Lange

Das Haus der bösen Menschen

Warnung vor Creepypasta

ACHTUNG: VERSTÖRENDER INHALT

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Text um eine Creepypasta handelt, die verstörende Themen beinhalten kann, wie zum Beispiel Gewalt, Sexualisierung, Drogenkonsum, etc. Creepypastas sind fiktive Geschichten, die oft dazu gedacht sind, Angst oder Unbehagen zu erzeugen. Wir empfehlen Ihnen, diesen Text nicht zu lesen, wenn Sie sich davon traumatisiert oder belästigt fühlen könnten.

Gut und Böse, so einfach ist unsere Welt, unsere
Gesellschaft und alles was wir damit verbinden. Wir kaufen Ding, stehlen sie
nicht. Wir reden mit Menschen, verletzten sie nicht. So einfach ist das, simpel
und logisch, mit auch geringem Menschenverstand zu verstehen. Man darf nichts
tun was Anderen schadet, weniger wegen dem was man eigentlich tut, sondern viel
eher wegen der Strafe, welche auf einen selbst wartet. „Wirf dein Leben nicht
weg!“ Das erste Mal, als ich diesen Satz hörte kam er aus dem Munde meines
Rektors, nachdem ich mich geprügelt hatte, nichts schlimmes, doch die Strafe
folgte auf dem Fuße. Oft hatte ich den Satz seitdem gehört, doch gelernt hatte
ich davon nie. Ob ich dumm bin? Vermutlich, jedenfalls in sozialer Ebene. Ich
hätte mein Leben weggeworfen, ohne auch nur ein einziges Mal darüber
nachzudenken. Ein kurzer falscher Impuls, verleitet vom Alkohol und schon war
es weg, nicht mehr zu retten. Würde ich mein Leben geben um sie wieder lebendig
zu machen? Nein, warum sollte ich? Die Justiz übernahm das nehmen meines
Lebens, dem war ich mir sicher. Doch es gab einen Ort für Menschen wie mich,
Menschen, die einfach nicht passen wollten. Das erfuhr ich am eigenen Leib, in
dem Moment wo ich ihn traf.

Ekelhaft wie es stinkt. Es mieft nach Blut und nach Pisse
aus dem kleinen Eimer in der Ecke. Ich sitze schon in der anderen Ecke dieses
winzig kleinen Raumes und immer noch drang der Gestank in meine Nase. Ich
dachte sie wollten mich durch einen Stromschlag töten, sollte es jetzt doch die
Gaskammer sein. Ich lache, ziehe mich selbst über das dünne und knarrende
Brett, welches mein Bett sein soll. Die Decke verrutscht, ich stehe auf um sie
zu richten. Ich zog sie glatt und roch an meinen Fingern. Verdorben, wie Fisch,
ekelhaft. Duschen gab es nicht, das hatte ich mehrmals gefragt. Sollte ich
meinen letzten Wunsch für so etwas Dummes wie ein Bad verschwenden? Pah,
immerhin hätten die Scharfrichter dann keinen Spaß mit mir. Es klopft metallen
hinter mir. Ich drehe mich um, mein Blick neutral, fast als wäre er weinerlich,
doch ich dachte nicht einmal daran schwach zu werden. „Also was soll es sein?“
Sein Grinsen breit, seine gelben Zähne, welche ich durch das blendende Licht
kaum erkennen kann. Ich denke nach, jedenfalls rede ich mir das ein, doch diese
Entscheidung hatte ich schon eine Weile zuvor beschlossen…

Eine Bar, irgendwo im Nirgendwo. Qualm, welcher sichtbar an
der Decke hängt und das Licht vernebelt. Ein Zug an der Kippe, dann das
zischen, als ich sie in den mit Wasser gefüllten Becher warf und sie erlosch.
„Was labern sie?“, Ich war wütend, gereizt, wie immer eigentlich. Das Gegenteil
meines Gegenübers. Er lächelte mich an, doch sogar ich durchblickte seine
Augen. Kalt, er war kalt und tot, vermutlich noch mehr als ich. „Eine Chance,
eine andere Chance…“ Er öffnete seinen Aktenkoffer, welcher ganz unpassend zu
seiner strahlend weißen Kleidung tief rot war. Er passte nicht in diese
versiffte Gegend. Was wollte er von mir? Klick, das ziehende Rascheln von
Papier, welches man über eine Holzblatte zieht. „Ein Zettel?“ Stumpfes Nicken.
„Was soll das heißen?“ Er lächelte nur weiter. „Sie werden es wissen, wir
hoffen sie bald als Gast begrüßen zu können…“ Er stand auf, legte für die mehr
als billigen Drinks 20 Dollar auf die Platte und verließ die Kneipe, ohne auch
nur auf eine dumme Bemerkung von einem der Biker zu reagieren. Ich sah auf den
Zettel, dort stand nur ein Satz. „Ich will eine Alternative.“

