
Das schwarze Mal
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Der Ranzen segelt durch den Raum und landet hart am
anderen Ende des Zimmers. Die Mutter kocht gerade und der Golden Retriever
erfreut sich noch der Rückkehr seines Jungen Freundes, doch nichts wie raus auf
die Straße. Möglichst wenig Zeit in den eigenen bedrückenden vier Wänden
verbringen.
So gut wie jeden Tag geht der elfjährige Billy nach
der Schule aufgeregt die Straße herunter zum Jugendzentrum und verbringt den
Nachmittag mit seinem stummen Freund. Dort angekommen wartet ein blasser, in
Herbstfarben gekleideter Junge vor dem Eingang auf ihn.
„Hi, Bryan!“, ruft Billy. Bryan winkt ihm nicht wie
gewohnt lächelnd zu, sondern starrt ihn an und tritt beiseite damit Billy eintreten
kann.
Sie gehen an einigen Räumen vorbei und den langen
Korridor entlang, bis die beiden Jungs in einem Raum mit vielen, bunt
vollgekritzelten Tischen ankommen. Sie zeichnen stets zusammen, vor allem, weil
dies das einzige ist, wonach Bryan sich hingezogen fühlt.
Sie machen gerne einen Wettbewerb daraus: Die beiden
einigen sich auf ein Motiv, zeigen es sich gegenseitig, und wählen schließlich das
bessere Bild aus. Dieses Mal soll das zu zeichnende Motiv eine Orange sein. Bryan
schafft es noch immer nicht sich ein Lächeln zu erzwingen und fängt einfach an
sein Blatt Papier mit einem Wachsmalstift zu bearbeiten. Für gewöhnlich steht
Bryan zunächst auf und stapft in die Küche des Jugendzentrums um sich ein Glas
Wasser zu holen, welches immer gleich gefüllt ist, er immer an derselben Stelle
des Tisches abstellt und wie gewöhnlich keinen Schluck davon trinkt.
Eigenartigerweise bestürzt Billy das Ausbleiben von Bryans monotoner Marotten.
Er lässt seine Bedenken jedoch fallen und macht sich daran, eine Orange aufs
leere Papier zu zaubern. Während er sich bemüht feine, ordentliche Linien zu
ziehen, schleift und sägt Bryan auf seinem Papier herum ohne einen Blick davon
zu lassen.
Billy hat die Frucht nun mehr oder weniger filigran gezeichnet
und hält seinem Freund das Bild nun entgegen: „Fertig!“ Bryan beachtet ihn
nicht und ist weiterhin über dem Papier gebeugt. Billy tippt seine Hand an. Der
stumme Junge fährt hoch vor Schreck. Er wirft Billy einen ernsten Blick zu und
faltet daraufhin sein Blatt Papier zusammen. „Willst du es mir nicht zeigen?“,
fragt Billy verwundert. Keinerlei Reaktion. Bryan faltet seine Zeichnung klein
und fest zusammen, hebt sich von seinem Sitz, und geht zwei Schritte auf Billy
zu. Sie blicken sich in die Augen. Bryans, die üblicherweise Grün waren, sind
nun Schwarz und es gibt keinen erkennbaren Übergang von Pupille zu Iris. Er
schaute finster drein, als wäre er verärgert über Billy. Der stumme Junge hebt
den Arm. Signalisiert Billy das Stück Papier aus seiner Hand zu nehmen. Billy
tut es – widerwillig, doch ohne Einspruch. Noch bevor Billy ihn zurückrufen
kann, dreht sich Bryan um und verschwindet schnellen Schrittes. Als Billy das
Papier, auseinandergefaltet hat runzelte er die Stirn. Es war definitiv keine
Orange darauf zu sehen, aber auch nichts anderes, das ihm vertraut vorkommt. Es
war lediglich ein schwarzer, unsauber ausgemalter Kreis. Bryan muss den
Wachsmalstift fest aufs Papier gedrückt haben, denn man kann die Linien auf der
Rückseite ertasten. Billy sieht es sich eine Weile an. Bloß ein schwarzer
Kreis.
Wieder Zuhause wirft Billy alle Dinge, die er bei sich
hatte in die nächstgelegene Ecke und lässt sich auf sein Bett fallen. Noch
immer ist er verwundert wegen Bryans Verhalten. Als wäre gestern etwas mit ihm
passiert. Was auch immer vorgefallen sein muss, je länger er an dieses Bild und
Bryan dachte, desto mehr wurde Billy flau im Magen. Die Kritzelei strahlte eine
Kraft aus, die er sich nicht erklären kann, denn wenn er in die Ecke sah, in
die er die Zeichnung hinwarf, war es als würde es ihm etwas mitteilen wollen.
