ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Seine ganze Welt war für den Moment auf seine zittrigen Atemzüge beschränkt, die immer wieder die Stille durchbrachen. Ein und aus. Vor ihm auf dem Tisch lag ein harter Kanten Brot. Sein Mahl. Das Letzte vor dem Galgen. Er hatte das Brot in die Hand genommen, aber er drehte es nur immer wieder, fühlte es und konnte sich nicht dazu überwinden, ein Stück abzureißen. Er wusste, mit seinen zu Ruinen zerfallenen Zähnen würde er es nicht kauen können, außerdem war ihm jeder Gedanke an Hunger fern, ja fast schon fremd. Immer wieder tauchte das Bild des verhüllten Galgenpodestes vor seinen Augen auf. Es würden so viele Leute dort sein. Der verhüllte Galgen vor dem grauen Himmel, und das grobe Tuch flatterte im Wind. Und das alles für so wenig Geld, für das kleine bisschen Geld, mit dem man sich vielleicht ein Huhn hätte kaufen können. Der Raum, dessen Möblierung aus einem Hocker und einem niedrigen Tisch bestand, erzitterte, als die Tür von wuchtigen Faustschlägen getroffen wurde. Er hob den Blick. Das Brot fiel ihm aus den zitternden Händen. Es machte ein dumpfes Geräusch auf dem gestampften Lehmboden. „Es ist Zeit.“ Eine dunkle, raue Stimme. Draußen fiel der Regen. Der Galgen wurde enthüllt, die Menge hielt den Atem an, als die grauenerregende Silhouette sich in furchtbarer Pracht vor den grauen Wolken präsentierte. Und das alles für so ein bisschen Geld! Er stand auf und ging zur Tür.
Regen tropfte von ihren Helmen und ihre Kettenhemden glänzten. Zwei kräftige Männer, einer mit dunklem, der andere mit hellem Haar. Es ragte ihnen in schmutzigen Strähnen unter den Helmen der Wache hervor. Sie würden ihn zum Galgen bringen und dafür sorgen, dass die Menge ihn nicht lynchte. Der Galgen war extra für ihn aufgebaut worden. Mit unsicherem Schritt ging er unter dem Türrahmen durch und stolperte. Der Blonde hielt ihn am Oberarm zurück. „Vorsicht.“ Er wandte sich grinsend an den Dunkelhaarigen: „Glaubst du, er wird zappeln? Ich mag das.“ Der andere machte ein abwägendes Gesicht. „Manchmal zappeln sie nicht. Kann sein, dass er nicht zappelt.“ Der Blonde sah in seiner Enttäuschung wie ein großes Kind aus. Nachdem sie schweigend über das Pflaster gegangen waren, hielten sie plötzlich an. Der Dunkelhaarige streckte ihm einen kleinen Sack mit Augenlöchern entgegen. Schweigend nahm er den Sack und stülpte ihn sich über den Kopf. Der Dunkelhaarige sah ihn fast mitleidig an. „Es gibt kein Zurück.“ Sie bogen um eine Ecke und ihm wurde übel. So viele, dachte er. So viele sind gekommen… Um zu sehen… Sein Blick fiel auf den Galgen. Das Todesgerüst wirkte so geometrisch korrekt, so widerwärtig präzise. Ein in den Himmel aufragender Monolith des Todes. Sie gingen durch die Menschenansammlung, die nur widerwillig eine Gasse bahnte. Es war still. Er spürte alle Blicke auf sich gerichtet. Sein Gesicht fühlte sich unter dem Sack, der nach Kerzen roch, unglaublich heiß an. Ein Schweißtropfen rann ihm ins Auge.
Er hörte einige Rufe von weiter hinten aus der Menge wie „Verräter“ und „Mörder“. Doch die meisten sahen ihn einfach nur stumm an. Sie hatten sich hier teilweise mit ihren Kindern versammelt, die Kleinen saßen auf den Schultern ihrer Väter. Sie hatten sich für ein Spektakel versammelt, doch hier kam er, das deutlichste Symbol dafür, was geschehen würde. Und sie blieben stumm. Der Gang durch die Masse an Menschen war so unwirklich wie ein Traum. Viel zu schnell gelangten sie an die Stufen des Galgenpodestes. Die in Eile zusammengezimmerten Stufen wackelten ein wenig unter den festen Schritten seiner Begleiter. Seine Hände waren fürchterlich nass. Ihm war so heiß, er hätte alles für einen kühlen Luftzug gegeben. Warum nur hatte er sich für das bisschen Geld an den Galgen bringen lassen? Er glaubte in Ohnmacht zu fallen, aber irgendwie blieb er auf den Beinen. Der für diesen Zweck aus dem nahen Kloster herbeibestellte Ordensbruder las stockend aus einer Bibel vor. Als er fertig war, richteten sich alle Augen mit gleißender Intensität auf ihn. Irgendwo hörte er ein kleines Kind weinen. Er wusste, es war Zeit. Das Geld, dachte er verwirrt, es hätte nicht einmal für einen Esel gereicht.
Langsam zog er den Hebel, der unerträglich schwer war und ihm beinahe aus den feuchten Händen geglitten wäre. Die Klappe schwang nach unten, es gab einen Ruck, ein scharfes Knacken und der Mann, der schweigend mit dem Seil um den Hals auf dem Galgen gestanden hatte, schiss sich in die Hose während er sein Leben zappelnd wie ein Fisch auf dem Trockenen beendete. Er hatte sich zum Henker gemacht. Er zitterte und hätte sich beinahe den Sack vom Kopf gerissen. Er hatte sich zum Verräter und zum Mörder gemacht. Der Boden kam plötzlich ganz nahe und in seiner Ohnmacht hallten die Worte nach wie ein Glockenschlag: Verräter, Mörder, Verräter, Mörder…