ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.
Teil 9:
Die Graue Kompanie war Teil des Kultes, der von einem mysteriösen Baron geführt wurde. Allerdings halfen die Soldaten dem Kult nicht freiwillig. Im Gegenzug für ihre Dienste wurde den Männern ein Gegenmittel versprochen.
Die Graue Kompanie diente dem Kult als Späher. Sie berichteten von den Zufluchtsorten der Überlebenden und führten die Spione des Kultes dort hin. Die Soldaten waren nicht stolz auf das was sie taten, doch für sie war es die letzte Hoffnung auf Heilung.
Diese Männer waren es auch, die Mills nach Verdun geführt hatten.
In eisigen Höhen
Krüger, McFinlay, Hagman, Pierre und Claire wurden von der Grauen Kompanie gefangen genommen und waren nun auf den Weg in die Pyrenäen. In dem Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien befand sich tatsächlich das Hauptquartier des Kultes.
Vierzehn Tage hatte es gedauert, bis sie die ersten Ausläufe der Pyrenäen erreicht hatten. Die Grauen hatte ihre Gefangenen gut behandelt. An eine Flucht war allerdings nicht zu denken. Die Soldaten der Kompanie brauchten keinen Schlaf und so wurden die Fünf rund um die Uhr bewacht. Einen Vorteil gab es jedoch, sie mussten den Kult nicht suchen, sondern wurden zu ihm geführt. Trotzdem waren sie ausgeliefert.
Als sie den Fuß der Pyrenäen erreichten, ging es mit dem Pferdewagen nicht weiter und sie mussten zu Fuß gehen.
Das Gebirge war relativ zugänglich und die Kompanie führte ihre Gefangenen weiter in die Höhen, bis sie die Schneegrenze erreicht hatten. In einer Höhle machten sie Rast. Mittlerweile war die Sonne unter gegangen und es war zu gefährlich um weiter zu gehen. Krüger, McFinlay, Hagman, Pierre und Claire versuchten sich an einem Lagerfeuer auszuruhen. Otto, der Schäferhund, war bei ihnen. Die Kompanie hatte ihm das Maul verbunden, damit er nicht anfing jemanden zu beißen. Als sie sich gesetzt hatten und etwas zur Ruhe gekommen waren, kam der Hauptmann zu ihnen. Er hatte mehrere Konserven bei sich.
„Esst.“ Sagte er trocken und verteilte die Dosen. „Ihr werdet eure Kraft morgen brauchen.“
„Wieso führt ihr uns zu dem Kult?“ fragte Krüger. „Ihr hättet uns auch einfach töten können.“
„Wir sehen vielleicht aus wie Monster.“ Sagte der Hauptmann. „Sind aber keine. Obwohl wir für eines arbeiten. Wir bringen dem Kult vielversprechende Kandidaten. Deswegen seid ihr noch am Leben.“
„Kandidaten für was?“ fragte McFinlay verächtlich.
„Eine Mitgliedschaft.“
„Das ist ein Witz oder?“ fragte Hagman. Der Hauptmann schüttelte den Kopf.
„Über einen Platz in der neuen Welt macht man keine Witze.“ Sagte er und wandte sich zum Gehen ab. Dann blieb er stehen. „Flucht ist zwecklos.“ Sagte er. „Nachts durch dieses Gebirge zu gehen wäre Selbstmord.“ Dann verließ er die Gruppe.
„Es wird allmählich zu einer lästigen Gewohnheit, dass wir uns gefangen nehmen lassen.“ Stellte McFinlay fest und öffnete seine Konserve. Er schien Bohnensuppe erwischt zu haben.
„Sie bringen uns dahin, wo wir hin wollten.“ Sagte Krüger kalt. „Eigentlich hätte es für uns nicht besser laufen können.“
„Ist das dein Ernst?“ fragte Hagman geschockt. „Wir haben keine Waffen, wissen nicht was uns erwartet und sind garantiert in der Unterzahl.“
„Wir lassen uns erst einmal dort hinbringen, dann sehen wir weiter.“ Antwortete Krüger.
„Du willst diesen Kult wirklich auslöschen oder?“ fragte Claire besorgt. Krüger nickte.
„Das ist der einzige Weg.“
„Für was?“ fragte Pierre schließlich. „Um die Menschheit zu retten? Vielleicht ist die Welt tatsächlich besser dran, wenn wir Menschen einfach verschwinden. Oder geht es dir doch einfach nur um Rache?“ Claire, Hagman und McFinlay schauten Pierre geschockt an. Der junge Franzose hatte Krüger sonst immer in Schutz genommen und war stets auf seiner Seite. Diese offene, ja fast schon kritische Aussprache, war neu. Nur Krüger blieb ruhig.
„Warum sich für eines Entscheiden.“ Sagte er schließlich. „Warum nicht Beides?“
In der Höhle des Löwen
Am nächsten Morgen machte sich die Gruppe wieder auf den Weg. Oberhalb der Schneegrenze war der Marsch deutlich anstrengender. Die Kälte setzte den Fünfen zu und es wäre noch schlimmer gewesen, hätte die Graue Kompanie ihnen nicht ihre Winterkleidung überlassen.
Der Marsch dauerte fast einen weiteren Tag, doch als die Sonne gerade unterging, erblickten sie eine riesige, in das Massiv gebaute Festung.
„Das sieht ja aus wie bei Dracula.“ Stellte McFinlay erschrocken fest. Doch niemand hörte auf seinen Einwand, als sie weiter zu einem riesigen Tor geführt wurden. Der Hauptmann betätigte einen schweren, eisernen Türklopfer. Das dumpfe klopfen schien in der stille der Berge unerträglich laut. Es dauerte einige Minuten, doch dann öffnete sich eine Sichtklappe an der Tür. Die Anderen hörten nicht, was der Hauptmann sprach, doch nach einigen Minuten öffnete sich die schwere Tür und sie wurden in das Innere der Festung geführt. Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, trug Uniform, doch niemand erkannte von welcher Nation.
Als der Hauptmann durch die Tür treten wollte, hielt ihn die Wache zurück.