Schwachsinn, dachte Billy, es ist doch nur ein Stück Papier.
So zieht der Tag schließlich vorüber und der Mond und
die Sterne schmücken den Himmel. Gedanken und Vorstellungen die sich rund um
diesen merkwürdigen Nachmittag kreisen lassen ihn aber nicht einschlafen. Als
Stunden vergingen, in denen es so ausgesehen hat als würde er die Decke mit
Telekinese verbiegen wollen, fielen Billy nun fast die Augen zu. Im selben
Moment jedoch, in dem seine Augen ruhen wollen, vernimmt er ein Flüstern – so
sanft wie der Wind. Doch der nächtliche Wind würde anders klingen, da ist er
sich sicher. Er sah sich kurz im Liegen um, der Junge hatte das Gefühl dieses
Geräusch kam aus seinem Zimmer. Aber versuchte wieder die Augen zu schließen,
in der Annahme, er hätte es sich im Halbschlaf nur eingebildet. Kurze Zeit
später jedoch, säuselt erneut eine Stimme durch den Raum – dieses Mal lauter
und doch unverständlich. Jetzt macht es Billy stutzig. Ebenso neugierig wie
verwirrt setzt er sich auf die Bettkante. Er horcht, doch nichts außer das
leise Summen der Heizung ist zu hören. Er steht auf, stellt sich in die Mitte
seines Kinderzimmers auf einen kleinen Teppich, und sieht sich um. Kein Laut
ist von Billy zu hören. Nicht einmal sein Atmen. Sowie er den Kopf langsam
umherschwenkt, ist für einen kleinen Moment das Flüstern erneut zu hören. Er
versucht das Geräusch zu lokalisieren und da… es kommt aus der Richtung, in der
die Zeichnung liegt. Er wagt sich langsam vor, sieht das kleine Viereck auf dem
Boden und es wird lauter. Billy tritt bei jedem Schritt nur leicht auf, als
versuche er zu schleichen. Das Laminat unter seinen Fußsohlen fühlt sich kälter
an als sonst. Er steht direkt über dem Blatt. Das was vorher ein Flüstern war
klingt nun wie ein sachtes Ausatmen, doch es ist so laut als würde jemand
seinen Mund direkt vor Billys Ohr halten. Er hebt die Zeichnung auf. Sie wirkt
schwer in seiner Hand. Er führt sie näher an sich ran und faltet das Papier
zitternd auseinander. Er blickt auf den schwarzen Kreis und hat das Gefühl er
könne hindurch fassen, wie ein Tor zu einer anderen Welt. Er sieht lange hinein
und verliert sich fast darin. Plötzlich schreit jemand seinen Namen. Als könne
er den Schall auf seinem Körper spüren fällt er auf seinen Rücken und es raubt
ihm für Sekunden den Atem. Doch er bleibt ruhig. Ihm ist klar, dass er hätte
brüllen und kreischen, und in das Bett seiner Eltern fliehen sollen. Er hob
sich vom Boden. Für einen Augenblick steht er nur da und blickt unwillkürlich
aus dem Fenster, denn seine Augen wissen nicht wohin. Nun wagt er es nicht
seinen Augen zu glauben. In der Dunkelheit zeichnet sich eine Gestalt ab.
Schulter und Kopf mag er wage erkennen, doch kein Gesicht. Zuerst fürchtet er
sich, dann hat dieses Antlitz aber etwas Anziehendes. Die Gestalt bewegte sich,
sie winkte Billy zu, und der Junge kann plötzlich sehen, dass dieser Körper im
Dunkeln ein Mann ist. Er sah auch, dass der Mann einen Mantel trägt, dessen
rote Farbe kurz zum Vorschein kommt. Nun hält es ihm nicht mehr in seinem Haus.
Im Schlafanzug geht Billy hinaus. Der Wille zu diesem Mann zu gehen kann er
sich nicht widersetzen, und will es auch nicht. Billy stapft über blanken Stein
und Laub. Der Mann wartet bereits vor der Auffahrt auf ihn. Trotz der
Dunkelheit konnte Billy ihn nun in seiner vollen Pracht sehen. Es wirkt als
würden die Straßenlichter nur diesen Mann anscheinen. Er ist groß, hat weiße,
makellose Haut. Sein Haar ist lang und Braun, und sieht weich aus. Unter seinem
langen roten Mantel verbirgt sich ein Anzug, zu dem er eine ebenfalls rote
Fliege trägt. Der Mann lächelt, ein lächeln, bei dem Billy sich der Magen
umdreht. Er ist sich nicht bewusst ob das Gefühl gut oder schlecht ist. Der
Mann begibt sich mit dem Jungen auf Augenhöhe. „Magst du Piraten, mein
Kleiner?“, fragt er Billy mit seiner dunklen, durchdringenden Stimme. Billy
starrt dem Mann in die Augen, gefesselt von seiner Präsenz. Er antwortet nicht.
