
Der Horror im Dunkeln
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Der Horror im Dunkeln
Ausschnitte aus der „Neuen Rhein-Main-Donau-Zeitung“.
Verschwundener aufgetaucht!
Vom 18. November 2022.
Jakob Schmuck wurde gefunden und gerettet. Er ist nun wieder sicher in Deutschland.
Der Student war vor einem Jahr von seiner Familie als vermisst gemeldet worden. Laut Berichten der Polizei hatte er ein Ticket für einen Kurzurlaub in der Slowakei gebucht. Laut Aussage seiner Kommilitonen, um sich dort in den Bergen speläologisch zu betätigen. Jedoch tauchte der 22-Jährige nicht mehr auf. Die gängigste Theorie über sein Verschwinden war, dass er sich in den Bergen verlaufen hätte. Die Ermittler erhoffen sich jetzt Antworten von dem Studenten.
Ausschnitt:
In den Bergen dem Wahnsinn verfallen?
Vom 24. November 2022.
Die vorherige Euphorie über die Entdeckung des ein Jahr zuvor verschollenen Jakob Schmuck scheint wie verpufft zu sein. Nach einigen medizinischen Überprüfungen wurde der junge Erwachsene in das „Isar-Amper-Klinikum“ bei München eingewiesen. Eine offizielle Erklärung seitens der Familie des Patienten oder des Klinikums gab es bis jetzt noch nicht.
Ausschnitt:
„Die mysteriösen Umstände des Falles Schmuck.“
Vom 1. Januar 2023
Die meisten Aspekte, die im Zusammenhang mit Jakob Schmuck und seinem Verschwinden vor 2 Jahren in Beziehung stehen, sind weiterhin der Öffentlichkeit verschlossen. Dennoch hat ein nun aufgetauchtes Dokument (das vermutlich gegen das Interesse des Klinikums veröffentlicht wurde) etwas Licht ins Dunkle gebracht. Der Text wurde von dem mit dem Fall Schmuck betrauten Arzt Dr. Hirschberg verfasst. In ihm heißt es wie folgt: „Patient weist schwerwiegende Psychosen auf (die) ein erneutes Eintreten des Betroffenen in ein gesellschaftliches Leben auf unbestimmte Zeit verhindern.“ Weiter heißt es, dass „(es) beträchtliche Anomalien im Bezug auf das physische Erscheinungsbild des Leidenden“ gebe und dass die „auftretenden Störungen (psychisch wie physisch) in einem Ausmaß nie dagewesener Hartnäckigkeit und Häufigkeit bei dem Patienten vorhanden seien“.
Dazu zählen ein rapide geschwächtes Immunsystem, eine gestörte Wundheilung, Herzrhythmusstörungen und stark abgebaute Skelett- sowie Atemmuskulatur. Des Weiteren weist der Patient Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf und leidet an einer voll ausgeprägten Aphasie-Psychose. „Ebenfalls ist eine starke und fast unstillbare Müdigkeit des Patienten zu beobachten.“ Das Dokument endet mit der Einschätzung des Doktors, dass „alle Hoffnung auf eine baldige Heilung nach den vergangenen Untersuchungen aufgegeben werden muss und sämtliche Bemühungen vorerst eingestellt werden sollten, da der Patient auf unberechenbare Weise auf weitere Therapiestunden reagieren würde. Die vergangenen Ereignisse haben gezeigt, dass die Sicherheit der Mitarbeiter bei diesen nicht gewährleistet werden kann. Weswegen man ihn bis auf Weiteres von sämtlichen menschlichen Kontakten trennen müsse und in einen Status der reinen Beobachtung übergehen sollte.“ Das durchgesickerte Dokument beschreibt einen fast schon gruseligen Zustand des Jakob Schmucks. Bekräftigt wird dies ebenfalls durch den von Herr Doktor Hirschberg abschließenden Satz des Textes: „Sollten jene Maßnahmen nicht ergriffen werden, so sehe ich bei mir keine Haftung oder Verantwortung für den Patienten oder dessen Handlungen“
Die erschreckendsten Erkenntnisse, die aus diesem Dokument hervorgehen, sind wohl zum einen die „voll ausgeprägte Aphasie-Psychose“ (das Verlernen, zu sprechen) und die Erwähnung von vergangenen Ereignissen und dass die Sicherheit der Mitarbeiter nicht gewährleistet werden kann. Was genau darunter zu verstehen ist, ist unklar. Jedoch lädt der Absatz zu Spekulationen ein. Der Verfasser spricht über den Patienten, als ob es sich um ein wildes Tier handelt.
Was mit Jakob Schmuck in den Bergen der Slowakei passiert ist, was aus ihm geworden ist und wie seine Zukunft zurück in der Zivilisation aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Jakob Schmuck.
Ein Jahr zuvor.
Vor mir lag die Unbekanntheit.