„Ich muss mit dem Baron sprechen.“ Knurrte der Hauptmann.
„Der Baron will dich aber nicht sprechen.“ Sagte die Wache barsch, als ein zweiter Wächter die Anderen wegführte. Als der Hauptmann das hörte, packte er den Mann an der Kehle und zog ihn zu sich heran.
„Ich will mit dem Baron sprechen!“ fauchte der Hauptmann. „Und du machst das möglich oder meine Männer bekommen ausnahmsweise mal frisches Fleisch.“ Der Wächter gurgelte etwas, was entfernt wie ein Ja klang. Dann lies der Hauptmann von ihm ab und folgte den Anderen.
Krüger, McFinlay, Hagman, Pierre und Claire wurden durch die Festung geführt. Der Wächter führte Otto dabei an einer Leine. Mann hatte dem Hund einen Lederriemen umgebunden und dieser hatte sich widerwillig seinem Schicksal ergeben. Von außen sah die Festung aus, als wäre sie einem Horror-Roman entsprungen. Doch von innen war es einer der luxuriösesten Orte in Europa. Die Böden waren mit Marmor gefliest, die Kronleuchter waren aus Kristall, die Türen waren mit Gold verziert und riesig. Diese Festung war eines Königs würdig.
Die Gefangenen wurden in einen großen Ballsaal geführt und was sie dort sahen, verschlug ihnen den Atem. Der Saal war überall mit Marmor und Gold verkleidet. An die fünfzig Personen standen in diesem Saal und unterhielten sich, während ein Streichquartett spielte. Doch dieser Protz war es nicht, was für Sprachlosigkeit sorgte. Unter den Menschen die hier schwatzten und lachten waren einige in Uniform. Generäle sowohl der Mittelmächte, als auch der Entente. Besonders Krüger spürte wie der blanke Hass in ihm hochkochte. In der Menge hatte er seinen Oberbefehlshaber von der Somme erkannt. General Erich Ludendorff.
„Dieses Schwein!“ murmelte Krüger. Doch bevor er etwas tun konnte, löste sich ein Mann aus der Menge. Er war klein und gedrungen, wirkte aber gepflegt und trug einen maßgeschneiderten Anzug. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er den Wächter. Seine Stimme war näselnd.
„Die Graue Kompanie hat diese Gefangenen her gebracht.“ Sagte der Wächter. „Der Hauptmann hat sie wohl für geeignete Kandidaten gehalten.“
„Dann bring sie bitte in mein Arbeitszimmer und zwar ohne noch mehr Aufsehen zu erregen.“ Sagte der Mann streng.
„Jawohl, Herr Baron.“ Sagte der Wächter. „Allerdings wünscht auch der Hauptmann sie zu sprechen. Er wartet draußen.“
„Der Hauptmann wird sich gedulden müssen. Erst rede ich mit den Gefangenen. Aber vorher muss ich mich um diese Angelegenheit hier kümmern.“ Der Wächter nickte und führte seine Gefangenen aus dem Ballsaal.
Um alle Kriege zu beenden
Das Arbeitszimmer des Barons war das genaue Gegenteil des übrigen Schlosses. Es war sehr schlicht. Kein Marmor, kein Gold, sondern schlichte Natursteine. Statt der üppigen Kronleuchter gab es eine schlichte Gaslampe. Statt prunkvoller Bilder zierten zwei riesige Regale die Wände, die bis auf den letzten Platz mit Büchern vollgestellt waren. Zwei große Fenster hinter einem massiven Schreibtisch gaben den Blick auf die Berge frei, hinter denen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne hervor strahlten.
Krüger, McFinlay, Hagman, Pierre und Claire standen vor dem Schreibtisch und warteten. Vor der Tür stand der Wächter, mit einer Waffe in den Händen, die die Anderen noch nie gesehen hatten.
Nach einiger Zeit kam der Baron durch die Tür.
„Ich entschuldige mich, falls ich eben unhöflich war.“ Sagte der Mann und setzte sich hinter den Schreibtisch. „Ich kann mir vorstellen, dass sie viele Fragen haben. Und ich bin gewillt ihnen alle zu beantworten.“ Keiner sagte etwas. „Also gut, dann fange ich halt mit dem Namen an.“ Sagte der Baron etwas enttäuscht. „Ich bin Baron Fernando Alvarez De la Cruz der siebte. Geboren in Spanien. Ich nehme mal an, dass sie wissen was hier vorgeht.“ Wieder kam als Antwort nur Schweigen. „Noch glauben sie es wahrscheinlich nicht, doch unser Ziel ist es wirklich der Welt Frieden zu bringen. Eigentlich ist es eine ganz einfache Rechnung. Ohne Menschheit, keine weiteren Kriege.“
„Ist das ihr verdammter Ernst?“ blaffte McFinlay schließlich. „Wegen eines beschissenen Krieges wollen sie die Menschheit ausrotten?!“
„Ein Krieg?“ fragte der Baron verächtlich. „Die Burenkriege, der Japanisch-Chinesische Krieg, der Türkisch-Griechische Krieg, der Spanisch-Amerikanische Krieg, der Boxeraufstand in China, die Deutschen Einigungskriege, der Amerikanische Bürgerkrieg und diese Kriege sind nur die bekanntesten der letzten fünfzig Jahre.“ Der Baron hatte sich geradezu in Rage geredet. „Seit die Menschheit den aufrechten Gang erlernt hat, hat sie sich gegenseitig abgeschlachtet. Menschen wie Cäsar, Napoleon, Katarina die Große und Bismarck ließen ganze Landstriche verwüsten und das nur für ihre eigenen egoistischen Ziele. Es geht nicht nur um einen Krieg. Es geht um jeden Krieg den es gab und jemals geben wird. Glaubt ihr wirklich, dass dieser Krieg der sein wird der alle Kriege beendet?“ Der Baron hatte sich so in Rage geredet, dass er nun nach Luft schnappen musste. Es dauerte etwas, bis er sich beruhigt hatte und weiter sprach. „Dieser Krieg wäre nur der Vorbote für etwas viel schlimmeres gewesen. Doch dank uns ist es tatsächlich der Krieg, der alle Kriege beendet hat.“
„Und was sollen wir dann hier?“ fragte Krüger verächtlich.
