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In Bielefeld

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

„Hier bist du also aufgewachsen.“ stelle ich
fest und drehe mich übermütig um die eigene Achse. Ich sehe Wiesen, grasende
Schafe und viele, viele Bäume. Eine Idylle. Mein Freund Lukas nickt. Er nimmt
meine Hand und wir gehen weiter auf den Wald zu, während er erzählt. „Meine
Eltern haben das Haus gekauft, als ich zwei Jahre alt war. Für Kinder ist es super hier.
Ich war jeden Tag draußen.“

Das kann ich mir gut vorstellen. Das
große, gemütliche Elternhaus von Lukas liegt am Stadtrand dieser
ostwestfälischen Kleinstadt am Teutoburger Wald. Wir sind zu einem Spaziergang
aufgebrochen und waren im Nu mitten im Nichts. Ich bin in Stuttgart
aufgewachsen und studiere jetzt in München, wo wir uns kennengelernt haben. Noch
nie habe ich diese Ecke Deutschlands besucht, bis mich in diesen Semesterferien
Lukas‘ Eltern eingeladen haben. Es ist ein herrlicher Sommertag, der Himmel
strahlt wie auf einer Postkarte, Bienen schwirren durch die Luft und wir haben
Zeit ohne Ende. Voller Energie marschieren wir weiter, Kilometer für Kilometer,
erzählen uns von unserer Kindheit und tauschen witzige, spannende und manchmal
emotionale Geschichten aus. Ich merke kaum, wie schnell die Zeit vergeht, doch spüre
schließlich das Knurren meines Magens. Mitten im Wald packen wir unser Picknick
aus und lassen uns Sandwiches, Müsliriegel und Weintrauben schmecken.

Ich habe meinen Kopf auf Lukas’
Schoß gelegt und schaue hinauf zu den Baumkronen, durch die die Sonnenstrahlen
blitzen.  „Heute ist ein perfekter Tag.“
sage ich mit vollster Überzeugung. Liebevoll fährt mein Freund mir mit seiner
Hand durchs Haar. „Wer weiß, vielleicht überzeuge ich dich ja noch und wir
ziehen später hier hin.“ Da muss ich lachen. Ich bin eine echte
Großstadtpflanze und kann mir mein Leben in einem Kaff beim besten Willen nicht
vorstellen.  Aber heute habe ich Spaß
daran, kilometerweit keiner Menschenseele zu begegnen, an voll erblühten Blumen
zu schnuppern und Tiere zu suchen. „Guck mal, ein Eichhörnchen!“ rufe ich
begeistert und laufe mit meinem Handy sogar hinterher, um ein Foto zu schießen.
Hinter mir höre ich Lukas‘ Lachen. Ein paar Bäume weiter bleibt es tatsächlich
noch einmal stehen und ich pirsche mich äußerst vorsichtig heran. Doch da
knackt es plötzlich hinter mir und das verschreckte Eichhörnchen verschwindet
endgültig in den Baumkronen. „Du hast es verscheucht“, verkünde ich beleidigt
und drehe mich zu Lukas um. „Tut mir leid.“ sagt er. „Lass uns wieder zurück
auf den Hauptweg gehen.“

„Hier ist auch ein Weg. Gehen wir
lieber hier entlang.“

Lukas wirkt plötzlich
unbehaglich. „Da gehen wir nie lang.“

„Wer – wir?“

Lukas zuckt mit den Schultern.
„Wir eben. Niemand geht dorthin.“

Etwas an seinem Verhalten weckt
meine Neugier. Mein Weg scheint mir genauso gut wie seiner und ich wüsste
nicht, was daran auszusetzen sei. Ich beharre so lange auf meiner Meinung, bis
er tief seufzt.

„Hast du schon einmal von Bielefeld
gehört?“

„Bielefeld? Gibt’s doch gar
nicht.“

„Eben. Und dieser Weg führt nach
Bielefeld.“

„Was, echt?“ Sofort ist meine
Abenteuerlust geweckt. Wenn das so ist, dann erst recht! „Überleg doch mal,
vielleicht sind wir die ersten Menschen, die Bielefeld entdecken.“

Jetzt lacht mein Freund wieder
und greift nach meiner Hand. „Weißt du, ich glaube, die Bielefelder haben die
Stadt schon vor uns entdeckt.“

„Wer weiß, was wir dort finden.
Vielleicht ein großes schwarzes Loch!“

„Oder ein Raumschiff mit Aliens.“
schlägt Lukas vor und spielt mein Spiel mit, während er sich von mir in
Richtung Bielefeld ziehen lässt.