„Ich will eine Alternative!“ sage ich dem Widerling hinter
dem Stahl klar ins Gesicht.
 Sein krummes und mich doch schwer an
eine Banane erinnernde Lächeln wird plötzlich kleiner. Er nickt, mehr nicht.
Keine Bemerkung, nichts, er dreht sich um und geht. Ich werde nervös. Mir wird
nach und nach klar, dass ich den sicheren Tot, gegen etwas Anderes eingetauscht
habe. Keine Ahnung ob es besser werden würde, beim Teufel, ob ich es überhaupt
überleben würde. Ich ziehe mich wieder in dieses Stinkende Loch zurück, tausche
den ewigen Gestank nach Hinterlassenschaften von scheinbar duzenden sterbenden
Seelen gegen den fischigen Geruch ihrer Körper aus, welcher an der Decke
klebte. Ich sitze hier und warte. Auf was? Keine Ahnung wird mir klarer je
länger ich hier sitze. Keine Ahnung. Dann kommt endlich das erlösende Geräusch,
ich höre Schritte, schwere Schritte. Die Tore öffnen sich und bevor ich auch
nur ein Wort sagen kann packen mich vier Pranken von zwei Gorillas und ziehen
mich aus der Zelle, zerren mich durch einen Gang, bevor sie mich auf den Boden
schleudern und die Tür ohne auch nur ein Wort zu sagen schließen. Ich richte
mich auf, sehe mich um. Es scheint ein Gang zu sein, ein Gang mit zwei Türen,
die durch die ich kam und eine Andere. Beide Türen sind weiß gestrichen und ich
kann nicht wissen was hinter der Anderen liegen mag. Ich schlucke. Meine
Entscheidung, also muss ich weitergehen, nach allem. Ich drücke die Klinke nach
unten und öffne die Tür. Sie schwingt, ohne auch nur ein Quietschen auf, und
das erste was ich in dem komplett weißen Raum sehe ist diese eine rote
Aktentasche. Ich gehe einen Schritt in den Raum, die Tür schließt sich hinter
mir.
„Willkommen, sie sind ein weiser Mann. Das muss ich zugeben!“ Diese Stimme.
Der Mann im weißen Anzug schleicht um mich und setzt sich an den Tisch. Er hebt
die Hand und ich folge seiner Anweisung mich zu setzten. „Also, was is das
hier?“ Frage ich, versuchend meine Aufregung zu verbergen. Eigentlich ist es
mir egal, es ist meine Rettung vor dem Tod. Der Mann nimmt sich viel zeit,
bevor er mir endlich antwortet. „Was hoffen sie was es ist? Was sehen sie?“ Ich
nehme ihm wörtlich, also sehe ich mich um. Es sieht aus wie in jedem anderen
Verhör Zimmer, welches ich je gesehen habe, und ich habe viele gesehen. Nur
eines ist neben dem Weiß anders. Es gibt keinen dieser typischen
halbdurchsehbaren Spiegel, nur er und ich. „Ein Verhörzimmer?“ Die Mimik des
Mannes bleibt gleich. „Ja, das sehen sie richtig, ein Verhörzimmer. Was denken
sie persönlich was ich von ihnen hören will?“ Ich zucke mit den Schultern.
„Warum ich hier bin?“ Der Mann schüttelt seinen Kopf. „Denken sie denn das weiß
ich nicht? Wenn ich in der Lage bin einen zum Tod verurteilten Mann einfach mal
so zu mir zu bestellen?“ Er zieht meine Akte aus der roten Tasche und lässt sie
auf den Tisch fallen. Der Knall ist traurig laut. Mann, ich habe mein Leben
wirklich weggeworfen. Der Mann muss mein Starren bemerkt haben. „Ihr Leben?“
Ich sehe zu Boden. War das Scham? „Große Teile davon…“ Er schlägt die letzte
Seite auf und liest sie sich durch. Ich weiß was dort steht. „Bereuen sie es?
Diese grauenhafte Tat?“ Ich zucke mit dem Schultern, wieder. Er lächelt mich
an. „Beantworten sie mir eine Frage? Bitte.“ Ich schlucke. Jetzt wird es wohl
ernst. „Ja“ Ich klinge unpassend nervös. „Sind sie ein böser Mensch?“ Ich sehe
ihn schockiert, verwirrt und fragend zugleich an. Sein Blick bleibt gleich,
keine Anstalten, einfach nur ruhiges Warten. Ich denke nach, meine Gedanken
poltern durch mein vom Trinken demoliertes Hirn. Nachdem ich lange nicht
antworte räuspert der Mann sich. „Diese Antwort hatte ich erwartet. Eine andere
Frage: Was macht einen Mann wie sie böse?“ Ich sehe ihn wieder an, kann jedoch
immer noch nicht antworten. Verflucht, das erste Mal in meiner widerlichen und
unsinnigen Existenz kann ich nicht antworten. Der Mann tippt auf die Akte.
„Das?“ Meine feuchten Augen starren auf das dicke Bündel, auf welches er immer
und immer wieder mit seinem Finger tippt. Wie das Pendel einer Uhr, als wollte
er damit meine Zahnräder wieder zum Laufen bringen. Mit dem orangenen Ärmel
meiner Häftlingsuniform wische ich meine Augen trocken, dann nicke ich. Der
Mann klappt die Akte zu und wirft sie auf einmal quer durch den Raum. Es
scheppert, als sie den Rand des Mülleimers streift und in diesem landet.

„Und
nun? Sind sie immer noch ein böser Mensch? Wo ich ihnen eben all ihre
Straftaten vergeben habe?“ Ich bin schockiert und verwirrt. „D-Das können sie
einfach so?“ Er nickt. „Ja.“, er klingt dabei sicher. Ich glaube ihm, warum
auch immer. „Also, bitte antworten sie.“ Ich kann mich nicht konzentrieren.
„Ich bin jetzt straffrei?“ Er lächelt. „Hier ja.“
Ich werde wütend über seine nichtssagenden Antworten und schlage mit der Hand
auf den Tisch. „Was „Hier„?“ Er sieht mich nur an, keine Angst, obwohl ich
ihn mehrere Köpfe überrage. „Bitte, tun sie mir einfach diesen einen Gefallen,
dann rede ich weiter.“ Ich balle meine Hände zu Fäusten, setzte mich dann aber
wieder und denke nach. „Ja, bin ich“ Der Mann hebt eine seiner Augenbrauen.
„Warum?“ Ich fahre mir mit meiner Hand durch die verfetteten Haare. „Sie können
das zwar auslöschen…“ Ich zeige mit einem Finger Richtung Mülleimer: „Aber
nicht das hier.“ Ich zeige an meinen Kopf. Er versteht, knackt mit seinen
Fingern und steht auf, bleibt aber neben dem Stuhl stehen. „Eine sehr gute
Antwort, wirklich!“ Ich nicke. „Jetzt verlange ich aber auch eine solche von
ihnen!“ Er lächelt mich an, atmet tief ein und dann aus. „Okay, ich sage ihnen
wie es ist. Ich biete ihnen etwas an, ein einmaliges Angebot.“ Endlich, keine
Rätsel mehr. „Ich sage es ihnen von vorne herein, wenn sie ablehnen kann ich
nichts für sie tun und sie landen wieder in ihrer Zelle.“ Ich strecke mich und
lasse meine Wirbel knacken. „Also weniger eine Wahl.“ Er beginnt wieder auf den
Tisch zu klopfen, wie er da steht. „Sie missverstehen. Das ist keine Wahl, nur
eine Alternative.“
„Eine Gute?“ Ich bin misstrauisch und das hört man auch.
„Für mich ja.“ Dieses Zynische in seiner Stimme. Die falsche Freundlichkeit war
mir um einiges lieber gewesen. „Und für mich?“ Er lächelt mich an und läuft um
den Tisch herum, bis er neben mir steht, dann geht er in die Hocke, sodass
unsre Gesichter auf gleicher Höhe sind. „Für sie ist es die Rettung vor dem
Tod, und vor noch mehr…“ Ich verstehe es nur Halb. „Noch mehr?“ Der Mann steht
wieder auf und geht um meinen Stuhl, seine Hände legen sich auf meine Schultern.
Sein Griff ist kalt und überraschend stark. „Sie sagten vorhin, dass ich das
Böse in ihnen nicht auslöschen könnte.“ Ich nicke, versuche aufzustehen, doch
er drückt mich wieder auf den Stuhl herunter, welcher metallen Knackt. „Was
würden sie denken, wenn ich ihnen sagen würde, dass sie nicht böse sind?“ Ich
verstehe nicht. Ich bin schließlich ein Mörder. Das Bild in meinem Kopf, es
wiederholt sich. Der Schmerz…