„Leider ist dieser Krieg auch nicht spurlos an uns vorüber gegangen.“ Begann der Baron. „Einige Brüder und Schwestern sind in den Wirren des Krieges umgekommen. Andere sind gegangen, weil unsere Überzeugungen nicht mit den ihren vereinbar waren. Andere wurden schlicht und ergreifend von Krankheit dahin gerafft. Mit anderen Worten, wir brauchen neues Blut.“
„Wozu?“ fragte Hagman zornig. „Euer Ziel ist es doch eh die Menschheit auszurotten. Warum habt ihr euch nicht einfach einen Strick genommen und mit euch angefangen?!“
„Ich glaube, da gibt es ein kleines Missverständnis.“ Sagte der Baron lächelnd. „Wir wollen die Menschheit nicht ausrotten. Nur die Kriegstreiber. Doch ich denke, für heute haben wir genug geredet.“ Sagte er weiter und wandte sich dann an die Wache. „Bringt sie in die Quartiere. Etwas Zeit zum Nachdenken wird unseren Gästen guttun.“
Als der Wächter die fünf weg geführt hatte, betrat der Hauptmann das Arbeitszimmer.
„Was gibt es, Hauptmann?“ Fragte der Baron leicht genervt.
„Es geht um das Heilmittel.“ Sagte der Hauptmann schwer atmend. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“
„Ich kann ihnen leider nicht mehr sagen, als beim letzten Mal.“ Sagte der Baron mit falschem Mitgefühl. „Wir sind auf einem guten Weg, doch bisher konnten wir die Verwandlung gerade einmal aufhalten. Um das ganze rückgangig zu machen, brauchen wir mehr Zeit.“
„Das haben sie mir vor zwei Monaten schon erzählt!“ brüllte der Hauptmann zornig. „Meine Männer verwandeln sich immer mehr in Untote und sie halten mich mit irgend welchen Ausflüchten hin. Wir hatten nie ein Interesse daran ihrem Kult beizutreten. Wir helfen euch nur, weil sie uns ein Heilmittel versprochen haben. Sie sind schuld an unserer Misere, also finden sie gefälligst eine Lösung!“
„Mich zu hetzen bringt nichts.“ Stellte der Baron ruhig fest. „Ich bin der einzige der ihnen helfen kann. Also sollten sie auf ihren Ton achten.“
„Ich glaube eher, dass sie die Lage falsch einschätzen, Herr Baron.“ Saget der Hauptmann bedrohlich. „Der einzige Grund weshalb sie noch am Leben sind ist dieses Heilmittel. Und dieses Mal werde ich die Festung nicht eher verlassen, ehe ich es habe.“ Mit diesen Worten verließ er das Arbeitszimmer.
Einsame Entscheidung
Es schien, als würde der Kult seine Gefangenen gut behandeln. Krüger, McFinlay, Hagman Pierre und Claire hatten jeder ein komplett eingerichtetes Zimmer. Wäre die Lage nicht so ernst, es hätte schön sein können.
Pierre saß auf seinem Bett und dachte nach. Eigentlich gab es nur zwei Optionen. Sich dem Kult anschließen oder sterben. Wenn sie sich nicht anschließen würden, dann käme das einem Todesurteil gleich. Sie hatten eigentlich keine Wahl, sie mussten sich dem Kult anschließen, sonst wäre ihre ganze Reise umsonst gewesen.
Aber wie sahen das die Anderen?
Krüger? Der wäre lieber Tod als sich diesem Kult anzuschließen. Er machte den Kult für Maries Tod verantwortlich. Und in gewisser Weise hatte er damit auch recht. Krügers einziges Ziel war es, den Kult zu vernichten. Vielleicht war es sogar das Einzige, was ihn am Leben hielt.
McFinlay? Er war ähnlich stur wie Krüger, was den Kult anging. Er hatte jedoch keine persönlichen Motive. Pierre glaubte, dass es bei dem Schotten eine Frage des Prinzips war.
Hagman? Hagman war loyal gegenüber den Anderen. Aber er wollte auch überleben. Allerdings hielt der junge Engländer nicht viel von den Ideen des Kultes.
Claire? Um sie machte Pierre sich die meisten Gedanken. Sie hatte den Glauben an die Menschheit nicht verloren und glaubte noch immer an das Gute. Im Gegensatz zu Pierre. Captain Murphy und Corporal Smith, der Angriff auf Fort Duamont, der Kaplan und seine Fanatiker, die Kannibalen und zuletzt die Graue Kompanie hatten seinen Glauben in die Menschheit erschüttert. Doch andererseits hatte Claire auch damit recht, dass es nach wie vor viele gute Menschen gab. Krügers verstorbene Frau Marie, Feldwebel Schulz, Steiner der Fremdenlegionär, Captain Thomas, Oberst Müller. Und da waren auch noch die Anderen. Innerhalb eines Jahres war aus einer Zweckgemeinschaft so etwas wie eine Familie geworden, die gemeinsam durch Höhen und Tiefen gegangen waren. Pierre wollte diese Menschen nicht enttäuschen, doch er hatte seine Entscheidung getroffen.
Pierre stand auf und ging an die Zimmertür. Dann rief er die Wache zu sich.
Er hörte Schritte hinter der Tür, dann wurde dies aufgestoßen.
„Was ist?“ fragte der Wachmann harsch. Es war ein anderer Mann, als derjenige, der die Gruppe zum Baron gebracht hatte. Doch auch er trug die gleiche Uniform und die gleiche Waffe.
„Ich möchte mit dem Baron sprechen.“ Sagte Pierre so selbstsicher, wie er konnte. „Ich habe mir sein Angebot überlegt.“
„Mal sehen.“ Knurrte der Wächter und schloss die Tür hinter sich.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, doch dann klopfte es an der Tür.
„Herein?“ sagte Pierre irritiert. Und tatsächlich betrat der Baron das Zimmer.
