
Das Gedicht der Selbstmörder
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ich weiß nicht, ob Sie das Lied „Der Selbstmörder“ kennen. Googlen Sie es. Es handelt sich
um ein Stück vom Ungarischen Pianisten Rezso Seress, mit dem Titel „Trauriger
Sonntag“. Wissen Sie, ich kenne Sie nicht und Sie mich mit großer Wahrscheinlichkeit
auch nicht. Ich möchte von etwas Ähnlichem berichten. Es geht allerdings in
meinem Fall um ein Gedicht, nicht um ein Lied. Wenn man der Legende glauben
darf, dann spielte der Teufel selbst die Melodie des Liedes in Rezso Seress
Traum. Auf einer Violine.
In meinem Fall
hatte ich keinen Traum, mein Leid war in der Realität geboren. Ich wurde mit 22
eingesperrt, wegen schweren Raubes. Die Hintergründe möchte ich nicht erläutern,
ich möchte auch keine Entschuldigung abgeben. Das war so und es gibt nichts was
mir diese Schuld abnehmen könnte. Weil das ganze unter Drogeneinfluss passierte
wurde ich zu einer Zwangstherapie verurteilt. In dieser Zeit, als mich mein
schlechtes Gewissen erdrückte, und die Erfahrung erstmalig eingesperrt zu sein,
meinen Seelenzustand schwärzte, entdeckte ich eine Art von Anlage, oder besser
noch, ein Interesse an dem geschriebenen Wort. Auf der Drogentherapie hatte ich
einige interessante, psychologische Kurse, um meine “Erkrankung” besser verstehen
zu können. Die Krönung meiner dialytisch-behaivioralen-Therapie-Forensik, so
schimpfte sich das. War ein über 3 Monate gehender Kurs zum Thema Gefühle.
Diese
Therapie, dieses eingepfercht werden mit drogensüchtigen Junkies, dieser
Freiheitsentzug. Ich tat alles um wieder auf freien Fuß zu kommen. Die einzige Möglichkeit
das zu schaffen war es an mir selbst zu arbeiten. Selbst wenn das nur
vorgespielt war. Ja, ein Schauspiel oder besser noch, ein Trauerspiel. Ich tat,
was mein Psychiater von mir verlangte. Ich führte tägliche Protokolle über mein
Verhalten und nahm an sinnlosen Gruppengesprächen teil.
Irgendwann
war es dann soweit, dass ich 48 Stunden in der Woche Freigang bekam. Ich musste
allerdings diese Zeit nutzen um Aktivitäten zu unternehmen. Diese Aktivitäten
beinhalteten alles, was ein Mensch sich als Hobby aussuchen durfte. Ich war
planlos, zumindest anfangs. Doch dann fielen mir die vielen Gedichte und Texte
ein, die ich während der Therapie geschrieben hatte.
Ein sehr
persönliches davon verschaffte mir den Eintritt in eine sogenannte Schreibwerkstatt.
Dort trafen sich Möchtegern Autoren, um gegenseitig ihre Geschichten Korrektur
lesen zu können.
Ich kam in
diese Runde hinein, ohne mich vorher angekündigt zu haben. Ich spielte sogleich
mit offenen Karten und sagte ihnen, wo ich herkam. Sehr gespannt schauten sie
auf die Blätter die ich mitgebracht hatte. Sie waren es nicht gewohnt von einem
Neuling sofort etwas zu lesen zu bekommen.
Engel unter
Tausenden Dämonen.
Es war
einmal ein kleines Kind und so wie alle Kinder sind, war es für alles was andere
von ihm dachten blind. Es lebte gern und lachte viel, es hatte gute Freunde und
Spaß am Spiel. Es wuchs mit viel Liebe auf und vertraute schnell, sein Herz
strahlte immer hell. Seine Welt bestand aus Abenteuer, Wissen und Magie, an
seiner Welt zweifelte es nie.
Doch so wie
es oft passiert, riss ihm etwas ein Loch in sein Leben, sein Vater starb und
konnte ihm zum Erwachsenwerden keinen Rat mehr geben. Der Vater war nicht da,
als seine Freunde zu ihren Vätern gingen. Gott schenk ihm Flügel und lass ihn
davon schwingen. Es war zerrissen und voller Trauer, der Verlust und die Tränen
waren die Ziegel seiner Mauer. Es war dort in seiner Welt, zwar allein, doch hier
waren seine Probleme nicht furchtbar klein.
