Verpackung löst sich und mein gefesseltes Geschenk bäumt sich keuchend auf. Ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Die Augen sind weit aufgerissen, wie im Wahn. Aber du hast es in weiser Voraussicht nicht nur gefesselt, sondern auch geknebelt. Gedämpfte, animalische Laute sind alles, was es mit bebenden Nasenflügeln ausstoßen kann. Keine nervtötenden Schreie oder Gnadengesuche. Geschenke sollten weder schreien noch betteln.
Sorgfältig löse ich den ersten Teil der Verpackung und setze zu einem neuen Schnitt an. Dieses Mal widme ich mich den Händen. Hände sind immer eine furchtbare Kleinstarbeit, aber wenigstens eine, die sich lohnt. Das Spiel der Sehnen, Knochen und Adern – denn aus etwas anderem bestehen Hände kaum – ist fabelhaft. Selbst in gefesseltem Zustand noch.
Ich jauchze vor Freude. Du siehst mir lächelnd zu
und drehst die Schachtel mit deinem eigenen Geschenk nachdenklich zwischen deinen Fingern.
Noch ein Schnitt. Ein richtig langer dieses Mal. Quer über die gesamte Brust. Ihm folgen drei weitere, bis ich mit dem Briefmesser ein perfektes Quadrat gezeichnet habe. Ungeduldig sprengt das Rot die weiße Hülle, kann es kaum erwarten, davon befreit zu werden. Ich drehe mich zu dir um. „Hilfst du mir?“, frage ich lächelnd.
Du legst den Kopf schräg. „Mit Vergnügen!“
Also legen wir gemeinsam Hand an, suchen uns
Stellen, die nicht so glitschig sind, dass wir mit den Fingern abrutschen könnten. Als wir sie gefunden haben, schauen wir uns tief in die Augen. „Auf drei“, sage ich.
Du nickst.
„Eins. Zwei. Drei.“
Wir reißen mit ganzer Kraft. Das Geschenk bäumt sich auf, hat aber keine Chance. Der große Lappen Geschenkpapier liegt mir schwer in den Händen. Was darunter liegt, ist einfach wunderbar. Ich grinse und kann nicht mehr aufhören.
Wir lassen uns stundenlang Zeit. Mein Geschenk
zappelt fast bis ganz zum Schluss. Erst, als ich merke, dass es schwächer und schwächer wird, beschließe ich schweren Herzens, dass es jetzt fast vorbei ist. Ich bin bis zu den Ellenbogen rot. Du auch. Sachte setze ich das Briefmesser zu seinem letzten Schnitt an. Knapp über der Stelle, an dem einmal ein Ohr war. In
künstlerischer Präzision male ich die ebenmäßige Haarlinie nach, die von Schweiß schon ganz verklebt ist. Von links nach rechts. Die lidlosen Augen rasen umher, als stecke der Teufel persönlich in diesem Körper. Vielleicht tut er das ja. Gleich ist es vorbei, so oder so.
Ich grabe meine Fingernägel in den soeben
gesetzten Schnitt. Das Geschenk zappelt ein bisschen, aber es weiß, dass es fast ganz ausgepackt ist und stellt seinen Widerstand dagegen mehr und mehr ein. Ich schaue hoch in dein Haifischlächeln.
„Frohe Weihnachten“, sagst du.
Jetzt kommt es mir irgendwie dumm vor, dass ich auch nur eine Sekunde lang gedacht habe, du würdest mir nichts schenken. Außerdem scheint mir mein Geschenk noch viel kleiner zu sein als es sowieso schon ist. Ein Finger mit einem Siegelring. Lächerlich im Vergleich zu der Freude, die du mir gemacht hast.
Ich lächle zurück. Dann reiße ich den Skalp bis
hinter zum Nacken vom blanken Schädelknochen. Augenblicklich wird es still. Nur mein Flüstern hallt noch durch die Garage.
„Dir auch frohe Weihnachten.“