„Einer meiner Männer sagte mir, sie hätten über mein Angebot nachgedacht?“ fragte er freundlich. Pierre nickte. „Ich muss gestehen, dass ich überrascht bin. Das ging dann doch sehr schnell.“
„Mir ist die Entscheidung allerdings nicht leicht gefallen.“ Sagte Pierre. Der Baron nickte.
„Dürfte ich den Grund für ihre Entscheidung erfahren?“ Pierre nickte und erzählte dann die Erlebnisse des letzten Jahres, angefangen an der Somme.
Selbstgespräche
Krüger ging in seinem Zimmer auf und ab. Sein Ziel war zum Greifen nahe, doch er konnte es nicht erreichen. Sie hatten den Kult gefunden, doch waren nun seine Gefangenen. An einen Kampf war nicht zu denken. Und da gab es noch mehr, was ihm keine Ruhe ließ. Krüger hatte immer geahnt, dass der Kult seine Leute überall hatte. Doch sein eigener Oberbefehlshaber? Krüger hätte nicht gedacht, dass diese Verschwörung soweit nach oben reichte. Und Ludendorff war sicher nicht das einzige hochrangige Mitglied des Kultes. Der Gedanke, dass die Soldaten von ihren eigenen Generälen Verraten wurden machte Krüger krank.
Als der Major alleine mit seinen Gedanken war, jagte ihm plötzlich ein Schauer den Rücken runter und er hatte das Gefühl nicht mehr alleine zu sein. Jemand war hinter ihm.
„Ich habe mich schon gefragt, wann ich dich wieder sehe.“ Sagte Krüger in der Annahme Marie hinter sich zu sehen. Doch als er sich umdrehte, stand er sich selbst gegenüber. Oder besser gesagt seiner Version von der Somme, noch mit den Leutnant Schulterklappen, einer sauberen Uniform und beiden Augen.
„Du hast versagt.“ Sagte Krüger zu sich selbst. „Du konntest sie nicht beschützen. Deine Männer nicht, deine Frau nicht und bei deinen Freunden wirst du auch versagen.“
„Sie leben noch oder?!“ antwortete Krüger ernst. Sein jüngeres Selbst grinste verächtlich.
„Die Frage ist, wie lange noch.“ Sagte es. „Du hast sie in die Höhle des Löwen gebracht, sie quasi zur Schlachtbank geführt.“
„Ich habe sie nicht gebeten mit zu kommen.“
„Du hast es aber auch nicht verhindert. Sie sind wegen dir hier.“
„Dann beenden wir es gemeinsam!“
„Rede dir das nur ein.“ Sagte der jüngere Krüger. „Doch bald wird auch ihr Blut an deinen Händen kleben.“ Dann war er verschwunden und Krüger war alleine. Mittlerweile wusste er nicht mehr was schlimmer war. Die Halluzinationen, oder wenn sie aufhörten und er wieder alleine mit sich war.
Unter neuer Flagge
Der Baron hatte Pierre aufmerksam zugehört. Am Anfang hatte der Franzose englische gesprochen, doch dann hatte der Baron ihn auf Französisch unterbrochen und Pierre erzählte in seiner Muttersprache weiter. Der Baron sprach insgesamt fünf Sprachen. Spanisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Russisch.
„Sie haben wirklich genügend Beispiele für das Schlechte im Menschen erlebt.“ Sagte der Baron ruhig, als Pierre fertig war. Dieser nickte bloß. „Ich kann gut verstehen, dass sie sich uns anschließen wollen, allerdings können wir nicht jeden aufnehmen.“
„Ich denke, sie brauchen Leute.“
„Schon, aber wir brauchen die Richtigen. Schließlich muss die Welt neu bevölkert werden.“
„Und was ist mit den Zombies?“
„Sie meinen die Wiedergänger? Die gehen ein, wenn sie nichts mehr zu Essen finden.“ Pierre schaute den Baron fragend an. „Ich sehe schon, ich muss mich klarer ausdrücken.“ Sagte der Baron lachend. „Es ist nur so lange her, dass ich mit einem Außenstehenden gesprochen habe. Irgendwann wird es keine Menschen mehr geben, von denen sich die Wiedergänger ernähren können. Diese sterben dann einfach und die Welt ist frei.“
„Aber wenn sie die Welt neu Bevölkern, geht es dann nicht wieder von vorne los? Würden sich nicht erneut Lager bilden, die sich irgendwann bekämpfen?“
„Ich verstehe ihre Bedenken. Doch genau aus diesem Grund, wählen wir unsere Rekruten sehr sorgfältig aus. Damit sich keine Lager bilden.“
„Und sie glauben wirklich, dass die Zombies die gesamte Menschheit auslöschen werden?“
„Wiedergänger.“ Korrigierte der Baron. „Und ja. Allerdings bezweifle ich, dass wir Beide das miterleben werden. Diese ganze Aktion ist ein Marathon. Kein Sprint. Allerdings brauchen wir genau aus diesem Grund frisches Blut. Wir wollen ja nicht, dass es sich bei uns so entwickelt wie bei den spanischen Habsburgern. Auf Inzucht können wir verzichten.“
„Und was bedeutet das für uns?“
„In ihnen mein junger Freund, sehe ich einen Opportunisten.“ Begann der Baron. „Sie glauben nicht wirklich an unsere Ideen, sondern sehen uns als einzige Überlebenschance. Das ist nichts Schlimmes. Viele haben so angefangen und sind nun mit Feuereifer dabei. Für ihre Freunde sieht es allerdings nicht so gut aus. Besonders der Major scheint uns eher als Ursache und nicht als Lösung zu sehen. Was ich, wenn man das Ganze mit seiner Frau bedenkt, durchaus verstehen kann. Für ihn sehen ich am wenigsten Hoffnung. Allerdings glaube ich auch nicht, dass für die Anderen Platz in der neuen Welt ist.“
„Und das heißt?“ fragte Pierre vorsichtig. Er ahnte die Antwort.
„Eliminierung.“
„Und wenn ich sie überzeuge?“ Der Baron schaute Pierre interessiert an.
