Ich warte immer noch darauf aufzuwachen
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
In meiner Kindheit hatte ich immer danach gesucht, mir jeden Tag zu etwas Besonderem zu machen, erst recht wenn das Leben zuhause gerade nur aus Streit und Aggressionen bestand.
Ein Psychologe hätte wohl gesagt, dass der Drang, aus dem eigenen Zuhause zu wollen und auf mich alleine gestellt zu sein, von der fehlenden Geborgenheit ausging, die mir meine Familie vermittelte… aber die Wahrheit war… ich wollte einfach schon immer mal draußen übernachten…
Mit meinen elf Jahren war ich wohl zu jung, um die schwierige Situation zu verstehen, in der sich meine Eltern befanden. Sie schrien sich gegenseitig nur noch an, und einmal sah ich sogar, wie mein Vater sie schlug. Meine Mutter verlor nie ein Wort darüber, also verdrängte ich es ziemlich schnell und dachte lieber darüber nach, wie spannend es wäre, tatsächlich mal nicht in meinem Zimmer zu übernachten. Ich durfte das sonst nie, also konnte ich die Antwort kaum erwarten. So lief ich gleich am Morgen aufgeregt in ihr Schlafzimmer, damit ich die beiden nach Erlaubnis fragen konnte, und löste damit den ersten Streit des Tages aus. Während mein Vater darüber wütend war, dass ich sie bereits geweckt hatte und dann noch wegen einer so unwichtigen Sache, fiel ihm meine Mutter in den Rücken und erlaubte es mir sofort. Wahrscheinlich hatte sie Schuldgefühle, da ich ihren Streit tagtäglich mitbekam. Mir war in dem Moment egal, von wem ich zu Zustimmung erhielt, solange es mir irgendwer erlaubte. Dennoch wollte ich nicht, dass er sauer auf mich war.
Es dauerte zwar eine Weile, aber schließlich konnte ich auch meinen Vater dazu überreden, mich eine Nacht in der Hängematte vor unserem Haus schlafen zu lassen. So unspektakulär wie sich das auch anhört, für mich fühlte es sich an, als würde ich eines der größten Abenteuer meines Lebens antreten, und irgendwie hatte ich damit auch recht…
Den ganzen Tag wartete ich nur darauf, dass es endlich dunkel wurde. Fast so wie an Weihnachten… nur eben ohne die Geschenke. Nach dem Abendessen war es schließlich soweit und ich richtete mich für die Übernachtung im Garten ein. Voller Vorfreude packte ich meine Bettdecke, Kissen und mein Handy auf die Hängematte und zog – trotz der schwülen Sommerhitze – meinen langen Schlafanzug an, um vor Insektenstichen geschützt zu sein. Nachdem ich meine Zähne geputzt hatte, legte ich mich hin. Glücklicherweise war ich nicht allzu weit vom Haus entfernt, sodass ich noch genug Internetverbindung hatte, um mir die erste Stunde mit Videos und Spielen zu vertreiben. Ich schrieb all meinen Freunden davon, wie ich die Nacht alleine draußen verbringen durfte, was sie tatsächlich beeindruckte, aber auch dazu einlud, mir nun Angst zu machen. Wilde Tiere könnten mich riechen und angreifen oder ein Fremder könnte mich im Schlaf mitnehmen, ohne dass ich es bemerke. Bis dahin war das Ganze auch noch lustig und wir machten Witze darüber, wer meine Konsole erben würde, sollte ich tatsächlich verschwinden, aber innerlich war mir der Mut schon längst vergangen.
