Im Dejá Vu
ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Erlebnis, bei dem eine Person glaubt, dass das soeben Geschehene früher schon einmal stattgefunden hat.
Es war 9:00 Uhr am Montag, als mich mein brauner Digitalwecker unsanft aus dem Schlaf riss. Genervt vom lauten Piepen wanderte meine Hand über das hölzerne Nachtschränkchen auf die Oberseite des Weckers, um ihn auszumachen.
Mein Handy mit der blauen Hülle, welches daneben lag, vibrierte und ich nahm es genervt in die Hand. Meine Augen hatten sich noch nicht ans Licht gewöhnt und das Handylicht machte mir erstmal zu schaffen, bevor ich mich überwand und den Bildschirm ansah.
Meine Mail-App zeigte mir, dass ich eine Privat-E-Mail erhalten habe. Ich öffnete sie:
Guten Tag, Herr Winston,
ich möchte sie hiermit noch einmal an die heutige Routineuntersuchung erinnern. Finden sie sich bitte um 10:30 in der Praxis ein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Schwartz
Dr. Schwartz war mein Hausarzt. Wir hatten einen Termin für eine Routineuntersuchung ausgemacht. Das hatte ich fast vergessen. Er pflegte stets ein gutes Verhältnis zu seinen Patienten und nahm sich gerne Zeit, ihnen persönlich zu schreiben.
Was andere als aufdringlich empfinden würden, empfinde ich als angenehm. So muss ich mich nicht darum sorgen, es zu vergessen. Ja, ich bin sehr vergesslich, aber jeder hat seine Schwächen.
Ich zog mich an und verließ das Haus pünktlich um 10:00 Uhr. Da ich kein Auto hatte, musste ich die paar Kreuzungen bis zur Praxis laufen. Es war nicht weit. Ich lief auf dem Gehsteig entlang. Neben mir mehrere Autos, darunter ein gelbes Taxi mit dem Taxi-Schild auf dem Dach, ein paar vereinzelte Fußgänger, ein paar Kinder, die mit Eis in der Hand den Zebrastreifen überquerten. Ein Anzugträger, welcher ungeduldig an seinem Handy hing, und eine ältere Dame, die an der Ampel darauf wartete, dass sie die Straße überqueren durfte.
Nach kurzer Zeit erreichte ich die Praxis. Das mittlerweile alte Schild „Dr. Schwartz, Facharzt für Heilpädagogik“ schmückte den Eingang und sowie ich das Treppenhaus betrat, überkam mich ein unfassbares Gefühl von Dejá Vu. Die gefleckten Fliesen, das dunkelbraune Geländer und die helle Holztür mit der Aufschrift „Praxis“. An der Rezeption saß Julie, ich kannte sie bereits. Sie war dort die Vorzimmerdame und ich hatte mich schon vor Monaten in sie verguckt.
Ihre blonden Haare, der blaue Kittel, ihre schöne weiße Bluse und ihr unglaublich süßes Stupsnäschen. Wie konnte man von so einer Frau nicht schwärmen?
„Guten Tag, Herr Winston, was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe einen Termin mit Dr. Schwartz für eine Routineuntersuchung.“
„Ah stimmt, 10:30, bitte Ihre Versichertenkarte!“
Ich überreichte ihr die Karte und sie fing an, etwas in ihre Tastatur einzutippen. Vor ihr der große Röhrenbildschirm, den sie auch schon hatte, als ich noch jünger war. Ich frage mich, warum die Praxis ihre Technik nicht erneuert.
„Ok, setzen Sie sich kurz ins Wartezimmer. Dr. Schwartz ist gleich bei ihnen. Er hat noch einen Patienten.“
Ich nahm meine Karte und ging durch die dünne, verschwommene Glastür neben der Rezeption ins Wartezimmer. Und erneut, ein unfassbares Gefühl von Dejá Vu. Als Kind war ich auch schon dort in diesem Raum. Die fluoreszierenden Lichter an der Decke, der lila Teppichboden mit weißer Umrandung, die kleine Spielecke mit Plüschtieren, der Fernseher an der Wand, der eine Präsentation über Thrombose zeigte, die dunklen Lederstühle und der Holztisch in der Mitte, vollgepackt mit alten Magazinen.