„Sollten sie das schaffen, dann hätten sie mich wirklich beeindruckt. Mir gefallen solche Ideen. Sie haben eine Woche. Jeden ihrer Freunde, denn sie in dieser Zeit zumindest zu einem Opportunisten machen, nehmen wir auf. Die anderen naja, das Thema hatten wir schon.“
„Ich werde es versuchen.“ Sagte Pierre resignierend. Der Baron nickte, stand auf und ging zur Tür.
„Eine Woche.“ Sagte er mahnend und verlies dann den Raum.
Als Rekrut des Kultes durfte Pierre sich innerhalb der Festung nur unter Aufsicht bewegen. Dem Baron war es zwar wichtig, dass sich die neuen mit dem Kult in allen Aspekten vertraut machen konnten, allerdings mussten sich diese erst das Vertrauen des Barons verdienen, bevor sie sich frei bewegen durften. Pierre wurde der Wachmann zugeteilt, dem sie bereits bei der Ankunft begegnet waren. Er war ebenfalls ein Franzose mit Namen Clément Moreau. Er war ein Deserteur der französischen Armee und hatte sich dem Kult bereits 1915 angeschlossen, als die ersten Agenten die Armeen auf den Schlachtfeldern unterwanderten.
„Ohne den Kult, hätte es mich bereits neunzehnhundertfünfzehn erwischt.“ Erzählte Moreau „Die Gendarmerie hatte mich erwischt, als ich mich gerade abgesetzt hatte. Das Erschießungskommando war schon zusammengestellt. Da kam ein Leutnant an meine Zelle und fragte, ob ich leben oder sterben will. Natürlich entschied ich mich fürs Leben.“
„Wieso bist du desertiert?“ fragte Pierre.
„Aus demselben Grund.“ Sagte Moreau beiläufig. „Ich wollte Leben. Ich war ein Wehrpflichtiger, wie du. Ein halbes Jahr Ausbildung und dann sollte ich mich dem Boche entgegenstellen? Das wäre mein sicherer Tod gewesen.“ Pierre nickte. Auch ihm kam dieser Gedanke, als er an die Somme geschickt wurde. Einfach abhauen. Wegrennen, wieder nach Hause und einfach alles vergessen. Doch Pierre tat es nicht. Warum wusste er selbst nicht genau, doch in seinem inneren hatte er das Gefühl, dass es einfach falsch war.
„Und was ist dann passiert?“
„Der Leutnant holte mich aus der Zelle und dann wurde ich hierher gebracht. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal was die Pyrenäen waren.“
„Und der Baron hat dich einfach so bleiben lassen?“ Moreau schüttelte den Kopf.
„Ich musste einen Test bestehen.“
„Was für einen?“
„Das erfährst du noch früh genug.“
Überzeugungsarbeit
Moreau führte Pierre zu seinen Freunden, damit er sie von dem Kult überzeugen konnte. Es gab nur ein Problem: Moreau war dabei, als er mit ihnen sprach.
Als erstes sprach Pierre mit Claire. Bei seiner Frau war es ihm am wichtigsten, dass sie von seinem Vorhaben erfuhr.
Claire drehte sich um, als die Tür geöffnet wurde. Als sie Pierre erkannte, war sie zunächst überglücklich, doch dann sah sie, dass Pierre dieselbe Uniform trug wie der Wächter bei ihm.
„Wie konntest du nur?“ fragte Claire mit einer Mischung aus Verachtung und Verzweiflung.
„Diese Leute haben recht.“ Sagte Pierre ruhig. „Und sich ihnen an zu schließen ist die einzige Möglichkeit, dass wir überleben.“
„Diese Leute haben Marie auf dem Gewissen und sind dafür verantwortlich, was aus Peter geworden ist.“ Fauchte Claire. „Oberst Müller, Hans der Feldwebel, Major Harris, Feldwebel Schulz, Lauren, Oberschwester Weber, Mary, John, Mathew, Gary, all diese Tode hat der Kult verursacht!“
„Du musst das große Ganze sehen.“
„Das große Ganze?!“ fauchte Claire voller Verachtung. „Das waren unsere Freunde!“ darauf antwortete Pierre Nichts. Claire schaute ihn traurig an. „Verschwinde einfach.“ Sagte sie mit Tränen in den Augen. Pierre nickte, dann verließen er und Moreau Claires Zimmer.
Als Pierre die Tür geschlossen hatte, hörte er Claire dahinter weinen. Erschöpft lehnte er sich gegen die Wand. Er konnte förmlich hören, wie sein Herz brach.
„Gar nicht so einfach was?“ fragte Moreau. Pierre schwieg. „Also, wer ist der Nächste?“
Als Nächstes gingen sie zu Hagman. Als Pierre und Moreau das Zimmer betraten, musterte der Engländer sie kurz. Dann schüttelte er den Kopf.
„Du weißt wahrscheinlich, weshalb ich hier bin.“ Sagte Pierre.
„Jap.“ Sagte Hagman. „Und ich würde lügen, wenn mir nicht derselbe Gedanke gekommen wäre. Aber dann ist mir wieder eingefallen, was wir alles zusammen durchgemacht haben.“
„Ich höre.“ Sagte Pierre.
„Allonville, Verdun, das Kloster, die Kannibalen. Und das ist nur passiert, seit ich euch getroffen habe. Was ihr an der Somme erlebt habt, mag ich mir gar nicht vorstellen. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen und du wirfst das ganze einfach weg?“
„Ich glaube du verstehst nicht.“
„Ich verstehe sehr gut.“ Sagte Hagman hasserfüllt. „Doch im Gegensatz zu dir bin ich kein elender Verräter.“
Als nächstes wollte Pierre mit McFinlay sprechen. Doch bevor er etwas sagen konnte, hatte der Schotte ihn mit einem rechten Schwinger nieder gestreckt. Als McFinlay nachsetzten wollte, ging Moreau mit seinem Gewehr dazwischen.
„Nicht!“ rief Pierre, bevor Moreau abdrücken konnte.