Der Unbekannte fährt fort ohne eine Antwort zu erwarten: „Denn das Bild, dass
Bryan dir gemalt hat macht dich fast zu einem“ Er scheint mit Freuden davon zu
berichten. „Man nennt das Motiv „Das Schwarze Mal“. Es wurde vor langer Zeit
stets weitergegeben, immer an einen ganz besonderen Piraten.“, erzählt der Mann
weiter.
Er gibt Billy zu verstehen, dass er mit ihm gehen
soll, in dem er seine Hand leicht auf den Rücken des Jungen legt. Billy fügt
sich seinem Willen. Er realisiert, dass der Mann ihn zum Jugendzentrum führt.
Er hätte nie gedacht, dass er diesen Weg jemals ängstlich entlang gehen würde. Sie
sind nur noch wenige hundert Schritte von ihrem Ziel entfernt und die
Straßenlichter werden immer schwächer. Als die beiden ankommen sind die Lichter
fast erloschen. Der Mann hält inne als sie vor der Tür stehen, er atmet tief
und laut ein und das Licht im Inneren des Zentrums schaltet sich ein. Billy
starrt auf den Boden, doch spürt den Blick des Mannes ihn durchlöchern. „Sieh
ihn dir an.“, dröhnt die Stimme des Unbekannten, so dass es Billy fast das Blut
in den Adern gefrieren lässt. Er gehorcht und hebt seinen Kopf. Die Eingangstür
schwingt auf und er sieht etwas, bei dem niemand hätte Ruhe bewahren können. Es
ist Bryan. Auf einem Stuhl sitzend, sein Unterkiefer von seinem Schädel gelöst.
Sein Freund ist so von Blut bedeckt, dass es nicht erkennbar ist, was an seinem
Körper Verletzungen, oder was nur starke Blutflecken sind. Billys Augen
schlagen weit auf. Er schnappt nach Luft und merkt während seines Entsetzens
nicht wie der Mann sich hinter ihn stellt. Als nächstes spürt er wie eine kalte
Hand nach seinem Nacken greift und ihn unnachgiebig in Bryans Richtung zwingt. Der
Mann drückt ihn den Korridor entlang, bis zu einem herrenlosen Stuhl, der nur
wenige Zentimeter neben Bryan platziert wurde. Als Billy sich, entgegen seiner
Vernunft, umschaut, sah er, dass hier eine Art Szenerie aufgebaut worden war.
Was zu sehen ist trifft wie ein Tritt in den Unterleib. Alle Bilder, die er mit
seinem Freund in der Vergangenheit je malte, wurden an die Wände und den Boden
geklebt. Sie werden offensichtlich von Bryans Blut gehalten. Er wirft noch
einen Blick auf seinen stummen Freund. Deutlich erkennt Billy weitere
Verletzungen. Bryans rechter Arm ist derartig deformiert, dass man nicht sagen
konnte wie oft er gebrochen wurde. Aus seinen Augen fließt Blut, wahrscheinlich
vermischt mit Tränen, und etliche Schnittwunden geben seinem Körper fast schon
eine neue Form.
Tief blickt er in die Augenhöhlen seines guten
Freundes. Billy kann fast das Leid sehen, dass in seinen Augen blinzelte als er
so zugerichtet wurde. Kälte beginnt Billy zu umhüllen und sein gesamter Körper
fängt an zu beben. Immer mehr überkommt ihn Kurzatmigkeit, sein Herzschlag
übertönt seine Gedanken. Stattdessen ziehen Bilder mit erstaunlicher
Geschwindigkeit an seinem inneren Auge vorbei. Sonnen und Wiesen, die er
zusammen mit Bryan malt. Seine Mutter, die ihm jeden Morgen ein süßes Frühstück
macht. Sein Hund, der ihm überall hin folgt. Jäh verdunkeln sich die Bilder bis
sie schließlich nicht mehr zu sehen sind. Ein stumpfer Knall lässt sie
scheinbar verschwinden. Billy öffnet die Augen, doch sieht nur schwache Umrisse
von all dem, was er sich eben noch in bester Sicht ansehen musste. Billy wird
klar, dass er zu Boden gegangen ist, denn ihn umhüllt eine Blutlache. Das bleiche
Gesicht des Unbekannten erscheint über ihm.
„Das ist der Zweck des Schwarzen Mals. Dein Ende!“, lässt
der Mann in Billys Ohren dröhnen. Gelächter schallt durch den blutigen
Korridor. „Warum?“, fragt sich Billy.
