ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Ein durchdringendes Piepen riss Ulf aus seinen trüben
Grübeleien. Er reckte seinen Kopf hoch und erblickte die
Infusionsflasche, in der der letzte kleine Rest Flüssigkeit langsam versickerte. Ein Knopfdruck am Infusionsgerät und das nervtötende Piepen verstummte augenblicklich.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit öffnete sich plötzlich mit einem Schwung die massive Zimmertür und Schwester Dora schob ihre Leibesfülle ins Krankenzimmer herein, unterm Arm ein Tablett mit Medikamenten und das neue Fläschchen mit der Infusionslösung.
Sie baute sich neben Ulfs Krankenbett auf. Die Zimmertür fiel währenddessen wieder krachend ins Schloss. Ihr Atem ging schnaufend, als sie sich nach der leeren
Infusionsflasche reckte und die neue einsetzte.
„Ihre Medikamente“, schnarrte Dora und ließ eine
Schachtel mit Tabletten auf dem Nachttisch neben Ulfs Bett fallen. „Wie immer
20 Uhr.“ Dabei würdigte sie ihn keines Blickes, auch das matt geflüsterte
„Danke“ ihres Patienten erreichte sie nicht.
Ulfs Zimmergenosse neben ihm am Fenster schien für
Dora gar nicht zu existieren. Er hatte die Wochen, in denen er hier war, noch keinen
Mucks oder eine andere Regung von sich gegeben.
Nur am Piepen der Infusion und den regelmäßigen Zickzackkurven auf dem Überwachungsmonitor war für Außenstehende zu erkennen, dass er noch am Leben war.
Während Ulf darüber nachgrübelte, ob sein Zimmernachbar überhaupt noch mitbekam, was um ihn herum geschah, flog die Zimmertür wieder mit einem Rums ins Schloss.
Die füllige Schwester war verschwunden. Ulf nahm ihr
die scheinbare Gleichgültigkeit nicht übel. Wozu auch? Er beneidete sie nicht um ihren Job.
Der gleichförmige Gedankenstrom riss ab, das Morphium machte ihn schläfrig.
Die Schatten in der Zimmerecke krochen aus ihren Verstecken hervor, genährt durch die eintretende Dunkelheit, bis sie das gesamte Zimmer um Ulfs Bett eingenommen hatten. Wenig später war alles um ihn nur noch
undurchsichtiges grauschwarz. Die Augenlider wurden ihm mit einem Mal tonnenschwer. Er dämmerte weg.
Doch nicht lange.
Irgendetwas hatte ihn unsanft aus dem Schlaf gerissen.
Seine Augen wanderten unruhig in dem dichten grauschwarz des Zimmers umher.
Doch da war nur sein regungsloser Bettnachbar neben ihm und das leise Klicken
der Infusionsgeräte, ansonsten Stille.
Aber etwas war anders. Es war diese eigentümliche Stille, die alles Lebendige
um sich verschluckte. Ein heftiges Kribbeln stieg Ulf plötzlich in die
Kehle. Er hustete anfallsartig. Etwas brannte ihm in Hals und Nase. Es war Rauch. Scharfer Zigarrenrauch. Er röchelte.
Die Wolken zogen sich zurück und schaler Mondschein fiel durch die weißen Gardinen ins Zimmer. Graue Rauchschwaden zogen träge im Mondlicht vorüber, kräuselten sich, wie als wollten sie den vertrauten Ethanolgeruch aufsaugen, um sich dann in den angrenzenden Schatten zu verlieren.
Ein eiskalter Hauch streifte Ulf an der Wange. Er kroch tiefer unter die Bettdecke, doch die Kälte war längst in seine ausgemergelten Gliedmaßen eingedrungen und sickerte ihm langsam, unmerklich tief in die Brust.
Jemand atmete geräuschvoll aus und ein weiterer Dunst Aschewolken verflüchtigte sich am Mondlicht vorbei in die Dunkelheit.
Ulf erstarrte. Eiskalte Fingerspitzen schienen sein Herz zu berühren. Er wagte es nicht, die Augen zu öffnen.
„Tu nicht so, als ob du schläfst“, durchschnitt ein
trotziges Stimmchen die Stille im Krankenzimmer. Ulf blinzelte. Nach und nach konnte er die Umrisse einer kleinen Gestalt ausmachen, die auf dem Stuhl neben seinem Bett saß.
Vielleicht entfalteten die hohen Dosen Morphium mal wieder ihre Nebenwirkungen und er fing an, herumzuphantastieren.
Haarsträhnchen, die ausgehöhlte Wangen umrahmten, blitzten im schwachen Mondlicht golden auf. Er schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Doch das kleine Wesen lehnte immer noch entspannt im Stuhl zurückgelehnt, den Kopf nach hinten
gereckt, sodass sich die langen Haare über den schmalen Rücken ergossen und
ließ die nackten Beine in der Luft baumeln.
Der qualmende Zigarettenstummel, der zwischen den Fingern der Kleinen steckte, verbreitete weiter Rauchschwaden im Zimmer und bei jedem Zug an der Zigarre traten ihre spitzen Wangenknochen vor.
Seit wann war die Kleine hier neben ihm, wieso hatte er ihr Kommen nicht bemerkt? Wie kommst du hierher, wollte er fragen, doch seine Zunge, auf einmal schwer wie Stein, weigerte sich, die Laute zu artikulieren. Seine mühsam zusammengesetzten Gedankenfetzen zerflossen im dichten Zigarrenqualm, den die Kleine geradezu meditativ ausatmete. Die Hand, die eben noch nach der Patientenklingel tasten wollte, fiel schlaff auf die Matratze zurück. „Du gefällst mir.“, hörte Ulf die zarte Mädchenstimme wieder neben sich. Nach jedem Wort wanden sich dichte Rauchschwaden zwischen den aschfahlen Lippen hervor. Die Kleine rutschte vom Stuhl, ließ den Zigarrenstummel auf den Boden fallen und zerdrückte ihn mit bloßen Füßen.
Schwester Lisa hastete den Gang vor, drückte im Vorbeigehen rasch auf den Desinfektionsmittelspender und stand Sekunden später händereibend vorm nächsten Patientenzimmer. Die 149 war das. Sie stieß die schwere Tür auf, das schwarze Schild daran registrierte sie nicht mehr. Sonnenlicht flutete ins Zimmer und ließ die zwei reglosen Gestalten in den Betten wie friedlich schlafende Menschen aussehen, aber der schale Verwesungsgeruch, der Schwester Lisa in die Nase stieg, verriet die Wahrheit.
Gerade wollte sie sich daranmachen, das Gewirr von Schläuchen und Kabeln von den leblosen Körpern zu trennen, als sie plötzlich innehielt.
Etwas war anders, nicht so wie sonst immer.
Der Geruch. Unter dem sich ausbreitenden Verwesungsgeruch war noch irgendwas Anderes, was Lisa nicht genau zuordnen konnte. Ihr Blick fiel auf die zertretene Kippe vor ihren Füßen. Zigarrenrauch. Eigenartig. Der am Fenster lag schon seit Wochen im Koma und der andere war laut Patientenakte Nichtraucher.
Oder war hier gestern noch Besuch? Ach was soll es. Vielleicht ändern manche Menschen im Angesicht des Todes ihre Meinung. Die junge Krankenschwester fegte die Kippe mit der Schuhspitze beiseite. Für solche lästigen Grübeleien hatte sie jetzt keine Zeit. Schließlich wartete Arbeit auf sie.