„Hast Glück, dass dein Wachhund da ist.“ Blaffte McFinlay. „Sonst würde ich dich in den Boden einarbeiten.“ Pierre verstand und er und Moreau verließen das Zimmer ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Vor Krüger hatte Pierre am meisten Angst. Der Major hatte mehr verloren als die Anderen und sein Hass auf den Kult war ohne Gleichen.
„Sicher, dass ich nicht alleine gehen kann?“ fragte Pierre Moreau, als sie vor der Tür standen. Doch dieser schüttelte den Kopf.
„Klarer Befehl vom Baron.“ Sagte er. „Außerdem sollte ich lieber mit rein. Wenn das stimmt, was du über den Boche erzählt hast.“ Pierre nickte und atmete noch einmal tief durch. Dann öffnete er die Tür.
Krüger stand mit dem Rücken zu ihnen. Als er sich umdrehte, musterte er die Männer kurz.
„Schicke Uniform.“ Sagte er beiläufig. Dann fiel sein Blick auf Pierres geschwollene Wange. „Jack?“
Pierre nickte.
„Du weißt, weshalb ich hier bin?“
„Ja. Und die Antwort ist nein.“
„ich weiß, wie du über diese Leute denkst. Besonders seit Maries Tod….“
„Nimm nie wieder ihren Namen in den Mund!“ unterbrach Krüger in harsch. Pierre wich zurück. Als er Krüger ins Auge sah, hatte dessen Blick wieder etwas Endgültiges. „Komm mir nicht noch einmal unter die Augen.“ Sagte Krüger kalt und Pierre und Moreau verließen das Zimmer.
„Du solltest dem jungen etwas mehr vertrauen.“ Hörte Krüger plötzlich eine Stimme hinter sich sagen. Als er sich umdrehte, stand ihm dieses Mal der frisch gebackene Major Krüger aus Verdun gegenüber. „Ihr habt gemeinsam so viel durchgemacht, das wirft er nicht einfach weg.“
„Woher willst du das wissen? Er ist jung, er will Leben und sieht den Kult als einzige Chance. Fast könnte ich ihn verstehen.“
„So einfach denkt Robert nicht. Ich glaube, da steckt mehr hinter seinem Verhalten als du gerade ahnst.“
„Woher willst du das wissen?“
„Weil ich du bin.“ Dann war der Major verschwunden und Krüger war wieder alleine.
Die Prüfung
Die Nächsten Tage versuchte Pierre weiterhin seine Gefährten von dem Kult zu überzeugen, doch ohne Erfolg. Claire, Krüger und Hagman sprachen erst gar nicht mit ihm und von McFinlay hörte er nur wüste Drohungen.
Dann war eine Woche vergangen und Pierre wurde zu dem Baron beordert.
„Eine Woche ist rum. Ich denke sie wissen, was das bedeutet.“ Pierre nickte. „Wie viele ihrer Gefährten konnten sie überzeugen?“
„Keinen.“ Gab Pierre enttäuscht zu. Der Baron nickte.
„So leid es mir tut, aber damit ist ihr Schicksal besiedelt.“
„Glauben sie wirklich, dass sie sich das erlauben können?“ sagte Pierre. Er hatte sich entschieden alles auf eine Karte zu setzten.
„Wie meinen sie das?“ fragte der Baron irritiert.
„Sie haben hier eine Krankenschwester, einen Major und zwei mehr als fähige Soldaten. Und das wollen sie sich entgehen lassen, bloß weil sie zu ungeduldig sind um etwas länger als eine Woche zu warten?“
„Reden sie weiter.“ Sagte der Baron amüsiert.
„Ich werde meine Freunde schon überzeugen, dass sie sich ihnen anschließen. Ich brauche nur mehr Zeit.“ Der Baron nickte.
„Kommen sie mal mit.“ Sagte er und stand auf. „Ich denke es wird Zeit für ihre Prüfung.“
Pierre folgte dem Baron in den Kerker der Festung. Als sie die in den Felsen gehauenen Treppen runter gingen, stieg ihm der Zimtgeruch in die Nase.
„Ich weiß was sie denken und sie haben recht.“ Sagte der Baron vergnügt. „Hier unten entsteht die Magie.“ Pierre versuchte sich alles genau einzuprägen, doch außer Stahltüren und steinernen Wänden gab es nichts zu sehen. „Machen sie sich keine Sorgen.“ Sagte der Baron, als er Pierres angestrengtes Gesicht sah. „Solange sie es nur riechen, ist es völlig ungefährlich. Erst wenn sie in der Wolke stehen, wird es problematisch.“
„Gasmasken schützen allerdings.“ Bemerkte Piere.
„Noch.“ sagte der Baron geheimnisvoll und öffnete eine der Stahltüren. Als Pierre den Raum betrat, stand er in einem Beobachtungszimmer. Hinter einem Einwegspiegel war ein abgedunkelter Raum, in dem Pierre nichts erkennen konnte. Dann betätigte der Baron einen Schalter und Pierre rutschte das Herz in die Hose. Als das Licht in dem dunklen Raum anging, sah er einen englischen Soldaten, der ungeduldig auf und ab ging. Zuerst dachte Pierre der Mann wäre McFinlay, doch dem war nicht so. Trotzdem war es ein alter Bekannter. Captain Murphy war in die Fänge des Kultes geraten. „Der Captain wurde uns einige Tage bevor sie hier aufgetaucht sind von der Grauen Kompanie gebracht.“ Sagte der Baron. „Als Rekrut ist er leider untauglich, dafür wird er sich als Versuchskaninchen umso besser eignen.“
„Ich verstehe nicht ganz.“ Sagte Pierre unsicher. „Wie ist er überhaupt hierhergekommen?“ Der Baron schien nicht zu merken, dass Pierre Murphy kannte.