Irgendwann später, als auch alle Lichter an unserem Haus ausgeschaltet waren, beschloss ich zu schlafen. Es dauerte nicht lange, bis sich herausstellte, dass dies schwieriger war als ich es mir vorgestellt hatte. Überall um mich herum machte lautes Zirpen der Grillen das Einschlafen fast unmöglich und irgendwie fühlte sich mein Rücken unangenehm nass an, während mir in meinem Kokon aus Decken und meinem Schlafanzug viel zu heiß war. Die Luft war inzwischen derart abgekühlt, dass sie bei jedem Atemzug eiskalt in meinen Lungen brannte. In der Ferne waren die markerschütternden Schreie eines Marders zu hören, und als wäre es nicht genug, vernahm ich mehrmals leise Schritte auf der Straße neben mir, obwohl es bereits ein oder zwei Uhr nachts gewesen sein musste. Jemand ist dort. Das machte mir wirklich Angst. Mir wurde erst jetzt bewusst, wie ausgeliefert ich hier eigentlich lag. Warum wollte ich nur hier draußen übernachten?? Denn es war schrecklich… Das Einzige, das mich daran hinderte, nicht sofort meine Sachen zu packen und in mein sicheres, warmes Zuhause zu flüchten, war, dass ich auf gar keinen Fall die Aufmerksamkeit von irgendetwas oder irgendjemandem auf mich ziehen wollte. Ich wollte nicht bemerkt werden. Wie erstarrt lag ich dort, meine Augen weit aufgerissen und immer noch den Schritten zuhörend, welche weiterhin durch die Dunkelheit schlichen. Wer auch immer da war, warum ging er nicht weg? Und vor allem… Wusste er, dass ich hier war? Ich bewegte keinen Muskel und hielt meine Atmung so flach wie möglich. Dann beschloss ich schließlich für mich selbst, mit diesen paranoiden Gedanken aufzuhören und die Nacht zu überstehen, indem ich einschlafen und morgens im Sonnenaufgang wieder aufwachen würde. Meine Eltern waren nur paar Meter von mir entfernt im Haus, es gab also keinen Grund zur Panik. Vielleicht spielten mir meine Freunde gerade einen Streich, immerhin wussten sie ja, dass ich hier lag, und waren die ganze Zeit über versessen darauf, mir Angst einzujagen. Das haben sie wohl geschafft. Ich zwang mich dazu, meine Augen zu schließen und, egal welche Geräusche auch kamen, sie nicht wieder zu öffnen, bis die Nacht vorbei war. So schwer es mir auch fiel, nach gefühlten Stunden schlief ich endlich ein.
Ich stehe auf und gehe blind in die Richtung, in der ich das Haus vermute. Mir ist kalt. Ich muss eine Weile nur im Kreis gelaufen sein, denn es dauert eine Ewigkeit, bis ich endlich auf eine Steinwand stoße. Vorsichtig taste ich mich die kühle Mauer entlang und stolpere dabei ein paarmal über Gerümpel, welches ich nicht zuordnen kann. Erleichterung steigt in mir auf, als ich endlich das Holz einer Tür erfühle. Hastig greife ich nach der Türklinke und drücke sie hinunter, nur um festzustellen, dass die Tür abgeschlossen ist. Sofort verlässt mich die Erleichterung und Entsetzen macht sich stattdessen in mir breit. Auch bei wiederholten Versuchen lässt sie sich nicht öffnen. Meine Eltern würden niemals die Tür abriegeln, wenn sie wussten, dass ich noch hier war. Sie konnten mich nicht vergessen haben. Die Erkenntnis traf mich so hart, dass ich aus lauter Panik nun anfing, so fest wie möglich gegen die Tür zu hämmern und nicht eher aufzuhören, bis meine Eltern aufwachten und mich bemerkten. Meine Verzweiflung wurde immer größer und meine Hand begann durch die vielen Schläge zu schmerzen. Ich bin bereits kurz davor aufzugeben, bis ich schließlich das ersehnte Geräusch einer sich öffnenden Tür höre und dann Stille. Niemand spricht, doch ich sehe auch niemanden. Noch bevor ich ein Wort sagen kann, ist das Einzige, das ich noch mitbekomme, ein starker Schmerz, der meinen ganzen Kopf durchzieht.
Während man schläft, nimmt man das Meiste, das um einen herum passiert, nicht bewusst wahr, jedoch hatte ich einmal das Gefühl, von jemandem getragen zu werden, so wie es mein Vater immer tat, wenn ich nicht in einem Bett eingeschlafen bin. Er muss wohl mitbekommen haben, dass ich mich dort draußen nicht gut gefühlt hatte, und würde mich jetzt in mein Zimmer bringen. Diese Erklärung reichte mir, um in Frieden weiter schlafen zu können.
