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Der Feind

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Die Flagge ist auf Halbmast gehisst und umschmeichelt die rostig rote Stange auf den Ruinen eines Gebäudes, dessen Umrisse gewaltige Schatten in der unmittelbaren Umgebung hinterlassen, und dennoch so lächerlich winzig wirken. Dort – inmitten des Nichts, das erbarmungslos über die gähnende Leere herrscht.
Rauch steigt aus sämtlichen Poren der Erde hervor und verfärbt alles so kalt bläulich, wie es nur nach einem gewaltigen Regen beim Morgengrauen aussehen kann. Leider gibt es zu diesem Zeitpunkt weder Regen, noch Morgengrauen. Dafür aber genug Ascheregen und Grauen persönlich, die sich ihre Beute untereinander gerecht aufteilen. Selbst der Wind schleicht sich eher zögernd, geradezu vorsichtig durch die leeren Häuser und offenstehenden Türen, umschmeichelt die Toten nur mit einem sanften Gutenachtkuss, aus Angst, er könne sie aufwecken und ihre Ruhe stören. Er bringt den Stoff dort oben auf dem zerstörten Rathaus zum Tanzen, obwohl nicht der geringste Grund für Freude existiert. Vielleicht würde man irgendwo ein Geräusch hören, wenn man nur lange genug schwieg. Vielleicht würde man ein Lebenszeichen vernehmen, wenn man nur lange genug wartete. Doch für das Warten scheint es bereits zu spät zu sein.

Der Feind hat bereits gesiegt.

Zu spät… 🙁

—-

Es begann alles irgendwann zwischen März und April, an einem Tag, als die Sonne noch etliche Leute beschien, die sich zu dieser wundervollen Stunde eine Auszeit und vielleicht ein wenig Bräune auf den bleichen Gesichtern gönnen wollten. Ein ganz gewöhnlicher, geradezu langweiliger, dafür jedoch ungewöhnlich warmer Tag, der uns mit mehr Sonne beglückte, als wir jemals erwartet hätten. Gewöhnlich. Gewöhnlicher. Am gewöhnlichsten. Ich weiß nicht mehr WARTE genau, wann es begonnen hatte. Zu welcher Stunde sämtliche Kanäle dieselbe Meldung gebracht hatten. Wann mir diese dämliche Porzellanschüssel aus der Hand gefallen und die Suppe auf dem Herd übergelaufen war.
Doch im Endeffekt ist das ohnehin nicht mehr wichtig. Nichts ist wichtig, weil nichts existiert. Nichts existiert, weil nichts mehr wichtig ist.
Es war eine neue „Stunde 0“.
Der Feind wollte Krieg.
Es war eine Nachricht. Noch dazu eine recht kurze, obwohl das Motiv dahinter nicht in Worte gefasst werden konnte. Morse-Code; direkt weitergeleitet.
Sie gaben uns eine simple Wahl: Aufgeben oder Kämpfen. Es gäbe keinen anderen Ausweg. Keine andere Lösung. Kein anderes Entrinnen. Natürlich entschieden wir uns in unserem lächerlichen Patriotismus mit all unserer Macht zu kämpfen, und diese Barbaren zurück hinter ihre Grenzen zu verbannen. Leichtsinnig. Leichtsinniger. Am leichtsinnigsten. Was wir nicht HÖR AUF gedacht hatten, war, dass ein dritter Weltkrieg so gut wie nichts außer Schutt und Asche zurücklassen würde. Vor allem wenn es sich tatsächlich um einen WELTkrieg handelte, bei dem zwei Parteien erbarmungslos gegeneinander antraten, und es keine Außenstehenden mehr gab. Bei dem keine Enthaltungen geduldet wurden. Ein Weltkrieg. Wortwörtlich.

