LangeMord

Ich jage Jäger

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Inhaltsverzeichnis des Mehrteilers:

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Ich jage Jäger

Wir sind alle Individuen.

Wenn ich in die hunderte Gesichter sehe, die tagtäglich an mir vorbeilaufen, frage ich mich immer wieder aufs Neue, ab welchem Punkt die Individualität aufhört und die Gleichheit beginnt.

Nehmen wir an, man würde all die Gesichter dieser unzähligen Menschen einfach herunterreißen oder sie penibel mit einem Messer entfernen, dann wäre die darunterliegende Knochenstruktur immer noch eine unterschiedliche. Zertrümmern wir diese und legen die graue Masse dahinter frei, findet sich vielleicht äußerlich schon schwerer ein Unterschied, doch im Inneren liegt ein streng persönliches Bewusstsein.

Konzentrieren wir uns auf einen bestimmten Bereich, einen Kern, kommen wir immer noch zu keinem Ergebnis. Der Überlebensinstinkt als Beispiel. Die meisten besitzen ihn, einige nicht. Ein Unterschied. Einsen und Nullen. An oder aus. Bei vielen an, bei einigen aus. Das Resultat: Der eine stirbt, wo der andere überlebt hätte.

Am Ende gibt es nur eine Gemeinsamkeit, eine Sache, eine einzige, in der wir uns alle gleichen: Die Tatsache, dass wir eines Tages, ein jeder von uns, früher oder später sterben müssen. Hier endet die Individualität. Am Ende sind wir alle gleich.

Am Ende sind alle tot.

Wie jeden Tag rezitierst du diese Worte leise murmelnd vor dich hin. Um dich vorzubereiten, um deinen Willen zu stärken, um dem zu gedenken, der sie dich gelehrt, sie dir eingeprügelt hat. Wieder und wieder und wieder, bis der Schmerz sie dir wie Narben in dein Hirn gebrannt hat. Sie sind ein Teil von dir geworden, ein Teil deiner selbst, ein Teil deines Wesens. Unlöslich, unlöschbar, unumkehrbar.

Du jagst Jäger

Wie lange jagst du jetzt schon? Du weißt es nicht mehr. Zeit hat jede relative Relevanz für dich verloren. Es zählt nur der Tag, jeder einzelne für sich, jeder Schritt, jede Tat, jede Sekunde, in der du dich voll und ganz dem verschreibst, was du einst geschworen hast. Du lebst nur noch dafür, für ein Ziel, dass dir weder erstrebenswert noch wichtig erscheint. Es spielt keine Rolle was du darüber denkst, nur, dass du es erfüllst. Als Zahnrad in einer Maschine, deren Zweck einzig darin besteht, Leben zu geben und es zu nehmen, wie es ihr beliebt.

Du jagst Jäger, um die Maschine am Laufen zu halten

Es gibt solche, die sich dagegen stemmen, gegen den Lauf der Dinge. Sie versuchen Sand ins Getriebe der Maschine zu streuen sie zu sabotieren. Du gehörst zu den wenigen Auserwählten, die nicht einfach nur Teil des alles zermahlenden Mühlrades sind, sondern zu denen, die dafür Sorge tragen, dass es niemals ins Stocken gerät. Du bist Beobachter, Wächter, Bewahrer. Es ist deine heilige Pflicht, die dir in keiner Weise Gottesfurcht abverlangt, denn Gott existiert nicht und wenn, dann ist er schon lange zermalmt worden. Leben und Tod, das ist alles. Mehr Göttlichkeit kennt deine Welt nicht.

Früher warst du einer von ihnen, ein Individuum

Früher… Auch wenn es wie ein hohles, leeres Wort zwischen deinen Schläfen erschallt, regt es doch hin und wieder, in seltenen Augenblicken etwas in dir. Vor allem dann, wenn du dich einer ganz bestimmten täglichen Routine widmest. Aber es ist nur ein Echo, ein Echo einer längst vergangenen Zeit. Das letzte Raunen einer Person, die gestorben ist und nur eine Hülle zurückgelassen hat, welche einen Zweck erfüllt. Du bist mehr geworden, als du ohne diesen Wandel jemals hättest sein können und hast dafür gleichwohl alles verloren. Es bekümmert dich nicht, denn derlei Gedanken lösen schon lange keine emotionalen Regungen mehr in dir. Wie könnten sie auch? Du bist ein Zahnrad, ein lebloses Ding mit einer Funktion. Du kannst nicht fühlen, dich nur immer weiter drehen, bis Zeit und Rost dir Einhalt gebieten. Bis jemand daherkommt, der dich ersetzt und das defekte Teil als Altmetall einschmilzt.

Eine tägliche Routine, ein Teil einer weit entfernten Vergangenheit

Du betrittst einen kleinen Raum, so wie jeden Tag. Es herrscht kein Licht hier drinnen, ist stockfinster. In diesem Bereich deiner Arbeit, deiner Funktion, benötigst du schon lange keinen erhellenden Wegweiser mehr. Der verzweigte, unterirdische Komplex ist ebenso Teil deines Wesens geworden, wie die Lehren des Alten, der dich hierhergeführt hat. Du kennst jeden Zentimeter des Labyrinths auswendig, verrichtest die immergleichen Abläufe präzise, ohne Unterlass, ohne jemals müde zu werden. Ganz so, wie man es von dir erwartet.

Ein leises, gequältes Brummen aus den Schatten, stört deine mentale Ruhe

Es kommt dieser Tage immer häufiger vor, dass das Ding sich unruhig verhält. Du willst es nicht zugeben, aber es kratzt an deinen Nerven, lässt dich fragen, ob es nicht besser wäre, ihm endlich seinen Frieden zu gewähren. Doch wann immer eine solche Regung, nein, vielmehr ein Ziepen am äußersten Rand deines Bewusstseins sich meldet, schüttelst du es gleich wieder ab. Dein früheres Ich verbietet dir, derartiges auch nur in Erwägung zu ziehen. Das Ding hat es so gewollt und deine Pflicht ist es, dem Willen bis zum Ende, bis zum Tod, zu dienen.

Selbst ein Jäger der Jäger muss hin und wieder Fürsorge beweisen

Du begibst dich in die Mitte des Raumes, wo das Ding an einer Gurtvorrichtung von der Decke hängt. Auch wenn du es nicht siehst, betasten deine Finger genaustens die nötigen, zu prüfenden Stellen. Sie streichen über schlaffe, bleiche, verschwitzte Haut, die schon lange kein Tageslicht mehr gesehen hat. Sehr lange. Sie streichen über einen kahlrasierten Schädel, über Narbengewebe und über aufgeraute, trockene Stellen, welche ein Risiko der Entzündung in sich trugen, wenn sie unbehandelt blieben. Darum würdest du dich kümmern müssen, wie so häufig in letzter Zeit.