Neue Tränen,
alte Trauer, vergrößerten mit der Zeit seine Mauer. Seine Welt wurde größer und
Menschen fanden darin einen Platz, behütet lag sein Schatz. Es war sein Herz,
das einsam gefangen in der Truhe liegt und sich in Ruhe an die Dunkelheit
schmiegt. Es suchte Leute, die auch tiefe Trauer tragen und sich in ihrer Welt
vergraben. Auch ein Mädchen war dabei, hilflos in der großen Welt und trotzdem
frei, nicht in einer kleinen Welt gefangen, hat sie gerade erst angefangen einem
Menschen ihr Herz zu schenken. Sie schenkte es dem Engel unter tausenden
Dämonen, ohne über die Folgen nachzudenken, sie hat es nicht geschafft ihre
Gefühle von ihm wegzulenken. Er konnte sie nicht sofort lieben, sein Herz, sein
Schatz, war lange in der Truhe geblieben. Stück für Stück wurde dieses Mädchen
immer wichtiger, sie war in seiner Welt der schöne Lichtbringer.
Er wurde
älter und traf einen Mann der sein Leben prägen sollte, er sprach von Magie,
Schicksal und einem Leben nach dem Tod und die Trauer und Sehnsucht färbten des
Jungen tränen Rot. Er hat sich und seine Welt um ein Stück erweitert, mit jedem
Tag an dem er geweint hat und Trauer trug. Der Wahnsinn machte ihn klug.
Der Engel
sprach:
Der Mann, der
von der Magie wusste, erzählte mir, ich wäre ein Engel mit zwei Herzen und ich
glaubte es. Bis heute sehe ich seine Augen im Schein der Kerzen. Ich glaube
fest daran, dass nur ich der Engel unter tausenden Dämonen sein kann.
Er spürte
seine Flügel auf dem Rücken, die nicht seinen Körper, sondern seine Seele
schmücken. Nein, er konnte kein Mensch sein, er war davon überzeugt, er dachte
solche wie er sind auf der ganzen Welt verstreut. Juwelen unter
tausenden Kieselsteinen, doch gefunden hat er außer sich noch keinen. Seine
Welt war trotz dieses Wissens noch schwarz, bitter und leer, doch dieses eine
Mädchen mochte er immer mehr.
Als er es am
wenigsten erwartete, wurde es ihm plötzlich klar, dass dieses Mädchen in seinen
Schatz gedrungen war. Sie war in der Truhe, zerstörte die Ruhe und nahm sich
sein Herz. Seine Seele brannte und wand sich voll Schmerz, denn er hatte sie verraten und ihr Vertrauen
missbraucht, hatte sie oft verletzt und Treue nicht geschätzt. Unter Tränen aus
Blut und Flammen im Magen hatte er alles gestanden und angefangen mit ihr seine
Trauer zu tragen.
Diese Welt
in der er jetzt lebte war brüchig und nach Drogen, Nein, nach Veränderung der
Realität wurde er süchtig. Irgendwann wurde er immer öfter von Menschen in
seiner Welt verraten und seine Seele zierten immer mehr Narben, doch so lange
dieses Mädchen in seiner Welt lebte, war der Verrat und der Verlust von anderen
keiner der ihm wiederstrebte. Er hatte ihre Liebe gewonnen, er, der Engel unter
tausenden Dämonen.
Der Engel hatte
viele Dämonen als Freunde und auch er hatte große Träume, er dachte er wäre der
einzige der die Welt zu einem besseren Ort machen könnte, doch der Weg als Engel
dauerte Ihm zu lang. Er sah die Dämonen, die mit Ihren Schandtaten ihren Träumen
nachjagten und mitunter hatten sie Erfolg. Sein Herz, das durch und durch gut
war, hatte diesen Dämonenweg nie gewollt. Er war von den Geschichten des großen
Geldes infiziert und er hatte große Pläne kreiert in denen er tausenden Menschen
das Leben rettet. In ihm wurde die dämonische Krankheit eingebettet, die, die er
verachten sollte waren gut genug als der Rubel rollte.