Jene Unbekanntheit und Ungewissheit, die schon seit Anbeginn der Zeit die Menschen in Angst versetzte und uns von Natur aus abschreckte. Doch mich ließ diese Faszination in Sphären ungeahnter Lebendigkeit wandeln, die ein gewöhnlicher Mensch heutzutage nicht mehr im Begriff war, zu erfassen. Ich fühlte mich so am Leben, so in voller Kontrolle über jeden Muskel in meinem Körper und jede Synapse in meinem Gehirn. Diese wohlwollende Angespanntheit war von so einer Intensität, wie sie auch die stärkste Droge nicht nachzuahmen vermag. Vor mir lag der Nebel der Obskurität und ich war bereit, ihn zu durchschreiten.
Das Grollen des Himmels und die sich aufbäumenden grauen Wolken zeichneten unbezweifelbar das Bild, dass ein Sturm aufkommen würde. Es sind jene letzten Minuten, bevor der Regen auf die Erde herabrieselt, die Blitze wie Peitschen durch die Luft jagen und alles durch ein prächtiges Trommelorchester des Donners untermalt wird, die im Menschen den Urinstinkt wecken, die Flucht zu ergreifen.
Anders als wohl jedes andere Lebewesen, das sich mit mir in diesem Nationalpark befindet, gehe ich nicht meinem Überlebensinstinkt nach. Denn ich war dabei, ein Pionier der Speläologie zu werden. Ich war im Begriff, der erste Mensch zu sein, der dieses riesige Höhlensystem, das vor meinen Füßen liegt, zu erkunden.
Vor mir befand sich ein drei mal drei Meter großer Schacht, der am Fuße des etwa 600 Meter hohen Dunklen Berges senkrecht nach unten führte. Dies soll einer der etwa 12 Eingänge des Höhlensystems sein, in dessen ungewisse Dunkelheit ich mich nun zu begeben wage. Der Berg war von einem milden und schattigen Wald umzingelt.
Durch dieses Dickicht hatte ich mich drei Stunden unbemerkt hindurchgekämpft, um hierher zu kommen.
Der tapfer in die Höhe ragende Berg wird von den Einheimischen nur als „der Alte“ betitelt. Auch das tief unter der Erde schlummernde Labyrinth hat einen Namen. Dieser lautet: „Schwarzer Schlund“.
Die Gerüchte über dieses riesige Höhlensystem sind allumfassend bekannt, jedoch hatte nie jemand von den örtlichen Behörden die Erlaubnis erhalten, hierherzukommen. Ich hatte mir überhaupt nicht die Mühe gemacht, die Behörden über meine Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. Diese Formalität zu missachten, war jedoch der Preis, um diese neue, unbekannte Welt, die etliche Meter unter der eigentlichen, der zivilisierten Welt lag, erforschen zu dürfen.
Ein letztes Mal kontrollierte ich meine Ausrüstung. Der Strick, der an einem Ende an einem dem Schacht nahen Baum und mit dem anderen an mir befestigt war, sowie meine Taschenlampen und mein Kletterwerkzeug. Zwar hatte ich Bedenken, da der Baum ein schmächtig abgestorbener Vertreter war, jedoch standen mir keinerlei Alternativen zur Verfügung. Mit einem letzten Blick auf den sich weiter verdunkelnden Himmel und mit vereinzelten Regentropfen im Nacken seilte ich mich den steinernen Schacht hinab, in den dunklen Berg hinein.
Als ich auf festen Boden traf und mich vom Seil löste, erkannte ich im spärlich herunterscheinenden Licht einen weiten Gang, der tief ins Innere des Berges zu führen schien. Ich aktivierte meine Taschenlampe und folgte den mächtigen Steinwänden. Der Weg war anfangs noch geräumig, zwischen den beiden Höhlenwänden mussten etwa drei Meter Abstand sein, auch die Decke, die einen Halbbogen über mich spannte, befand sich in weitem Abstand zu mir.
Als ich mich immer weiter von dem Eingang entfernte und auch das spärliche Licht der Öffnung immer weiter zu erlöschen begann, traf ich auf eine Abzweigung innerhalb des Ganges. Umgehend holte ich meinen Notizblock heraus und begann zu schreiben.
Erste Abzweigung
Drei verschiedene Wege. Links. Rechts. Mitte.
Entscheidung: linker Gang
Wie vermerkt nahm ich den linken Weg. So verfuhr ich mit allen weiteren Abzweigungen, Gabelungen und Abzweigungen. Sackgassen vermerkte ich mir ebenfalls. Jedoch hatte ich heute viel Glück, da ich bis auf eine Ausnahme auf keinerlei Sackgassen zu treffen schien.
Ich folgte dem Weg immer weiter, immer tiefer. Die genaue Dokumentierung des Labyrinths war von großer Bedeutung, da ich zum einen der Erste war, der dies jemals tat, und zum anderen, da dies für spätere Expeditionen hierher ebenfalls von Nutzen sein wird. Meine dicken Schuhe klapperten in einem unmusikalischen Rhythmus auf dem dicken steinernen Boden.
