Das Haus hinter den Eichen
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Zwei gewaltige, gerade gewachsene
Eichen flankierten den Zugang zum Haus. Dahinter erstreckte sich eine große Rasenfläche, der man den Mangel an Pflege überdeutlich
ansah, das Gras reichte einem Erwachsenem bis zu den Knien. Zwischen
den Ritzen der Steinplatten des Weges zum Haus wuchsen Gräser und
Moos. Neben den Eichen wuchs eine lange, fast zwei Meter hohe hecke,
die das Grundstück, das ein wenig abseits lag, abzugrenzen. Das Haus
selbst fiel dem Betrachter zuallererst durch seine merkwürdigen
Proportionen auf. Es wirkte mit seinem kleinem Türmchen und der sich
eindrucksvoll auftürmenden Fassade wie zum Sprung bereit, während
es sich nach hinten deutlich abflachte. Stellenweise fehlten ein paar
rote Ziegel auf dem Dach, sodass es wie ein Gebiss mit Lücken
aussah. Ein großes Haus, das in der Nähe einer der schönsten
Wohnsiedlungen lag. Marius fand es sehr hässlich.
An diesem heißen Augustnachmittag
schien alles träge. Selbst die vielen Insekten schienen eher lustlos
herumzufliegen. Die Sonne stach Marius im Nacken. Er war
hierhergekommen, um sich ein wenig die Zeit zu vertreiben. Eigentlich
hatte er mit Jimmy gehen wollen, oder vielleicht mit Hannes, aber die
hatten beide keine Zeit. Also war er allein hergekommen, nur mit
seiner selbstgebauten Steinschleuder. Er hatte vor, ein paar
Fensterscheiben einzuschießen (Sie waren alle noch ganz, merkwürdig,
bei so einem lange leerstehenden Haus) und vielleicht sogar
hineinzugehen. Vielleicht.
Er ging zwischen den beiden Eichen
hindurch. Der stechende Gestank von Gerbsäure ekelte ihn, weshalb er
seine Schritte beschleunigte. Da fiel ihm auf einmal etwas in den
Nacken. Aus einem Reflex heraus griff er sich sofort an die Stelle,
und als er seine Finger zurückzog, waren sie schwarz und rochen
faulig. Angewidert verzog er das Gesicht. Er machte einen Schritt zur
Seite, um nicht noch einmal einen Tropfen abzukriegen und blickte zu
den Bäumen hoch. Sie standen völlig still da, ihre Blätter wurden
von dem leichten Windhauch, der ab und an sein leises Wispern
anstimmte, nicht bewegt. Sie mussten sehr alt sein. Wie zwei Wächter
eines Schatzes. Oder wie zwei Wächter die etwas bewachten, was nicht
heraus durfte…
Auf was für Gedanken kam er da nur? Um
sich selbst zu beweisen, das er keine Angst hatte, ging er noch ein
paar Schritte vorwärts und legte dann einen Stein in die Lasche
seiner Schleuder. Er spannte das Gummi, zielte sorgfältig auf eine
Scheibe. Sie sahen wie von einer Krankheit getrübt aus. Hinter ihnen
war es, obwohl die Sonne in manche hineinschien, überall dunkel. Er
ließ die Lasche los. Mit einem leisen Schnalzgeräusch schnellten
die beiden Gummibänder zurück und schossen den kleinen Kiesel ab.
Er riss genau in die Mitte ein fast faustgroßes Loch ins Glas, die
Scheibe brach allerdings nicht. Es war kein Aufprallgeräusch zu
hören.
Marius runzelte seine Stirn. Dann
zerschoss er noch eine Scheibe, es passierte genau das gleiche.
Wieder kein Aufprallgeräusch. Dabei hatte er doch dieses mal ganz
genau hingehört. Seine Munition war von dem Dunkel einfach
verschluckt worden. Irgendwie war ihm auf einmal sehr heiß. Er hatte
Durst, und ihm war ein wenig schwindelig. Alle Farben wurden
intensiv, und das Brummen und das Sirren der Insekten, das heiße
Gefühl der brennenden Sonne in seinem Nachen-das alles wurde ihm auf
einmal zu viel. Er würde jetzt in dieses Haus hineingehen und sich
kurz erholen. Nicht, dass er am Ende noch einen Hitzschlag bekam.
Jetzt, wo er diesen Entschluss gefasst hatte, ging es ihm schon ein
wenig besser. Allerdings fragte er sich, während er auf die Tür an
der Seite des Hauses zuging, ob sie überhaupt offen sein würde.
Dann würde er einfach nach Hause gehen. Sie war ganz bestimmt nicht
offen. Wer würde denn bitte ein leerstehendes Haus unverriegelt
lassen. Niemand ganz einfach, das würde niemand machen, das wäre ja
auch sehr dumm, denn dann könnten ja Jungen wie er kommen und – die
Tür war offen.