Der Mann holt mit einem dunklen, langen Gegenstand
aus, welchen Billy nicht identifizieren kann. Hiebe prasseln auf den Jungen
nieder, während der Mann scheinbar sein Glück findet. Billy empfindet keine Schmerzen
… nur Bedauern.
☀Der Ranzen segelt durch den Raum und landet hart am
anderen Ende des Zimmers. Die Mutter kocht gerade und der Golden Retriever
erfreut sich noch der Rückkehr seines Jungen Freundes, doch nichts wie raus auf
die Straße. Möglichst wenig Zeit in den eigenen bedrückenden vier Wänden
verbringen.
So gut wie jeden Tag geht der elfjährige Billy nach
der Schule aufgeregt die Straße herunter zum Jugendzentrum und verbringt den
Nachmittag mit seinem stummen Freund. Dort angekommen wartet ein blasser, in
Herbstfarben gekleideter Junge vor dem Eingang auf ihn.
„Hi, Bryan!“, ruft Billy. Bryan winkt ihm nicht wie
gewohnt lächelnd zu, sondern starrt ihn an und tritt beiseite damit Billy die
schwere Glastür öffnen, und eintreten kann. Als Billy Bryan die Tür aufhält
bemerkt er, dass sich sein kleiner Freund kaum bewegt. Lediglich seine Beine schwingen
vor und zurück um ihn voran zu bringen, doch sein gesamter Oberkörper wirkt
unnatürlich steif. Bryan verhält sich jedoch nicht selten eigenartig; wild
zuckende Körperteile, schnelles blinzeln, oder das saugen an seiner Kleidung –
all das war ein völlig normaler Anblick für Billy. Er verschwendet somit nicht
viele Gedanken an Bryans neue Eigenart und läuft hinter ihm her, denn er war bereits
rasch an Billy vorbeigehuscht.
Sie gehen an einigen Räumen vorbei und den langen
Korridor entlang, bis die beiden Jungs in der Mal-Ecke ankommen – einem Raum
mit vielen, bunt vollgekritzelten Tischen und zerbrochener Wachsmalkreide auf
dem Boden.
Dieser Ort ist der einzige, in dem Bryan sich
wohlzufühlen scheint, deshalb zeichnen sie immer zusammen.
Zuerst war es Billy schnell Leid stets nur zu malen,
doch als sie anfingen einen Wettbewerb daraus zu machen, fand er fast genauso
viel Gefallen daran wie Bryan. Das
Prozedere ist jedes Mal gleich: Die beiden einigen sich auf ein Motiv, zeigen
es sich gegenseitig nachdem sie es gemalt haben, und wählen schließlich das
bessere Bild aus. Dieses Mal wählt Billy das zu zeichnende Motiv einfach aus:
Eine Orange, denn sein stiller Kumpane macht keine Zeichen, welche einer Diskussion
oder Zustimmung gleichkommen würden. Emotionslos sitzt Bryan an der anderen
Seite des Tisches – anscheinend immun gegen Billys Lächeln – und fängt einfach
an sein Blatt Papier mit einem Wachsmalstift zu bearbeiten. Für gewöhnlich
steht Bryan zunächst auf und stapft in die Küche des Jugendzentrums um sich ein
Glas Wasser zu holen, welches immer gleich gefüllt ist, er immer an derselben
Stelle des Tisches abstellt und wie gewöhnlich keinen Schluck davon trinkt.
Eigenartigerweise bestürzt Billy das Ausbleiben von Bryans monotoner Marotten.
Er lässt seine Bedenken jedoch, wie schon so oft, fallen und macht sich daran,
eine Orange aufs leere Papier zu zaubern. Während er sich bemüht feine,
ordentliche Linien zu ziehen, schleift und sägt Bryan auf seinem Papier herum
ohne einen Blick davon zu lassen.
Billy hat die Frucht nun mehr oder weniger filigran gezeichnet
und hält seinem Freund das Bild nun entgegen: „Fertig!“ Bryan beachtet ihn
nicht und ist weiterhin über dem Papier gebeugt. Billy tippt seine Hand an. Der
stumme Junge fährt hoch vor Schreck. Er wirft Billy einen ernsten Blick zu und
faltet daraufhin sein Blatt Papier zusammen. „Willst du es mir nicht zeigen?“,
fragt Billy verwundert. Keinerlei Reaktion. Bryan faltet seine Zeichnung klein
und fest zusammen, hebt sich von seinem Sitz, und geht zwei Schritte auf Billy
zu. Sie blicken sich in die Augen. Bryans, die üblicherweise Grün waren, sind
nun Schwarz und es gibt keinen erkennbaren Übergang von Pupille zu Iris. Er
schaute finster drein, als wäre er verärgert über Billy. Der stumme Junge hebt
den Arm. Signalisiert Billy das Stück Papier aus seiner Hand zu nehmen. Billy
tut es – widerwillig, doch ohne Einspruch. Noch bevor Billy ihn zurückrufen
kann, dreht sich Bryan um und verschwindet schnellen Schrittes. Billy sieht
Bryan noch perplex hinterher als er regelrecht hinaustürmt. Er will ihm
nachlaufen, doch Angst, die tief in seiner Magengrube wuchert, hindert ihn
daran. Die Furcht sprießt beinahe aus ihm heraus als Billys Blick auf das
Papier fällt. Die Neugier ist bei Menschen meist einen Hauch stärker als die Angst
– so auch jetzt bei Billy, denn er faltet das Kästchen in seiner Hand
auseinander und legt seine Stirn kurz darauf in Falten. Es ist definitiv keine
Orange darauf zu sehen, aber auch nichts anderes, das ihm vertraut vorkommt. Es
war lediglich ein schwarzer, unsauber ausgemalter Kreis. Bryan muss den
Wachsmalstift fest aufs Papier gedrückt haben, denn man kann die Linien auf der
Rückseite ertasten. Billy sieht es sich eine Weile an. Bloß ein Schwarzer Kreis.
Wieder Zuhause wirft Billy alle Dinge, die er bei sich
hatte in die nächstgelegene Ecke und lässt sich auf sein Bett fallen. Noch
immer ist er verwundert wegen Bryans Verhalten. Als wäre gestern etwas mit ihm
passiert. Was auch immer vorgefallen sein muss, je länger er an dieses Bild und
Bryan dachte, desto mehr wurde Billy flau im Magen. Die Kritzelei strahlte eine
Kraft aus, die er sich nicht erklären kann, denn wenn er in die Ecke sah, in
die er die Zeichnung hinwarf, war es als würde sie ihm etwas mitteilen wollen. Schwachsinn,
dachte Billy, es ist doch nur ein Stück Papier.
So zieht der Tag schließlich vorüber und der Mond und
die Sterne schmücken den Himmel. Gedanken und Vorstellungen die sich rund um
diesen merkwürdigen Nachmittag kreisen lassen ihn aber nicht einschlafen. Als
Stunden vergingen, in denen es so ausgesehen hat als würde er die Decke mit
Telekinese verbiegen wollen, fielen Billy nun fast die Augen zu. Im selben
Moment jedoch, in dem seine Augen ruhen wollen, vernimmt er ein Flüstern – so
sanft wie der Wind. Doch der nächtliche Wind würde anders klingen, da ist er
sich sicher. Er sah sich kurz im Liegen um, der Junge hatte das Gefühl dieses
Geräusch kam aus seinem Zimmer. Aber er versuchte wieder die Augen zu
schließen, in der Annahme, er hätte es sich im Halbschlaf nur eingebildet. Kurze
Zeit später säuselt erneut eine Stimme durch den Raum – dieses Mal lauter und
doch unverständlich. Jetzt macht es Billy stutzig. Ebenso neugierig wie
verwirrt setzt er sich auf die Bettkante. Er horcht, doch nichts außer das
leise Summen der Heizung ist zu hören. Er steht auf, stellt sich in die Mitte
seines Kinderzimmers auf einen kleinen Teppich, und sieht sich um. Kein Laut
ist von Billy zu hören. Nicht einmal sein Atmen. Sowie er den Kopf langsam
umherschwenkt, ist für einen kleinen Moment das Flüstern erneut zu hören. Er
versucht das Geräusch zu lokalisieren und da… es kommt aus der Richtung, in der
die Zeichnung liegt. Er wagt sich langsam vor, sieht das kleine Viereck auf dem
Boden und es wird lauter. Billy tritt bei jedem Schritt nur leicht auf, als
versuche er zu schleichen. Das Laminat unter seinen Fußsohlen fühlt sich kälter
an als sonst. Er steht direkt über dem Blatt. Das was vorher ein Flüstern war
klingt nun wie ein sachtes Ausatmen, doch es ist so laut als würde jemand
seinen Mund direkt vor Billys Ohr halten. Er hebt die Zeichnung auf. Sie wirkt
schwer in seiner Hand. Er führt sie näher an sich ran und faltet das Papier
zitternd auseinander. Er blickt auf den schwarzen Kreis und hat das Gefühl er
könne hindurch fassen, wie ein Tor zu einer anderen Welt. Der Junge sieht lange
hinein und verliert sich fast darin. Plötzlich schreit jemand seinen Namen. Als
könne er den Schall auf seinem Körper spüren, fällt er auf seinen Rücken und es
raubt ihm für Sekunden den Atem. Doch er bleibt ruhig. Ihm ist klar, dass er
hätte brüllen und kreischen, und in das Bett seiner Eltern fliehen sollen, doch
er hebt sich einfach vom Boden. Für einen Augenblick steht er nur da und blickt
unwillkürlich aus dem Fenster, denn seine Augen wissen nicht wohin – die Dinge
passieren so schnell. Nun wagt er es nicht seinen Augen zu glauben. In der
Dunkelheit zeichnet sich eine Gestalt ab. Schulter und Kopf mag er wage
erkennen, doch kein Gesicht. Zuerst fürchtet er sich, dann hat dieses Antlitz
aber etwas Anziehendes. Die Gestalt bewegt sich, sie winkt Billy zu, und der
Junge kann plötzlich sehen, dass dieser Körper im Dunkeln ein Mann ist. Billy sieht
auch, dass der Mann einen Mantel trägt, dessen rote Farbe kurz zum Vorschein kommt.
Nun hält es ihn nicht mehr in seinem Raum. Im Schlafanzug geht Billy hinaus.
Der Wille zu diesem Mann zu gehen kann er sich nicht widersetzen, obwohl er
sich viel lieber unter die Bettdecke verkriechen will. Eine unbekannte Macht
treibt ihn voran. Billy stapft über blanken Stein und Laub. Der Mann wartet
bereits vor der Auffahrt auf ihn. Trotz der Dunkelheit kann Billy ihn nun in
seiner vollen Pracht sehen. Es wirkt als würden die Straßenlichter nur diesen
Mann anscheinen. Er ist groß, hat weiße, makellose Haut. Sein Haar ist lang und
Braun, und sieht weich aus. Unter seinem langen roten Mantel verbirgt sich ein
Anzug, zu dem er eine ebenfalls rote Fliege trägt. Der Mann lächelt, ein Lächeln,
bei dem Billy sich der Magen umdreht. Der Mann begibt sich mit dem Jungen auf
Augenhöhe. „Magst du Piraten, mein Kleiner?“, fragt er Billy mit seiner
dunklen, durchdringenden Stimme. Billy starrt dem Mann in die Augen und ist gefesselt
von seiner Präsenz. Er antwortet nicht. Der Unbekannte fährt fort ohne eine
Antwort zu erwarten: „Denn das Bild, dass Bryan dir gemalt hat macht dich fast
zu einem“ Er scheint mit Freuden davon zu berichten. „Man nennt das Motiv „Das
Schwarze Mal“. Es wurde vor langer Zeit stets weitergegeben, immer an einen
ganz besonderen Piraten.“, erzählt der Mann weiter und tippt dem Jungen sanft
mit dem Zeigefinger auf die Nase.
Er gibt Billy zu verstehen, dass er mit ihm gehen
soll, in dem er seine Hand leicht auf den Rücken des Jungen legt. Billy fügt
sich seinem Willen und sie gehen ein paar Schritte.
„Wer bist du?“, fragt Billy atemlos. Der Unbekannte
bleibt abrupt stehen – anscheinend erstaunt, dass Billy den Mut findet zu reden
– schwingt sich leichtfüßig zur Seite und beugt sich zu dem Jungen, der ihm in
etwa bis zu Taille reicht. Er grübelt einen Moment. „Nenn mich Silver! John
Silver!“ Der Mann schmunzelt, doch zögert nicht lange und geht weiter mit Billy
die Straße hinunter.
Nach einigen Metern mehr realisiert der Junge, dass Silver
ihn zum Jugendzentrum führt. Er hätte nie gedacht, dass er diesen Weg jemals
ängstlich entlang gehen würde. Sie sind nur noch wenige hundert Schritte von
ihrem Ziel entfernt, als die Straßenlichter beginnen schwächer zu leuchten.
Meter für Meter dimmt das Licht auf der Straße, und Billy befürchtet, dass
alles dunkel sein wird wenn sie ankommen. Etwa eine Minute nur noch bis das
Zentrum in Sicht sein wird. Noch hatte Billy das Gefühl die Finsternis spüren
zu können als wäre sie eine Person, doch in diesem Moment glaubt er, dass eben
diese zusammen mit ihm die Straße entlang läuft – in Form eines Mannes.
Eine lange Minute später befinden sie sich unmittelbar
vor dem Zentrum und Billy wird immer noch von Silver an der Schulter gehalten. Der
Mann hält inne als sie vor der Tür stehen, er atmet tief und laut ein und das
Licht im Inneren des Zentrums schaltet sich ein. Billy starrt auf den Boden,
doch spürt den Blick des Mannes ihn durchlöchern. „Trete an die Tür und sieh
ihn dir an.“, dröhnt die Stimme des Unbekannten, so dass es Billy fast das Blut
in den Adern gefrieren lässt. Er gehorcht und hebt seinen Kopf. Steuert die
Eingangstür an. Sie schwingt auf und er sieht etwas, bei dem niemand hätte Ruhe
bewahren können. Ein Anblick von Terror und Schmerz. Eine Fantasie des Bösen. Es
ist Bryan. Auf einem Stuhl sitzend, sein Unterkiefer von seinem Schädel gelöst.
Er ist so von Blut bedeckt, dass es nicht erkennbar ist, was an seinem Körper
Verletzungen, oder wo er nur mit Blut begossen wurde. Billys Augen schlagen
weit auf. Er schnappt nach Luft und merkt während seines Entsetzens nicht wie
der Mann sich hinter ihn stellt. Als nächstes spürt er wie eine kalte Hand nach
seinem Nacken greift und ihn unnachgiebig in Bryans Richtung zwingt. Der Mann
drückt ihn den Korridor entlang, bis zu einem herrenlosen Stuhl, der nur wenige
Zentimeter neben Bryan platziert wurde. Als Billy sich, entgegen seiner
Vernunft, umschaut, sah er, dass hier eine Art Szenerie aufgebaut worden war.
Was zu sehen ist trifft ihn wie ein Tritt in den Unterleib. Alle Bilder, die er
mit seinem Freund in der Vergangenheit je malte, wurden an die Wände und den
Boden geklebt. Sie werden offensichtlich von Bryans Blut gehalten. Er wirft
noch einen Blick auf seinen stummen Freund. Nun erkennt Billy weitere
Verletzungen. Bryans rechter Arm ist derartig deformiert, dass nicht
ersichtlich ist wie oft er gebrochen wurde. Aus seinen Augen fließt Blut,
wahrscheinlich vermischt mit Tränen, und etliche Schnittwunden geben seinem
Körper fast schon eine neue Form.
Tief blickt er in die Augenhöhlen seines guten
Freundes. Billy kann fast das Leid sehen, dass in seinen Augen blinzelte als er
so zugerichtet wurde. Kälte beginnt Billy zu umhüllen und sein gesamter Körper
fängt an zu beben. Immer mehr überkommt ihn Kurzatmigkeit, sein Herzschlag
übertönt seine Gedanken. Kalte Klauen umfassen seinen Kopf und heben Billy in
die Höhe. Es ist der bleiche Unbekannte, der ihn unsanft in die Luft hebt.
Silver lässt Billys wehrlosen Körper unbarmherzig auf die Sitzfläche des freien
Stuhls donnern. Der Junge landet auf seinem Hinterteil und hat das Gefühl, sein
Steißbein wäre in einhundert Teile zersprungen. Billy schreit, doch verstummt
als das eisige Grauen von Silvers Gesicht seinen Leib durchfährt.
Billy klammert sich am Sitz fest und klappert mit den
Zähnen – fühlt sich verlassen und sämtlicher Liebe beraubt. Bilder ziehen mit
erstaunlicher Geschwindigkeit an seinem inneren Auge vorbei. Sonnen und Wiesen,
die er zusammen mit Bryan malt. Seine Mutter, die ihm jeden Morgen ein süßes
Frühstück macht. Sein Hund, der ihm überall hin folgt. Jäh verdunkeln sich jedoch
die Bilder, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen sind. Ein stumpfer Knall
lässt sie scheinbar verschwinden. Billy kneift die Augen zusammen, öffnet sie
wieder und blinzelt bis seine Sicht klar wird. Alles ist noch da, genauso
blutig und genauso böse.
Silver steht erhobenen Hauptes vor ihm und hält ein
blutrotes Brecheisen in der Hand, welches er verspielt hin und her schwingt.
Offensichtlich ist er hocherfreut.
Billy fühlt sich als würde er von einer Menschenmenge
von allen Seiten zusammen gedrückt werden. Er schnappt nach Luft.
„Dieser schwarze Punkt, den dein kleiner Kumpel für
dich gemalt hat …“, sagt Silver und zeigt dabei mit dem Brecheisen auf Billy.
„… war eine Botschaft. Von mir für dich!“ Silver macht eine kleine Verbeugung.
„Er macht dich zu etwas besonderem, denn ich habe Dich
ausgewählt. Ich hätte jeden anderen Jungen nehmen können, doch ich wollte dich!
Ist das nicht ein Grund zum lächeln, Kumpel?“ Der Unbekannte tätschelt Billys
Wange mit der Brechstange. Er sieht dem Mann in die Augen und weiß nicht was zu
tun ist. Ihm ist kalt und heiß zur selben Zeit und Tränen befeuchten bereits
sein Gesicht. „Ich will nach Hause.“, wimmert Billy.
„Ja!“, ruft Silver und senkt seine stählerne Waffe.
„Nach Hause, nach Hause, nach Hause!“ Er wirft die Arme nach oben und seine
Stimme scheint für einen Moment lang heller zu werden. „Ich bringe dich
natürlich nach Hause, ich bin doch kein Monster.“, beteuert Silver und
schmunzelt. „Doch zuerst musst du eine Frage richtig beantworten!“, fährt der
Mann fort und wirkt vor Vergnügen zu hüpfen. Breit grinsend schnellt er zu
Boden und kniet sich vor den Stuhl auf dem Billy sitzt. Er rammt seine
Fingernägel in Billys Oberschenkel und legt sein Kinn auf den Schoß des Jungen.
Ächzend versucht Billy sich aus Silvers Griff zu winden, doch merkt schnell,
dass es zwecklos ist. „Was ist der Zweck des schwarzen Mals?“, fragt Silver
während er seinen Unterkiefer gegen Billys rechtes Knie drückt. Schluchzend und
nur durch den trüben Schleier seiner nassen Augen, sieht Billy nach unten zum bleichen
Mann. Muss zusehen wie er lüstern seine Beine berührt – sein Kinn mehrfach zwischen
seine schlotternden Schenkel gräbt. Billy kann auf Silvers Frage nicht
antworten, seine Stimme scheint ihm genommen worden zu sein. Er versucht zu
schreien, um Hilfe zu rufen, oder gar etwas auf die ihm gestellte Frage zu
erwidern. Der Junge verschwendet seinen Atem kläglich, denn kein Ton will aus
ihm heraus – als verstecke sich seine Stimme vor dem hageren weißen Teufel, der
nach Billys Unversehrtheit giert. Silver hat offensichtlich genug davon auf
eine Antwort zu warten und hämmert seine Hand auf des Jungen Bein. Er
unterbricht so die Ruhe, die eingekehrt war und ebenfalls Billys Schluchzen.
Der Schall des Klatschers durchdringt den gesamten Korridor. Silver erhebt
sich, winkt mit seinem Zeigefinger Richtung Billy und sagt: „Du darfst nicht
nach Hause! Fragen muss man beantworten, selbst wenn man die richtige Antwort
nicht kennt. Du bist sehr unhöflich!“ Der Junge fängt an laut und schnell zu
atmen, will eine Antwort geben, möchte versuchen sich zu entschuldigen, Mama
und Papa rufen … doch Silver unterbindet das Gestotter indem er das Brecheisen
vor Billys Mund stößt. Nicht stark genug um den Jungen ernsthaft zu verletzen,
dennoch hat er genügend Druck ausgeübt um Billy zum Schweigen, und sein
Zahnfleisch zum Bluten zu bringen. „Keine Worte.“, flüstert Silver. Er blinzelt
Billy zu, und wirbelt anschließend sein Stemmeisen beherzt durch die Luft als
wäre er ein Zirkusakrobat. In dem Moment, in dem Silver die Stange wieder fängt
er an Laut zu sprechen. Billy zuckt zusammen, reibt seine klitschnassen Hände
über seine Pyjamahose und hofft nur auf ein gutes Ende dieser Nacht.
„Ich werde dir sagen wer ich wirklich bin. Die Karten
auf den Tisch, keine Geheimnisse.“, verkündet Silver.
„Ich bin die Nacht. Die Dunkelheit. Sie entstand durch
mich und ich durch sie.
Die endlosen Weiten der menschlichen Furcht sind mein
Zuhause. Ich sättige mich mit Leid und stille meinen Durst mit Tränen.
Ich war bereits da als das Antlitz der Erde noch sein
Licht verbarg, und werde erst gehen wenn die Schatten sich wieder über die Welt
legen.
Doch selbst dann bin ich nicht ganz fort. Die
verbleibenden Seelen werden mich in sich tragen und wehleidig meinen Namen
rufen.
Ich. Bin. Der Untergang.“
Ein funkeln in Silvers Augen scheint Billy zu
paralysieren. Urplötzlich schwingt der Unbekannte das blutrote Brecheisen in
die Höhe, und lässt es blitzschnell auf Billys Kopf donnern. Der Junge fällt
vom Stuhl als wäre er eine ausgestopfte Puppe und das Leben fließt aus ihm
heraus. Ein letzter Herzschlag, ein letzter Luftzug, und ein letzter Blick auf
das bleiche Gespenst, das sich am schwindenden Dasein des Jungen labt.
Am Ende nur noch Schwärze. Die Seele flieht. Das
Fleisch bleibt gefangen,