Die Formung des Schachtes ließ mir verschiedene Bilder und Vergleiche durch den Kopf schießen. Die Ähnlichkeit zu überdimensionalen Schächten von Ameisen oder zu den gegrabenen Höhlen von Würmern ließ mich erschaudern.
Die im Halbbogen geformte Höhle, die von abstehenden und unregelmäßigen anthrazitfarbigen Steinen geziert wurde, war bis auf das schwache und verstaubte Licht meiner Taschenlampe in dämonische Finsternis getaucht, die mich umschlang wie das Wasser einen Taucher.
Beharrlich marschierte ich entlang der einzig durch meine Taschenlampe beleuchteten Granitwege innerhalb des Berges. Als ich durch die Gänge wandelte, sang und sprach ich laut mit mir selbst. Die unangenehme Ruhe, die mich sonst in solchen Momenten einzuholen drohte, versuchte ich stets zu übertönen, denn mit der Ruhe kamen dunkle Gedanken und mit diesen kamen Irrationalität und Angst. So ratterte ich die verschiedensten Gedichte und Geschichten runter, darunter Percy Shelleys „Ozymandias“, Edgar Allan Poes „The Raven“, Teile von Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ und noch einige weitere, die mir in den Sinn kamen und die ich auch wenigstens halbwegs aus meinem Kopf zu rezitieren vermochte.
Das Bild des langsam stapfenden, von dicken und dunklen Wänden umschlungenen und einzig von einer schwach leuchtenden Taschenlampe den Weg erhellenden Bergsteigers, der leise flüsternd einige Gedichte herunterratterte, könnte für einige Außenstehende durchaus amüsant wirken. Falls hier noch jemand mit mir wäre.
Während ich die Gänge weiter erkundete. Schwang mein Interesse von Gedichten in Richtung des Gesteins. Es war Granit. Ein altes Gestein. Dies stand im Kontrast zu den anderen Bergen im Nationalpark. Dort waren die Gesteine der Berge aus Kalkstein. Ich schloss daraus, dass dieser Berg, unter dem sich das Höhlensystem befand, der älteste zu sein schien. Der einst aus flüssigem Magma entstandene Stein konnte bis zu 300 Millionen Jahre alt sein. Doch irgendwas ließ mich vermuten, dass jener Berg älter war. Älter als die Alpen, älter als die Blue Ridge Mountains an der Ostküste der USA, vielleicht sogar älter als der Grünsteingürtel von Südafrika.
Die verschiedenen Fossilien, die mir auf dem Weg begegneten, untermauerten diese These. Der Gang war an dieser Stelle weitaus breiter und auch die Decke lag um einiges höher als zuvor (etwa 13 Meter). Ich befand mich, wie es aussah, in einer ersten Kammer. Dort erblickte ich an den riesigen Wänden, die nur spärlich von meiner Taschenlampe beleuchtet wurden, die in verschiedensten Posen und Höhen versteinerten Urzeittiere, von tellergroßen Trilobiten des Kambriums und Kopffüßlern des Ordoviziums bis zu Insekten und Reptilien des Karbons. Die Fossilien hatten zudem den Anschein, komplett von der Zeit und den Launen der Natur verschont geblieben zu sein. Die Fossilien befanden sich in einem guten Zustand und waren, so weit ich das erkennen konnte, allesamt vollständig. So viele verschiedene Fossilien aus den unterschiedlichsten Zeitaltern, alle in einem ähnlich guten Zustand, faszinierten mich, als wäre ich in einen unterirdischen Fossilien-Zoo eingetreten. Es verwunderte mich zwar, dass hier unzählige aus verschiedenen Epochen stammende Tiere lagen, jedoch führte mir dies nur wieder das hohe Alter des Berges vor Augen.
Dieses Alter war jedoch von außen nicht sichtbar gewesen. Nur hier, tief unter der Erde, erkannte ich die wahre Spanne der Zeit, in welcher sich der Berg von seiner Entstehung bist jetzt befand. Das Alter des Gesteins ließ mich annehmen, dass dieser Berg sich zu einer Zeit gebildet hatte, die jenseits aller Vermutungen gewesen war. Weit vor dem Paläozoikum, bevor Pflanzen oder Tiere diese Welt besiedelten. Ja, sogar bevor dieser Planet überhaupt bewohnbar gewesen war.
–
Zwar ist dies ohne Messungen gar nicht festzustellen, jedoch veranlasste mich ein undefinierbares Gefühl, daran zu glauben. Dennoch wollte ich sichergehen. Ich machte einen Schritt auf die mächtige, mit versteinerten Fossilien verzierte Wand zu, legte meine Taschenlampe auf den Boden ab und begann damit, den Granitwall mit einem kleinen Hammer, der ebenfalls zu meiner Ausrüstung zählte, zu bearbeiten. Dies war jedoch schwerer als gedacht. Selbst nach mehreren Schlägen mit dem Werkzeug gab das Gestein nicht nach. Ich versuchte es auch mit einem meiner beiden Eisgeräte. Letztere verbog sich jedoch und wurde damit unbrauchbar. Als ich es weiter mit meinem Hammer versuchte, gab das Gestein allmählich nach. Mit einem letzten massiven Schlag zerbrach mein Hammer. Jedoch brach aus der Wand auch ein kleines Stück, kaum größer als eine Kinderhand, ab.
