GeisteskrankheitMittel

Fratzen schneiden

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

„Jetzt sagen Sie mir nicht, Sie haben den heutigen Tag
vergessen?“, stechende Amethysten erheben sich über seinen Bart als er mir in
die Augen blickt. „Also, ähm…“, der kalte Schweiß meiner Hände scheint meinen
Mund in direktem Zusammenhang zu dehydrieren. Zumindest fühlt es sich so an.
„Ich… ich meine…!“, ich weiß, dass es eine Scherzfrage war, die er soeben
gestellt hat und doch spüre ich eine Spirale aus Gänsehaut, die über meinen
Körper streicht wie langsam schmelzende Eisnadeln. Jedes Mal wenn er dieses
verhaltene Lächeln aufsetzt frage ich mich, wie eine derartige Lust an der Grausamkeit
durch bloße Lippenbewegungen in andere Seelen geschleudert werden kann.

Ja, es ist nichts als seine Mimik, die ihn mächtig macht,
sein bloßer Gesichtsausdruck vermag es, einen Wurfschatten aus reiner Furcht
über all seine Untergebenen zu ziehen und seine gesamte Umgebung in ein
unterwürfiges Puppentheater zu verwandeln. „Heute ist Halloween! Wussten Sie
das nicht?“, fragt er, ohne seine Haltung zu verlieren. „Doch, doch!“, krächze
ich in unterdrückter Hast. „Nur… ähm… nur war mir ein derartiger Brauch nie so
wichtig vorgekommen um ihn so wirklich wahrzunehmen!“

Seine Hände vollführen eine beschwichtigende Geste und seine
Mundwinkel hätten einem Kind entweder innigstes Urvertrauen oder aber ein
lebenslanges Trauma beschert. „Das kann man Ihnen natürlich nicht verdenken.“ Was
außer menschlichen Emotionen kann gleichzeitig warm und kalt sein? Ich weiß es
nicht, aber seit ich ihn kenne, bin ich fest davon überzeugt, dass es diese
Mischung ist, der er seinen Status verdankt. Diese Legierung aus Freundlichkeit
und grausamem Sadismus, diese innige Umarmung zweier Gegensätzlicher
Charaktereigenschaften, die in jedem seiner Mitmenschen ein Garn aus
Unsicherheit spinnt, aus dem er schließlich die Fäden der Kontrolle zieht.

„Halloween ist immerhin vor Allem amerikanisch geprägt…
hierzulande hat es nicht viel verloren“, fährt er fort, wobei ich spüre, wie
eine fast kindliche Vorfreude in ihm aufflammt, was in mir jedoch nur kalte,
unsichere Asche hinterlässt. „Trotzdem ist es eine interessante Grundidee!“,
nicht einmal der kalte Wind, dessen unsichtbare Federn gegen unsere
Leibesfronten schlagen bringt ihn davon ab, sich selbst reden zu hören. „Sie
müssen wissen, dass es ein weit verbreiteter Glaube im katholischen Irland war.
In der Nacht vor Allerheiligen scheinen die Wände zwischen Dies- und Jenseits
besonders dünn zu sein, sodass allerlei unangenehme Kreaturen wie Geister,
Kobolde, Hexen und sonstiges Gesocks auf der Erde wandeln können.“

Sein Tonfall verrät mir, dass er ein Nicken oder ähnliches
erwartet, einer Forderung der ich eilig Nachkomme, bevor er fortfährt: „Und um
zu verhindern, dass diese Wesen über die Menschheit herfallen wie ein Schwarm
unersättlicher Parasiten, verkleidet man sich an diesem Tag, jeder wird selbst
zu einem Geist, Monster, Kobold, Dämon oder Wiedergänger, kurz; zu etwas, das
ihm selbst Angst macht. Man versucht, die übernatürlichen, angsteinflößenden
Wesenheiten durch eigene Panikmache fernzuhalten. Ironisch, nicht wahr? Der
meiner Meinung nach interessanteste Aspekt dieses Fests ist meiner Meinung nach
der Kürbis.“

„Der… Kürbis?“, zwar ist mir der Ablauf des Halloweenfestes
vage bekannt, doch wenn er auf diese Weise eine Resonanz verlangt, ist es
klüger, sich dumm zu stellen. „Allerdings. Der Kürbis.“ Seine schmeichelnde
Stimme scheint nun vollständig von sich selbst eingenommen zu sein, während
sich eine beunruhigte Nervosität in langsamen Windungen durch meine Gedärme
schraubt. „Man höhlt einen Kürbis aus, stellt eine Kerze hinein und schneidet
eine Fratze ins Fruchtfleisch.“