Der Zustand des Dings verschlechtert sich rapide

Lange wird es nicht mehr aushalten, dass weißt du mit ziemlicher Sicherheit. Andererseits, hast du das auch schon vor… Jahren? Jahrzehnten? gedacht und trotzdem hat es alle Strapazen überstanden, sich bereitwillig seines Seins entledigen lassen. Gut möglich, dass es dich überlebt, nur um kurze Zeit später ebenfalls das Zeitliche zu segnen, weil sich niemand mehr darum kümmert und es sich schon lange nicht mehr selbst versorgen kann.

Plötzlich hast du klar das Bild vor Augen, wie es einst ausgesehen hat

Einst war es ein Mensch gewesen, so wie du. Damals warst du noch kein Jäger der Jäger, du warst unerfahren, ahnungslos, von Rache getrieben, dem Wahnsinn nahe. Deine Methodik war schlampig, deine Gefühle unbeherrscht. Du hattest nur ein Ziel vor Augen und hast dabei alles andere, alle Eventualitäten, jeden Fehler, jedes Potenzial, dass deinen Plan zunichtemachen konnte, einfach ausgeblendet. Dennoch ist es gut gegangen. Irgendwie. Du hast das Ding entführt, ihm großes Leid zugefügt und danach die Möglichkeit offeriert zu gehen. Es hat sich entschieden zu bleiben. Damit hat es begonnen und damit hat es geendet. Euer beider Leben hat sich von da an drastisch verändert.

Du wurdest entdeckt und zum Jäger auserkoren.

Der Mensch wurde nach und nach zum Ding.

Ihr beide wurdet euerer Individualität beraubt. Euer Leben endete und eure reine Existenz nahm ihren Anfang.

Die Lehre des Alten, begann mit der Pflege des Dings

Damals hast du nicht verstanden, warum er dir erst eine Welt zeigt oder vielmehr, das was hinter dem Schleier liegt, den die meisten Menschen als Realität wahrnehmen und dann von dir verlangt, dich um dein Racheobjekt weiterhin zu kümmern. Am liebsten wäre es dir gewesen, du hättest es erlöst, den Schalter auf Aus gelegt. Die Frage danach, hast du bitter bereut. Des Alten Lehren wurden dir eingebrannt, in mehr als einer Hinsicht. Mit der Zeit hast du es dann von selbst erkannt. Das Ding stellte für dich einen Spiegel und zugleich einen Anker dar. Immer wenn du fürchten musstest, dich selbst zu verlieren, hast du es angesehen, es genauestens betrachtet, dich selbst darin erblickt. Wie ihr euch gemeinsam verändert, wie ihr etwas Neues, etwas Reines wurdet. Befreit von allem Weltlichen, vom rohen, gefühlgeleiteten Wesen hin zu einem blank polierten Mechanismus.

Das Spiegelbild des Jägers, ist ein auf das absolute Minimum reduziertes Konstrukt

Heute ist das Ding ein pumpender, atmender, Nährstoffe aufnehmender und die Reste ausscheidender Organismus. Nicht mehr und nicht weniger. Es kann nicht laufen, denn ihm wurden die Beine Stück für Stück abgetrennt. Es kann nicht greifen, denn gleichsam besitzt es schon lange keine Finger, Hände oder geschweige denn Arme mehr. Seine Sinne sind auf das geringste Maß reduziert, denn ihm wurden die Augen entfernt, die Zunge herausgeschnitten, der Mund zugenäht und die Ohren inklusive ihrem Innenleben ausgebrannt. Es empfindet nicht einmal mehr Lust, denn da wo sich einst seine Genitalien befunden haben, ist nunmehr nur noch ein Loch, über dass es Wasser lässt.

Das Ding lebt, das Ding stirbt

Denkt es noch? Das fragst du dich immer häufiger. Ist die graue Masse in seinem Schädel schon verdorrt oder sendet sie noch Impulse hinaus? Steckt da noch ein Bewusstsein drin, welches seine Lage Tag ein Tag aus analysiert, sich seine Entscheidung nicht die Flucht ergriffen zu haben, als es das gekonnt hat, bereuen lässt? Zumindest reagiert es auf äußere Reize, so viel ist sicher. Jeden Tag, wenn du es besuchst, um die Maschinen zu kontrollieren, die es ernährt und es auf wunde Stellen an den Riemen, die es tragen, untersuchst, berührst du es ganz sacht und spürst dabei, wie die Muskeln unter der schlaffen Haut sich dabei leicht zusammenziehen. Ob es diese Besuche zu schätzen weiß? Sie seine Einsamkeit vertreiben? Oder verflucht es dich? Wünscht es sich, du würdest endlich verschwinden, nie wiederkehren und es einfach in Frieden sterben lassen? Nun, selbst wenn dem so ist, kann es dir dergleichen nicht mitteilen. Nicht, dass du diesen Wunsch gewähren würdest, immerhin hat es sich selbst hierzu entschieden, sich einer höheren Sache verschrieben, von der du dir mittlerweile nicht mehr sicher bist, um welche es sich damals, vor so langer Zeit überhaupt gehandelt hat. Es ist Teil der Vergangenheit, Teil eines längst vergangenen Lebens, nicht mehr von Bedeutung.

Nach der Routine folgt weitere Routine

Du überlässt das Ding, nachdem du dich rudimentär darum gekümmert hast, wieder sich selbst. Diese morgendliche Pflicht wird dir langsam zur Last, was dich in dunkleren Momenten deiner Existenz, wünschen lässt, du würdest endlich davon befreit. Doch so funktioniert die Maschine nicht. Wenn dem so wäre, bräuchte es Konstrukte wie dich nicht.

Die Jagd auf Jäger ist auch nur Routine

Ein immer gleicher Ablauf. Das unermüdliche, aber doch ausbremsbare Mühlrad, verrichtet die immergleiche Arbeit. Die Variablen mögen jedes Mal unterschiedlich sein, doch das Ergebnis, ist immer das gleiche: Leben wird zu Tod. Das ist die Hauptaufgabe, der du dich jeden Tag aufs Neue stellst, während du zeitgleich Ausschau nach einem Nachfolger hältst. Der Alte ist schon lange von dem Existenz-Zustand in den Nicht-Existenz-Zustand übergegangen und hat damit dir seine Pflichten vollumfänglich übertragen. Der Zahn der Zeit nagt auch an dir, mit jedem Jahr ein wenig mehr, weswegen der Moment, da du dir einen Schüler suchen und ihn lehren musst, was du selbst einst gelernt hast, immer näher rückt.