Ich hatte zwar zwei meiner Werkzeuge verloren, jedoch wird dieser Stein es wert sein, dessen war ich mir sicher. Ich hatte nicht mehr geglaubt, dass es da draußen noch etwas gab, was menschlicher Technik die Stirn zu bieten wagte. Die Menschen hatten ihre Umgebung gebändigt und waren gemächlich und fett geworden. Jedoch hatte ich hier das Gefühl, etwas aufgespürt zu haben, was älter und mächtiger war als die Menschheit, die sich immer mehr auf ihren Erfolgen auszuruhen schien. Die Menschen hat der Hochmut ergriffen, so wie er Ikarus ergriff, bevor er vom Rand des Himmels fiel.
Es fiel mir auf, dass der kleine Stein in meiner Hand von einer so intensiven Kälte war, wie ich sie bisher nur bei Schnee oder Eis wahrgenommen hatte. Es fühlte sich an, als ob mir jegliche Wärme, die sich in meiner den Stein umschließenden Hand befand, entzogen werden würde.
Als ich meinen Blick von meiner kleinen Beute abwandte und wieder Richtung Wand richtete. Wurde mir erst klar, wie seltsam sie aussah. Ich war mittlerweile tief in das Höhlensystem unter dem Berg vorgedrungen. Jedoch fiel mir erst jetzt, wo ich ihr so nah gekommen war, auf, dass jene Wände ein seltsames Antlitz besaßen. Sie ähnelten Fleisch. Die Wand sah aus wie ein gigantischer, vom Fett durchzogener Batzen Fleisch. Nur dass die Wand natürlich nicht rot, sondern grau war.
Dennoch, die Ähnlichkeit ließ mich sogar schmunzeln. Die Stille und Einsamkeit, in der ich mich hier befand, ließen mich wohl Dinge sehen.
Ich wandte mich ab und lief weiter den Gang entlang. Einige Zeit später erkannte ich eine kleine Lichtquelle. Ein schwaches, türkisähnliches Schimmern am Ende des Schachtes. Mit schnellem Schritt begab ich mich in Richtung des Lichtes. Ich erkannte, dass der Schacht endete und in einer großen Höhlenkammer mündete. Die Decke war dort mindestens dreifach so hoch wie in den Schächten. Dazu erkannte ich, dass auch andere Schächte hier ihr Ende oder ihren Anfang hatten.
Mein Interesse schwankte jedoch zu der kleinen Lichtquelle. Links von dem Schacht, aus dem ich gerade gekommen war, wuchs ein hell erleuchtender Pilz aus dem Stein. Dies verwunderte mich. Da hier viele Meter unter der Erde beharrlich ein Pilz durch den massiven Granitstein gebrochen war, wie es seine Verwandten an der Oberfläche mit dem nassen Waldboden taten. Aber was noch weitaus bizarrer war als dieser schon absonderliche Anblick, war, was mich erst zu ihm und dieser Kammer geführt hat: Wie Venus den Nachthimmel erleuchtet, so erhellt mir hier in der Höhlenhalle dieser Pilz den Weg. Die Farbe war am ehesten Türkis, zumindest war dies, was ich zuerst mit dieser Farbe in Beziehung zu setzen vermochte. Aber dennoch hatte sie etwas Überirdisches an sich. Etwas, was ich nicht in Worte fassen konnte. Es war mir zugleich wegen seiner Ähnlichkeit zu Türkis so vertraut, aber auch so fremd. Je länger ich auf dieses Ding blickte und mir immer bewusster wurde, was für ein absonderliches Schauspiel sich mir hier bot, desto mehr erfüllte mich ein unbeschreiblich abstoßendes Gefühl. Als würde alles in mir sich gegen das stellen wollen. Dennoch übermannte mich meine Neugier. Ich trat auf den Pilz zu und schaute ihn, trotz meiner instinktiven Abneigung dagegen, genauer an. Ich erkannte, dass auf dem gerade einmal 10 cm hohen Pilz eine Art Schleim lag.
Auf Hut und Stiel schimmerte im Licht meiner Taschenlampe ein dickflüssiger Schleim. Da ich nicht wusste, was diese Flüssigkeit war, nahm ich mein Halstuch und versuchte, damit den Pilz herauszureißen. Sofort, als ich den Pilz anfasste, spürte ich eine Wärme von ihm ausgehen, wie die eines menschlichen Körpers. Ich versuchte, mich nicht weiter beirren zu lassen, und zog fester an jenem abstrusen Ding. Jedoch scheiterte ich. Ich schaffte es selbst unter voller Einsetzung meiner Kraft nicht, diesen Pilz herauszureißen. Dieses Ding war in keinster Weise mit den Pilzen an der Oberfläche zu vergleichen. Schließlich rutschte ich ab und fiel rückwärts zurück. Verärgert wollte ich weitermachen. Als ich jedoch meinen Blick in Richtung des Tuchs richtete, erkannte ich, dass sich der Schleim durch den Stoff gefressen hatte.
