
Ich bin mehr als eine Puppe
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Vor vielen Jahren, es müsste das Jahr 1935 gewesen sein, wurde ich hergestellt. Man erschuf mich in einer Kleinstadt namens Nossen in Sachsen. Hergestellt wurde damals mit viel Liebe hergestellt.
Ich bin eine kleine Puppe mit 26 cm Höhe, habe braune Haare und blaue Augen. Ich habe typische Kinderwangen. Mein Kopf besteht aus Celluloid. Der Körper wurde aus Stoff erschaffen, ebenso wie meine Beinchen.
Mein Artikelname lautet „Mein Fritzchen“, obwohl ich diesen nicht so sehr mag. Ihr denkt vielleicht: „Wieso kann diese Puppe reden?“ Nun, um ehrlich zu sein, ich weiß es selber nicht. An dem Tag, an dem ich erschaffen wurde, war ich auf einmal da.
Ich wusste nicht, was ich bin, noch wo ich bin. Ich sah auf einmal das Innere einer großen Fabrik. Überall liefen Menschen herum und es wurden viele Puppen hergestellt. Die Fabrik hieß Buschow & Beck. Ich wurde in einen Karton gesetzt und meine Reise begann.
Es war sehr holprig und nach ca. einer Stunde Fahrt war die Reise schon vorbei. Ich wurde ausgeladen und ein älterer Herr, welcher einen sehr sympathischen Eindruck machte, brachte mich in seinen Spielzeugladen. Er stellte mich in ein kleines Regal neben der Kasse.
Es vergingen ein paar Tage, bis auf einmal eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter hineinkam. Diese schaute mich an und sagte ihr, dass sie mich unbedingt möchte. Die Mutter sagte ihr aber, dass sie sich mich nicht leisten könnten, und wollte gerade gehen.
Dem älteren Herren zerbrach das Herz und er sagte zu der Mutter: „Ich bekomme in den nächsten 3 Tagen einige Lieferungen und mein Rücken schmerzt sehr. Wenn Sie möchten, können Sie mir beim Ausladen und Wegräumen helfen und ich bezahle Sie dafür.“
Die Mutter war dankbar und nahm das Angebot an. Nach dem 3. Tag bedankte sich der Ladenbesitzer bei ihr und gab ihr 50 Reichsmark und holte mich noch dazu. Er sagte: „Ihre Tochter hat sich so auf die Puppe gefreut, ich glaube, sie ist bei ihr in besten Händen.“
Die Mutter bedankte sich vielmals. Sie hatte Tränen in den Augen. Und ich? Nun ja, ich muss sagen, er hatte recht. Das kleine Mädchen, welches sich als Edeltraud vorstellte und zu diesem Zeitpunkt 5 Jahre alt war, war das Beste, was mir passieren konnte.
Wir spielten jeden Tag, sie fütterte mich, zog mich an und wir tranken jeden Tag Tee. Die ersten Jahre waren toll. Ich spendete ihr Trost, wenn es ihr schlecht ging, und machte mit ihr viele Erfahrungen, die ihr Leben prägten.
Doch dann kam der Zweite Weltkrieg. Alles wurde anders. Die Fröhlichkeit aus der Familie war verschwunden, da Edeltrauds Vater in den Krieg musste. Als Deutschland dann den Krieg zu verlieren drohte, mussten wir fliehen. Wir waren in einem Keller versteckt, als ich spürte, dass wir da nicht sicher sind.
Ich versuchte, Edeltraud mitzuteilen, dass wir dort abhauen müssen. Und … und … auf einmal schaffte ich es, zu reden. Edeltraud schaute mich erschrocken an, doch sie merkte schnell, dass ich nichts Böses wollte. Sie fing an, ihre Mutter zu drängen, aus dem Keller zu fliehen, aber diese wollte nicht.
Edeltraud nahm ihren Mut zusammen und rannte aus dem Keller. Ihre Mutter kam ihr hinterhergerannt und als diese das Haus verließ, traf eine Fliegerbombe dieses Haus und zerstörte es völlig. Die Mutter wurde ziemlich stark verletzt, aber überlebte.