Der altmodische Türknauf hatte sich
warm in seiner Hand angefühlt, er hatte ihn nur ganz leicht ziehen
müssen, und schon war die schwere Holztür fast von alleine
aufgeschwungen. Wie jemand, der einen alten Freund in eine Umarmung
zieht…
Wie lange war er jetzt schon in diesem
Haus? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Die Lauft war staubig,
warm und stickig, durchsetzt mit einem Hauch von Moder und Fäulnis.
Die Anordnung der Räume war von außen unmöglich zu erahnen, es
schien mehr Räume zu geben als es überhaupt möglich war. Was hatte
ihn nur in dieses seltsame, seltsame Haus getrieben? Wenigstens hatte
er genug Verstand gehabt, den Eingang zum Keller zu meiden, den der
hatte viel zu sehr wie eine dunkle Höhle ausgesehen, wirklich viel
zu sehr. Die Räume in dem Haus waren teilweise mit… merkwürdigen
Dingen gefüllt. Ein großer Raum war mit alten Schneiderpupen
angefüllt, die angedeuteten Gesichter in einem flehentlich
anmutenden Ausdruck der Tür zugewandt. Sie trugen ausnahmslos alle
alte, von Motten zerfressene, halb fertiggestellte Kleider in wirren
Farben. Keiner der Räume war abgeschlossen.
Der Raum, der ihn am meisten verstörte,
war der fensterlose gewesen. Er hatte die Tür aufgemacht, und sofort
hatte er sich beobachtet gefühlt, dabei gähnte ihn nur
undurchdringliche Schwärze an. Wie ferngesteuert hatte er sein
Smartphone aus der Tasche geholt und die Taschenlampe angeschaltet.
Im schwachen Schein der Lampe hatte ihn eine geschnitzte Maske
angestarrt, mit halb menschlichen, halb tierischen Zügen, aber mit
erschreckend lebendigen Augen, die seinen Bewegungen folgen zu
schienen als er hastig die Tür schloss. Jetzt versuchte er
verzweifelt aus dem Haus zu gelangen. Er irrte in den langen Fluren
umher, versuchte im dämmrigen Halbdunkel herauszukommen wie eine
Ratte unter einem Pappkarton. Seine Schritte klangen gedämpft auf
den Staubbedeckten Dielen, von denen ab und zu eine laut kreischte.
Er schwitzte, und er hatte entsetzlichen Durst. Er fand einfach nicht
hier raus!
Aber das war gar nicht das schlimmste.
Das schlimmste war, dass er sich maß genommen fühlte wie eine
Ameise unter einer Lupe, maß genommen von einer mörderischen Tücke
und einer unendlichen Boshaftigkeit. Irgendetwas schien ihm zu
folgen, ihm seinen heißen Atem in den Nacken zu hauchen und ihn zu
verhöhnen. Er sah in unzählige Räume, Räume voller Spiegel, Räume
mit großen, entsetzlichen Kratzspuren an den Wänden, Räume in
denen Stimmen voller Eindringlichkeit zu ihm zu flüstern schienen.
Er ertrug es nicht mehr. Er zitterte und ihm war heiß. Schweiß rann
ihm am ganzen Körper hinab. Er musste sich hinlegen. Ausgestreckt
auf dem staubigen Boden fiel es ihm schwer, die Augen offen zu
halten. Er schloss sie kurz.
Er hörte durch Staub gedämpfte, leise
Schritte. Er konnte seine Augen nicht öffnen. Er konnte sich nicht
bewegen. Alles war staubig und heiß. Irgendetwas berührte ihn am
Arm und er schlief ein, im Schlaf unruhig zitternd.
Er stand vor dem Haus, zwischen den
beiden Eichen. Ein Tropfen stinkender Gerbsäure fiel ihm in den
Nacken. Er wischte ihn fort und atmete zitternd aus. Was war
geschehen? Was war nur geschehen? Er war doch im Haus gewesen. Oder
nicht? Er hatte doch die Sachen gesehen. Oder etwa nicht? Er wusste
nicht, was er tun sollte. Marius blickte auf sein Handy. Es war kurz
nach neunzehn Uhr. Wo war er nur so lange gewesen? Es stank nach
Gerbsäure. Er fasste einen Entschluss. Er ging, zuerst zögerlich,
dann schneller in Richtung seines Hauses, im Rücken die beiden
mächtigen Eichen. Die Insekten flogen ungerührt umher, die Sonne
brannte unbeirrt weiter vom Himmel. Marius blickte nicht zurück.
Hätte er es getan, so hätte er vielleicht einen Blick auf die
Fenster geworfen. Ob ihn da möglicherweise aus der Dunkelheit etwas
beobachtete, war unmöglich zu sagen, das Licht war nicht gut genug.
Aber ihm wäre bestimmt doch etwas an den Fenstern aufgefallen. Da
müssten doch zwei Fensterscheiben mit einem Loch drin sein, nicht
wahr?
Die verdreckten und staubigen Fenster
blickten der kleiner werdenden Gestalt des Jungen nach.
‚Sie alle blinkten unversehrt im grellen
Sonnenlicht.