Erschrocken blickte ich auf das, was mal mein Halstuch gewesen war. Offensichtlich hatte dieser Pilz einen vor äußeren Einwirkungen schützenden Verteidigungsmechanismus. Dieses zersetzende Sekret war wohl die Spitze der Absurdität an diesem Ding. Jedoch stellte sich mir unausweichlich die Frage: Wieso? Wieso hatte ein Ding so weit unter der Erde einen Schutz? Hier unten gab es wohl kaum Fressfeinde. Dies war völlig ausgeschlossen.
Letztendlich wollte ich noch einen Versuch umsetzen. Ich nahm mein verbleibendes Eisgerät und schlug mit voller Wucht auf den medusischen Pilz ein, der daraufhin komplett zersprang. Offensichtlich waren nur die Myzelien besonders robust, während der restliche Pilz eher so stabil war wie seine Verwandten an der Oberfläche. Jedoch hatte ich das Ding kaum zerschlagen, da fingen die verstreuten Reste des Pilzes bereits an, mit einem Zischen zu verdampfen. Dieses Schauspiel, das sich mir bot, war in überaus eklatantem Maße grotesk. Und so gegen alles, was mein Verstand bis dahin wahrgenommen hatte, dass ich mich abwenden musste.
Schließlich beschloss ich, umzukehren. Ich hatte schließlich bereits einen Teil des Systems erforscht und hatte eine Steinprobe sichergestellt. Also begab ich mich auf den langen Fußmarsch zurück in Richtung Ausgang.
Die Wände schauten mürrisch und finster auf mich, den winzigen Menschen, der es wagte, ihre fast schon ewig andauernde Ruhe zu stören.
Als ich mir weiter meinen Weg zurück bahnte, überkam mich jedoch ein schauriger Gedanke. Ein Gedanke, der, wenn er sich als wahr herausstellen würde, meinen sicheren Untergang bedeuten würde. Meine zuvor sorgfältig getätigten Aufzeichnungen stimmten nun mit dem mir vorliegenden Weg nicht mehr überein. Ich müsste eigentlich aus einem Gang kommen und vor einer Kreuzung stehen. Dies tat ich jedoch nicht. Vor mir war einzig und allein ein Gang, der zu allem Überfluss auch noch in eine völlig andere Richtung zu führen schien, als die, aus der ich ursprünglich gekommen war.
Ich kam ins Schwitzen. Aufgrund des Mangels an Alternativen musste ich wohl oder übel den vor mir liegenden Weg nehmen. Diesen folgte ich und kam erneut an einer mir völlig unbekannten Stelle heraus. Vor mir breiteten sich dieses Mal gleich drei Wege auf. Da ich über keinerlei Orientierungssinn mehr verfügte, nahm ich den mir Nächsten und ging nach rechts. Als ich diesen wiederum entlangging und inständig darum bat, wieder in mir bekanntere Gefilde zu gelangen. Erkannte ich vor mir den blanken Horror. Sackgasse.
Jegliche Kraft schwand mir aus den Beinen und ich sackte zusammen. Die mich schon seit einer ganzen Weile zu erdrücken drohende Stille wurde durch einen Schrei, meinen Schrei, durchzogen.
Die dunklen Wände schauten befriedigend auf mein Leid herab, der Blick der hohen steinernen Granitwände ähnelte der Mimik verlorener Statuen auf Friedhöfen und in Krypten. Schließlich rappelte ich mich wieder auf. Die dunklen Gedanken, hier sterben zu müssen, schaffte ich wieder, zumindest für den Moment, aus meinem Kopf zu verbannen.
Ich begab mich wieder auf den Rückweg. Als ich jedoch an der Kreuzung ankommen sollte, taten sich mir nicht wieder die drei Wege auf, von denen einer zurück in die Kammer mit dem Pilz führen sollte, sondern nur noch ein einziger Schacht, der nach links führte. Dies war unmöglich. Ein Berg konnte nicht seine Schächte verändern. Aber ohne Zweifel war es vorher nicht so gewesen, aber wie konnte das sein? Hatte der Pilz mir irgendwelche verstandesbenebelnden Substanzen eingeflößt oder war hier tief unter der Erde doch mehr Sauerstoffmangel als ich zuvor dachte? Was es auch war, dies konnte nicht echt sein.
Aus Mangel an Alternativen nahm ich den linken Gang. In diesem fühlte ich mich zunehmend unwohl. Die Wände schienen mich zu erdrücken und es fühlte sich an, als ob mir die Luft langsam zugeschnürt werden würde. Plötzlich durchfuhr ein ohrenbetäubendes Grollen den Gang. Dieses Geräusch, das durch die Gänge hallte und durch das Echo noch einige Male widerklang, war so schreckenerregend, als hätte Gott höchstpersönlich diesen Klang der niedersten Kakofonie und Schrecklichkeit erschaffen. Keine Worte im menschlichen Sprachgebrauch können dieses Grollen beschreiben. In jener Sekunde, als dieses Geräusch auf meine Ohren traf, zog sich mein Körper zusammen, meine Füße wurden wackelig und ich brach auf dem steinernen Boden zusammen. Die Hände vor die Ohren gehalten, um das Echo abzudämpfen. Wo kam dieses Geräusch her? Wie konnte man überhaupt einen solchen Klang erzeugen? Welche Stimmbänder würden dazu in der Lage sein? Und was am wichtigsten war: Was hat dieses Geräusch verursacht? Kein dem Menschen bekanntes Tier könnte diesen Laut von sich geben.
Ich wusste nicht, wie lang ich hier auf dem Boden verweilte. Die menschlichen Instinkte ergriffen vollkommen die Kontrolle in meinem Kopf und ließen mich wie ein verängstigtes Kind auf dem Boden kauern. Jedoch wurde ein Gedanke in meinem Kopf immer klarer. Ich musste hier weg. Als ich mich erhob, waren meine Füße zwar immer noch wackelig, aber ich schaffte es und begann, weiter den Gang entlangzumarschieren. Dieses Höhlensystem hat 13 Ausgänge. Wenn ich nur lange genug laufe, werde ich einen finden.
Ich kann hier nicht sterben! Ich habe hier unten einige riesige Entdeckungen gemacht! Und viel erkundet! Ein Höhlensystem, Fossilien, Gesteine, sogar eine neue (oder zumindest mir unbekannte) Spezies von Pilzen oder Fungi. Diese Funde werden mich zu einem Geologen erster Güte machen. Mich in so jungen Jahren zu einer Berühmtheit in der Wissenschaft werden lassen und mich zu großem Ansehen führen. Schmuck wird genannt werden in einem Atemzug mit Martel, Cope und Bascom. Der größte Höhlenforscher und Geologe der Neuzeit werde ich sein, ich muss hier nur rauskommen. Das Wissen, das ich hier gesammelt habe, wird für die Wissenschaft von unschätzbarem Wert sein. Ich muss sie weitergeben, davon berichten. Ich weiß über diesen Ort wohl mehr als jeder andere Mensch! Ich habe Wissen, das kein anderer hat. Ich bin ein Entdecker und Forscher, man hat mir die Türen zu unbesudeltem und unverbrauchtem Wissen geöffnet. Ich werde nicht zurückfallen! Nicht, werde es nicht wieder verlieren, zu viel hab ich dafür bereits geopfert. Ich fürchte den Tod nur, weil ich durch ihn wieder unwissend und dumm werden würde! Ich werde hier nicht sterben! Ich werde hier rauskommen und von meinen … meinen Entdeckungen und Funden erzählen!
Nach einer Weile kam ich an einer Stelle hinaus, die mir sehr bekannt vorkam. Sie sah genauso aus wie die erste Kreuzung, die mir in den Weg kam, als ich den Berg betreten hatte. Schnell kramte ich meine Notizen heraus und erkannte, dass ich laut meinen Aufzeichnungen nur den rechten Gang nehmen müsste, um aus diesem höllischen Labyrinth zu kommen.
Freude machte sich in mir breit und ich lief fast schon sprintend den Weg entlang. Ich erkannte an einer Wand sogar das Loch, das ich hinterlassen hatte, als ich den kleinen Granitstein aus der Wand geschlagen hatte. Voller Vorfreude lief ich den Gang weiter entlang.
Nur um dann die absolute Zerschlagung meiner Hoffnungen vorzufinden.
Sackgasse.
Ich spürte, wie sich wieder die Dunkelheit über meinen Geist breitmachte. War dies mein Ende? Sollte ich hier sterben?
Als ich mich umdrehte, um zurückzugehen, erkannte ich das pure Grauen. Der Weg, von dem ich gekommen war, war ebenfalls verschwunden.
Ich war in einer steinernen Kuppel, wie dem Grab des Agamemnon, tief unter der Erde gefangen.
Abgekämpft zog ich mich zu einer der Wände und lehnte mich an die kalte Granitwand. Ich war mittlerweile unfähig geworden, all das Geschehene sinnvoll miteinander in Beziehung zu setzen. Das dämonische Grollen, der undefinierbare Pilz und die sich verändernden Wege – es war unmöglich, dies zu erklären, und so hatte ich keine Wahl, als diese Absurdität zu akzeptieren, denn dies zu hinterfragen, wäre der sichere Pfad in den Wahnsinn gewesen.
Ich erkannte jedoch ein Licht. Jenes Licht, das ich heute bereits einmal vernommen hatte. Das türkisähnliche Licht des Pilzes, nur war es jetzt weitaus heller. Es schien aus einer Spalte zu meiner Rechten aus der Wand. An den Gedanken, ob diese Ritze schon dort war, als ich die kuppelförmige Kammer betreten hatte, verschwendete ich keine Sekunde.
Ich ballte meine Fäuste um meine Taschenlampe, erkannte jedoch, dass nichts in meinen Händen war, was ich umklammern konnte.
Weder in meiner Hand noch auf dem Boden neben mir lag meine Lichtquelle. Hatte ich sie etwa während meines frustrierenden Marsches durch die Gänge geistesabwesend weggeworfen? Ich vermochte, die Antwort darauf nicht zu geben. Dennoch fiel mir unausweichlich auf, dass ich die Abwesenheit meiner Lampe nicht vermisst hatte, da ich die Gänge weiterhin hell sah. Hatten sich meine Augen an die Finsternis gewöhnt oder wieso war mir das Fehlen meiner Lampe nicht früher aufgefallen?
Da mich nicht die Aufklärung jener seltsamen Ereignisse interessierte, sondern nur das Entkommen aus eben jenen. Rappelte ich mich, ohne einen weiteren Gedanken an die Zustände jener Begebenheit zu verschwenden, auf und zog mich in Richtung des Lichtes.
Ich verspürte, wie sich mein Geist langsam vernebelte. Als ob sich über meinen Geist eine dicke Decke gelegt hätte und ich alles um mich herum in einer Weise wahrnahm, die ich kaum zu definieren wage. Es fühlte sich anders an.
War dies Wahnsinn, nackte Panik oder doch was ganz anderes, etwas, was nur ich zu fühlen vermag oder verstehe?
Ich begab mich in einen Schacht, der weitaus kleiner war als all die anderen. Die Wände drohten, mich zu erdrücken, und nach einer Weile konnte ich mich nur noch kriechend fortbewegen. Immer weiter dem Licht entgegen. Ich spürte, wie sich der Stein an meinem Körper rieb und ich mich langsam wundschliff. Ich nahm es jedoch nicht wirklich wahr, denn ich hatte nur eins vor Augen: das helle Licht, das am Ende des Ganges auf mich wartete.
Als ich schließlich am Ende des Schachtes ankam und in eine weitaus größere Kammer stolperte, erwartete mich ein unbeschreiblicher Anblick. Eine gigantische Aushöhlung, an der die türkisstrahlenden Pilze aus dem dunklen Gestein schossen wie Unkraut. Das Licht, das von jenen ausging, war dabei so hell, dass man meinen konnte, ein gigantisches Feuer wäre hier entzündet worden. Ich machte einige Schritte in die Kammer und blickte auf einige Exemplare, die bis zu 2 Meter groß sein mochten.
Es ging eine gewaltige, stickige Wärme von diesen aus, in der gesamten Kammer herrschte ein schwüles und trockenes Klima, eins, das es mir schwer machte, zu atmen. Und dennoch faszinierte mich dieser Anblick. Es war eine Aussicht, die wohl zuvor kein anderes menschliches Auge jemals erblickt hatte. Ich trat unbewusst immer weiter hinein und sah mich bald fast schon von Pilzen, die durch dieses sonderbare Sekret zu triefen schienen, umzingelt. Als ich mich schließlich weit von dem Schachtende entfernt hatte, begann es.
Einer der Pilze, ein ganz kleiner, der zu meiner Rechten stand, begann langsam, schwächer zu leuchten, und schließlich auszugehen. Ihm folgen drei weitere, die auf einem Stein gesprossen waren, dann erlosch auch eines der 2-Meter-Exemplare.
Immer schneller begannen weitere Pilze, völlig in Dunkelheit getaucht, zu werden. Die Ecken der Kammer wurden schwarz, nichts konnte ich mehr erkennen. Die Finsternis war wie ein Hai, der seine Kreise um mich zog, und der erleuchtete Teil des Raumes wurde immer kleiner und kleiner.
Als mir bewusst wurde, was dies zu bedeuten hatte, floh ich zu denen, die noch kräftig leuchteten, doch erlosch einer nach dem anderen und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
Letztendlich stolperte ich gehetzt auf allen Vieren zu dem letzten noch leuchtenden Pilz. Er durfte nicht schwinden. Durfte mich nicht der Dunkelheit überlassen, nicht wie es meine Taschenlampe tat.
Und doch, er tat es. Meine letzte Hoffnung. Ich war nun in völlige Finsternis getaucht und starrte auf die eben noch erhellte Stelle. Ich wusste nicht, wie lange ich dort verweilte. Doch gab ich nicht auf. Ich wusste selbst nicht, warum ich mich wieder aufraffte, doch tat ich es und irrte fortan in völliger Schwärze.
Wie lang ich dies tat, wusste ich nicht. Ohne auch nur irgendeinen Anhaltspunkt war es unmöglich, dies zu bestimmen, und auch meinem eigenen Gefühl konnte ich nicht trauen, doch vielleicht war es besser, in Unwissenheit gehalten zu werden.
Ich lief durch die Dunkelheit, schrammte an den Decken und Wänden, stolperte über Dinge, von denen ich vermutete, dass es Steine waren, und kroch auf staubigem Boden, stets von der erdrückenden Ungewissheit verfolgt, nicht ahnen zu können, was mit dem nächsten Schritt auf mich zukam.
In dieser Zeit, die ich ohne zu zögern als die schlimmste in meinem Leben bezeichnen würde, ja vielleicht sogar als das schlimmste Schicksal, das einem Menschen jemals zugestoßen ist, verspürte ich eine unbeschreibliche Müdigkeit und Kraftlosigkeit. Es war ein schlimmeres Gefühl als der Hunger oder der Durst, doch egal, wie viel Zeit verging, ich verdurstete genauso wenig, wie ich verhungerte.
Das tierische und instinktive Verlangen (von dem ich eigentlich dachte, wir Menschen hätten es bereits verloren), alles zu essen, egal was es sein würde, überkam mich und begann, immer mehr mich zu übernehmen. Ich spürte, wie ich langsam zurück zum Tier degenerierte. Es war grotesk, den Weg der Evolution rückwärts zu gehen. Vom Menschen zur Bestie. Kann mich nicht die Gnade des Verhungerns zuerst treffen?
Doch ein erlösendes Ende trat nicht ein. Als würde man mich am Leben erhalten, nur um mich weiter leiden zu lassen. Was jedoch die Kraftlosigkeit anging: Diese war schrecklicher als alles, was ich bis jetzt auf dieser höllischen Route des Schreckens erlebt hatte. Nichts vermochte, diese fehlende Kraft und unendliche Müdigkeit von allem Irdischen zu lindern oder zu stillen. Als wäre jeder meiner Knochen aus Blei und drücke mich nach unten, als würde man einen mit Steinen gefüllten Rucksack um meine Schultern legen. Es war, als wäre der junge Körper eines Erwachsenen in den eines geschwächten und gebrechlichen Greises verwandelt worden. Ich wollte nur einschlafen, nichts anderes als schlafen.
Mich der endlosen Gnade des Rastens hingeben und mich an Orte träumen, an denen es keinen Schmerz und keine Ungewissheit gab. Doch konnte ich es nicht. Ein jedes Mal, wenn ich mich niederlegte, so grollte der Berg und ich rappelte mich wieder auf und lief oder kroch weiter. Denn er will nicht, dass ich ruhe, er will, dass ich weiterlaufe.
Man sagt, der Mensch sei ein widerspenstiges Geschöpf, eins, das sich an fast jede Situation gewöhnen und anpassen konnte. Doch ich tat es nicht. Nicht hier, an jenem von sämtlichen „Göttern“ verlassenen Ort, an den kein Licht oder Leben drang. Die dunkle, tote Steinwüste, deren einziger Grund zu existieren es schien, alles Leben zu verhöhnen und zu foltern. Weder gewöhnten sich meine Augen an die absolute Schwärze noch mein Geist an die überwältigende Einsamkeit.
Anfangs fürchtete ich mich davor, dass etwas hier mit mir wäre, doch nun fürchte ich, dass hier außer mir nichts ist.
Es war eine von sämtlichem Leben verlassene Hölle. Nichts jagt mich hier. Nichts ist hier, was mich fressen oder beobachten könnte. Nichts lebte hier.
Einst kroch ich von einem engen Schacht in eine breitere Kammer und dort stank es fürchterlich. Ich konnte nicht sehen, was es war, doch malte ich mir aus, dass dies der Kadaver Gottes sein muss oder zumindest irgendeines Gottes, der hier wie ich verloren war. Auch Götter verwesen und sie tun es an so einem Ort wie diesem.
Oder war ich es? War ich es, der langsam verweste? Ich wusste es nicht, nichts wusste ich mehr. Ich wollte es auch nicht wissen, meine Gedanken machten mein „Leben“ hier nur noch unerträglicher. So schrie ich aus Verzweiflung: „WAS, WAS IST – WARUM – ICH VERSTEHE NICHT. „ICH WILL NICHT MEHR: LASS MICH SCHLAFEN … nur schlafen“, und als ich horchte, so hörte ich es. Nichts, nichts, antwortete mir. Und wenn mir keiner antwortet, so muss ich auch nicht sprechen, und wenn es keinen Ausweg gibt, so muss ich nicht suchen oder denken. Nur laufen, immer weiter, denn das ist das Einzige, was ich noch kann. Laufen, immer weiter, und weiter, und wenn ich es immer weiter mache, so kann ich vielleicht schlafen, eines Tages.
So laufe ich im Dunkeln.
(Bild: The Gate of Hell von Gustave Dore)