Nur ein
Mensch ließ ihn ein Engel bleiben, es war das Mädchen, nur sie konnte die
Krankheit vertreiben. Er selbst zerstörte sich immer mehr, von innen war er zerrissen,
seine Flügel die seine Seele schmückten
zerschlissen. Er hat sich selbst gerichtet und sich mit Drogen Alkohol
und einem Leben ohne Hoffnung vernichtet. Nur eines war ihm geblieben: Sein
Mädchen, der Lichtbringer und so wurde es für ihn nicht schlimmer, solange sie
da war, war der Weg für ihn klar. Er hat sich durchgekämpft und die Depression
verdrängt, und er ist nicht geflohen, er, der Engel unter tausenden Dämonen. Als
das Mädchen es nicht mehr anzusehen wagte, es war Verzweiflung die an ihr
nagte. Nach 6 Jahren wollte sie ihn nicht mehr lieben, sie hat ihn durch die
Trennung aus seiner Welt vertrieben und wusste dass der Engel jetzt fliegt oder
fällt.
Er hatte
sich danach keine Drogen bestellt und seinen Körper gestählt. er war
Verzweifelt und Zerrissen hat sich vorgestellt er hat kein Gewissen. er wollte
diese Schmerzen nicht mehr ertragen und nur noch seinen Träumen nachjagen.
Jetzt hatten
die Dämonen einen Engel der ihre Krankheit teilte, gefallene Engel schieben
jeden Skrupel beiseite. Jeder wollte seine Träume leben und der Engel war
bereit dafür alles andere aufzugeben. Sein Gewissen hat er zusammen mit seinem Herzen
weggesperrt und sich seinen Gefühlen verwehrt. Der Engel wollte sich selbst
bestrafen, sein Schicksal sorgte dafür.
Nach seinem
großen Fall erkannte er das Gute in sich und spürte wie die dämonischen Larven
in ihm starben. Jeden Tag schloss sich die Tür, mit Chirurgischer Präzision entfernte
er sich sein letztes Dämonisches Geschwür.
Er war im
Gefängnis , sein großer Schmerz wurde ihm zum Verhängnis. In der Psychiatrie
wurde er behandelt wie Vieh, geplagt durch seine Gedanken die nur durch Drogen
in eine andere Ebene davonflogen. Er war wieder allen, der Engel eingesperrt
mit tausenden Dämonen.
Nachdem ich
die Geschichte vorlas kamen sogleich Kritikpunkte. Der erste meinte es wäre
kein Gedicht aber auch keine Geschichte sondern eher so eine Art poetry slam. Ich
hatte vorher noch nie etwas von poetry slam gehört, wollte jedoch nicht als
dumm abgestempelt werden weswegen ich nicht weiter nachfragte. Ein anderer
meinte ich solle doch ein Buch darüber schreiben weil viele Details von diesem Text
fehlen und er sehr neugierig auf das Ergebnis wäre.
Ich hatte
noch einen zweiten Text dabei. Den hatte ich in meiner dunkelsten Zeit im Knast
geschrieben. nach zwei Wochen isolierungshaft mit täglichem Kontakt mit nur
einem Menschen und zwar der, der mir das essen brachte. Ich konnte nicht mehr
und habe allen schmutz den ich in meiner Selle trug auf dieses Blatt gebannt.
Schmerz
Sie fragen
mich was Schmerz ist?
Schmerz ist
wenn sie Tag für Tag aufwachen und wissen, dass Sie nicht frei sind. Sie wachen
verschlafen in der Gefängniszelle auf und spüren Ihren Körper nicht. Wenn Sie
mit den Ritualen die die Einleitung des Tages bedeuten anfangen, schreit diese glibberige
Masse in Ihrem Kopf mit jeder Nervenzelle
darin:
Du bist
gefangen.
Während Sie
ihr Gesicht reinigen und ihre Zähne putzen schauen sie Augen an, die nicht ihre
eigenen sein können. Ein fremder Mensch schaut sie mit Gesichtszügen an die
nicht ihre eigenen sein können. Ein fremder Mensch schaut mit Gesichtszügen an
die nichts außer Gleichgültigkeit aussagen. Schmerz bedeutet nichts von dem was
sie denken. Schmerz ist nicht zu wissen ob das täglich Erlebte real ist, weil
sich die Träume, so grotesk und grausam sie auch sein mögen, sich realer und
besser anfühlen wie ihre tägliche, aus Schmerz bestehende, trostlose Welt.