Der Krieg ging zu Ende und Edeltraud und ihre Mutter kamen bei einem kleinen Bauernhof unter. Das ältere Ehepaar nahm die beiden auf und sie konnten auf dem Hof mitarbeiten und dafür dort kostenlos leben. Edeltraud verliebte sich in einen jungen Mann aus dem Dorf.
Ich merkte schnell, dass dieser ihr nicht guttun würde. Ich nahm meinen Mut zusammen und fing wieder an, mit ihr zu reden. Ehrlich gesagt habe ich damit gerechnet, dass sie sich erschreckt und mich vielleicht loswerden wollen würde. Schließlich ist sie mittlerweile eine junge Dame von 17 Jahren gewesen.
Aber sie freute sich, dass ich wieder mit ihr redete, und sie sagte, dass sie es sich gewünscht hätte. Sie entschloss sich, nichts mit diesem Mann anzufangen, und dies stellte sich als eine schicksalshafte Fügung dar. Denn dieser junge Mann wurde 2 Monate später verhaftet, da er 2 jungen Mädchen ziemlich schlimme Dinge angetan hatte und sie danach umgebracht hatte.
Meine Besitzerin war künstlerisch sehr begabt und entschloss sich, meine Schäden aus der Fluchtzeit zu reparieren. Sie fragte mich, ob es für mich in Ordnung wäre. Ich antwortete: „Ja, gerne.“ So zogen die Jahre ins Land und Edeltraud und ich hatten uns.
Wir redeten immer wieder miteinander, ich teilte ihr immer mit, wenn sie in Gefahr war oder etwas mir ein schlechtes Gefühl übermittelte. Sie lernte 1952 ihre große Liebe kennen. Er hieß Erich, war 24 Jahre alt, arbeitete als Schaffner und war für meine Besitzerin das Beste, was ihr passieren konnte.
Sie heirateten 1953, kauften ein kleines Haus und bekamen 3 Kinder. Aber Edeltraud passte immer auf, dass, wenn diese mit mir spielten, sie immer vorsichtig sind. Ansonsten war ich meistens auf dem Nachttisch neben dem Bett. Die Jahre vergingen und unsere Freundschaft hielt wie ein Fels in der Brandung.
Jeden Urlaub nahm sie mich mit. Erich tat es als kleine Macke seiner Frau ab, aber er nahm das Ganze mit Humor. Anfang 2000 konnte ich beide nochmal vor etwas schützen. Sie wollten eine Busreise nach Österreich machen. Ich spürte, dass sie diese Fahrt nicht überleben würden, da es einen schlimmen Unfall geben würde.
Ich sagte Edeltraud meine Vorahnung und sie nahm es ernst. Sie täuschte ihren Mann vor, dass sie krank sei und deswegen die Reise nicht antreten könnte. Erich war zwar enttäuscht, aber er konnte seiner Frau nicht böse sein. Sie riefen an und sagten die Reise ab.
Sie bekamen zwar nur die Hälfte der gezahlten Summe zurück, aber das war am Ende nebensächlich. Abends schauten sie zusammen die Nachrichten und sahen die Katastrophe. Der Bus, mit dem beide gefahren wären, war in Österreich von der Straße abgekommen und einen 100-m-Abhang runtergefallen.
Alle Insassen waren tot. Erich war völlig fassungslos und dankte seiner Frau, dass es ihr schlecht ging. Sie gestand ihm aber, dass es ihr nicht schlecht ging, sondern dass sie eine Vorahnung hatte. Sie wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagen konnte, da Erich ihr das eh nicht glauben würde.
Beide wurden immer älter und es kam der Tag, an dem die Zeit gekommen war. Erich wachte morgens nicht auf. Er hatte im Schlaf einen Herzinfarkt bekommen. Er wurde 89 Jahre alt. Edeltraud war am Boden zerstört und ich versuchte, ihr Trost zu spenden.
Nach dem ersten Schock redeten wir viel über die schöne Zeit und ich merkte aber, dass mein kleines Mädchen, wie ich sie gerne nannte und was ein Lächeln bei ihr auslöste, die Lust am Leben verlor. Sie aß nicht mehr viel und ging kaum noch raus.