„Eine Fratze?“, ich hoffe inständig, dass das künstliche
Interesse meine Beunruhigung überspielt. „Ja, eine Fratze. Ein mehr oder
weniger furchteinflößender Gesichtsausdruck, die selbst ein so niederes
Lebewesen wie einen Kürbis zu einem nützlichen Verbündeten macht. Denn so ein
Fratzen schneidender Kürbis vor dem eigenen Haus hält all diese unangenehmen
Gesellen aus dunkleren Sphären ab. Sehr praktisch, finden Sie nicht? Und jetzt
stellen Sie sich mal vor, wie das für so einen Geist sein muss! Die Grenze
zwischen Tod und Leben verschwimmt  und
er schöpft endlich Hoffnung, das trostlose Totenreich verlassen zu können um
die Welt der Lebenden zu überfallen und auszusaugen… und dann wird diese
Hoffnung durch reine Furcht zerschlagen… Furcht, die alleine von dem Gesichtsausdruck
des Kürbisses ausgeht…“, ein vorfreudiges Keuchen lässt eine verschlungene
Dampfsäule aus seinem Rachen tänzeln, welche sogleich mit den aufgetürmten
Nebelzungen des rauen Oktobermorgens verschmilzt. Er lässt einen
nachdenklichen, abwesenden Blick über die in Reih- und Glied liegenden
Pflastersteine des Hofs schweifen, bevor er an einem himmelsschlagenden
Metallturm hängen bleibt.

„Natürlich…“, sein Tonfall wird leicht herablassend, als er
mich wieder seiner Aufmerksamkeit würdig befindet. „Ist der gesamte
Halloweenglaube vollkommener Unsinn, alleine dadurch, dass er einen keltischen
Ursprung hat“, es ist nie ganz einfach auszumachen, wem oder was seine
Geringschätzung gilt. „Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass man von
solchen Bräuchen etwas lernen kann…“

Es sind nur winzige Zuckungen, die sich auf sein Mienenspiel
auswirken… so unbedeutend anmutende Muskeln mit der Fähigkeit, tonnenschwere
Kettenglieder um mein Denkzentrum zu wickeln. Während sein warmes Lächeln
bestehen bleibt, ziehen sich seine Augenlider im Millimetertakt zurück und geben
ein schmales Fenster auf das frei, was er wirklich ist. Nun sehe ich, woraus
der Ozean seiner Augen wirklich besteht.

„Rufen Sie zum Appell!“, befiehlt er in bedrohlicher
Monotonie. „Was… was haben Sie vor?“, ich bereue den Klang meiner dünnen Stimme
sofort nach diesem unbedachten Widerspruch. Seine Gesichtszüge werden hart und
seine pulsierenden Lippen geben die Sicht auf seine Zähne frei. „Rufen. Sie.
Zum. Appell.“ Mir ist klar, dass ich keine Chance auf eine zweite Wiederholung
habe. Ich nicke eifrig und gebe den Befehl weiter, worauf sich jedoch nicht wie
üblich die Häftlinge auf dem Appellplatz einfinden, sondern innerhalb weniger
Minuten vier Lastwagen mit voll beladenen Ladeflächen über die kalten
Bodenmosaike rollen.

Eifrige Männer in Uniformen hieven einige längliche,
verhüllte Gegenstände von den Tragflächen der Vehikel und verteilen sie ordentlich
und symmetrisch über das Areal, kurz darauf stellen sie sich, wie auf einen
Befehl wartend, daneben und nehmen Haltung an. „Die Gefangenen sollen
aufmarschieren!“, hallt SEINE energische Stimme über den Platz. „Alles wie
besprochen!“

Ich sehe, wie energische Hände an hilflos wirkenden
Quartiertüren zerren und wie ein beinahe hysterisches und dennoch synchron
ausgeführtes Kreischen die Häftlinge aus ihren Baracken kommandiert. Dutzende
Gefangene ziehen widerspenstige Tunnel in den Nebel, dessen schwadende
Gespinste von Angstzittern aufgeladen zu sein scheinen. „So… wenige…?“ Ich
zähle nur ein paar Dutzend. Weit unter der Anzahl eines gewöhnlichen Appells,
zudem sind es Männer und Frauen ohne jede Trennung.

