ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Die finsteren Gänge eines alten und leerstehenden Gebäudes sprechen eine ganz eigene Sprache, die sich zugleich sehr deutlich als auch sehr unergründlich zum Ausdruck bringt. Umso älter die Fundamente und bröckelnder Mörtel, umso deutlicher das Wort. Ein jeder, der schon mal einen solchen Ort aus Gründen der Neugier zur Erkundung auserkoren hat, und der die Dinge mit mehr als nur den bekannten Sinnen wahrnimmt, weiß, was gemeint ist. Es ist eine kalte organische, zugleich tote Sprache, die sich nicht nur im Akzent vom jeweiligen Ortes selbst, der dem Verfall unterliegt, unterscheidet; auch ist es eine Sprache, deren Seele sich zu Teilen bis in eine längst vergangene Zeit erstreckt, als hier noch im Tageslicht passierende Kinder ihrer alltäglichen Pflichten nachgegangen sind. Im Gegensatz dazu, sind seine heutigen tippelnden Bewohner viel mehr Spinnen, Ratten, Mäuse, Asseln und so manch eine hier entlang flatternde Fledermaus. Die zerrütteten Aufgänge und Flure sind staubbedeckt, Glas eingeschlagener Fensterscheiben und die Hinterlassenschaften vergangener Besucher garnieren den Rest. Es herrscht eine gewisse, den Schultern anlastende Melancholie in der Luft.
Unter jeden Schrittes schien ich Stufe für Stufe empor zu wachsen, während ich mich bedächtig aus der Schattenverborgenheit des Treppenflures enthob. Die Dunkelheit würde mich wohl vollständig ihrem Sog fügen, hätte ich nicht die Stirnlampe als zuverlässigen Begleiter bei mir. Die Batterien hielten mindestens für eine Zeitspanne von fünf Stunden, zur Not hatte ich auch noch Ersatz dabei. Gleiches galt für die Videokamera.
Was bei einer antiken Ruine die Hieroglyphen waren, war auf dieser Etage wohl die willkürliche Graffiti-Krakelei zu den Wänden, welcher als Signatur diverser Sprayer, deren Sichtbarkeit scheinbar wie die von Geistererscheinungen glich, ebenso etwas mysteriöses herrührte. Dies war genau der richtige Ort, den ich für mein neues YouTube-Video benötigte; düster, verkommen, dreckig, verlassen – eben die perfekten Voraussetzungen für ein Lost-Place-Video. Bis auf den wenig schönen Schimmelgeruch der, wie eine Giftwolke aus so manch geöffnetem Spind entwich, war ich stets dazu geneigt, meinen Abonnenten so viel verschiedene Eindrücke wie nur möglich zu vermitteln, wenn auch nur in Videoform.
»Und hier sind wir nun liebe Leute…!«
Normalerweise gab ich mich während der Dreharbeiten immer etwas euphorisch und waghalsig; das gab ordentlich Klicks, doch diesmal war mir einfach nicht danach. Dieser Ort erzeugte in mir einen gewissen Argwohn, den ich nicht zu beschreiben vermochte, und der sich sogar durch des erneut aufkommenden sowie kalten Luftstroms nochmal verstärken konnte, was mich innerhalb dieser eisern schweigsamen Gänge zum frösteln brachte. Und wenn ich dann auch noch zusätzlich über die Gerüchteküche und die gruseligen verzerrten Bilder aus den hintersten Winkeln des Internets nachdenke – die in letzter Zeit fleißig durch bestimmte Foren gereicht werden, läuft mir endgültig der Schauer über den Rücken. Meistens ist an solchen urbanen Legenden aus der Horrorecke von Reddit und diverser Plattformen ja nichts sonderliches dran; wie beispielsweise Aufnahmen des Slender Man, in denen er irgendwelchen Spielplätzen oder Wäldern beigefügt worden war, was heutzutage eher der Internethorrorkultur zugeordnet wird jedoch, und das muss selbst ich zugeben – jenes kriechende Ding, das sich angeblich hier aufhalten soll -, ist echt, verzeiht meine Ausdrucksweise; scheiße unheimlich. So etwas kann nicht existieren. Genauso wie Bigfoot, Skinwalker, Echsenmenschen, Werwölfe und alle anderen Zutaten, welche aus der unergründlichen Suppe sagenumwobener Theorien herrührten und wohl für immer darin vor sich hin köcheln werden…