„Du verdammter Scheißkerl“, schrie sie mich an, in ihrem
Blick voller Wut, doch nicht so groß wie meiner. Ich packte sie an ihrem dünnen
Hals und schleuderte sie mit voller Wucht gegen den hölzernen Schrank, welcher
im Flur stand. Es knackte, splitterte. Nicht nur das Holz, auch sie. Blut floss
aus ihrem Mund, als sie sich hustend auf dem Boden hin und her rollte. Ich
stellte mich über sie, und dann-dann…

„Ich-Ich verstehe nicht…“ Der Mann lacht. Das erste Mal,
dass er dieses dumme Grinsen unterbricht. Ich spüre die Erschütterung, jedes
Mal wenn er Luft holt auf meinen Schultern. Er lässt mich los, setzt sich
schnell wieder hin. „Sie müssen nicht verstehen mein Freund…“ Er öffnet diese
unpassende rote Aktentasche und reicht mir einen Zettel und einen Stift.
„Wählen sie…“ Meine Hand zittert, als ich den nahezu unbedruckten Zettel
ansehe. „Der Mensch ist böse, die Gesellschaft macht ihn gut“, das steht da,
darunter zwei Spalten mit jeweils einmal ja und einmal nein. „Wählen sie ihre
Antwort. Stimmen sie zu?“ Ich sehe ihn an, dann den Kugelschreiber, welchen er
zusammen mit dem Papier zu mir geschoben hat. „Was soll das?“ Er beginnt wieder
zu klopfen. „Ihre Antwort wird nichts ändern, also bitte antworten sie
ehrlich.“ Zitternd drücke ich auf die Seite des Stifts. Die Miene fährt mit dem
gut bekannten Klacken aus. Meine Hand zittert, als ich den Stift über das
Papier halte. Der Mensch ist böse, die Gesellschaft macht ihn gut? Ich denke
angestrengt nach. Welche Antwort erwartet er von mir? Ich fühle, wie mir
langsam heißer wird und einzelne Schweißperlen meine Stirn herunterlaufen. Was
will er nur von mir? Ich sehe ihn aus meinen Augenwinkeln an und hoffe, dass er
dies nicht bemerkt, natürlich vergeblich. „Warum fällt ihnen die Antwort so
schwer? Ist die Frage zu kompliziert?“ Dieses Lächeln, er kotzt mich an, ist
aber meine einzige Hoffnung. Ich sehe wieder auf das Blatt und schlucke dann.
Dieser Satz, er-er stimmt! Ich beschließe es nun einfach, er selber meinte es
würde keinen Unterschied machen. Ich mache das Kreuz, meine Hand zittert dabei.
Er lächelt und nimmt mir das Blatt und den Kugelschreiber, welchen ich einfach
auf das Blatt fallen ließ, ab. „Es freut mich, dass sie sich für eine
Zusammenarbeit entschieden haben. Wirklich!“ Ich nicke, atme aus. Es ist alles
in Ordnung die Antwort war wohl die Richtige. „Dann zeige ich ihnen nun etwas…“
Er steckt das Blatt und den Schreiber in die rote Tasche, kramt ein wenig in
ihr und zieht etwas heraus. „Nein, das- sie…“ Es wird schwarz.

Als ich erwache dröhnt ein starkes und hämmerndes Pochen
irgendwo tief in meinem Kopf. Das Licht ist schwach, ich erkenne nicht mehr,
als eine kleine Kommode, welche dem Bett gegenübersteht auf welchem ich liege.
Schon wieder eine Zelle? Wo bin ich? Bei dem Versuch aufzustehen zittern meine
Hände und graben sich die weiche Matratze. Mehr als ich je von einer Zelle
erwartet hätte. Als ich meinen Kopf hebe wird das Dröhnen mehr, Bilder von dem,
was er mir da entgegenhielt kamen wieder, doch schwanden ebenso schnell wie sie
kamen. Wie der Dampf einer Zigarette, von welchem man husten muss. Schließt man
seine Augen, hustet und öffnet sie dann wieder ist der Rausch schon verzogen
und man vergisst warum man gehustet hat. Ich als jahrelanger Raucher musste das
wissen. Ich schwinge meine Beine über den hölzernen Rand des Bettes und meine
nackten Füße berühren den Holzboden, es knackt und mir wird kalt. Ein Zittern
geht durch meine Beine, macht mich schwach, doch ich überwinde es und stehe
auf. Erst stehe ich wackelig, dann finde ich halt und sehe mich ein weiteres
Mal um. Erst da bemerke ich, dass das Licht durch einen schmalen Spalt im kaum
geöffneten Rollladen tritt. Ich gehe auf das dämmrige Licht zu, welches die
Staubpartikel sichtbar macht, welche im Raum stehen und wild um mich wirbeln,
als ich näher zum Fenster trete. Ich bemerke den Riemen neben dem Fenster und
ziehe an ihm. Wie erwartet öffnet sich der Rollladen und sofort blendet mich
helles Tageslicht. Als sich meine Augen nach und nach gewöhnen, verwirrt mich
der unerwartete Anblick immer mehr und mehr. Keine Gitter, ein ganz normales
Fenster, welches ich nun öffnen und herausspringen könnte. Doch noch mehr als
die fehlenden stählernen Streben, welche mich schon oft von der Freiheit
trennten verwirrt mich das was dahinterliegt. Ich sehe einen Wald in der Ferne,
ein paar Felder. Die Weizen hin und her gewogen vom Wind. Einen kleinen Bach,
so nah, dass ich das Plätschern hören könnte, würde ich das Fenster öffnen.