„Das hier ist nicht die gewöhnliche Prozedur“, flüstert er
mir zu, während ich förmlich spüre, wie seine zuckende Vorfreude eine
aufgeheizte und doch eiskalte Aura in meine Richtung haucht. „Das sind ausgewählte
Gefangene.“

„Mützeeeen ab!“, brüllt einer der Ranghöheren, worauf diese
gestreiften Unterdrücker des Scheitels von den kargen Köpfen gezogen werden. Es
ist den Häftlingen nicht erlaubt, ihren Blick in eine andere Richtung als
geradeaus zu lenken und doch sehe ich, wie sie unsichere Seitenblicke wagen…
Männer die ihre Frauen seit langem nicht gesehen haben… Ehepartner die sich in
greifbarer Nähe befinden, nur verhüllt durch den Nebel und den unsichtbaren
Schienen, die ihren Hals in eine Richtung hin zwängen. Sie spüren, dass heute
etwas anders ist. Natürlich sehen sie auch die schwarz verhüllten Objekte, die,
von jeweils einem Offizier begleitet, direkt in Reichweite ihrer Augen stehen;
natürlich ist ihnen klar, dass beide Geschlechter vertreten sind, aber das ist
es nicht…!

Sie kennen IHN. Sie haben ihn besser kennen gelernt als es
jemals einem Menschen beschieden sein sollte… Sie spüren seine Vorfreude noch
intensiver als ich und man kann die nackte Furcht sehen, die ihre hervorstehen
Wangenknochen in panische Schwingungen versetzt… Dieses letzte bisschen
Widerstand gegen die eigenen Grenzen, die sie daran hindert, sich auf den Boden
zu kauern wie ein verwundetes Kätzchen unter Wölfen. Dieses unaufhörliche
Zittern der angstgepeinigten Augen, die ihre Seelen so grau und instabil wie
vom Nebel verätzt wirken lassen.

„Meine lieben Freunde…!“, ruft er der gepeinigten Menge zu,
während die dunstigen Schleier von seiner braunen Uniform durchschnitten
werden. „Heute, am Tag vor Allerheiligen habe ich mir etwas ganz besonderes für
euch ausgedacht…!“ Ein atemloses Schlucken brandet durch die Gefangenenmenge, während
sich die ausgemergelten Körper zusammenziehen, als würden sie vom Nebel gegen
den Steinboden gedrückt. „Zu schade, dass wir heute keine freie Sicht haben!“,
ruft er in einem honigsüßen und beinahe kindlich enttäuschten Tonfall.

„Ich hoffe natürlich, dass ihr es trotzdem genießen könnt…
und vergesst nicht, Augen immer geradeaus, wir wollen uns doch schließlich
nicht wegen mangelnder Disziplin blamieren!“ Und damit gab er seinen
Untergebenen das Zeichen, die Tücher von den ausgestellten Objekten zu ziehen.

„Mal sehen, wie lange es dauert…“, flüstert er mir zu,
nachdem in meine Reichweite zurückgekehrt ist. Er winkt mich hinter sich her
als er seinen Standort zugunsten einer besseren Perspektive verlässt. Die
Beherrschung seiner Gesichtszüge scheint nun vollends zu splittern, sein
Verstand zeichnet sich als Skulptur scharfkantiger Scherben in seinem Antlitz
ab… und das alles nur durch ein Lächeln, das in dem Moment erstrahlt als die
Sicht die länglichen Objekte frei wird.

Ich kann nicht sagen, wer schneller begreift, ich oder die
Häftlinge. Von der Seite aus, sehe ich ein ganzes Feld aus hölzernen Speeren,
die wie die Zähne eines blutbefleckten Dämons aus dem nebelfeuchten Stein ragen.
Spitze Grabmale, deren obere Enden einen aufpreschenden Schauder durch die
Oktoberkälte fahren lassen.

Es sind Kinder… Ihren Körpern beraubt und aufgespießt auf
Luftröhren, denen viel zu wenige Atemzüge vergönnt waren. Doch als ich genauer
hinsehe, spüre ich ein widerliches Saugen, dass meine Kehle in Richtung Magen
zu pressen scheint. Dutzende, vielleicht hundert von kindlichen Köpfen, nicht
nur gepfählt sondern regelrecht geschändet. Eine dreieckige Fläche mit der
spitze nach oben wurde um ihre Augen herum aus den Knochen gemeißelt und ihre
Münder wurden zu grotesken lächelnden Gebilden geschnitten. Noch immer fließt
roter Lebenssaft aus ihren klaffenden Dreiecksaugen, so als würde der Blutregen
aus der verdorrten Dreifaltigkeit herausbrechen.