Schmerz bedeutet keinen Menschen zu haben dem man von seinem Schmerz erzählen
kann. Der körperliche Schmerz ist in vieler Menschen Köpfe als einziger
vorhanden. Dieser ist für einen selbst ein willkommenes Zeichen sich am Leben,
also in der Realität zu fühlen.
Nachdem die
Rituale, als Einleitung des Tages beendet sind und der Schmerz der Wahngedanken
nach dem Betrachten des fremden Menschen vorbeischießt wie Gewehrsalven, kommt
es zum Orgasmus des reinen Schmerzes. Nach dem Rauchen der ersten Zigarette des
Morgens tritt ein Zustand der Resignation ein. Mit dem Verrauchen des
Glimmstängels, verraucht auch die Angst und wird zur Gleichgültigkeit. Man
schaltet sich ab, man denkt nicht, man fühlt nicht. Wenn nach körperlich zu
groß gewordenem Schmerz Ohnmacht folgt, so folgt aus zu großem seelischen
Schmerz eine Trance, die nur neuen Schmerz bedeuten kann, Denkt und fühlt man
nicht, so zweifelt man an seiner Realität. Zweifelt man an seiner Realität,
folgen nach der Trance zur Bewältigung des Schmerzes Wahngedanken, die nur noch
größeren Schmerz bedeuten.
Schmerz ist
die reine Form der Angst.
Sie fragen
mich also, was Schmerz ist?
Nachdem ich
fertig war schauten sie mich alle an. Traurig, mitleidig, depressiv, teilnahmslos.
Ich konnte die Gefühle in ihren Gesichtern wunderbar lesen.
Dieser Text
war anders. Es war mit Sicherheit für eine Minute still. Keiner brachte ein Wort
heraus. Alle standen sie mitten im Leben studierten zumeist Germanistik. Ja es
waren alles Studenten, das wusste ich vorher nicht. Obwohl diese Leute mitten
im Leben standen, hat mein Text diese tiefen negativen Emotionen in ihnen
ausgelöst. Unglaublich. Einer von ihnen fragte mich ob ich dieses Gedicht, ja
er nannte es Gedicht, obwohl es sich nicht reimte, in einer Vorlesung vortragen
würde.
Ich dachte
daran, dass ich diese Gruppe hier bräuchte, um schneller aus der Therapie kommen
zu können, darum bejahte ich.
Drei Wochen
später fand die Vorlesung in einem Biergarten statt. Ich war als Letzter dran.
Nachdem das Publikum von Komödien bis hin zu Dramen und politischen Texten,
Einiges gehört hatte, war ich dran.
Ich las es
vor.
Schmerz.
Kein Applaus,
kein Lächeln, nur Stille und Schweigen.
Nach ca. 30 Sekunden
fingen dann die Ersten an aus Anstand zu klatschen.
Ich setzte mich
an einen Biertisch und fragte die Kammerdaden aus der Schreibwerkstatt, ob mein Auftritt
in Ordnung war. Jeder bejahte. Kurze Zeit später setzte sich jemand an den Tisch,
der behauptete, von einer Zeitung zu sein. Er fragte mich, ob er den Text
veröffentlichen durfte. Ich war überfordert, ich wusste es nicht. Nachdem er
allerdings ein wenig mit mir über meine Vergangenheit redete, beharrte er immer
mehr darauf. Er wollte diesen Text veröffentlicht sehen.
Ich gab nach;
und Gott soll meine Seele verschonen für die Auswirkungen, die das mit sich
brachte.
Diese Zeitung
war nur ein Regionalblatt. Deswegen hatte mein Text, Gott sei Dank, nicht die
extreme Reichweite. Nachdem sich 32 junge Menschen, meist im Alter zwischen 13
und 17, das Leben nahmen, konnte ich noch keine Verbindung sehen. Doch die Welle
der Selbstmorde hörte nicht auf. Ich hatte keine Möglichkeit mehr, etwas
dagegen zu unternehmen.
Mein Text,
oder Gedicht, oder Auswurf des Teufels, wurde immer weiter verbreitet. In der Presse,
im Fernsehen im Internet.
Ich war eine
kleine Berühmtheit. Doch leider keine von der guten Sorte.
Meine Welt
zerbrach an dem Tag, als sich meine kleine Schwester das Leben nahm, mit einer
ausgedruckten Version von SCHMERZ in ihrer Blutlache.
Gott vergib
mir meine Sünde.