Zuerst kamen die dröhnendsten Dronen dieser Feiglinge, die den tödlichsten Tod über uns fallen ließen. Selbst an den sonnigsten Tagen verursachte der klarste, blaue Himmel nur Angst in den Herzen Jener, die es wagten, ihre Verstecke zu verlassen, trotz dem ausdrücklichen Befehl der Obrigkeit, genau dies nicht zu tun. Dumm. Dümmer. Am dümmsten. Es waren zahlreiche Bomben, und ich wette keiner der Piloten wusste, was unter ihm geschah, wenn er den Knopf drückte, der sie fallen ließ. Denn alle sahen sie weg. Denn alle waren sie blind. Der Himmel war nun nicht mehr ein Symbol der Freiheit, sondern unser ewiges Gefängnis mit Schloss ohne passenden Schlüssel, das man unter keinen Umständen aufbrechen konnte. Wer den Himmel sah würde binnen weniger Sekunden gar nichts mehr sehen können. Tot. Toter? Am totesten?
Es folgten ihre Soldaten. LASS SIE LOS Man sah sie nie ohne ihre Helme, ohne ihre Visiere, ohne ihre Waffen, sodass man irgendwann denken konnte, dass sie keine Gesichter hatten. Dass sie keine Seele besaßen. Sie waren die Monster unserer kühnsten Albträume, und die Albträume unserer kühnsten Monster. Die Kriegsschreie echoten durch die ausgestorben wirkenden Städte, und sie kamen immer näher zu unseren Heimen, bis sie die Kämpfe irgendwann in unseren Vorgärten ausfochten. Bis wir zusehen mussten, wie sie unsere Familien hinrichteten. Wir dachten dennoch nicht ans Aufgeben. In unserem lächerlichen Patriotismus. Lustig. Lustiger. Am lustigsten.
Dann wurde es schlimmer. Gelbes Licht blendete die tapferen Männer und Frauen, die ihr Leben für ihre Nation aufgaben. Wolken, die glänzten wie Smaragd, und Regen, der funkelte wie Rubin, brachten ihre Haut zum Schmelzen und verpesteten ihre Gedanken. Sie lebten weiter, BITTE HÖR AUF in Schmerz, bis zum Morgen des roten Staubes. Ihr Blut begann zu kochen und verdampfte, färbte die Welt außen herum mit karmesinroter Asche.

Das Schrecklichste war aber die Sabotage. Wir dachten, wenn wir unser Land nicht haben konnten, sollte es niemand haben. Wir verpesteten die Felder, töteten die Tiere und verunreinigten die Gewässer, bis nichts mehr übrig war. Nicht einmal für uns. Unsere Kinder starben zuerst, da sie die Gefahr nicht kannten. Einige aßen vergiftetes Essen, andere verhungerten, und wieder andere flossen einfach in unseren Flüssen der Säure davon. Die Körper, die wir fanden, wurden in unmarkierten Gräben oder überfließenden Kratern neben zerstörten Straßen geworfen. Deformierte Körper prangten an Kreuzungen wie Ortsschilder.
Schließlich kamen die Pilzwolken. Der letzte Nagel des Sargs der Menschlichkeit. Die Welt war unbewohnbar für die restlichen Überlebenden. Alles was blieb waren eine Einöde von Knochen und ehemaligen Schatten, die sich an die zerbrochenen Wände krallten.
Der dritte Weltkrieg. Wortwörtlich.
Wir hätten uns seine verherrende Wirkung nicht vorstellen können. Es gab immer weniger Überlebende. Immer weniger Leute. Und nun stand ich hier im Chaos, das drohte, mich mitzureißen. Ach, was erzähle ich – das mich bereits mitgerissen hatte:

Mein Mann liegt bewegungslos vor mir, sein Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen und der Nacken in einem seltsamen Winkel abgespreizt. Seine Zähne wirken in dem fahlen Licht der halb zersprungenen Lampe beinahe gelblich, obwohl er NEIN STOPP schon immer viel Wert auf seine Mundhygiene gelegt hatte, während das Metallrohr, welches in seiner Schläfe steckt, im Vergleich geradezu klinisch grau glänzt. Seine Augen sind so unendlich klar, doch das Blau ist nun nur noch verwaschen und kränklich. Die Augen eines toten Fisches. Die Augen eines Toten… hahahaha genau sein Gesicht sieht tatsächlich aus wie ein FischhahAHahahahahHAhahAHh TU ES NICHT. Blut tropft an einem Hautfetzen hinab, der an einem seiner Zähne stecken geblieben ist, und befleckt seine schmutzige, einst blütenreine Bluse.

Ich kann nicht mehr tun als dastehen und ihn aus dem Augenwinkel betrachten, während ich mein Baby in meinen Armen umklammere. Verdammt, ich kann mich ihm nicht einmal mehr zuwenden, oder gar weinen. Es geht einfach nicht, denn mein Körper ist wie erstarrt, abgesehen davon, dass ich mich ein wenig vorbeuge; warum auch immer. 3 Monate sind vergangen.
Nur 3 Monate. Und schon ist mir nur noch meine süße, kleine, allerliebste Tochter geblieben. Aber nicht mehr lange. Nicht mal mehr einen einzigen Tag. Nicht mal mehr eine einzige Stunde. Dafür würde ich sorgen.