„Man fand ihn in einem Wald, einige Kilometer von hier. Er hat irgendwas von Murphys Gesetz gefaselt.“ Sagte der Baron gelangweilt, dann wurde er wieder ernst. „Wenn sie diesen Hebel betätigen, wird sich der Raum vor ihnen mit der neusten Weiterentwicklung des Z-Gases füllen. Diesen Hebel zu ziehen ist ihre Prüfung.“ Pierre schluckte als er das hörte. Sicher Murphy war ein gemeingefährlicher Scheißkerl um den niemand trauern würde, doch Pierre hatte noch nie jemanden getötet. Zombies ja, aber keinen Menschen. Bei Corporal Smith wäre er dazu bereit gewesen, doch das war um Claire zu beschützen. Murphy war ihm hilflos ausgeliefert. Diesen Hebel zu betätigen hätte nichts mehr mit einem Überlebenskampf zu tun, es wäre Mord. „Tun sie jedoch nichts, sind sie genauso ungeeignet wie der Captain und gehören ausgemerzt, genau wie ihre Freunde.“ Pierre schluckte, nickte jedoch. Zitternd legte er seine Hand um den Hebel und zog. Langsam waberte das braune Z-Gas aus dem Boden der Zelle und Murphy griff panisch in seine Tasche. „Keine Sorge.“ Sagte der Baron. „Wir haben ihm seine Gasmaske gelassen.“ Erleichtert sah Pierre, wie Murphy tatsächlich seine Gasmaske hervorzog und hektisch aufsetzte. Als der Raum sich mit dem Gas gefüllt hatte, schien Murphy normal durch seine Maske zu atmen, doch dann fing er plötzlich an sich an die Kehle zu fassen und Pierre schnürte es den Hals zu. „Unsere neue Variante durchbricht den Filter jeder gängigen Gasmaske.“ Sagte der Baron selbst zufrieden, als Murphy röchelnd zu Boden sackte. Doch damit endete es nicht. Wenige Sekunden nach seinem Tod erhob Murphy sich wieder. Pierre sah die krampfenden, ruckartigen Bewegungen des Captains und konnte es nicht glauben. Dann drehte Murphy seinen Kopf und schaute Pierre direkt in die Augen. Fauchend sprintete er auf Pierre und den Baron zu und knallte mit einer solchen kraft gegen die Scheibe, dass diese Risse bekam. Murphy rappelte sich wieder auf und kratzte fauchend an der Scheibe. „Er hat uns wohl gewittert.“ Sagte der Baron amüsiert als Murphy das Glas zerkratzte. Pierre hatte sich immer noch nicht von dem Schock erholt.
„Was war das?“ stammelte er.
„Unsere neue Variante des Z-Gases.“ Sagte der Baron ruhig. „Es durchbricht nicht nur die Maske, sondern die Verwandlung erfolgt sofort.“ Pierre schaute den Baron fragend an. „Bei unseren ersten Varianten hat die Verwandlung zu lange gedauert. Die Leichenstarre hatte bereits begonnen, weshalb die Wiedergänger sich nur langsam bewegen konnten. Bei einem Biss, gerät das Virus jedoch direkt in die Blutbahn und die Verwandlung tritt unmittelbar mit dem Tod ein.“
„Virus?“ fragte Pierre. Er war verwirrt wie lange nicht mehr.
„Dafür haben wir später noch genug Zeit.“ Sagte der Baron und wollte den Raum verlassen. In der Tür blieb er jedoch stehen. „Sie haben ihren Test bestanden.“ Sagte er. „Ich denke, dass sie bereit wären unsere neue Waffe zu verbreiten, auch wenn es sie etwas Überwindung kostet. Mit ihren Freunden können sie sich übrigens Zeit lassen. Wir haben genug Vorräte um auch sie durch zu bringen. Außerdem glaube ich, dass einige Wochen bei Wasser und Brot unseren Standpunkt untermauern. Außerdem glaube ich, dass sie wesentlich folgsamer sind, wenn wir ihre Freunde als Druckmittel behalten.“ Dann schaute er Pierre ernst an. „Aber vergessen sie nicht, wem ihre Loyalität ab heute gebührt.“
Nachdem der Baron ihn entlassen hatte, rannte Pierre in das erste Badezimmer was er finden konnte und erbrach sich. Erschöpft sackte er neben der Toilette zu Boden. Er war ein Mörder. Nein, noch schlimmer. Er hatte einen Mann in einen Zombie verwandelt. Doch er wusste auch, dass er keine Wahl gehabt hatte. Hätte Pierre sich geweigert, dann wären er und seine Freunde die Nächsten gewesen. Doch diese Tatsache beruhigte sein Gewissen in keiner Weise. Er hatte sein Leben über das eines Anderen gestellt. Damit würde er für den Rest seiner Tage leben müssen.
Nach der bestanden Prüfung war Pierre nun kein Rekrut mehr, sondern ein Gefreiter, der niedrigste Rang, den es in dem Kult gab. Nun konnte er sich in der Festung frei bewegen und hatte keinen Bewacher mehr bei sich. Auch durfte er nun Waffen bei sich tragen. Die Standartwaffe des Kultes war ein halbautomatisches Mandrogan-Gewehr. Pierre hatte nicht gewusst, dass es so eine Waffe überhaupt gab. Überhaupt schien der Kult besser ausgerüstet zu sein, als die meisten Armeen. Jeder Soldat hatte einen Selbstlader, eine ungarische Frommer Stop Pistole und eine Gasmaske, die mit einem speziellen Filter ausgestatte war, der das neuartige Gas abhielt.
Unter sich
Die anderen Soldaten des Kultes mieden Pierre. Nur Moreau redete mit ihm. Ein Deserteur und ein Verräter unter sich.
„Glückwunsch zur bestandenen Prüfung.“ Sagte er grinsend, doch Pierre war nicht danach. Er mochte Moreau nicht, doch der Deserteur war der Einzige, der sich mit dem Franzosen abgab.
„War deine Prüfung auch so?“ fragte Pierre. Moreau nickte.
„Ich habe einen Preußen vergast.“ Sagte Pierre beiläufig. „Allerdings war das Gas damals noch in den Kinderschuhen und der arme Teufel hat Stunden gebraucht, bis er starb. Ich glaube er hatte sich nicht einmal verwandelt.“ Als Pierre hörte, wie Moreau so beiläufig, fast schon gleichgültig über den Tod eines Menschen redete, hätte er ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen. Jemanden zu Töten weil man keine Wahl hatte, war eine Sache. Doch wie Moreau damit umging, ließ Pierres Blut kochen. Doch er zwang sich zur Ruhe.