Als ich aufwachte, befand ich mich jedoch nicht in meinem Bett, ebenfalls war nicht Morgen und erst recht war kein Sonnenschein zu sehen. Stattdessen wurde ich von einem heftigen Sturm geweckt. Es war immer noch pechschwarze Nacht und, das aller Schlimmste, es regnete. Ich brauchte einen kurzen Augenblick, bis ich realisierte, dass ich mich nicht in meinem Bett befand und dass das hier kein Alptraum war. Abgesehen davon war ich ebenfalls nicht in meiner Hängematte, sondern lag auf dem harten Boden. Ich muss im Schlaf heruntergefallen sein, was mir mehrere schmerzende Stellen an meinem gesamten Körper verrieten. Sofort tastete ich den nassen Grund unter mir nach meinem Handy ab, um zu sehen, wie viel Uhr es war und mir etwas Licht zu verschaffen aber… es war nicht da. Alles, was ich erfühlen konnte, waren matschiges Laub, Äste oder Steine. Vorsichtig stand ich auf, um die Hängematte nach meinem Zeug zu durchsuchen, und stelle irritiert fest, dass ich nur ins Leere griff. Ich konnte immer noch nichts sehen. Panik stieg in mir hoch, aber ich zwang mich dazu, noch Ruhe zu bewahren.
Alles. Wird. Gut.
Schließlich hatte ich keine andere Wahl, also beschloss ich, mein Zeug zurückzulassen und so schnell wie möglich dem Sturm über mir zu entkommen. Ohne weiter zu zögern, lief ich die ersten Schritte vorwärts und hörte, wie meine bereits tauben Füße die Stöcke unter ihnen zerbrachen.
M… Moment.
Erst jetzt bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. So verwirrt und übermüdet ich auch war, konnte ich mich trotzdem daran erinnern, dass es auf unserem stets perfekt gemähten Rasen weder Äste noch Laub und besonders keine Steine gab. Es war einer dieser Vorstadt-Gärten, welche zwar genug Platz für eine Grillparty oder ein Trampolin hatten, aber nie für einen Baum, der solch enorme Zweige trug. Andererseits konnte es auch einfach der Sturm gewesen sein, der das alles hierher gebracht hatte.
Oder…
Der Gedanke traf mich so unvorbereitet, er lähmte mich und ließ mein Herz kurz verkrampfen.
…ich war nicht mehr in unserem Garten.
Meine Befürchtungen bestätigten sich, als ich nach ein paar Schritten auf einen Baum traf, dann auf einen weiteren und dann… auf den dritten. War ich etwa… in einem Wald? Wie zur Hölle war ich hierher gekommen?! Mein Zuhause musste Kilometer von mir entfernt sein. Ich war kurz davor ,den lautesten Schrei meines Lebens auszustoßen, als in einem Bruchteil von Sekunden mein Blickfeld zweimal in das weiße Licht eines Blitzes gehüllt wurde. Beim ersten Mal brannten meine Augen und ich schloss sie, ohne etwas erkannt zu haben, aber bei zweiten Mal… hatte ich es gesehen… Jetzt konnte ich meine Augen nicht mehr schließen, dafür hatte ich viel zu große Angst vor dem, was ich sah. Keine zehn Meter vor mir bewegte sich eine lange, große Gestalt von mir weg. Eben diese Bewegungen waren das, was sie von den dürren Bäumen um uns herum unterschied. Das Licht verschwand zu schnell, als dass ich mehr erkennen konnte, aber was ich sah, genügte mir bereits. Der darauf folgende Donner ließ mich zusammenzucken und löste mich aus meiner Schockstarre. Ich machte einige leise Schritte zurück, doch konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als sich plötzlich etwas Spitzes tief in meine Fußsohle bohrte. Vielleicht Dornen oder eine alte Scherbe einer weggeworfenen Glasflasche. Fakt war, es war der schrecklichste Schmerz, den ich seitdem je erlitt.
Instinktiv ergriff mich mein Überlebenswille und ich flüchtete mehr oder weniger humpelnd von dem weg, was mich inzwischen sicherlich bemerkt hatte. Es dauerte nicht lange, bis mich meine Kräfte verließen, ich einknickte und einen steilen Abhang hinunterschlitterte. Dabei stieß ich mir mehrmals den Kopf, bis ich mich auf einmal im freien Fall befand. Ich denke, es war in diesem Moment, in dem ich sicher war, weder Familie noch Freunde je wieder zu sehen. Der Fall schien mir unendlich, bis ich auf dem Boden aufschlug.
Am nächsten Morgen fand mich ein Suchtrupp aus Nachbarn und der Polizei schlafend und zusammengekauert in einem Graben liegend. Anfangs hielt man mich für tot, was man bei meinem Aussehen keinem verübeln konnte. Meine Haut war durch die Kälte blass geworden, überall hatte ich blaue Flecken und Wunden und der früher strahlend weiße Schlafanzug bestand nur aus ein paar verdreckten Fetzen, die noch immer durchnässt an meiner Haut klebten. Ich war mein ganzes Leben lang ein gutes, freundliches Kind gewesen… womit hatte ich dann das verdient? Ein paar der Mütter brachen in Tränen aus. Ich bekam von all dem nichts mit. Erst nachdem mein schwacher Puls erfühlt wurde und ich umgehend in ein Krankenhaus kam, wachte ich ein paar Stunden später in einem Bett auf. Anstatt, wie üblich in solchen Fällen, als allererstes in die besorgten Gesichter seiner Eltern zu sehen, saß neben mir auf einem Stuhl eine fremde Frau im Hosenanzug. Nachdem mich der Arzt untersucht hatte und nach einer Stunde der gewöhnlichen Fragen und Antworten einer fremden Person erzählte sie mir, dass meine Mutter sich letzte Nacht erschossen hatte. Mein Vater befand sich für die Befragung noch auf dem Revier. Ich kann bis heute nicht beschreiben, wie ich mich nach dieser Nachricht gefühlt habe, aber ich weiß noch, wie ich der Frau unter Tränen erzählte, mir nichts sehnlicher zu wünschen, als endlich wieder aufzuwachen.
Dieses Gespräch ist das Einzige, von dem ich sicher bin, das sie es 100% echt gewesen ist. Bis heute kann ich nicht klar zuordnen, was von dem Geschehenen wirklich so passierte oder nur Einbildung gewesen ist. Über meinem rechten Fuß war eine Menge Verband gewickelt, als ich den Arzt danach fragte, bestätigte er meinen Verdacht. Es war eine Scherbe. Manche Dinge wollte ich nicht als wirklich ansehen, ich fand sie sind zu schrecklich, um wahr zu sein. Die Frau von damals stellte mir auch Fragen über Einzelheiten, an die ich mich zu keinem Zeitpunkt erinnern konnte. Beispielsweise, weshalb ich von Blitzen und Donner erzählte, obwohl ein paar Schauer das einzige Unwetter zu dieser Zeit waren, warum ich es um sechs Uhr morgens noch für pechschwarze Nacht hielt, und die Frage, die mich am meisten verwirrte, wieso ich für eine Übernachtung im Garten eine Augenbinde trug. Ich… hatte keine Ahnung.
Einen Monat später, nach der Beerdigung meiner Mutter und bevor die Ermittlungen komplett abgeschlossen waren, kam auch mein Vater bei einem Autounfall ums Leben. Zur Verwunderung meiner Tante, bei der ich seit dem Vorfall untergebracht war, traf mich sein Unfall nicht ansatzweise so hart wie vermutet. Vielleicht, weil ich es unterbewusst doch gewusst hatte… Spätestens als ich während eines Besuchs in unserem alten Haus einen Briefumschlag mit der Aufschrift „Familie“ fand, war mir klar, mit was für einem gestörten Menschen ich mein Leben lang zusammen verbracht hatte. In dem Umschlag befanden sich ein Haufen Fotos, aber die ersten reichten schon aus, um mich meinen gesamten Mageninhalt im Zimmer verteilen zu lassen. Auf dem einen war eine Frau, deren halber Kopf fehlte und in Form von blutigen Fleischklumpen die Wand hinter ihr herunterliefen. Auf der Rückseite stand das Datum geschrieben, mit einem Kreuz nebenbei. Es ließ mich in Tränen ausbrechen, etwas, das ich all die Wochen zuvor unterdrückt hatte. Doch bei dem nächsten Foto… verstummte ich augenblicklich. Dort war ein Kind, mit verbundenen Augen und einem weißen, durchnässten Schlafanzug, wie es einfach mitten im Wald stand und dahinter ein Datum… mit einem Kreuz.