Wo
bin ich? Ich sehe nicht mehr vom Haus als die steinernen Wände, welche neben
den Fenstern zu sehen waren. Erst da bemerke ich, dass ich friere. Ich sehe an
mir herunter und erschrecke, aus Reflex halte ich meine Hände vor meine Lenden.
Ich bin ja komplett nackt! Ich sehe mich um und erst da bemerke ich, dass hier
ja gar niemand ist, der mich sehen könnte. Ich nehme meine Hände herunter und
gehe zum Regal, welches an der weißen Wand lehnt. Ich ziehe die Schublade auf
und hebe erstaunt meine Augenbraue. Dort liegt ein Hemd. Ich ziehe es heraus
und erblicke ebenso eine Anzughose, eine Boxershort, Socken und passende
Anzugschuhe. Ich kann mich nicht daran erinnern so feine Kleider jemals
getragen zu haben. Meine dicken und starken Finger reiben über den Samt des
Hemdes. Es ist so fein verarbeitet, dass ich jeden Stich der Nadel sehen kann.
Unglaublich. Ich lege die Kleider auf das Bett. In der Drehung sah ich erst die
beiden Türen. Ich gehe auf die eine zu und lese die Worte „Ausgang„, dann
wende ich mich zur anderen: „Badezimmer„ Ich öffne diese und tatsächlich ist
dort ein fein eingerichtetes Bad mit einem großen Spiegel, einem Waschbecken
und einer Dusche. Ich nehme mir ohne weiter nachzudenken eines der weißen
Handtücher und lege es auf den geschlossenen Deckel der Toilette. Eine warme
Dusche wäre nun genau das richtige. Während ich da unter dem dampfenden Wasser
stand versuchte ich nachzudenken, was mir einfach nicht so ganz gelingen
wollte. Ich hatte auch Angst mich zu erinnern was ich da gesehen hatte. In
diesem weißen Verhörsaal ohne Spiegel. Nichts als Angst. Ich trocknete mich ab
und legte meine Hand auf den vom Dampf beschlagenen Spiegel. Ich rieb ihn ab
und sah mir in meine eigenen Augen. Was war das nur? War das der Himmel? War
ich vor schock gestorben. Ich zwickte mich in den Arm. Aua! Nein, tot war ich
auf keinen Fall, aber was dann? Ich lege das Handtuch ab und gehe wieder in das
Zimmer meines Erwachens. Ich ziehe mir erst die Boxershort und die Socken an.
Sie sind weich und wohl ebenso aus der besten Baumwolle hergestellt. Dann die
Hose und das Hemd. Sie sind so leicht und weich. Unfassbar. Ich schnüre einen
der Schuhe auf und ziehe ihn an. Ich spiegle mich im polierten Echtleder des
Schuhs. Nachdem ich mich komplett angezogen habe stehe ich auf und gehe zu der
Tür mit der Aufschrift „Ausgang„.

Ich erwarte nicht, dass sie sich öffnen
lässt, aber ich versuche es dennoch. Überrascht sehe ich der Aufschwingenden
Tür nach. Das habe ich nicht kommen sehen. Ich bin nicht eingesperrt? Grade,
als ich in den komplett weißen und mit Neonröhren beleuchteten Gang trete höre
ich eine mir nur zu gut bekannt Stimme: „Guten Morgen. Ich hoffe sie haben
alles gefunden, was sie brauchen?“ Ich drehe mich ruckartig um und hinter mir
steht der Mann mit dem weißen Anzug im Gang, in seinem Gesicht wieder dieses
kalte und gespielte Lächeln. Ich stottere unfreiwillig: „Äh, ja alles, aber…“
Er unterbricht mich sofort: „Sie haben viele Fragen, das ist mir klar und ich
werde ihnen sie alle beantworten, aber nicht jetzt!“ Enttäuscht nicke ich. Mir
ist klar, dass er mir sowieso nichts sagen würde. Er dreht sich schwungvoll um.
Erst da bemerke ich, dass er anstatt des weißen Sakkos nun einen Laborkittel
über seinem Hemd trug. „Folgen sie mir bitte, ich will sie zum Essen einladen!“
Ich schleiche ihm fast lautlos und ohne etwas zu sagen hinterher. Die Gänge
sehen alle gleich aus, weiß in Weiß. Mit weißen Stühlen, auf welchen weiße
Kissen liegen. Ab und zu eine Tür, beschriftet mit dem Buchstaben E und einer
Zahl. Nach längerem stillen Laufen bleibt der Mann auf einmal stehen und dreht
sich zu mir. Er öffnet die Tür rechts neben sich und hält mir die Tür offen.
Ich trete ein und muss schlucken, als ich bemerke, dass ich in einer Art Mensa
stehe. Überall sitzen Männer in meinem Alter und alle starren mich an. Der Mann
geht nach mir in den Raum und schließt die Tür. Ich sehe ihn verwirrt an, doch
sage immer noch nichts. Aus irgendeinem Grund würde ich nun am Liebsten wieder
in meinem Zimmer verschwinden. Ich hasse es, wenn man mich so anstarrt, wie es
all diese Leute nun mal tun. „Meine Herren, ich stelle ihnen heute vor: Eden
113“ Ich sehe ihn verwirrt an, als ich bemerke, dass er auf mich zeigt. Eden
113? Alle Männer werfen mir plötzlich Begrüßungen aller Art entgegen. Ich winke
nur verunsichert. „Nun, bitte setzten sie sich neben Eden 112 und essen sie,
danach werde ich sie zu einem Gespräch in mein Büro bringen lassen.“ Bevor ich
etwas sagen kann dreht sich der Mann um und verschwindet durch die Tür. Ich
sehe mich um in dem weißen Raum. Alle tragen dasselbe wie ich.