„Wieso meiden uns die Anderen?“ fragte er schließlich. Moreau zuckte mit den Schultern.
„Die meisten von denen waren schon vor dem Krieg Teil des Kultes. Andere sind Angehörige von höherrangigen Kultmitgliedern. Für die sind wir Fremdkörper, die das geordnete System durcheinander bringen. Bei dir kommt allerdings noch Neid dazu.“
„Neid?“
„Der Baron hat einen Narren an dir gefressen. Du bist der erste seit Beginn der Apokalypse, der sich uns angeschlossen hat. Das fasziniert ihn.“
„Und die anderen haben Angst, dass ich ihnen den Rang ablaufe.“ Stellte Pierre fest. Moreau nickte zustimmend. „Und wieso redest du mit mir?“
„Weil ich endlich jemanden gefunden habe, der genauso ausgestoßen ist wie ich.“ Sagte Moreau triumphierend.
Mit dem Rücken zur Wand
Pierre schlief die Nacht nicht. Doch nicht weil sein Gewissen ihn plagte, sondern weil er es so wollte. Er war mit den anderen Rekruten in einem großen Schlafsaal untergebracht. Er wartete, bis er sich sicher war, dass die Anderen schliefen. Dann schlich er sich so leise er konnte raus. In der Nacht, war es in der Festung ruhig. Pierre hatte selten eine so ruhige Nacht erlebt. Der Krieg und die Zombies schienen weit weg.
Pierre schlich sich durch die Flure, bis er an Krügers Quartier angelangt war. Der Baron schien sich so sicher zu sein, dass keine Wachen abgestellt waren. Vor der Tür blieb er stehen und nahm all seinen Mut zusammen. Dann klopfte er.
Krüger lag in seinem Bett und starrte an die Decke. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt geschlafen hatte. Dann riss ihn ein Klopfen aus seinen Gedanken. Krüger ahnte wer hinter der Tür war.
„Verschwinde.“ Sagte Krüger kalt. Einige Sekunden war es still.
„Ich will nur reden.“ Sagte Pierre schließlich.
„Das kannst du vergessen.“
„Dann hör wenigstens zu.“
„Warum soll ich dir zuhören?!“ entfuhr es Krüger. „Du hast uns verraten! Nach alledem, was wir zusammen durchgemacht haben, hast du uns einfach verraten. Wir sind durch die Hölle gegangen und es hat dir Nichts bedeutet!“ Krüger stand nun genau vor der Tür.
„Ich habe euch nicht verraten.“ Sagte Pierre ruhig.
„Fällt mir schwer das zu glauben.“
„Irgendwas sagt mir, dass du mir glaubst.“
„Und das wäre?“
„Ich habe die Tür noch nicht im Gesicht.“ Krüger dachte an sein Selbstgespräch vom Vormittag.
„Also, was hast du zu erzählen?“ zischte Krüger.
„Ich habe euch nicht verraten und hatte es auch nie vor.“ Begann Pierre. „Ich dachte, es wäre schlau, dass wir uns dem Kult zum Schein anschließen, um ihn von innen heraus zu bekämpfen. Ich konnte nur vorher mit euch nicht darüber reden und hatte gehofft ihr kommt auch auf diese Idee. Dem war leider nicht so.“
„Beweis es.“ Zischte Krüger.
„Sie haben ein neues Gas.“ Sagte Pierre. „Es durchdringt die Filter und verwandelt einen sofort.“
„Woher weißt du das?“ fragte Krüger. Pierre rang mit sich. Diesen Teil hatte er gehofft auslassen zu können.
„Ich habe es selbst gesehen.“ Sagte er schließlich, „Der Baron hat es mir gezeigt um mir die Konsequenzen eines Verrates deutlich zu machen.“ Krüger schluckte, als er das hörte. Eine Gasmaske hatte ihnen sowohl an der Somme, als auch in Verdun das Leben gerettet. Krüger hatte zwar von einem Maskenbrecher gehört, ein nicht tödliches Gas, welches den Filter durchdrang, den Würgereiz auslöst und den Betroffenen dazu zwang seine Maske abzunehmen. Doch dieser wurde nur in Verbindung mit einem tödlichen Gas eingesetzt. Das jetzt ausgerechnet das Z-Gas selbst ein Maskenbrecher war, machte alles nur noch schlimmer. Krüger lehnte sich an die Tür.
„Das ist schlecht.“ Sagte er. Seine Wut auf Pierre war durch diese Neuigkeit verraucht.
„Wir müssen diese Leute aufhalten.“ Sagte Pierre. „Sie wollen der Welt nicht den Frieden bringen. Sie wollen sie nach ihren Gedanken neu formen und Beherrschen.“
„Wir werden sie aufhalten.“ Sagte Krüger. „Doch dazu brauchen wir mehr Informationen. Vielleicht ist deine ursprüngliche Idee gar nicht so schlecht. Vielleicht sollten wir uns dem Kult zum Schein anschließen.“
„Das ist keine Option.“ Sagte Pierre entschieden.
„War doch deine Idee.“
„Das wusste ich auch noch nichts von der Prüfung.“
„Was für eine Prüfung?“ fragte Krüger. Pierre schwieg, entschied sich aber doch dafür von seiner Begegnung mit Murphy zu erzählen.
„Das ist übel.“ Sagte Krüger.
„Und deswegen könnt ihr euch dem Kult nicht zum Schein anschließen. Was ist, wenn einer von euch in der Kammer sitzt?“ fragte Pierre.
„Aber du bist drin.“ Sagte Krüger. „Und genau das ist unsere Chance.“
„Wie meinst du das?“
„Du kannst Informationen sammeln, ihre Schwachstellen herausfinden und sie von innen heraus zersetzen.“
„Und dann?“
„Wenn es soweit ist, schlagen wir zu.“
„Und was ist wenn ich es nicht schaffe.“
„Du wirst es schaffen, weil du es schaffen musst.“ Sagte Krüger. „Es heißt Geschichte schreiben oder sterben.“
Teil 11: