Ein kleines Geheimnis
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Das Erlebnis, wie ich meine Familie verlor, niederzuschreiben, war die Idee meines Therapeuten. „Verarbeiten„, so nannte er das. Für mich war das von wenig Bedeutung.
Schon so gut wie jede Therapie musste ich über mich und meine gequälte Seele ergehen lassen. Aber wirklich helfen konnte mir niemand. Nein, helfen konnte niemand. Diese Mordlust in seinen Augen brannte sich mir ins Gedächtnis, genau wie die schmerz- und angstverzerrten Gesichter meiner Familie.
Nein, Therapien konnten mir nicht helfen. Keine Tabletten oder Gespräche konnten den Schrecken heilen, den ich miterlebt habe.
Mein Verstand wäre nur immer weiter abgedriftet und ich wäre in den Tiefen des Verbrechens verloren gegangen. Mein kleinstes Licht ausgemacht… Aber ich wollte das nicht. Ich brauchte Hilfe. Aber von wem?
Vielleicht war meine Erlebnisse niederzuschreiben zumindest eine kleine Hilfe. Der zerschundene Körper meines Vaters kam mir in den Sinn…kurz und schnell wie ein Blitzschlag fuhr mir der Anblick in den Verstand und verschwand genauso schnell wieder.
Die leeren Augen meiner Mutter und ihre zerschmetterten Knochen kamen mir in den Sinn. Mir stellte sich immer wieder die Frage, warum er mich leben ließ.
Wollte er es mich sehen lassen? Verschonte er mich absichtlich um diesen Anblick in meine Seele zu brennen?
Ich erinnere mich an das Geräusch von zerschmettertem Glas. Ich erinnere mich wie er die Spiegel, Scheiben und Gläser zerstörte. Wie er die kleinsten Scherben aufhob und sie mir in die Wangen bohrte und dabei leise, als wäre es unser kleines Geheimnis, „Sieh gut hin“ flüsterte.
Der Anblick zerbrach mich bis in mein Innerstes. So sehr, dass ich nicht wegsehen konnte.
Ja, ich sah gut hin…
Nacht für Nacht verfolgten mich die Bilder der entstellten Körper.
Aber ja, ich sah gut hin…
„Verarbeiten„, so nannte es der Therapeut… Helfen konnte er mir nicht. Aber wenigstens konnte er gut hinsehen.
„Sieh gut hin„, flüsterte ich immer wieder, als wäre es unser kleines Geheimnis.
Ich zerschlug jedes spiegelnde Objekt in seinem viel zu sauberen Büro. Und während ich ihm die kleinsten Scherben in die Wangen bohrte, wollte ich nur, dass er gut hinsah. Er sollte für mich sehen, was ich nicht mehr ertragen konnte.
Letztendlich erfuhr ich nie, warum er mich leben ließ. Aber er tat es.
Und beging damit wohl das größte Verbrechen an mir.
() 20:58, 12. Mai 2014 (UTC)