Die Pflichten eines Jägers der Jäger ruhen nie, ebenso wenig die der Jäger selbst

Auch wenn es dir nicht gestattet ist, hegst du manchmal Zweifel. Die Jagd wird altersbedingt nicht einfacher und gleichsam kommt es dir so vor, als gäbe es immer mehr Beute, die erlegt werden muss, um das empfindliche Gleichgewicht der Maschine nicht zu stören. Dabei gleichzeitig nach einem würdigen Schüler Ausschau zu halten, erscheint dir nicht selten unmöglich. Wie der Alte dich entdeckt hat, hat er dir nie verraten. Andererseits sind dir rückblickend genug Brotkrumen aufgefallen, denen er einfach nur hatte folgen müssen. Dein ehemaliges Selbst war schlampig vorgegangen. Derartige Spuren haben sich für dich jedoch bisher immer als Enttäuschung entpuppt.

Ein Jäger der Jäger ist mehr als nur ein einfacher Jäger

Es gibt unzählige von ihnen. Monster, Tiere, Bestien, Kreaturen der Nacht, maskentragende Ungeheuer, die sich am Tag unter ihre Opfer mischen und nach einer geeigneten Fährte suchen. Sie sind mal mehr, mal weniger erfolgreich. Verfolgen alle ihre individuelle Methodik, die entweder Erfolg verspricht oder in ihrem eigenen Tod endet. Der Jäger der Jäger jedoch, jagt ganz spezielle Beute und dafür braucht es spezielle Eigenschaften. Kenntnisse und Techniken können erlangt und vermittelt werden, diese Eigenschaft jedoch, wird in die Wiege gelegt. Die wenigsten besitzen sie, zumeist sind sie nicht einmal Jäger, nicht vor ihrer Ausbildung zumindest, was es umso schwerer macht, sie zu erspähen.

Andere Jäger der Jäger hast du nie kennengelernt

Es gibt sie, angeblich. Du bist nicht allein für das Funktionieren der Maschine verantwortlich und doch ein wichtiger, unabdingbarer Bestandteil davon. Ein jeder von euch, wie viele ihr auch sein mögt, trägt seinen Teil bei, während ihr, wie von einer unsichtbaren Hand, so geführt werdet, dass ihr einander nie begegnet. Es ist, als ob die Maschine wollte, dass ihr auf euch alleingestellt zurechtkommt. Egal wo ihr auch hingeht, wo ihr auch sucht, die anderen ziehen immer in die entgegensetzte Richtung, suchen immer an einem anderen Ort. Es ist die Einsamkeit, die eure Sinne und eure Klingen schärft.

Das Monster jagt die Beute, der Jäger jagt das Monster, du jagst den Jäger

Es ist ein weniger Kreislauf, den aufrechtzuerhalten du dich verpflichtet hast. Da wo es Monster gibt, gibt es Jäger und da, wo es Jäger gibt, gibt es einen wie dich. Hin und wieder kommt es zwar vor, dass eine einfache Bestie einen Jäger erlegt, doch gehören sie nie zu deren Hauptbeute und wenn, dann sterben sie meist schon bei dem Versuch ihr zu folgen. Bisher hast du nur von zwei Fällen gehört, bei denen Jäger von ihrer Beute übermannt worden sind, bei einem davon warst du sogar dabei.

Ein altersschwacher Jäger hat erkannt, dass seine Zeit gekommen ist. Du hast vor seinem Fenster gestanden und zugesehen, wie die Monster, die er einst gejagt hat, ihn gejagt und zerfetzt haben.

Ein aufmerksamer Jäger hat sich in einen Wald voller Tiere begeben. Er hat nicht gewusst, dass seine Beute einem Rudel angehört. Sie haben sein Fleisch bis auf die Knochen heruntergenagt, nachdem er einen der ihren eliminiert hat.

Sonst sind es in deinem Umfeld bisher immer die Monstren gewesen, die unterlagen und wenn es dazu kam, bist früher oder später du auf den Plan getreten und hast den stolzen Jäger von seinem hohen Ross gestoßen. Aber da immer irgendwo eine bluthungrige Kreatur geboren wird, wird es auch immer Jäger geben, die ihrem Treiben ein Ende bereiten wollen, weswegen es zu jeder Zeit Jäger der Jäger braucht, die deren Einmischungen in die unermüdlich schnaufende Maschine des Lebens und des Todes unterbinden.

Die Jagd ist keinerlei Gesetzmäßigkeit unterworfen

Egal auf welcher Seite, ob nun Monster, Jäger oder Jäger der Jäger, ihr alle tut, wozu ihr euch berufen fühlt und lasst euch dabei keinerlei Ketten anlegen. Gesetzte etwaiger höherer Instanzen werden nötigenfalls übergangen oder von vornherein ignoriert. Freilich folgen einige von euch dennoch bestimmten Regeln oder Idealen. Die Jäger Beispielsweise verschwören sich meist unsinnigen Konzepten wie Gerechtigkeit, Gutgläubigkeit oder sehen sich gar als auserwählte Helden, die im Geheimen agieren und die Menschheit vor größerem, alles verzehrenden Unheil bewahren.

Für dich spielt nichts davon eine Rolle, du erfüllst einen Zweck, ohne Glauben, ohne Ideale

Das ist sie, die Eigenschaft, die den meisten Jägern, gleich welcher Art, fehlt. Sie verschreiben sich häufig mit Leib und Leben der Jagd, aber sie tun es aus eigennützigen Gründen. Ein Gläubiger, der seinen Fanatismus in die Köpfe der Menschen hämmern möchte, tut es nur um der Welt sein Bild von ihr aufzuzwingen. Ein von der Gesellschaft als Psychopath abgestempelter Massenmörder, tut es womöglich nur um seine Lust zu stillen. Du hingegen jagst, weil es dein Wesen geworden ist, weil es dein einziger Existenzzweck ist.

Du lebst, um zu funktionieren.

Du stirbst, um das Heft der Klinge weiterzureichen.

Dazwischen gibt es nichts. Rein gar nichts. Zu einer solchen Hülle, zu einem Werkzeug der Maschine zu werden, ist den meisten Jägern und Nicht-Jägern unmöglich. Alles ablegen, sterben um reinkarniert zu werden, Schicht für Schicht sein Selbst von sich lösen und die einzelnen Stücke verrotten zu lassen… Allein die Vorstellung erfüllt die meisten Menschen mit unfassbarem Grauen. Womöglich hättest du es ohne deinen Anker, dein Spiegelbild, selbst nicht soweit gebracht. Nicht, dass das heute noch wichtig wäre.

Es wird Zeit, die Stunde der Jagd rückt immer näher

Du hast dich lange vorbereitet, ganz so, wie es einem Jäger der Jäger gebührt, denn Jäger sind eine Beute, die niemals unterschätzt werden darf. Sie haben ihr Leben der Jagd nach Monstern, Bestien und Kreaturen verschrieben, wären sie dabei nicht gut ausgebildet oder so nachlässig, dass ihre Beute immerzu sie erlegt werden, bräuchte es Existenzen wie dich nicht, doch dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil, die Jäger deren Spuren du verfolgst, gehören zumeist der Elite an, ohne es selbst zu wissen. Ihre Waffen zieren unzählige Kerben und du hast dafür Sorge zu tragen, dass es nicht noch mehr werden.