„Oder den Eingang nach Atlantis.“

Und so scherzen wir weiter,
überbieten uns gegenseitig mit immer absurderen Vorschlägen, bis die Bäume
weniger werden und der Trampelpfad immer breiter. Wir halten kurz inne und
sehen uns um. Wir scheinen auf einer Anhöhe zu stehen und vielleicht hundert
Meter vor uns beginnt Bielefeld. Bielefeld sieht ziemlich unspektakulär aus:
Kleine Einfamilienhäuser in grau und schlammig-braun, eine baufällige Straße
voller Schlaglöchern. Fahrräder lehnen vor den Häuserwänden. Merkwürdigerweise
sehe ich keine Autos. Es scheint mir ein eher ärmlicher Stadtteil zu sein. Wir
folgen dem Straßenverlauf bis zu einer Kreuzung, biegen nach links ab und
kommen langsam in der Zivilisation an, denn hier sehen wir endlich Leute.
Ziemlich unentspannte Leute wie mir scheint, denn die meisten sind allein
unterwegs, hasten mit gesenktem Kopf über die Straße und haben es wohl sehr
eilig, nach Hause zu kommen. Niemand außer uns schlendert an diesem wunderschönen
Sommertag. Auf der Suche nach einem hübschen Café spreche ich einen jungen Mann
an.

„Entschuldigung? Guten Tag.
Können Sie uns vielleicht helfen?“

Der Mann schreckt förmlich auf
und mustert mich verblüfft. Ich lächle freundlich. „Wir suchen ein Café. Gibt
es hier eins in der Nähe?“

Er starrt mich weiter mit seinen
finsteren Augen an, so dass ich schon wünsche, ihn nicht angesprochen zu haben.
Unwillkürlich drücke ich Lukas‘ Hand und fühle mich besser, als er
zurückdrückt.

„Ihr seid nicht von hier.“ stellt
der Mann fest. Und dann beugt er sich ganz nah zu uns und flüstert: „Geht.
Verschwindet. Sofort. Wenn sie euch sehen, ist es zu spät.“ Und damit eilt er
davon.

Wir stehen da wie festgefroren,
unsere Blicke treffen sich und ich weiß, dass meine Augen genauso weit
aufgerissen sind wie die meines Freundes und dass mein Mund ebenso weit
aufsteht. „Was war das denn?“ bringe ich schließlich hervor.

„Gehen wir.“ entgegnet Lukas
knapp, dreht sich um und packt meinen Arm. Er will in die Richtung zurück, aus
der wir gekommen sind.

Ich mache mich los. „Jetzt sei
nicht albern! Das war doch nur ein Verrückter!“

Doch mein sonst überhaupt nicht
ängstlicher Freund scheint ernsthaft verschreckt zu sein. Zugegebenermaßen war der
erste Eindruck der Stadt kein besonders guter, doch langsam möchte ich mich
wirklich ausruhen. Wir sind seit dem frühen Morgen unterwegs, ich habe Durst
und mir tun die Füße weh. Nach einer kurzen Diskussion gibt er sich geschlagen
und wir gehen weiter. Doch auch mir kommen einige Dinge komisch vor. Wir sehen
tatsächlich kein einziges Auto. Das Vogelzwitschern, das uns schon den ganzen
Tag über begleitet, ist verstummt. Natürlich erwähne ich nichts, um Lukas nicht
weiter zu beunruhigen. Mittlerweile möchte ich mich wirklich nur kurz ausruhen,
eine Cola trinken und ein Sandwich essen und dann möglichst schnell unser
Bielefeld-Abenteuer beenden. Ich spreche also den nächstbesten Mann an und
frage wieder nach einem Café. Auch er mustert uns beide, sieht uns lange in die
Augen. Wieder fühle ich ein unangenehmes Kribbeln, diesmal stärker als vorhin.
Ich fühle, wie ich Gänsehaut bekomme. Schließlich sagt der Mann mit gesenkter
Stimme: „Bitte verlasst sofort die Stadt.“

„Wie bitte?“ sage ich, weil mir
keine sinnvolle Antwort einfällt.

Hektisch flattern seine Augen
nach links und rechts, dann flüstert er wieder: „Ihr seid nicht von hier. Ihr
könnt noch entkommen.“ Sein Blick ist eindringlich geworden.

„Vor wem?“ flüstert Lukas.

„Vor ihnen. Wer hier geboren ist, kann nicht entkommen, denn sie
pflanzen uns einen Chip ein. Manchmal verirrt sich jemand von außerhalb zu uns.
Wenn sie ihn finden, ist es zu spät. Sie erkennen euch sofort, denn ihr
blinzelt. Wenn ihr einmal den Chip tragt, blinzelt ihr nie mehr und ihr kommt
nicht mehr über die Stadtgrenzen hinaus. Und sie benutzen euch für ihre
Experimente.“

Ich weiß nicht, was ich sagen
soll. Ich starre ihn nur an. Er wirkt nicht wie ein Wahnsinniger. Er redet klar
und seine Stimme ist ruhig. Obwohl das, was er sagt, so unglaublich verrückt
ist, habe ich tief in mir drin das Gefühl, dass er die Wahrheit sagt. Der Ort
ist unheimlich. Und während ich ihn so ansehe, stelle ich fest, dass er Recht
hat: Er blinzelt kein einziges Mal und wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, wie
mich mein vorheriger Gesprächspartner angestarrt hat, muss ich zugeben, dass
dasselbe für ihn gilt.

Der Mann wirft uns noch einen –
ich kann es nicht anders ausdrücken – flehenden
Blick zu und läuft davon.

Mein Herz rast und ohne ein
weiteres Wort sind Lukas und ich uns jetzt sehr einig. Wir drehen sofort um und
machen, dass wir fortkommen. Mein Atem geht stoßweise vor aufkeimender Panik
und Lukas‘ Hand fühlt sich eiskalt und klatschnass an. Ich sehe allen uns
entgegen kommenden Personen ins Gesicht uns hoffe auf ein Blinzeln. Ich sehe
kein einziges.

Da erscheint plötzlich doch ein
Auto und fährt an uns vorbei. Instinktiv spüre ich die Gefahr. Es rollt sehr
langsam vorwärts und ich habe das unwillkürliche Gefühl, dass dies eine Art
Wache auf Streife ist. Vorne sitzen zwei Männer mit Sonnenbrillen. Sofort senke
ich meinen Blick und zwinge mich und damit Lukas, unser Rennen zu dem hastigen
Laufschritt der Einheimischen zu reduzieren. Vor mir registriere ich den
Feldweg, der uns wieder in den Wald führen wird. Wir biegen ab und sofort weiß
ich, dass wir einen Fehler begangen haben, denn die Reifen hinter uns
quietschen. Sie müssen uns im Rückspiegel beobachtet und gemerkt haben, dass
wir den Weg zur Stadt hinaus gewählt haben.

Wir rennen, wie wir noch nie
gerannt sind. Mein Herz schlägt bis zum Hals und ich spüre kalten Schweiß im
Nacken. Obwohl ich eben noch müde war, rast jetzt das Adrenalin durch meine
Adern. Ich bin eine geübte Läuferin, doch Lukas ist leider nicht ganz so
sportlich. Er keucht neben mir. Ich habe Todesangst um uns beide. Das Wort Experimente hallt in meinem Kopf nach
und Übelkeit steigt in mir auf.

Es kommt uns der Zufall zur
Hilfe, denn das Auto scheint vor dem ungepflasterten Weg voller Löcher und
Wurzeln zu kapitulieren. Wir hören, wie das Motorengeräusch verstummt, dann,
wie es noch zweimal kurz aufheult und kurz darauf ein heftiges Türenschlagen.
Ich wage es nicht, mich umzudrehen, doch schätze, dass wir einen guten Vorsprung
haben. Aber Lukas ringt nach Luft und fällt zurück. „Lukas, bitte!“ schreie ich
und verfluche mich dafür, ihn nicht öfter zum Joggen überredet zu haben.

„Ich – bin – hinter dir.“
schnaubt er. „Ich – schaffe – das. Glaub mir. Ich schaffe das. Aber – bitte – Mariechen
– bitte, renn, so schnell du kannst.“

Mir treten Tränen in die Augen.
Mariechen, so nennt er mich nur in ganz besonderen Situationen. Ich höre seine
Liebe und Zuneigung und Angst um mich in seiner Stimme. Blind vor Tränen hetze
ich weiter. Alles um mich herum verschwimmt. Der Wald beginnt und es ist alles
braun und grün und in meinen Ohren dröhnt es. Mein Herzschlag, das Rauschen
meines Blutes, der Aufschlag meiner Schritte auf dem Boden, ich weiß es nicht.
Da spüre ich eine Wurzel an meinem Fuß und verliere das Gleichgewicht. Alles
dreht sich. Die Welt steht Kopf. Vor meinen Augen flackert es, kurz wird es
sogar schwarz. Ich liege am Boden. Es nähern sich Schritte. Ich weiß nicht, wem
sie gehören. Ich rolle mich zusammen und kneife die Augen ganz fest zusammen. Alles
in mir ist Angst, große, schwarze, alles beherrschende Angst. Und ein kleines
bisschen Hoffnung, dass die Schritte Lukas gehören.

Aber wenn das so wäre, warum sagt
er dann nichts?

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