„W… was…?“, es gelingt mir nicht einmal zu stammeln, bevor
ein spitzer und gequälter Aufschrei die geschundenen Muttergefühle einer
Gefangenen entlädt. Die Frau vergisst jede Selbstkontrolle und durchbricht die
erstarrten Häftlingsreihen um sich dem grausigen Todeswald zu nähern, den ER
direkt vor ihren Augen errichten ließ. Doch noch bevor sie ihr Kind (sofern es
das ist, was sie erkannt hat) erreicht, wird sie schon von den Wärtern
abgefangen und auf den Boden gezerrt. Wieder und wieder sinkt das mitleidlose
Metall der Schlagstöcke gegen ihr Fleisch. Mit der Präzision aufeinandertreffender
Wimpern bearbeiten sie diesen kümmerlichen Überrest einer einst gesund
wirkenden Frau.

Die anderen stehen unverändert da… Zitternd und doch
regungslos. Ihnen ist klar, dass sie dasselbe erwartet, wenn sie wegsehen oder
sonst eine falsche Bewegung wagen. Ich sehe die angespannten Muskeln, die das
letzte bisschen Gewebe mit ihren Knochen verbinden, ich sehe ihre Emotionslosen
Mienen… einzig und alleine ihre Augen verraten, was sich in den kollabierenden
Seelen abspielt, all das unterdrückte Leid sammelt sich im faden Sumpf ihrer
Pupillen und verleihen ihm den frischen Glanz der Verzweiflungstränen.

„Wer… wer war das…?“, frage ich fast automatisch, während
der Klang meiner Stimme keine Anzeichen von Festigkeit zeigt. „Oh, das waren
ein paar Deserteure, Verräter, Schwule, Neger und sonstiges Gesocks…“, die
Erhabenheit seines Tonfalls lässt meine Zähne knirschen… er scheint in seiner
eigenen Selbstgefälligkeit zu baden. „Ich habe die Kinder erschießen lassen…
Köpft man sie während der Leichenstarre ist die Sauerei nicht so groß … Und
dank unserer wundervollen Bürokratie habe ich auch schnell die entsprechenden
Eltern gefunden. Anschließend habe ich ein paar Helfer zusammengetrommelt und
ihnen die Freiheit versprochen, wenn sie die Leichen enthaupten und ihnen
Fratzen schneiden“, er pausiert um zu kichern, völlig eingenommen von seinen
eigenen Worten.

„Und ich habe sie gehen lassen… allerdings nicht auf ihren
Beinen…“, flüstert er und ich höre, wie sein ausklingender Atemzug als
sadistisches Zischen aus seinen Zähnen gepresst wird. Mittlerweile treten die
Halsschlagadern der Häftlinge deutlich aus ihrer Haut hervor, beinahe als ob
ihr Leben sich einen Weg nach draußen zu kämpfen sucht. Mir ist fast, als
könnte ich ihren Herzschlag spüren, als würde ich trotz des Nebels jedes Detail
ihrer innerlichen Kämpfe wahrnehmen. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und aus
den Augenwinkeln sehe ich, dass es einigen meiner Kameraden ähnlich geht.

Immer wieder verliert einer der Gefangenen die Nerven… jedes
Mal spüre ich den winzigen Biss einer Eisenklammer in meinem Inneren, wenn ein
Häftling aus der Formation stürmt und anschließend aufgegriffen und so lange
geschlagen wird, bis sein Überleben nur noch von Glück abhängt. „Wozu das
alles…?“, mehr als ein Hauchen bringe ich nicht zustande.

„Wozu?“, wieder spüre ich, wie er von oben auf mich herab
spricht. „Leider lässt es sich nicht leugnen, dass die rote Armee uns näher und
näher kommt. Können Sie nicht spüren, wie unruhig und aufmüpfig die Häftlinge
werden? Sie schöpfen Hoffnung! Sehnen sich nach Freiheit!“, er dreht seinen
Kopf und ich habe das Gefühl als würde er seinen Blick regelrecht in meine
Augen rammen. „Aber damit dürften wir ihnen zeigen, wo sie stehen… und das
alles nur, dank ein paar geschnittenen Fratzen. Haben Sie mir etwa nicht
zugehört, als ich von den Halloweenkürbissen erzählte?“ Er lächelt.