Deine derzeitige Beute ist gut, verdammt gut, in dem was sie tut

Wochenlang bist du ihrer Fährte gefolgt, hast ihre Arbeiten analysiert und dabei immer nur den Hauch ihrer Spur wahrnehmen können. Sie hinterlässt keine oder kaum welche. Ihre Opfer sterben immer schnell, werden präzise eliminiert, wissen vermutlich nie wie ihnen geschieht, ehe sie auch schon dahinscheiden und sie schon wieder vom „Tatort“ verschwindet. In der ersten Zeit bist du immerzu nur von Schauplatz zu Schauplatz gelaufen, hast ihre Methoden untersucht, versucht dir ein Bild von ihr zu machen. Irgendwann dann kam die Ahnung davon, wie du ihr folgen könntest, doch selbst damit fiel es dir schwer vorherzusehen, wo sie als nächstes zuschlagen würde. Mittlerweile jedoch kennst du ihr Jagdgebiet, ihre Ziele, ihre Planungs- und Vorgehensweise. Mit hoher Wahrscheinlichkeit weißt du, wo sie als nächstes zuschlagen wird. Du wirst vor ihr dort sein.

Die Beute der Jägerin, war der Schlüssel zum Erfolg

Statt dem Jäger zu folgen, hast du ihre mutmaßliche Beute beobachtet und so nach und nach ermittelt, wo und wann sie zu finden ist. Dennoch gab es so manche Fehlkalkulation, weswegen es dich mehr Zeit gekostet hat, als nötig sein sollte. Lag es am Alter, am Erschlaffen und Ermüden des Teilchens, an schwächer werdenden Sinnen? Du würdest es niemals zugeben, vor allem solange nicht, wie deine Kraft, Wendigkeit und Reaktionsfähigkeit noch auf hohem Maß arbeiten. Ein Nachfolger zu finden, wurde dennoch immer mehr zur höheren Priorität. Zuerst einmal galt es jedoch, den Jäger zu eliminieren.

Es ist so weit, deine Klingen und dein Verstand sind geschärft, die Jagd beginnt

Von dem Moment an, da deine Füße die trügerische Sicherheit des verborgenen Labyrinths verlassen und du die Welt betrittst, die für viele, aber schon lange nicht mehr für dich, unter einem illusionistischen Nebel liegt, der die simpelste aller Wahrheiten vor ihren Augen verbirgt, wirst du ein Teil von ihr. Die meisten Monster tragen Masken, um ihr „normales“ Leben aufrechtzuhalten, weil sich gänzlich ihrer Berufung hinzugeben bedeuten würde alles aufzugeben. Du hingegen trägst sie nur, um deiner Pflicht zu erfüllen. Die Maske symbolisiert nicht dein Leben, sondern erfüllt eine rationale Funktion, genauso wie ihr Träger.

Zielsicher tragen deine Beine dich zu dem Ort deiner Bestimmung

Die Nacht ist bereits hereingebrochen, es weht ein rauer Wind, eisige Kälte beißt sich in deine Haut fest, du spürst sie kaum. Dein Blick ist fokussiert, dein Verstand umso mehr. Für körperliche Beschwerden ist da kein Platz. Außerdem bringen die späte Stunde und die niedrige Temperatur auch Vorteile mit sich: Die Straßen der stillen Stadt sind leergefegt, die wenigen einsamen Seelen, die sie durchwandern beachten dich kaum, falls sie dir überhaupt einen Funken ihrer Aufmerksamkeit widmen. Dein Ziel ist nicht weit entfernt. Je näher du ihm kommst, desto ruhiger wird es um dich herum. Es liegt in einem stillgelegten Industriegebiet, für das schon seit Jahren Pläne zum Abreißen bestehen, welche nie umgesetzt werden.

Deine Vorbereitungen machen sich bezahlt

Um möglichst schnell und unkompliziert zu dem mutmaßlichen Ort des Geschehens zu gelangen, hast du dir schon im Voraus einen Route zurechtgelegt, die du nur noch ablaufen musst. Dazu zählt auch ein ohnehin schon baufälliger Zaun, der an einer Stelle kaum einsehbar eingeschnitten ist und es dir ermöglicht, dich mit einer raschen Bewegung hindurchzuzwängen. Dabei beobachtet zu werden, brauchst du nicht zu fürchten. Schon seit Minuten bist du die einzige Existenz im näheren Umfeld, zumindest soweit du das beurteilen kannst.

Deine Jagdinstinkte melden sich leise flüsternd

Sicher sein kannst du dir, ohne dass deine Sinne dir eindeutige Signale senden, natürlich nicht, aber bisher hast du immer auf deine Instinkte vertrauen können, weswegen du automatisch in eine entsprechende Haltung wechselst. Du bist jetzt noch aufmerksamer als zuvor, deine Nerven gleichen fest gespannten Drahtseilen, die bei der leisesten Berührung vibrieren. Vorsichtig schleichend tastest du dich vor, auf eines der zentralen Gebäude – ein großflächiges Lager – der Anlage zu. Nichts und niemand stört deinen Weg. Gut, der Hauptakt soll planmäßig im Inneren stattfinden.

Ein schmales Seitenfenster offeriert dir einen Zugang in den Keller

In den letzten Tagen hast du dich probehalber schon öfter hier durch gezwängt, dennoch fällt es dir schwer, dein Körper ächzt unter der Anstrengung ihn durch eine solch enge Öffnung zu quetschen. Unten in der Dunkelheit angekommen, fühlst du dich direkt heimischer. Hier brauchst du restlos keine Fassade nach außen hin mehr aufrechthalten, sondern kannst dich voll und ganz deinem Element hingeben.

Selbstsicher wandelst du durch die Finsternis

Hinter einigen Rohren hast du eine Tasche mitsamt deiner Ausrüstung versteckt. Sie ist immer noch da, unangetastet, gut. Du förderst die Werkzeuge hervor, von denen du erwartest, dass du sie benötigen wirst. Ein paar Messer vordergründig, sowohl für den Nahkampf als auch solche, die zum Werfen geeignet sind. Weiterhin einen handlichen Schlagstock, sowie eine kleinkalibrige Schusswaffe. Von Letzterer hältst du zwar eigentlich nicht viel, weil sie das Potenzial in sich tragen im entscheidenden Moment zu versagen, doch zum einen pflegst du sie regelmäßig und zum anderen lässt sich ihr Nutzen nicht von der Hand weisen. Du verstaust alles in entsprechenden Taschen an deinem Körper und begibst dich nach oben.

Schon auf der ersten Stufe stehend, riechst und spürst du, dass du den Bau einer Bestie betrittst

Es war dir schon vorher bewusst, nur hast du abgesehen von dem Innenleben des Kellers, den Bau nur von außen betrachtet, weswegen du nur einen rudimentären Eindruck bekommen hast. Dieser Makel in der Vorbereitung ist dir zwar unrecht, war in diesem Fall jedoch erforderlich, um die Bestie nicht zu verschrecken. Allein das Eindringen in den unteren Bereich, hat das Risiko in sich getragen, es aufzuscheuchen, zur Flucht zu treiben und damit einher wochenlange Planung zunichtezumachen. Deiner Analyse nach, handelt es sich nämlich um ein scheues, sehr umsichtig agierendes Wesen.

Jäger der Jäger offenbaren sich nur selten ihren Schützlingen

Ihr wacht über und behütet die Tiere zwar, dabei zeigt ihr euch ihnen jedoch so gut wie nie. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen kann es – dem Alten nach zumindest – schnell zu Missverständnissen kommen, wie auch unter gewöhnlichen Tieren, die in das Territorium des jeweils anderen eindringen. Außerdem seid ihr Wächter, Beobachter, Bewahrer, die aus dem Hintergrund heraus das empfindliche Gleichgewicht aufrechthalten. Solange dies gegeben ist, solange es keine Unverhältnismäßigkeit zwischen den Parteien gibt, gibt es ohnehin keinen Grund für Einmischungen. Und zu guter Letzt würden die wenigsten Monstren deine Rolle und wie du sie ausfüllst überhaupt verstehen. Es wäre dir als Existenz, die sich maßgeblich von gewöhnlichen Kreaturen unterscheidet, schier unmöglich diesen Umstand aufzuzeigen.

Der Geruch von Tod schlägt dir immer stärker entgegen

Unterschiedliche Grade der Verwesung. Süßlich, modrig und dazwischen sogar feine, metallische Noten von frischem Blut. Der Bau existiert schon längere Zeit, die Kreatur ist vermutlich schon seit Monaten, wenn nicht Jahren in der Umgebung tätig. Eine respektable Leistung, vor allem da es bisher nicht so übermütig geworden ist, entdeckt zu werden. Du kannst noch nicht mit Bestimmtheit sagen, was dich oben erwarten wird, doch was es auch ist, es wird dich kaum überraschen, dafür hast du bereits zu viel in unterschiedlichsten Variationen gesehen, gerochen, gefühlt und erlebt.

Am oberen Treppenabsatz trennt dich nur noch eine schwere Tür von der provisorischen Leichenhalle, die einst als Lager gedient hat

Ein weiterer kleiner Makel, der für unerwünschte Ergebnisse sorgen könnte: Die stählerne, alte Tür, der der Zahn der Zeit zwar scheinbar nichts ausgemacht hat, birgt die Gefahr in sich, beim Öffnen lauter zu sein, als es dir recht ist. Ein Quietschen hier, ein Knarzen da und schon wissen Kreatur und Jäger von deiner Anwesenheit, sofern sie sich in der Nähe befinden. Wobei die Entfernung nur von begrenzter Relevanz ist, da jeder noch so leise Laut, die vorherrschende Stille sofort meterweit zerreißen würde. Vor allem für geschulte Ohren.

Du drückst die Tür gerade so weit auf, dass du dich hindurchschieben kannst

Sie ertönt dabei kaum und doch erklingt das kaum wahrnehmbare Kratzen von Metall für dich wie ein grelles Gekreisch, dass dich zusammenzucken lässt. Eine Reaktion die dich irritiert. Warum wirst du auf einmal nervös oder empfindest die Ahnung eines solchen Gefühls? Etwas liegt in der Luft und damit meinst du nicht den alles überdeckenden Gestank der Fäulnis, da ist noch etwas anderes darunter, ein Hauch des Schicksals, der von einer nahenden Katastrophe kündet.

Unsinn! Ein Jäger der Jäger hat zu jeder Zeit hochkonzentriert und ohne jeden Zweifel an seinen Fähigkeiten zu handeln!

Du die Maschine, die Existenz, die ausgehöhlte Marionette, die einzig einem höheren Zweck dienlich ist, macht einen Schritt vorwärts. Du nimmst wahr, was einem gewöhnlichen Menschen entgehen würde. Du siehst, du riechst, du hörst, du spürst jeden Zentimeter des leerstehenden Gebäudes um dich herum. Sein Inneres, wie die Umwelt Einfluss auf ihn nimmt, was sich darin regt, was darin lebt, was darin gestorben ist. Und genau deswegen, wegen dieser Befähigung, wegen deiner makellosen, schmerzhaften, alles individuelle auslöschenden Ausbildung weißt du augenblicklich, wenn auch bereits zu spät, dass du geradewegs in eine Falle getappt bist.

Die Tür hinter dir schlägt zu, du regst dich nicht, atmest ein, atmest aus, Bruchteile von Sekunden vergehen; entscheidende Bruchteile

Geschmeidig drehst du dich auf dem Absatz um, ziehst dabei eines deiner vielen Messer und machst gleichsam einen Schritt rückwärts. Keine Sekunde zu spät, die Schneide zischt geradewegs an dir vorbei. Im fahlen Licht der Straßenlaternen, welches von weit her durch schmierige Fenster hereinscheint, blitzt sie kurz auf. Sie zieht ihre Aufmerksamkeit auf dich, lenkt dich genug ab, dass du den zweiten Hieb zu spät bemerkst. Ein zischender Schmerz zieht deinen linken Arm entlang, während du dich erneut wegdrehst. Blut sprüht aus der Wunde hervor, klatscht in der Stille donnernd auf den Boden. Du ignorierst beides, huscht lieber noch ein paar Meter zurück. Interessanterweise lässt dein Kontrahent es zu.

Konzentration! Du darfst nicht scheitern! Keine Fehler mehr! Ein Jäger der Jäger macht keine Fehler! Ein Jäger der Jäger tötet!

Nun steht ihr euch gegenüber. Der Jäger ist eine abgehalfterte Frau, wie du nun erstmalig erkennst. Sie ist alt, hat ihre besten Tage schon lange hinter sich, aber das ändert nichts daran, dass sie eine ernstzunehmende Gegnerin darstellt. Ihr Gesicht, welches einige tiefe Narben ziert, die sie gänzlich verunstalten, gleicht einer eisernen Maske. Ihre tiefblauen Augen sind kalt, fast schon tot. Mit Missfallen erkennst du: Auch sie ist eine Funktion, ein Zahnrad, ein Teil der Maschine. Schon lange kein Mensch mehr. Eine würdige Beute.

Die dunkle Kleidung der Jägerin zieren noch dunklere Flecken; sie hat bereits erfolgreich gejagt

Würdest du dich genauer umsehen, du würdest vermutlich in irgendeiner Ecke, zwischen all den anderen Leichen, die der Bestie entdecken. Ihr Bau, ist zu ihrem Grab geworden. Selbst wenn du noch Gefühle hättest, wärst du nicht traurig darüber. Du bist ein Wächter, kein Pfleger der einem verwundeten Tier die Pfote hält.

Die Jägerin hat gewartet, präziser: dir aufgelauert

Wie lange weiß sie schon, dass du hinter ihr her bist? Wie lange spielt sie schon mit dir? Es ist nicht wichtig, wichtig ist nur, dass du sie zur Strecke bringst und dir ein derartiger Fehler nie wieder unterläuft. Würde der Alte noch leben, er würde dich totprügeln, dabei die Angriffe der Jägerin abwehren und sich erst dann ihr zuwenden, um ihr selbiges anzutun.

Genug des Geplänkels, Blut muss fließen und es soll nicht länger das deine sein

Mit einer blitzschnellen Bewegung greifst du an deinen Gürtel, ziehst ein Messer hervor und während du den Arm wieder vorschnellen lässt, verlässt es bereits seine Fingerspitzen und rast direkt auf dein Ziel zu. Als ob sie deine Gedanken gelesen hätte, prescht sie schon zur Seite, bevor die Klinge in die Lüfte entlassen wird. Die zweite folgt der ersten sogleich, ebenso die dritte, keine trifft. Zu einem weiteren Manöver dieser Art bist du nicht in der Lage, da die Jägerin dich bereits erreicht hat. Ihr eigenes Messer schießt auf dich zu, du springst zurück, es erwischt dich trotzdem am Brustkorb. Nur ein feiner Stich, der dennoch stark zu bluten beginnt.

Ein Funke bricht aus deinem Verstand hervor, glühend heiß, rot, brennend; er erlischt sogleich

Wut. Zorn. Emotionen die du vor Jahren abgelegt hast. Gefühle eines vergangenen Lebens. Dass sie sich derart zeigen, verwirrt dich. Es ist ein schlechtes Zeichen. Ein Omen. Dein Instinkt hat dich nicht getrogen, das Schicksal ist dir nicht wohlgesonnen an diesem Tag der Jagd.

Schweiß steht dir auf der Stirn, ein leichtes Beben geht durch deinen Körper, blutende Wunden stören deinen sonst so kristallklaren Fokus

Dieses Mal fackelt die Jägerin nicht mehr. Es folgt ein weiterer Angriff, selbstsicher, schnell und kraftvoll geführt. Und dann noch einer und ein weiterer. Die Klinge tanzt um dich herum, schneidet, sticht, zerfetzt, verwundet… tötet. Du versuchst auszuweichen, dich zu ducken, wegzuspringen, doch jedes Mal erwischt sie dich. Dein Lebenssaft sprüht in alle Richtungen und immerzu hast du nur diese kalten Augen vor dir, die mechanisch ihrem Ziel folgen: Dich zu vernichten.

Dein Herz pocht immer schneller, es pumpt Angst durch deine Venen

Alle romantischen Vorstellungen von der Jagd und effektvollen Kämpfen mal beiseitegeschoben sind solche vor allem eines: Unvorhersehbar, selten mit taktischen Manövern kontrollierbar und meistens schnell vorbei. Wenn ein Messer wieder und wieder auf dich zugerast kommt, kannst du versuchen auszuweichen, du kannst sogar versuchen es mit deiner eigenen Waffe abzuwehren, um einen Konterangriff zu landen, aber wahrscheinlicher ist es, dass du mit viel Glück ein paar Mal günstig wegstolperst und mit noch mehr Glück, einen Gegentreffer landest, der tödlich endet.

Das Glück ist nicht auf deiner Seite

Sich darauf zu verlassen, lag dir noch nie. Deswegen hast du zumeist den Überraschungsmoment genutzt, um deine Ziele zu eliminieren und wenn es doch einmal hart auf hart kam, standen die Räder des Schicksals und die Zahnräder der Maschine immer günstig. Als wolle eine höhere Macht – an die du natürlich nicht glaubst –, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt. An diesem Tag jedoch schauen die Götter beschämt weg.

Das Leben kann unter Umständen Jahrzehnte andauern, der Tod dauert meist nur Sekunden

Auch wenn es dir wie Stunden vorkommt, euer kleines Intermezzo geht nicht einmal eine Minute und in diesen wenigen Wimpernschlägen hast du bereits mehr Schnitt- und Stichwunden abbekommen als in deinem gesamten bisherigen Leben. Der Alte musste unbedingt damit rechtbehalten, dass du niemals in die Defensivposition geraten darfst, dass du immer der erste sein musst, der Angreifer, derjenige der den ersten und alle darauffolgenden Treffer landet, andernfalls sinken deine Chancen auf den Sieg rasend schnell gegen Null.

Ein Jäger der Jäger hat immer ein Ass im Ärmel – noch so eine Lehre…

In einem günstigen Moment, dass heißt, in einem in dem du tatsächlich einmal wieder einen halbwegs passablen Ausweichschritt geschafft hast, zückst du deinen Trumpf die kleinkalibrige Waffe, richtest sie auf deine Kontrahentin, die einer Schrecksekunde zum Dank nicht direkt wieder auf dich losgeht und dir sie damit womöglich aus der Hand geschlagen hätte. Gleich darauf fällt ein Schuss, der das Blatt endlich wendet.

Ein Jäger der Jäger ist zu jeder Sekunde auf alles Mögliche und Unmögliche gefasst

Du bist es nicht. Ungläubig starrst du die Waffe in deiner Hand entlang, deren Abzug du nicht betätigt hast. Die Jägerin hingegen scheint gar keine zu besitzen, vor allem aber richtet sie keine auf dich, die sie hätte abfeuern können. Als Resultat blickt sie ebenso irritiert drein, was nur bedingt über die Eiseskälte in ihren Augen hinwegtäuscht.

Eine der wichtigsten Lehren des Alten lautet: Lass dich nie erwischen

Du gestattest dir einen kurzen Seitenblick, der dich innerlich zusammenzucken lässt. Auch wenn du damit rechnest, erschallt kein „Polizei!“ und auch kein „Waffen fallen lassen!“ nach dem ersten Warnschuss, sie steht einfach nur da, starrt euch und das Innenleben des Lagers mit weit aufgerissenen Augen an. Wie es wohl ist, den blutigen Bau voller Leichen und -teilen aus unschuldigen Sehorganen zu betrachten? Du, der du hier schwerverwundet stehst und dich nur dank deiner Willensstärke aufrechthalten kannst, siehst nur Alltag. Die junge Gesetzeshüterin hingegen, die den Eindruck erweckt ihren Beruf noch nicht lange auszuführen, durchlebt wohl einen wahrgewordenen Albtraum.

Die Jagd ist, egal auf welcher Seite, ein schmutziges Geschäft

Schwere Ketten mit Haken, die von der Decke hängen, das Überbleibsel eines industriell genutzten Raumes in dem regelmäßig zuweilen tonnenschwere Lasten von einer Stelle zur anderen transportiert werden mussten, die jetzt nur noch genutzt wurden, um die sterblichen Überreste menschlichen Abfalls zu halten. Abgefaulte oder sonst wie abgetrennte Stücke dieser liegen zudem verteilt auf dem großflächigen Boden, welcher überdies besudelt ist mit getrockneten Blut. Mit Ausnahme einiger Stellen, die frische Spuren Lebenssaft zieren, sowohl das des jüngsten Opfers – welches mit sauber durchgeschnittener Kehle, die es sich im Todeskrampf gehalten hat, in der Ecke liegt – als auch das deine.

Eine Pattsituation, die Karten wurden neu gemischt, noch ist nichts verloren

Die Schutzfrau richtet ihre Waffe abwechselnd auf dich und die Jägerin. Sie ist unentschlossen, unsicher, eine Gefahr für ihre Umwelt und sich selbst, außerdem ist sie die einzige Chance für dich, aus dieser Situation noch lebend rauszukommen. Zugegeben, nicht gerade rosige Aussichten, aber Improvisation gehört ebenso zum Repertoire eines Jägers der Jäger, wie eine reiche Ausstattung an tödlichen Waffen.

Hin und wieder muss ein Jäger der Jäger gegen seine Prinzipien verstoßen

Leben auszuhauchen ist die Grundlage deiner Existenz, doch hier und jetzt, musst du davon Abstand nehmen. Du darfst die Jägerin nicht erschießen, weil die Polizistin sonst dich erschießen wird. Du darfst die Polizistin nicht erschießen, weil du nicht schnell genug sein wirst auch die Jägerin auszuschalten und die messerschwingende Kalte stattdessen dir das Licht ausknipst.

Hin und wieder muss ein Jäger der Jäger eine Seite von sich zeigen, die überhaupt nicht seinem Wesen entspricht

Du setzt alles auf eine Karte, nimmst den Arm, der schon schwach von dem Gewicht der Waffe wird, runter. Jetzt, da du deinem Körper gespielt erlaubst Schwäche zu zeigen, übermannt sie dich tatsächlich. Deine Willenskraft gerät ins Schwanken, dein Körper ins Wanken. Ein kurzer Schwindel überkommt dich, du hältst ich aufrecht, stellst jedoch erschrocken fest, dass der Blutverlust dich mehr entkräftet als du bisher gedacht hast. Schmerz verspürst dabei allerdings kaum, dafür hat der Alte dich zu sehr darauf konditioniert ihn zu ignorieren oder gar als festes Element deiner selbst anzunehmen.

Hin und wieder muss ein Jäger der Jäger sich der Unberechenbarkeit des Lebens ausliefern und – so grässlich dass auch klingt – einfach vertrauen

Müde schaust du von der Polizistin zu deiner Beute, die dich unablässig mit unterkühlter Miene mustert. Wenn sie zu enträtseln versucht, was du da treibst, zeigt sie dergleichen nicht. Vielmehr ist ihr ihr Ziel noch immer auf die Stirn geschnitzt. Sie will die Welt von einem Parasiten, von einem Schandfleck der Gesellschaft befreien, ist dafür gewillt sich selbst und ihr Leben gänzlich aufzugeben. Eigentlich seid ihr euch ziemlich ähnlich, wie zwei Seiten einer Medaille, die am Ende aller Tage geschmolzen wird, damit eine neue Medaille aus ihr geschmiedet werden kann, eine neue Rivalität, eine neue Generation, die die Maschine wie Hamster in einem Rad gefangen, am Laufen hält.

Der letzte Ausweg, gleich entscheidet es sich, wird der Schalter umgekippt oder bleibt der Finger drohend darüber schweben und vertagt diese Entscheidung auf ein anderes Mal?

Du schließt die Augen, sackst zusammen, gehst auf die Knie, bist erschöpft, dem Tode nahe, spielst seine Rolle in perfider Perfektion. In deinem Kopf entsteht ein Bild, wie du die Hände faltest und zu einer imaginären höheren Existenz betest… nein, nicht zu dick auftragen. Ruhe kehrt ein, umschließt dich. Seltsam, es fühlt sich fast friedlich an. Eine Regung der Vergangenheit, ein Echo, du lässt es verklingen, ziehst deine Konzentration zurück auf das, was um dich herum geschieht.

Stille, Schnaufen, schnelle Schritte, Klick, donnernder Schusslaut, ein Körper der zu Boden sackt

Du wartest noch einige Sekunden, hältst die Augen geschlossen, lässt dich fallen, gehst hernieder. Blut fließt in dünnen Rinnsalen aus deinen Wunden, Kälte greift nach deinem Körper, zieht ihre Krallen über deine Haut und dein Bewusstsein. Da ist nur endlose, immerwährende Schwärze.

Weitere Schritte, eine warme Hand auf deiner Schulter, die dich packt, die dich aus der Dunkelheit zerrt

Du erlaubst dir ein schwaches, flatterhaftes Blinzeln, nimmst in Sekundenschnelle wahr, was es zu wissen gilt. Die Polizistin hat sich neben dir niedergekniet, sie tut ihr Bestes dich wachzuhalten, bemüht sich darum sich zu erinnern, wie Wunden deiner Art versorgt werden müssen, doch ihr panischer Verstand wehrt alle Routine, die sie in so vielen Lehrstunden erfahren hat, erfolgreich ab. Daran wirst du feilen müssen. Viel wichtiger jedoch: Deine Beute liegt mit offenen Augen am Boden, eine Blutlache breitet sich auf Kopfhöhe aus. Ihr Blick ist nicht länger kalt, sondern gebrochen. Sie ist tot.

Am Ende der Jagd, zählt nur das Ergebnis; tot ist tot

Selbst wenn du nicht schwer verwundet und dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen wärst, würdest du dir kein zufriedenes Lächeln erlauben. Nicht, weil es die Schutzfrau irritieren könnte. Auch nicht, weil du es dir aufgrund der miserablen Leistung deinerseits nicht gestatten würdest. Du tust es einzig und allein deswegen nicht, weil es ein Zeichen der Freude wäre, die du nicht empfindest. Du hast dein Ziel erreicht, gut, das nächste wartet schon. Der Ofen der Maschine brennt weiter, schön, schaufle noch ein paar Kohlen hinterher. Du lebst noch, wunderbar, als Leiche fällt das Jagen schwer.

Die Jagd mag beendet sein, doch der Jäger darf niemals ruhen

Du suchst schon lange, zu lange und hier ist sie, deine Gelegenheit. Es gibt kein Anzeichen, keinen Grund zur Annahme mit deiner Vermutung richtig zu liegen und dennoch bist du dir sicher, nein, du weißt es, du hast sie gefunden: Deine Nachfolgerin. Das Problem ist nur, sie weiß das noch nicht.

Die Überzeugungskünste eines Jägers der Jäger müssen hin und wieder… kreativ sein

Deine Rolle ist gespielt, es wird Zeit die Bühne zu verlassen und Platz zu machen, für dein wahres Ich. Die schiere Existenz, die einem Zweck dient, den zu erfüllen auch bedeutet, plötzlich mit dem Körper hochzufahren und deiner unwissenden Retterin mit einem Schlag deines Kopfes auf den ihren, das Bewusstsein zu rauben oder in diesem Fall zumindest so sehr aus der Fassung zu bringen, dass du sie mühelos überwältigen kannst, dich über sie beugst und ihr Haupt abschließend mit Kraft auf den harten Boden rammst, was sie endgültig ruhigstellt.

Ein Jäger der Jäger darf einen Kontrollverlust über die Situation erleiden; er darf Fehler machen, unkonzentriert sein, selbst seine Vergangenheit aufblitzen lassen; was er nicht darf, ist sich selbst vergessen, sich und den Grund für seine Existenz

Es war knapp, zu knapp und dein Leben tanzt immer noch auf Messers Schneide, wenn du nicht bald etwas gegen die unzähligen Verletzungen unternimmst, aber du hast es bis hierhin geschafft und deine Selbstsicherheit auch den Rest zu packen, kehrt langsam wieder zurück. Vor allem anderen gilt es, deine Nachfolgerin auf dein Rückkehr vorzubereiten, denn in deinem aktuellen Zustand wirst du sie kaum mitnehmen können. Und du musst schnell dabei sein, sehr schnell, da Verstärkung in Form ihrer Kollegen, die sie vermissen mit Sicherheit schon bald auf dem Weg sein wird.

Improvisation muss erneut als Werkzeug herhalten

Der Bau der Bestie bietet alles, was du benötigst. Aus ein paar Kleiderfetzen fertigst du einen provisorischen Knebel, dem du der bewusstlosen Polizistin zwischen die Zähne schiebst. Als nächstes suchst du dir einen nahegelegenen Haken, dessen Motorik glücklicherweise nicht allein über eine Stromzufuhr funktioniert, sondern auch händisch bedient werden kann. Als Vorbereitung auf ihre nähere Zukunft, rammst du das schmale, spitze Metall in ihre zuvor freigelegte Wade, was sie natürlich aufwachen und durch ihren Knebel schreien lässt. Unfähig zu realisieren, was geschehen ist, nutzt die Gunst der Stunde, den Haken ein paar Zentimeter anzuheben. Nicht so weit, dass deine Nachfolgerin frei in der Luft baumelt, aber doch soweit, dass sie nur noch halb mit den Schultern auf dem Boden aufliegt. Die Schmerzen des Fremdkörpers in ihrem Bein und der Schwerkraft, die daran zerrt, müssen unerträglich sein, zumindest lässt das ihr gequälter Gesichtsausdruck vermuten. Du betrachtest es als nette Aufwärmübung für das, was in den nächsten Monaten noch auf sie zukommt. Dass sie in dieser Position dem Ding ähnelt, welches in deinem unterirdischen zu Hause auf dich wartet, nimmst du nur am Rande wahr.

Auch wenn die Zeit es nicht erlaubt, muss ein Jäger der Jäger gewisse Rituale befolgen

Du kniest dich neben sie nieder, nicht nah genug, dass sie dich mit ihren Fingern packen oder den dazugehörigen Nägeln zerkratzen könnte, aber doch so nah, dass du ihr ein paar vertraute Worte zuraunen kannst. Indes starrt sie dich ungläubig, unter Schock stehend und mit aufglimmendem Hass an. Gut, der Hass wird sie erst nähren, sie anfeuern und alles überstehen lassen, bis er sie verzehrt, alles in ihr zu Asche verwandelt und nur fruchtbaren Boden zurücklässt, für ein neues Selbst, für einen Keim, den behutsam einzupflanzen, dir aufgetragen wurde. Loderndes Feuer wird ihr Spiegel und ihr Anker sein.

Ich jage Jäger

Jäger denken, sie könnten unsereins jagen, uns behandeln wie Vieh, wie Sündenböcke, die sie in einem heiligen Akt zur Schlachtbank führen, ihr Blut in Strömen vergießen, um die Welt zu reinigen. Doch die Monster, die Tiere, die Kreaturen, die Bestien und die Dämonen sind immer unter euch, schlummern in euch, sind seit Anbeginn der Zeit ein Teil von euch.

Wölfe reißen Schafe, Jäger schießen Wölfe und wir, die Jäger der Jäger, jagen Jäger. Ein ewiger Kreislauf, ein immerwährender Traum aus Leben und Tod, den einzig und allein das Erwachen und die damit verbundene Auslöschung allen Seins beenden kann. Noch verstehst du es nicht, doch das wirst du. Bald.

Ich jage Jäger

Reiche mir deine Hand Schwester, schließe dich dem Bund an. Werde Teil der Jagd. Werde Teil des Kreislaufs.

Jage auch du Jäger

Nun ist es gesprochen, der erste Schritt getan. Du reichst das Heft der Klinge weiter, lässt das Mühlrad sich weiter drehen, die Maschine sich… Der Angriff kommt so schnell, dass du ihn im ersten Moment nicht einmal realisiert. Du spürst nur den Hauch eines Schnittes, wie ein Windzug, der sanft deine Haut berührt und dann an dir vorbeizieht. Die Wärme, die deinen Hals herabfließt und deine Brust besudelt, macht dir deutlich, dass Wind, das Letzte ist, was du in den wenigen, dir noch verbleibenden Sekunden spüren wirst.

Fassungslos blickst du auf deine Nachfolgerin und in abgründige, leere Augen hinab

Kein Feuer spiegelt sich mehr darin, auch keine Kälte, wie in der Jägerin, nur Leere, eine Leere, wie du sie noch nie zuvor gesehen oder erlebt hast. Sie lässt dich schaudern, droht dir, wie ein klaffendes, bodenloses Loch, dass du jeden Moment in ihre Ewigkeit fällst, eine Ewigkeit, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Es ist nicht einfach der Tod, der dich erwartet, sondern die Endlosigkeit im bedeutungslosen Nichts.

Du hast alles aufgegeben, umsonst

Du hast Jahrzehnte lang gejagt und getötet, umsonst

Du wirst sterben, umsonst

Du hast gelebt… umsonst

Während Blut deine Lungen herabläuft, weil du krampfhaft zu atmen versuchst und du elendig in deinem eigenen Leben spendenden Saft ertrinkst, legt die Schutzfrau das Messer, mit dem sie dir präzise die Kehle durchtrennt hat, weg und reißt sich mit beiden Händen den Knebel aus dem Mund, um dir eine letzte Botschaft mit auf den Weg in die Leere zu geben.

Ich jage die Jäger der Jäger

Jäger und Gejagte, ein ewiger Kreislauf, dessen Grenzen mit den Gezeiten verschwimmen, bis alles eins wird.

Bis alles nichts wird.

Bis alles von Leben zu Tod übergegangen ist.

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