Ich versuchte, sie zu motivieren, aber sie fand keinen Sinn dahinter. Ihre Kinder besuchten sie schon lange nicht mehr und riefen nur zum Geburtstag und an Weihnachten an. Und mehr als ein 5-Minuten-Gespräch gab es da nie.
Ihre Enkel meldeten sich gar nicht. Ich merkte, dass nun auch ihre Zeit gekommen war. Nachdem sie in ihrer Wohnung zusammengebrochen war und nur durch den Postboten durch Zufall gefunden wurde, da er sich wunderte, warum die Gardine am Fenster heruntergerissen war, und deswegen klingelte.
Er machte sich Sorgen, da keiner öffnete, und rief die Polizei. Edeltraud wurde in ein Krankenhaus gebracht und starb 2 Tage später an Organversagen. Ich fand, es war eher am gebrochenen Herzen. Niemand war im Alter für sie da. Einfach niemand. Außer ich.
Das Haus war nun leer, ohne sie. Ich saß auf meinem Nachttisch und die Monate vergingen. Ich dachte, das kann doch jetzt nicht so weitergehen. Niemand kümmert sich um den Nachlass. Ihre Kinder waren nur mal kurz nach dem Tod da, um Dokumente und wertvolle Dinge mitzunehmen, aber alles andere ließen sie so, wie es war.
Aus Monaten wurden Jahre. Ich war mittlerweile völlig voller Spinnenweben und eine Staubschicht lag auf mir. Eines Nachts hörte ich, wie eine Scheibe zerstört wurde und jemand in das Haus kam. Es waren mehrere und ich hörte, wie sie alles kurz und klein schlugen. Als sie im Schlafzimmer ankamen, sahen sie mich und einer warf ein Glas auf mich, welches von meinem Kopf ein Stück weg platzen ließ.
Draußen schrie jemand und die Randalierer verließen sofort das Gebäude. Es vergingen wieder Monate, ehe auf einmal ein Mann mittleren Alters ankam und anfing, das Haus auszuräumen. Er sagte: „Hier läge so viel Müll herum, das kann so gut wie alles vernichtet werden.“ Ich bekam eine Heidenangst. Soll das mein Ende sein?
Er sah mich, hob mich hoch und sagte: „Na ja, eigentlich kann man dich auch wegwerfen. Aber ich versuche, aufm Flohmarkt einen 10er zu bekommen.“ Er packte mich in eine Kiste und ich wurde in ein dunkles, kaltes Lager gebracht. Er legte mich, wie er es nannte, in eine Wühlkiste und ich wurde jedes Wochenende auf einen Flohmarkt gebracht.
Jedes Mal begrapschten mich Hunderte Hände, sagten, ich sei hässlich, gruselig oder Müll. So geht es nun seit über 2 Jahren. Habe ich das verdient? Wenn Edeltraud das sehen würde, sie würde sicher am Boden zerstört sein. Ich habe ihr und ihrer Mutter das Leben gerettet und nun werde ich wie Abfall behandelt.
Ich hoffe, dass irgendwann mich jemand mitnimmt und liebevoll behandelt. Eigentlich möchte ich den Menschen gerne etwas Gutes tun, aber ich habe Angst, dass sie mich zerstören, wenn ich mit ihnen rede. Ich habe eine Gabe, schlimme Dinge vorherzusagen und somit meine Besitzer davor zu schützen. Aber anscheinend will niemand mein Besitzer sein.
Ich merke, wie mit jedem Flohmarkt, mit jedem Spruch und mit jedem Ekel vor mir meine Kraft schwindet. Wir haben jetzt 2025 und ich bin jetzt 90 Jahre auf dieser Welt. Ich habe es geschafft, mit meiner letzten Kraft aus dem Karton zu klettern, und habe in einer anderen Kiste einen Kassettenrekorder gefunden, mit dem ich das hier aufzeichnen konnte.
Ich möchte, dass ihr wisst, dass auch Puppen Gefühle haben können. Zumindest ich. Gibt es niemanden mehr, der mich lieben kann?