Ich spüre, wie mir der Atem im Hals stecken bleibt. Spüre
dieses schreckliche Unbehagen, kalt und undeutlich wie Nebel, diesen Anflug von
Furcht der blitzschnell in Hass umschlägt und bald wieder von Angst
niedergekämpft wird… ausgelöst von jenem kaum merklichen und doch unglaublich
grausamen Lächeln. „Wir werden sie noch ein paar Stunden stehen lassen…“, ein
bösartiges Zucken huscht an seinen Wangen entlang, „mal sehen, wie viele noch
weich werden! Fordern Sie währenddessen weitere Erschießungskommandos an… wir
werden das Ganze noch ein paar Mal wiederholen!“

„Wiederholen?“, frage ich, während ich spüre, wie sich meine
Kehle zuschnürt. „Ja, wiederholen!“, mit einem Mal legt sich ein Schatten über
seinen durchdringenden Blick und aus dem selbstgefälligen Lächeln wird ein
verachtendes Zähnefletschen. „Haben Sie ein Problem damit?“, die Kälte seines
Flüsterns lässt meinen Atem gefrieren. „N-nein, Herr Lagerkommandant!“, ich
weiß nicht ob es ein Zittern oder Kopfschütteln ist, das sich so schmerzhaft um
meinen Nacken klammert. Eine kurze Zeit habe ich nur das Bedürfnis, mich seinem
grauenhaften Gesichtsausdruck zu entziehen. Ich salutiere mechanisch, drehe
mich um und mache mich auf den Weg, meinen Auftrag zu erfüllen, während ich
darauf warte, dass die elektrische Taubheit, die Körper und Geist befallen hat
mich wieder gehen lässt.

Ich sehe die leidenden Gefangenen am Rand meines
Sichtfeldes. Wie sie die entstellten Köpfe ihrer Kinder anstarren, gezwungen
den Anblick zu ertragen, bis sie entweder mental zusammenbrechen, oder ER das
Interesse verliert. Ich schlucke und presse die Augen zusammen. Es sind
Untermenschen! Widerliche, schleimige Parasiten! Schmutz, der nicht das Anrecht
hat, dieselbe Luft, wie die Herrenrasse zu atmen! Ich will kein Mitleid mit
ihnen haben! Und doch… wir, seine Untergebenen, fürchten IHN mehr als wir es
uns zuvor hätten vorstellen könnten… Wie grausam muss erst die Angst der Gefangenen
sein? Welchen unerträglichen Schrecken muss es bedeuten, sich einem
solchen Feind ausgeliefert zu sehen?

Sollten wir ihm nicht gehorchen, würden wir genauso
behandelt werden, wie die Häftlinge… jemand der sich der Obrigkeit widersetzt
ist auch nichts weiter als ein Untermensch… Schon oft genug hat er ein Exempel
an Deserteuren statuiert… an Kameraden, die sich gegen die Bestialität des
Kommandanten erhoben… Ihre Schreie klingen noch immer in meinen Ohren… doch
niemand half ihnen. Dazu war die Furcht vor IHM viel zu groß. Panik, die er
alleine durch die tänzelnden Impulse seines Gesichts auslösen kann.

Mein Blick fällt auf den Stacheldraht, welcher über den
unzähligen Maschen der Stahlzäune gespannt ist, wie die Dornen einer toten
Rose. Wärter, Aufseher, Kommandeure schimpfen wir uns, doch letztendlich sind
auch wir nur Gefangene. Eingesperrt und unterworfen, von einem System, dass es
jemandem wie IHM ermöglicht, zum Lagerkommandanten aufzusteigen.

Meine Gedanken rotieren noch immer den neusten Erguss seines
Wahns. Halloween… ein Fest der Toten… Fratzen die in Kürbisse geschnitten
werden, einzig mit der Absicht, böse Geister zu vertreiben. Was für ein Monster
muss man sein, um diesen Tag auf eine derartige Weise interpretieren? Mit aller
verbliebenen Willenskraft tauche ich meine Gedanken in Leere…

Bevor ich den Turm betrete, den mir mein Auftrag gebietet,
atme ich noch einmal tief durch und sehe auf zur Flagge, die das Lager und
alles drum herum als unser Eigentum kennzeichnet. Ich erblicke das leuchtende
Rot, dessen Mitte eine kreisrunde, weiße Fläche ziert; eine Faust, die sich im
Blut der Unterlegenen suhlt. Und ich sehe das schwarze Symbol, das im Zentrum
des im Wind tanzenden Stoffes prangt, wie die Rotorblätter einer
Tötungsmaschine… Jenes Zeichen, dass die unanfechtbare Krone der
Menschenrassen ziert… Jenes Zeichen, das mehr Angst verbreitet hat, als ein
Fratzen schneidender Kürbis es jemals könnte.

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