Ich erinnere mich, wie viel Angst ich immer als Kind hatte. Nie wollte ich die Spielecke verlassen, weil ich Panik vor einer Spritze hatte. Jetzt fühlte ich mich hier wohl. Die Lichter gaben mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Ein entspannendes Gefühl. So entspannend, dass ich mich in den Stuhl sacken ließ und langsam müde wurde. Ich schlief ein, obwohl der Stuhl wirklich nicht gemütlich war.
Ich träumte, aber es war sehr seltsam. Ich befand mich in einem finsteren Korridor. Der Boden war der gleiche wie der in der Praxis. Die Decke war pechschwarz. So etwas wie ein Material war dort nicht. Die Wände hingegen waren weiß. Extrem grelles Weiß. Man würde jetzt vermuten, ich bin den Korridor entlanggegangen. Doch das tat ich nicht. Ich kam aus der rechten Wand raus und lief direkt in die linke Wand hinein. Plötzlich umgab mich ein grelles weißes Licht.
Ich riss die Augen auf, als ich durch die Lautsprecheranlage geweckt wurde.
„Herr Winston, bitte in Behandlungsraum 2!“
Ich rieb mir die Augen und gähnte. Mein Herz klopfte ziemlich stark und ich wusste erst nicht, wo ich war. Ich stand auf und begab mich erschöpft in das Zimmer von Dr. Schwartz.
„Guten Tag Herr Winston, setzen sie sich!“
Ich sah ihn, den alten Mann vor seinem alten Rechner. Er tippte etwas ein. Auf seinem Schreibtisch eine Doktorfigur eine Lampe und ein paar Dokumente, die ich nicht zuordnen konnte. Der Raum war sehr trostlos. Ein Sehtest an der Wand, der Schreibtisch, an dem er saß, davor ein weiterer Lederstuhl und in der Ecke des Raumes die Behandlungsliege sowie eine einfache Zimmerpalme in einem braunen Topf.
„Guten Tag Dr. Schwartz.“
„So, wir werden ihnen etwas Blut abnehmen, die Reflexe und ihre Sichtverhältnisse testen und Gewicht messen. Alles Routine.“
Ich nickte und wir machten uns ans Werk. Eins nach dem anderen, und als wir fertig waren, sagte er:
„So, wir sind fertig. Die Ergebnisse werden wir ihnen morgen zukommen lassen. Auf Wiedersehen.“
Ich verabschiedete mich und lief nach Hause. Der Verkehr wurde etwas ruhiger. Ich sah in der Ferne einen Festumzug. Es war gerade Stadtfest bei uns und die Straße war jetzt blockiert. Ich lief in Richtung des Umzugs und konnte bereits die laute Volksmusik hören, als ich eine Abkürzung durch eine Seitengasse nahm. In der Ferne die laute Musik und das Kreischen von Menschenmengen. Als ich zuhause ankam, ließ ich mich an meinen Schreibtisch fallen und schloss den Tag mit einer Runde Netflix ab. Es war spät in der Nacht, als ich dann einschlief.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 9:00 Uhr. Ich lag wieder in meinem Bett. Ich war in meinem Stuhl eingeschlafen, wie konnte ich hierher kommen? Naja, ich war einfach zu müde, um es mitzubekommen. Mein blaues Handy vibrierte wieder auf dem Nachtschränkchen.