Es war Zeit für eine kleine Pause. Ich senkte die Kamera, während mich meine Schuhsohlen direkt in ein heruntergekommenes Klassenzimmer geleiteten, indem vereinzelt Stühle, Spinde und Tische noch fast unberührt herumstanden. Sogar die Tafel war noch vorhanden, die mich, so halb geschlossen, zu sich lotste und auf der ein Teil von einem Satz geschrieben stand, der noch recht frisch zu sein schien, und was mich schließlich zum Aufklappen nötigte. „Hau sofort hier ab!“, stand dort in gehetzter Krakelei. Das Ausrufezeichen fügte ich selbst mit der alten Kreide hinzu, weil es auf mich ohne unvollständig gewirkt hatte. Angst macht es mir keine, denn dies ist nicht mein erstes Abenteuer in einer neuzeitlichen Ruine. Auf Anspielungen dieser Art war ich erfahrungsgemäß fast jedes einzelne mal gestoßen; wie bei einem Jäger, Spuren lesend in den Apalachen – der zu jeder Jagdsaison mindestens ein verwesendes Tier vorfand -, war dies für mich nichts allzu ausschweifendes. Sichtlich entspannt, da der Raum einen gewissen Konform bot und das Mondlicht friedvoll hineinleuchtete, zündete ich mir eine Zigarette und wanderte zwischen den unordentlichen Tischen umher. Nachdem ich fertig geraucht hatte, warf ich die Kippe zu einem der eingeschlagenen Reihenfenster hinunter; sie landete im bewucherten Hof. Ein paar letzte Postings noch via Smartphone und schon griff ich wieder zur Kamera. Die Aufnahme konnte weitergehen.
Ein Katzensprung ins Untergeschoss lag inzwischen hinter mir (der in Wahrheit bereits über zwanzig Minuten zurücklag), dessen weiterer Verlauf mich durch die Umkleiden als auch direkt in die längst abrissfällige und hinten anstehende Sporthalle führen würde, aus der ich eben gemeint hatte, komische Geräusche vernommen zu haben…
»Okay Leute, hoffentlich ist es nicht wieder ein verrückter Penner, der uns irgendeinen Mist verkaufen will, wie in unserer letzten Folge, die ihr übrigens ganz einfach finden könnt, wenn ihr genau jetzt hier oben klickt!« Ich machte im Bild oben rechts eine deutende Fingergestik und filmte weiter die siffigen Kacheln der Duschräume entlang. Jedenfalls, bevor ich die Stufen wieder hinunter geschlittert kam, um in das Untergeschoss zu gelangen, hatte ich noch oben die Toiletten abgeklappert, einen toten Getränkeautomaten aufgebrochen, ich sah mich noch in einem alten Lehrerzimmer um und hatte letztlich noch versucht, auf das Schuldach zu gelangen, um mich wie der König der Nacht zu fühlen; doch es war rigoros abgesperrt. Ich habe also ziemlich jeden Winkel, jeden Abschnitt, jeden Ausblick nun auf Video. Bis auf die Kellerebene… die ich meinen Abonnenten natürlich nicht vorenthalten wollte. Die Dunkelheit in den ehemaligen Duschräumen und Umkleiden hatte sich inzwischen in absolute Schwärze evolviert, die förmlich jedwede Phosphoreszenz im Keim erstickte, und die meinen Geist nahezu vollständig in einen Rausch der Beklommenheit versetzen würde; was mich am Boden kriechen oder unsicher voran tasten ließe, hätte ich keine Lampe bei mir und würden mir meine Selbstgespräche keine imaginäre Gesellschaft vorgaukeln. In der Turnhalle angekommen, konnte ich zum zweiten mal Geräusche hören, jetzt sogar im Zulauf des groß räumlichen Widerhalls: Ein Klopfen. Ich versuchte dessen Quelle auszumachen… Ich beleuchte auf einmal eine Figur im Dunkeln. Sie stand keine fünfzehn Meter von mir Entfernt. Mit dem Rücken war sie zu mir gewandt. Mein inneres gab mir bereits in dieser Phase den dringlichen Rat, dass es besser wäre, einfach wieder leise umzukehren und diesen Mann in Ruhe zu lassen. Doch, auch wenn mein Herzschlag wild zu pochen begann, obsiegte zum einen meine Neugier und zum anderen wollte ich an diesem Punkt meine Abonnenten nicht enttäuschen – vielleicht hätte ich es hiermit sogar in die Trends geschafft? Ich schritt der schattigen Figur ganz langsam entgegen… Nur ein paar Aufnahmen des Rückens wären absolut genüge, dachte sich mein damaliges dummes Ich.
Als ich näher kam, sah ich es: Es war ein alter dürrer Mann mit vereinzelten und fettigen Haarsträhnen, die nur noch an seinem Hinterkopf herunterhingen wie die Tentakel eines Oktopus. Apathisch stand er einfach nur da. Auch auf mein »Hallo? Sie da… Geht es Ihnen gut?« folgte keine Reaktion. Sein Arm zuckte komisch, und der in sehr langsamen Abständen mit der Hand an die Wand schlug beziehungsweise daran herunter zog. Sein Blick blieb währenddessen regungslos zu Boden fixiert. Ich war ihm inzwischen nahe genug aufgekommen, um zu evaluieren, dass etwas ganz und gar nicht stimmte… Er war oberhalb völlig unbekleidet. Man erkannte ein extrem knochiges Rückgrat und einen weit nach vorn gebeugten Nacken, denen zusammengewirkt etwas Zahnrad ähnliches unter seiner Kalkstein farbigen ledrigen Haut anhaftete, die bei näherer Betrachtung sogar fast zu leuchten schien. Auch haftete ihm der Geruch nach diesem Kraut an, das bekannt war als „Teufelsdreck“. Als es in meinem Kopf Klick machte und ich zu realisieren begann, dass ich mich gerade völlig leichtfertig einem dubiosen Kerl näherte, der nur auf den ersten Blick etwas von der äußerlichen Form eines Menschen aufwies, legte ich augenblicklich den vorsichtigen Rückwärtsgang ein.
Jedoch kam ich unerwartet ins Straucheln, ich stolperte. Das Schlagen an die Wand stoppte abrupt; was mich nun in zweier tief schwarzer Augen blicken ließ, denen das meist Böse und finstere aller Welt anhaftete, wie ich es noch nie zuvor erblickt hatte. Ich schauderte wie niemals zuvor in meinem Leben, und als ich zusätzlich noch bemerkte wie am Schädel aus zwei Augen vier wurden und sich aus vier Augen letztlich sechs in ihrer Gesamtzahl ergaben – die sich alle nacheinander geöffnet hatten -, füllte sich jedes Molekül mit reiner Panik, alles geweiht mit dem Schweiß der Angst.
Der alte Mann beginnt sich auf einmal nach hinten oder viel mehr nach unten (ich konnte es nicht genau definieren) zu verrenken, wobei ihm zwei zusätzliche Gliedmaßen aus dem Körper schossen und er sich nun wie eine Spinne auf sechs knorpeligen Beinen befand, sein Rücken wie eine Brücke gekrümmt, sein Gesicht verkehrt herum, das Kinn nach oben gerichtet. Die reine Existenz dieses Wesens fühlte sich einfach nur falsch an. Nicht auf die Art falsch, als wäre es trotz guter CGI-Technik eines Films dennoch als unecht zu entlarven; sondern auf die Art, als hätte Mutter Natur gewisse moralische Grenzen überschritten, die einfach nicht überschritten werden durften. Bei diesem Anblick, und dazu noch der Gestank von Aas, den diese Kreatur aus dem Maul bis zu mir aussendete, aus dem eine lange, mit Stacheln besetzte Zunge heftig um sich schlug, drehte sich mir der Magen komplett um.
Im nächsten Moment krabbelt die Missgestalt in einer widerlichen Schnelligkeit auf mich zu.
Die Aufnahme, mein YouTube-Kanal, das alles interessierte mich kein bisschen mehr! Mein verdammtes Leben war mir wichtiger. Mit aller Kraft warf ich die Kamera auf das heranstürmende Etwas, und ich landete einen heftigen Treffer in dessen Gesicht, was mir einen knappen Vorsprung aus der Sporthalle bescherte und mich rasch zurück durch die unteren Kabinen, weiter ins Erdgeschoss sowie zum Ausgang gelangen ließ. Wie ein Irrer stürmte ich hinaus – direkt in die gelobte Nacht hinein -, als wären spukhafte Streitwägen und knallende Peitschen hinter mir her und während der debile Mond nicht wusste, was er von den ganzen furchterregenden Geschehnissen halten sollte. Eines jedoch war gewiss… hinter den Wänden dieses verlassenen Ortes, der nur mit Satansblut geweihten sein konnte, lauerte das pure Böse… Keiner sollte je mehr auch nur einen Fuß über diesen Ort setzen. Und vermehrt möchte ich ehrlich gesagt auch nicht darüber nachdenken. Diesem Ort hatte ich für immer den Rücken gekehrt. Für alle Ewigkeit.
Dies alles liegt nun hinter mir, zwei Wochen sind seitdem vergangen. Meinen YouTube-Kanal mit 140.000 Abonnenten habe ich inzwischen kommentarlos gelöscht. Auch werde ich nie wieder ein Video in einem verlassenen Gebäude aufnehmen. Nicht mehr, seit ich diesem Ding in der zerrütteten Turnhalle begegnet bin… Die verzerrten Bilder davon in den Creep-Foren sind zwar qualitativ verwackelter Mist – doch sind sie absolut echt; wie ich es inzwischen selbst bestätigen kann. Wer weiß was es getan hätte, hätte es mich am Ende doch noch zu fassen bekommen… Die geworfene Kamera hätte nur knapp ihr Ziel verfehlen müssen, und ich hätte womöglich versagt. Doch bin ich einfach froh zuhause zu sein, und ich möchte keine weiteren Gedanken mehr darüber verlieren, ehrlich gesagt…
Irgendwann um 1:09 Uhr bin ich mitten aus dem Schlaf erwacht, da unscheinbare Geräusche vor der Zimmertür raunten. Als mir wieder der bekannte Geruch nach Teufelsdreck in die Nase steigt, der mich wie ein großer Stein in der Magengegend trifft, und mein Herz schneller und schneller schlagen lässt, gefriere ich regelrecht zu einem Eisblock. Aus meinen Augen treten Tränen hervor, während ich zu zittern beginne und die Arme um mich lege. Ich möchte schreien, doch kann ich es nicht. Auf einen Schlag setze ich mich auf und bemerke wie… Sich das wohltuende Licht aus dem Flur wie die schützende Hand der heiligen Maria durch den offenen Türspalt erstreckt, nachdem die Zimmertür aufgegangen ist und nur meine Mutter am Türrahmen steht. »Ist alles in Ordnung bei dir, Peter?« Sie hat sich wohl nur nach meinem Wohlbefinden vergewissern wollen, während ich vor unendlicher Erleichterung wieder auszuatmen beginne und die Frage bejahe. Die blutigen Computerspiele täten mir nicht gut und ich solle vor dem Schlafengehen damit aufhören, das hat sie mir wie immer gepredigt.
Die Tür hat sich wieder geschlossen, ich lege mich aufs Kopfkissen zurück. Ich starre nun direkt in die sechs pechschwarzen Augen eines unaussprechlichen Wesens zur Decke, das bis jetzt und wie eine Spinne in den Schatten auf mich gelauert hat. Was ich gerade noch so mitbekomme ist, wie es sich auf mich stürzt und mir seine ekelhafte Zunge durch den offenen Mund in den Rachen jagt, die meinen Hals von innen zu zerfetzen beginnt und aus meinem aufgeblähten Brustkorb gleich einer Blutfontäne wieder hervorschießt. Ein paar letzte Zuckungen meiner erschlaffenden Glieder und dann … Schwärze.