Den Zug nehmen
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ein alter Mann steigt in den Zug nach Berlin ein. Es ist Morgen.
Er wirkt sehr müde und erschöpft und das ist auch nicht weiter verwunderlich, immerhin hat er ein langes Leben hinter sich. Und nicht immer waren die Zeiten leicht für ihn. Viel musste er schon erleben. Armut, Hunger…das alles war ihm nicht fremd.
Heute ist es aber anders. Er beklagt sich schon lange nicht mehr, denn das „Zepter“ hat er schon vor vielen Jahren an die nächste Generation abgegeben.
Der Zug ist gut gefüllt, aber er bekommt doch einen Sitzplatz. Am Fenster. Das sind seine Lieblingsplätze. Man muss sich mit niemandem unterhalten, wenn man nicht möchte; man kann einfach gedankenverloren nach draußen sehen und die Landschaft genießen.
Er hustet ein wenig.
Erste Station.
Nur wenige Menschen steigen aus und nur wenige steigen wieder ein. Im Zug ist es aber nicht wirklich laut. Ein junger Mann mit riesigen Kopfhörern setzt sich neben ihn. Hier wird er wohl kein Gespräch finden, also sieht er aus dem Fenster.
Seltsames Wetter. Es ist überraschend nebelig, obwohl Nebel im Winter nicht allzu selten ist. Aber dieser Nebel ist sehr…dick und schwer.
Er denkt sich nichts dabei. Vielleicht wird es in den nächsten Tagen auch einfach kälter.
Zweite Station.
Wieder steigen einige Menschen aus, jedoch mehr als an der ersten Station. Da fällt ihm ein, dass er nachsehen muss, wo er aussteigen soll. Und wie lange die Fahrt noch dauert.
Er kramt den Fahrplan aus seiner Jackentasche. Ah…noch vier Stationen. Etwa eine halbe Stunde. Gut.
Der Fahrplan verschwindet wieder in der Tasche und der Zug fährt weiter.
Er hustet wieder. In seinem Alter war das normal. Und er weiß auch, dass er wohl nicht ewig leben wird. Aber das ist in Ordnung. „Das ist der Lauf der Dinge„, denkt er sich, während der Zug in der dritten Station einfährt.
Diesmal steigen viele Menschen aus. Es scheint fast als wäre das Abteil, in dem er sitzt, bald völlig leer.
Der Zug fährt wieder los und der Nebel draußen scheint noch dichter zu werden. Er wirkt nachdenklich. Vielleicht hätte er sich etwas Wärmeres anziehen sollen. Seit seine Frau vor einigen Jahren starb achtete er weniger auf sich. Seither hat er auch einige Kilogramm verloren.
Er verliert sich in seinen Gedanken und schließt die Augen. Wo will er nochmal hin?
Puh…gute Frage. Dieser Tage ist er sehr vergesslich. Das liegt wohl auch am Alter.
Er öffnet die Augen wieder und sieht auf seine Uhr.
Nanu..? Er muss eingeschlafen sein, denn der Zug muss schon an Berlin vorbeigefahren sein. Auch in seinem Abteil scheint niemand mehr zu sein. Aber wenigstens das Wetter ist besser geworden..
Die Sonne scheint und er lächelt leicht.
Viele Minuten vergehen. Aber warum hält der Zug nicht an? Fährt er durch? Und warum kommt niemand in das Abteil?
Er wird zu spät ankommen, aber das ist in Ordnung. Daran muss man sich gewöhnen, wenn man mit dem Zug fährt.
Aber warum dauert es so lange? Hier stimmt etwas nicht…jemand hätte ihn doch wecken müssen.
Es vergehen immer mehr Minuten, doch der Zug hält nicht.
Ein junger Mann geht an sein Handy. Eine Krankenhausangestellte ist am Telefon. Sie sagt ihm, dass sein Vater bisher nicht angekommen ist und sie sich auf die Suche nach ihm begeben haben.
Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes verwandelt sich in eine Maske der Sorge. Er versucht seinen Vater auf dem Mobiltelefon zu erreichen, doch niemand hebt ab.
Der alte Mann steht auf und sieht sich um. Das Abteil ist tatsächlich leer. Vielleicht findet er aber in einem der anderen Abteile jemanden, der ihm sagen kann, wann der Zug an der nächsten Station ankommt. Aber als er das Abteil wechseln will, bemerkt er etwas: Er kann die Türen nicht öffnen. Die Türen lassen sich nicht öffnen. Egal, wie sehr er es versucht, sie lassen sich nicht öffnen.
Bahnhof Berlin. Endstation. Im Zug findet man einen alten Mann, der anscheinend an Altersschwäche gestorben ist.
Ein junger Mann geht an sein Handy. Ein Notarzt ist am Telefon.
Und der alte Mann steht noch immer an den Türen im Zug, um das Abteil zu wechseln. Doch die Türen lassen sich nicht öffnen.