Meine Mail-App leuchtete wieder. Eine E-Mail von Dr. Schwartz:
Guten Tag Herr Winston,
ich möchte sie hiermit noch einmal an die heutige Routineuntersuchung erinnern. Finden sie sich bitte um 10:30 in der Praxis ein!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Schwartz
„Was zur verf*ckten Hölle?“, murmelte ich vor mich hin. Vielleicht hatte er mir aus Versehen die gleiche Mail geschickt und wollte mich eigentlich nur über meine Ergebnisse aufklären. Da ich sowieso Urlaub hatte, beschloss ich, der Praxis noch einmal einen Besuch abzustatten. Doch es wurde komischer. Als ich das Haus verließ, war das Wetter wie gestern früh. Ich sah das gelbe Taxi, die Kinder von gestern, wie sie mit dem Eis in der Hand den Zebrastreifen überquerten. Den ungeduldigen Business-Typen und die alte Dame an der Ampel.
„Was zur verf*ckten Hölle?“, murmelte ich erneut, als ich die Straße zur Praxis überquerte. Ich sah das alte Schild am Eingang und lief durch das Treppenhaus. Am Empfang war wieder Julie:
„Guten Tag Herr Winston, was kann ich für sie tun?“
Ich sah sie ungläubig an.
„Dr. Schwartz hat mir eine E-Mail geschrieben, ein Irrtum, aber ich vermute, er wollte mir die Ergebnisse mitteilen.“
Sie sah mich verwundert an.
„Hier steht, sie haben heute um 10:30 Uhr einen Termin für eine Routineuntersuchung.“
„Was? Nein, die hab ich doch gestern Vormittag schon erledigt. Ich dachte, ich krieg die Ergebnisse der Untersuchung.“
„Das kann nicht sein, wir hatten gestern geschlossen. Es war doch Sonntag.“
Ich rieb mir die Augen erneut.
„Nein, ich war gestern da und hab die Untersuchung gemacht. Gewicht, Sehtest, Blutabna…
Moment, BLUTABNAHME!“
Ich wollte ihr das Pflaster zeigen, doch als ich meinen Arm in ihre Richtung streckte, fiel mir auf, dass das Pflaster weg war. Auch der Stich war nicht da.
„Geht es ihnen gut, Sir?“
„Ja, mir geht es gut! Hervorragend!!“
Ich wurde lauter.
„Ich weiß nicht, was hier los ist!“
Langsam verlor ich den Verstand. Ich stürmte aus der Praxis und rannte nach Hause. Auch mein Handy zeigte an, dass heute Montag war. Ich warf mich ins Bett und blieb dort für den Rest des Tages.
„Das ist alles nur ein Traum, alles nur ein Traum!“
Ich versuchte mich zu beruhigen und tatsächlich machte die Aufregung irgendwann müde. Ich schlief ein. Doch erneut weckte mich der Digitalwecker um 9:00 Uhr. Das Handy vibrierte und sofort überprüfte ich den Tag. Es war wieder Montag. Und erneut war die E-Mail da.
Da begriff ich es. Ich war in einer Zeitschleife gefangen. Eine Art andere Dimension, in der die Zeit am Ende des Tages zurück an den Anfang gesetzt wurde. Ihr könnt euch vorstellen, dass sich die anderen Tage nichts änderte, und seitdem hat sich auch nichts geändert. Mittlerweile bin ich schon etwa sechs Jahre in diesem Tag gefangen. Ich erzähle euch diese Geschichte, doch sie wird morgen vermutlich nicht mehr existieren.
Wer sich mit Dimensionen auskennt, der weiß, dass Informationen die Dimension, in der sie entstanden sind, nicht einfach so verlassen können. Vor allem, wenn ein und derselbe Tag und die damit verbundenen Informationen einfach zurückgesetzt und damit gelöscht werden.
Was bedeutet es also, wenn ihr diese Zeilen lesen könnt? Es gibt zwei Möglichkeiten!
# Ich habe ein Schlupfloch gefunden, durch das ich endlich wieder in die Normalität zurückkehren kann. Vielleicht ist dies der Beweis, dass es einen Weg daraus gibt und ich dieser Zeithölle irgendwann entfliehen kann.
Doch der zweite Punkt ist beunruhigender. Wenn ihr ihre Zeilen lesen könnt, obwohl sie aus dieser Zeitschleife stammen, dann könnte das bedeuten…
…dass ich mittlerweile nicht mehr alleine bin.