Ein internationaler Sprecher wiederholte immer wieder auf sämtlichen Frequenzen, dass es sich um keinen makabreren Scherz handelte. Wir sollten uns in unseren Häusern einsperren und dort bleiben. Am besten sämtliche Fenster und Türen die nach außen hin reichten verriegeln. Wenn wir einen Bunker hatten, oder auch nur einen Keller, sollten wir dorthin gehen, und nach Waffen suchen. Rohre. Besen. Hauptsache es tat weh, und war lang genug, um Körperkontakt zu vermeiden. Er befahl uns, nicht in Panik auszubrechen. Alles sei unter Kontrolle, niemand könne verletzt werden. Es bestehe keine Gefahr. Störsignal. Ich frage mich, wie lange dieser Mann schon tot ist. Wie lange jegliche Stromfabrik stillstand. Wie lange ich mir etwas einbildete und auf Hoffnung hoffte. Trügerisch. Trügerischer. Am trügerischsten. Niemand konnte von Niemandem verletzt werden. Nichts ist wichtig. Nichts existiert. Nichts… HahaHA. Nichts. Von wem NEIN, NEIN HÖR AUF kam dann das schreckliche Stöhnen auf den Straßen über uns? Woher kam das Schaben an den Türen, und diese schreckliche Panikmache? Was war da draußen? Was erwartete uns hinter den Mauern des sichergeglaubten Hauses?
Doch auch diese Fragen waren unwichtig.
Der Feind war ein Schreckgespenst.

Vorher konnten wir das Werkzeug des Feindes ohne Gewissenbisse niederkämpfen, bis es plötzlich begann, die Gesichter unserer Freunde und Verwandten zu entwickeln. Dort, wo früher vermodertes Fleisch hing, befand sich nun das Gesicht unserer Liebsten. Sie begannen zu betteln und zu schreien, in den Stimmen unserer Freunde, und kämpften derweil erbarmungslos mit Klauen und Zähnen. Machten niemals halt. Sie flehten uns an, wegzurennen, da sie keine Kontrolle mehr hatten. Sie weinten. Sie wimmerten. Sie stöhnten. Sie wollten den Tod, da es so sehr wehtat. Sie waren so hungrig. Sie waren so allein.
Der Virus bekam nur eine einzige Sekunde des Zögerns.
Und diese eine einzige Sekunde genügte.
Der Feind war nicht kleinlich.
Es ist ihr Virus. Er besetzt den Körper, sobald man gebissen wird. Auch er wurde ein einziges Mal niedergekämpft. Doch meine Geschichte wird hier enden, genau wie die meines süßen, kostbaren Kindes.

Ich versuche alles was ich kann, um mich zu wehren, aber mein Körper beugt sich vor und fletscht die Zähne über meinem Kind, das bitterlich weint. Ich knurre. Heilige Scheiße, ich knurre.
Und ich zögere nicht.
Ich schreie zwar. Ich flehe. Ich zische. Ich versuche mich mit aller Kraft gegen das Werkzeug des Feindes zu beweisen. Mir wird heiß und kalt, obwohl ich nichts fühle. Gedanken rasen unaufhaltsam durch meine Nervenwindungen – eine Idee unaussprechbarer als die Vorherige. Verschwiegen. Verschwiegerner? Am verschwiegensten? Ich würde so gerne weinen, doch ich kann nicht. Ich würde am liebsten die Augen schließen und endgültig sterben. Ich kann nicht anders, als den Hunger zu verfluchten, als ich meine Zähne in mein Kind bohre.

Der Feind ist tot.
Ich bin der Feind.
Ich bin tot.

Gott schmeckt sie köstlich. Haha HA AHahahahAHahAHAhaah! Leb wohl, Feind. Leb wohl, ich. Leb wohl, Menschheit. Klar, klarer, am unklarsten…

—-

Die Flagge, weiß gefärbt durch den Säureregen, gebleicht von der Sonne, veraltet durch die Zeit, und zerissen durch falschen Stolz – genau diese Flagge schwingt weiterhin friedlich in der sanften, lieblichen Briese. Am Ende war es nicht eine Nation, oder ein Volk, die aufgegeben hatten: Es war die Menschheit selbst. Der ganze Planet. Und so fliegt die Flagge auf Halbmast für eine Spezies, die zu stolz war, um zu überleben.

Wir sind unser Feind, denn wir waren von Anfang an zum Tode verdammt.

Und der Wind weht unbeeindruckt weiter.

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