„Ich bin Eden
112, komm her!“ Der Mann in der zweiten Reihe winkt mir. Ich gehe zu ihm und
setzte mich mit Worten der Begrüßung zu ihm. Er schüttelt mir seine Hand. Sein
Griff ist stark und ich bemerke die duzenden Tätowierungen auf seinen Fingern.
Ein Totenkopf thronte auf seinem Handrücken. Ich habe mal etwas davon gehört.
Das ist eine Knasttätowierung aus Mexiko. Der Schädel bedeutet Massenmord, oder
etwas in der Art. Auf jeden Fall ist es kein Zeichen der Ehre. Der Mann nickt
und beginnt zu essen. Ich greife mir auch den Löffel und beginne die Suppe zu
schlürfen. Nach und nach verfliegt die Stille und die Leute fangen an zu reden,
als wäre ich nicht hier. Unfreiwillig muss ich immer wieder auf das Tattoo
sehen. Eden 112, wie er sich selber nennt, bemerkte dies wohl und lächelte mich
an. „Das Tattoo, 113?“ Ich nicke. „Ja, aber eigentlich heiße ich…“ Der Mann
hält mir den Mund zu: „113 heißt du und nicht anders, kapiert?“ Sein Griff ist
unfassbar fest, fast wie der eines Türstehers, oder eines Boxers.
„Verstanden!“, blubbere ich in seine Hand. Er lässt mich los, atmet aus und
lächelt dann wieder. „Also, das Tattoo habe ich aus Mexiko. Saß da 20 Jahre
wegen mehrfachem Mord, lustige Geschichte.“ Ich bin verängstigt, versuche es
mir aber nicht anmerken zulassen. „Wen hast du umgebracht?“ 112 lacht. „Sowas
fragt man aber nicht, doch du bist neu hier. Ich will es dir sagen!“ Er kommt näher
an mich heran und flüstert mir ins Ohr. „Die Meisten waren Bullen, die ich
aufschlitzen musste, drei davon bei meiner Festnahme. Die Anderen waren Dealer,
die einfach nicht zuhören wollten.“ Er zieht seinen Ärmel ein wenig nach oben.
Ich bemerke die duzenden Narben über dem Tattoo. „Jeder Schnitt, ein Toter“ Was
zur Hölle war das für ein Kerl? Einer von der Mafia? Ich murmelte nur schnell
etwas und versuchte mich wieder auf mein Essen zu konzentrieren. „Du hältst
mich für einen bösen Menschen?“ Sofort wird es still im Raum. Alle sehen mich
an. „Ich äh… ich-i…“ Was soll ich antworten? Dieser Typ könnte mich in der Luft
zerreißen. „Es ist nicht böse. Es ist notwendig, Neuer!“, raunt 112 und lässt
dann von mir ab. Das Murmeln beginnt wieder. Den Rest des Essens konzentrierte
ich mich nur noch auf meinen Teller. Ich wollte nichts mehr mit irgendwem hier
reden. Nach dem Essen wurde ich, sobald ich versucht hatte mit den Anderen den
Raum zu verlassen von einem Mann im Kittel gepackt und durch die Gänge gezogen.
Wortlos öffnete er mir eine der Türen und ich trat ein.

„Wie war ihr erstes Essen? Nicht so erfolgreich musste ich
hören?“ Der Mann im Anzug sitzt mir gegenüber und lächelt sein falsches
Lächeln. „Was zur Hölle ist das hier?“ Er hebt eine Augenbraue. „Bitte, setzten
sie sich erst einmal, danach können wir reden.“ Ich setzte mich schnell. Er
nickt und beginnt zu reden: „Sie sollten das Wort Böse hier nicht verwenden,
denn dieses Wort gibt es hier nicht, verstanden?“ Ich schlucke. „Wie, das gibt
es hier nicht?“ Der Mann öffnet eine Schublade seines Schreibtisches und zieht
eine Zigarre heraus. Er zündet sie sich an und zieht genüsslich an ihr. „Dieser
Ort unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse. Ihr seid hier aus einem Grund,
nicht aufgrund dessen, was ihr tatet.“ Wieder diese Rätsel. „Was soll das
bedeuten? Was haben sie mit mir vor?“ Er atmet aus und sieht der Wolke von
Rauch nach, ich tue ihm gleich. „Sie sind hier um eine Sache zu verstehen und
sie werden so lange hierbleiben, bis sie es verstanden haben. Ich erhoffe mir
Großes von ihnen.“ Ich springe auf. „Warum von mir verdammt?“ Er sieht mich an,
sein kalter Blick brennt auf meinem Herzen, so als würde er seine Zigarre auf
meiner Brust ausdrücken. „Ich kenne sie. Ich kenne sie besser, als sie sich selbst
und ich weiß, dass sie verstehen werden.“ So ein Idiot, ich verstehe absolut
nichts! „Gehen sie in ihr Zimmer und ruhen sie sich aus, wir sehen uns bei
unserer ersten Sitzung.

Wie ich da in der Zelle saß und meine Gedanken wandern ließ,
überlegte ich stetig, ob ich den Mann von irgendwo her kannte. Ich dachte über
meine Zeit im Knast nach, über meine Zeit in der Schule und sogar an meine
Kindheit, soweit ich mich erinnern konnte. Doch nichts, dieser Mann im weißen
Anzug blieb mir fremd. Dort in dieser verrauchten Bar hatte ich ihn das erste
Mal gesehen und sofort hatte er alles verändert. Hatte er die Bar wohl zufällig
ausgewählt, mich zufällig ausgewählt? Nein, aber warum dann? Das Bett war
weich, zu weich, und ich rutschte immer hin und her, versuchend endlich einmal
grade sitzen zu bleiben, vergeblich. Als der Mann im Kittel wiederkam und mich
zu einer der duzenden Türen begleitete, ahnte ich nichts Gutes. Zu Recht.

„Willkommen!“ Ich nicke nur und setzte mich. Der Raum ist
ein Kontrast zu den anderen in diesem Haus. Alle Wände sind schwarz
angestrichen und die Einrichtung besteht aus nichts mehr, als zwei Stühlen und
einem Tisch, auf welchem ein Projektor steht. Der Mann im Anzug lehnt an der
gegenüberliegenden Wand und blendet mich schon fast mit seinem grellen weiß.
„Setzen sie sich. Wir sind heute hier um dir eines klar zu machen…“ Er redet
weiter während ich mich setzte. „Sie müssen sich lösen von dem was sie immer
dachten. Das ist unser Ziel.“ Ich verstehe nicht, doch er reagiert nicht auf
meine Nachfrage. Er setzt sich nur neben mich auf den Stuhl und startet den
Projektor. Sofort leuchtet ein Bild an der Wand. Ich erkenne nicht viel, es ist
alles grün und verschwommen. Eine Explosion ist zu sehen. Ein Gebäude? „Was ist
das?“ Frage ich. Der Mann antwortet leise. „Ein Krankenhaus.“ Je mehr ich
darüber nachdenke, umso mehr schockiert es mich. „Aber… aber es brennt!“ Der
Mann verbessert mich lächelnd: „Nein, es explodiert. Es explodiert aufgrund von
Bomben.“ Ich zittere. „Aber das!“ Der Mann drückt auf das Gerät und die nächste
Folie wird gezeigt. Ein Bild von einem zerstörten Gebäude, ich erkenne den
Schriftzug „Hospital„ in den Trümmern. „Ist das dasselbe Haus?“ Der Mann
nickt. „Was sagen sie, ist das Gut, oder Böse?“ Ich denke nicht lange nach: „Böse,
natürlich!“ Als hätte der Mann meine Antwort erwartet frägt er nach: „Warum?“
Mein Zittern wird stärker, ich will etwas trinken. Mein Hals, er ist so
trocken. „Die Leute!“, krächze ich mit meinem trockenen Mund. „Mag sein, doch
darin waren auch Terroristen. Ist es immer noch böse?“ Ich denke länger nach.
„Ja, immer noch!“ Der Mann pfeift. „Sie sind tatsächlich anders, als die
anderen.“ Ich sehe ihn verwirrt an, er lächelt. „Doch ich muss sie verbessern,
es ist nicht böse, sondern Notwendig.“
„Notwendig?“, frage ich. „Ja, es gibt kein Gut, oder Böse. Es gibt nur
Notwendig, oder nicht.“ Ich beginne zu verstehen was er meint, aber dennoch. „Das
Ziel heiligt die Mittel.“ Davon habe ich schon einmal gehört, irgendwann in der
Schule im Ethikunterricht. „Utilitarismus, schon einmal gehört?“, lächelt der
Mann. Ich kann mich fast nicht daran erinnern, ist ja auch alle schon so lange
her. „Machen wir weiter…“ Klick, und wieder so ein Bild. Diesmal zeigt es einen
Gehängten. Die Leiche hängt lasch an dem dicken Tau. Seine Augen sind verbunden
und ich erkenne seine schmerzverzerrte Mine, sie scheint mir wie ein
unterdrückter Schrei aus dem Tod heraus. Ein dünnes Rinnsal von Blut läuft
seinem Hals herunter, das Seil hatte ihn wohl aufgerieben. Ekelhaft, noch nie
hatte ich einen erstickten Menschen gesehen. Das war fast so grauenhaft
wie-wie-Warte, was hatte ich gedacht?

„Was sagen sie? Gut, oder Böse?“ Ich
verliere keine Zeit. „Böse“, antworte ich nach kürzerem Nachdenken. „Ja, so mag
es scheinen, doch der Mann ist ein Politiker aus der Slowakei, welcher durch
seine Geldgier viele hunderte Menschen in den Tod trieb. Ist es gut oder böse
solch einen Menschen zu ermorden?“ Ich weiß nicht was ich sagen soll. „Es
ist-Es ist…“ Meine Stimme zittert. „Notwendig, finden sie nicht?“ Ich weiß
nicht ob ich das gesagt hätte, ob es meine Worte sind, die er mir da in den
Mund legt. Es klickt wieder, als das Bild verschwindet und nur noch die
typischen weißen Streifen in unregelmäßigen Abständen über die Leinwand
huschten, so wie es bei derartigen alten Projektoren häufig war. Ich drehe mich
zu dem Mann, welcher nun ebenso platznimmt und seine Beine verschränkt, er
lächelt, schon wieder. „Sie müssen alles in eine Wage lagen, das Glück und das
Leid.“ Ich verstehe nicht genau was er meint, die Bilder geistern immer noch
durch meinen Kopf und vernebeln meine Sicht zusammen mit dem Grellen licht des
eingeschalteten Projektors. „Das Maximale Glück und das minimale Leid, so
bestimmt ein Wesen, welches über den Menschen steht Gut und Böse, es steht über
den moralischen Werten.“ Er Räuspert sich und die Tür geht auf, sofort tritt
wieder ein Mann im Laborkittel ein und sieht mich auffordernd an. Ich stehe
auf, doch als ich grade gehen will folgt der Mann im Anzug meiner Bewegung und
legt seine Hand auf meine Schulter: „Bitte denken sie nach und“, eine Pause,
zweifelnd fast schon: „Sterben sich nicht“, fügt er an und ich werde aus dem
Raum gezogen bevor ich ihm antworten kann. Sterben, warum das?

In der Nacht lag ich nackt und schlaflos auf der wichen Matratze. Ich fror
irgendwie, jedoch genoss ich die Kälte ebenso, weshalb ich mich nicht zudeckte.
Ich starrte einfach nur gegen die Decke, an welcher sich strichförmige Schatten
formten, gezeichnet vom Licht des Mondes und des leicht geöffneten Rollladens.
Ich setzte mich auf und rieb mir über meinen Arm, sah das Tattoo an, welches
ich mir dort hatte stechen lassen. Eine brennende Banknote, ein Zeichen für
einen Raubüberfall. Ich hatte es mir damals vor mehreren Jahren nur
halbfreiwillig im Gefängnis von meinem Zellengenossen stechen, jetzt im
Nachhinein gedacht war es wohl keine allzu gute Idee gewesen. Ich meine, wer
gibt einem Kerl mit so einem Tattoo bitte einen Job? Niemand, merkte ich schon
bald nachdem ich aus dem Knast freigekommen war. Damals, als ich das große
Stählerne Tor durchtrat, mit dem Karton, gefüllt mit meinen paar Habseligkeiten
und sie auf einmal überglücklich dastand und mir entgegenrannte und mich in die
Arme schloss. Ich ließ den Karton einfach fallen, er war nicht wichtig, denn sie
war mit Abstand das wertvollste was ich besaß, das allerletzte mit Wert in
meinem Leben… Ich hielt mir meine Hände ins Gesicht, bittere und heiße Tränen
rannen über meine abgenutzten Finger, als ich zitternd auf meiner Matratze saß
und weinte, das erste Mal seit all dieser Zeit weinte ich. Ich fühlte all den
Schmerz, all die Reue und all den Zorn in mir hochkochen, als ich dasaß und
wild und schnappend nach Luft rang. „Verdammt!“, schrie ich auf und schleuderte
das Kissen gegen eine der Wände. Es war kindisch, aber das war mir so egal:
„Scheiße, Fuck!“ Meine Kehle schmerzte schon bald, meine Stimme röchelnd, das
Atmen schmerzte in meinem Hals, doch ich konnte nicht aufhören zu weinen.
Hinter meinen geschlossenen Augenliedern tauchte auf einmal das Bild wieder
auf, ich wollte es nicht sehen, aber es erschien einfach.

Knacken, knacken unter meinen Fußsohlen, als ich auf sie
zuging. Sie lag nur noch zitternd und blutend, zerstochen von all den
Glassplittern auf dem Boden. Sie flehte mich an, doch ich kannte nur Zorn,
Hass. Etwas zerbrach, als ich meine Hand hob und dann…dann

Helles Licht blendet mich, als ich auffahre und dabei panisch
schreiend um mich schlage. Ich schließe meine Augen und hebe mir meine Hand
schützend vor mein Gesicht, bis ich die Umrisse meines „Zelle„ erkennen
konnte. Ich sehe mich um, ich bin allein, liege immer noch splitternackt in
meinem Bett und zittere vor Kälte. Der Rollladen hatte sich wohl von alleine
Geöffnet bemerkte ich, als ich schnell aufstehe, meine Kleider greife und ins Badezimmer
renne. Mein Anblick in dem großen Spiegel schockiert mich. Meine Augen sind
ekelhaft gerötet und schießen, ohne dass ich es will, nervös hin und her. Meine
Lippen und mein Kinn zittern, ich öffne schnell den Wasserhahn und trinke etwas
von dem angenehm kalten Wasser. Das Gefühl, wie die Kälte durch meinen Hals
fährt erleichtert mich und nimmt etwas von dem Schmerz in meiner Brust. Ich
versuche nicht mehr an meinen Traum zu denken, wobei ich weiß, dass er kein
Traum war was mich dort quälte, es war eine Erinnerung. Ich fühle mich wie ein
Psychopath der mit sich selbst ringt, wie ich da unter dem fließenden Wasser
der Dusche stehe und mit geschlossenen Augen die Wand nach der Seife abtaste.
Ich versuche nicht zu denken, mich nicht zu erinnern und nicht zu hoffen, doch
es will mir nicht gelingen. Mehrere Jahre habe ich all das verdrängt, doch wie
ein Schatten war es mir gefolgt und dieses Haus ist wie ein grelles Licht,
welches nun dafür sorgen wird, dass ich mich meinem Schatten stellen muss.
Schnell ziehe ich mich an und gehe zu der Tür mit dem Schriftzug „Ausgang. Als
ich den Raum verlasse stand dort, wie erwartet einer der Männer mit den
Kitteln, ich folgte ihm ohne nur zu fragen wo es hingehen würde. Es gab nur
zwei Möglichkeiten, der Essens Sahl, oder das Zimmer dieses Mannes, ich hatte
Glück und unser Gang endete im ersteren. Ich nahm mir etwas von dem
undefinierbaren Brei und setzte mich an den Platz an welchem ich schon letztes
Mal gesessen hatte. Ich wunderte mich. Der große Mann mit den Tattoos war nicht
da, zwischen mir und dem Mann, welchen ich als 111 kannte war ein Sitz einfach
frei. Es wunderte mich, doch ich dachte mir nichts weiter dabei, vielleicht
hatte er ja eine seiner Sitzungen. Das dachte ich damals noch…

Die Wochen an diesem Ort zogen sich immer weiter. Täglich
hatte ich diese Sitzungen und täglich wurden es immer weniger Männer, die ich
beim Essen sah. Ein paar Mal fragte ich den Mann im Anzug was mit ihnen
geschehen war, doch er antwortete, so wie er es immer tat, nur schemenhaft,
jedoch garantierte er mir, dass er sie nicht getötet hatte. Ich glaubte ihm,
warum auch immer, und wir fuhren nachdem ich diese Frage gestellt hatte, meist
ganz normal fort. Die Sitzungen warn fast immer gleich aufgebaut, er zeigte mir
Bilder mithilfe des Alten Projektors und ich sollte sagen, ob die Tat, welche
meist grausamer Natur war, richtig oder falsch sei. Es fiel mir immer leichter
die Dinge zu durschauen, die niederen Beweggründe der Menschen zu durchblicken
und auch gegen meine eigene Schuld anzukämpfen. Ich konnte mich immer noch
nicht an alles erinnern, ich hatte das Gefühl, als hätte ich etwas sehr
Wichtiges vergessen, doch immer, wenn ich nachdachte begann mein Kopf zu
schmerzen. Die Albträume, welche sich immer wieder wiederholten schwanden nach
und nach und ich vertrieb all das aus meinen Gedanken, dieses Mal jedoch
verdrängte ich es nicht. Ich dachte nicht daran, doch ich wollte es nicht
einmal vergessen, wollte nicht vergessen was ich war und wer ich war. Die Frage
ob ich nun gut oder böse sei kam in mir ein paar Mal wieder auf, jedoch sagte
der Mann mir stets, dass ich all dies Ablegen sollte. Wir seien hier nicht in
der Gesellschaft, die ich kannte meinte er, ich solle loslassen. Doch
gleichzeitig konfrontierte er mich mit all dem Grauen, schockieren konnte er
mich damit jedoch nicht mehr, bis er seine Methode auf einmal änderte.

Als ich an diesem Tag durch das Licht aufwachte, duschte und
mich anzog um zum Essen zu gehen war ich all das bereits gewöhnt, fast so, als
wäre ich schon immer hier gewesen. Der große Sahl, in dem einst, vor Wochen
oder vor Monaten, ich weiß es nicht, so viele Menschen saßen, war fast leer.
Alle waren weg, von einem Tag auf den anderen, doch mittlerweile war ich den
Anblick der verschwindenden Menschen gewöhnt. Sie schwanden so, wie meine
eigene Menschlichkeit in meinem Herzen. Mulmig wurde mir erst nach dem Essen,
als die Männer mich nicht in den üblichen Raum führten, sondern anders abbogen
und mich damit in einen kleinen Fahrstuhl trieben. Mir schoss Blut in meinen
Kopf und meine Hände fingen an zu zittern, als einer der Männer das erste Mal
sprach seitdem ich hier war. Seine Stimme war überraschend sanft, als er mir,
kurz bevor sich die Tür zwischen uns schloss zuflüsterte: „Viel Glück!“

Die Tür des Fahrstuhls öffnet sich nach der unsanften Bremsung ganz langsam und
offenbart mir einen dunklen Raum ohne jegliche Fenster. Er ist nur schwach
beleuchtet durch das bläuliche Licht, welches aus der sich langsam schließenden
Fahrstuhltür dringt und bald schon verschwindet. Ich höre wie die Kabine wieder
nach oben fährt und mich in der Dunkelheit alleine lässt. Ich fühle keine
Angst, jedoch grummelte mein Magen und mir war unwohl. Ich hatte keine Angst
vor der Dunkelheit, jedoch mochte ich es nicht nichts sehen zu können. Ich
versuche mich zu erinnern was das schwache Licht mir offenbart hatte. Wenige
Meter von mir entfernt stand ein Stuhl, auf welchem jemand gesessen war, ich
hatte das Schimmern seiner Augen gesehen. Ich wusste, dass es nicht der Mann im
Anzug ist, diese Augen, welche da in der Dunkelheit wohl ähnlich verzweifelt
wie ich sich umsehen waren viel lebendiger, als seine. Ich höre ein Klacken,
wie von einem Lautsprecher, bevor ich die gut bekannte Stimme von überall höre:
„Das hier ist eigentlich der letzte Test für die Menschen, welche
hierherkommen, doch bei dir habe ich es aus persönlichem Wunsch vorgezogen.
113, pass gut auf und entscheide so, wie es ein Nicht-Mensch tun würde, vergiss
es nicht.“ Mir fiel sofort auf, dass er mich das erste Mal mit meiner Zahl
ansprach, meinen Namen, jetzt wohl Ex-Namen, hatte er nie verwendet. Das Licht
geht an, rot-gelblich beleuchtet es den nahezu leeren Raum. Ich hatte recht,
der Mann der da vor mir sitzt ist nicht der Mann im Anzug, doch er war mir
ebenso bekannt. Ich erinnerte mich an ihn aus vielen der Bildern, welche ich
mir ansehen musste und urteilen musste. Er war ein Politiker aus einem Land,
weit weg von hier. Sein Mund war zugebunden und seine Augen sahen mich panisch
an, er zitterte, riss an seinen Ledernen fesseln, welche ihn an dem Stuhl
hielten, welcher mich an einen Thron erinnerte. Über ihm, groß an der Wand
geschrieben stand ein einziges Wort, welches mir jedoch sofort klarmachte was
ich hier zu tun hatte. „Urteile“, stand dort in bläulicher Schrift, so, dass
der gefesselte Mann es nicht sehen konnte. Ich atmete aus und sah mich weiter
um. Etwas abgelegen in einer Ecke das Raumes stand ein Tisch, bedeckt von einem
weißen Tuch, welches mir wie ein Bettlaken schien. Ich zog das Tuch zur Seite
und erstarrte. Nicht vor Angst, eher vor Zweifel. Was sollte das alles? Dort
lagen einige Klingen, ein Skalpell, eine Pistole und ein Dicker Ordner,
beschriftet mit „Unterlagen“.

Der Mann sah die Waffen wohl, denn er zog mit
unterdrücktem Geschrei noch mehr an den Riemen, natürlich ohne jegliche
Wirkung. Ich lies mich, mit dem Ordner in der Hand auf den kalten metallenen
Boden sinken und schlug ihn auf. Die meisten Blätter waren unterlagen von
verschiedensten Regierungen, ich las sie langsam durch, das war wichtig um ein
Urteil zu fällen. Der Mann starrte mich dabei die ganze Zeit an, sein Geschrei
verstummte jedoch langsam, ich ging davon aus, dass er zu heiser wurde um zu
schreien. Meine Hände zitterten immer stärker je länger ich las und in mir
stiegen verschiedene Gefühle auf. Immer wenn ich den Mann ansah starrte er
nervös zurück, fast so, als wäre ich wirklich sein Richter. Mit einem lauten
Knall schloss ich das Buch, dabei viel ein kleiner Zettel heraus. Ich hob ihn
auf und las die wenigen in Hand geschriebenen Zeilen, ich wusste sofort von wem
sie waren: „Du hast mich gefragt wo die ganzen Menschen hin sind… Sie haben den
leichten Weg gewählt, der einzige, der sich nicht wehrt bist du selber“ Ich
verstand, all die Leute und auch 112 waren hier gewesen und obwohl die meisten
von ihnen kaltblütige Killer waren schafften sie es nicht zu urteilen und
beendeten ihr eigenes Leben. Ich muss zugeben, dass ich zu beginn, als ich
diese Bilder sah, ähnlich dachte, doch nun war das anders. Die Welt besteht
eben aus Leid, die Welt besteht aus Schmerz und Rache und das einzige was
sicher ist, ist der Tod. Sie wollten ihn wohl nicht töten, weil sie ihr
gewissen nicht belasten wollten, sie weigerten sich, sie flohen, weil sie in
dem Mann zum Teil wohl sich selber sahen. Das tue ich auch, und
deshalb-deshalb. Ich stand auf und sah die Waffen auf dem Tisch an, nach kurzem
Überlegen nahm ich das längere Messer und ging auf den Mann zu. Er strampelte
und zeterte, doch ohne Erfolg. Eine Sache entschied nun über sein Urteil. Ich
zog ihm das Tuch aus dem Mund und schleuderte es weg, er wollte schreiben, doch
ich hielt ihm sofort die Klinge so in den Mund, dass es seine Backe ein wenig
aufschnitt und er verstummte. Ich wusste, dass er mich verstand. „Sagen sie mir
eines, warum haben sie getan was sie taten?“ Der Mann sah mich verwirrt an und
antworte schnell mit einem gebrochenen Deutsch, nuschelnd wegen der Verletzung
in seiner Backe: „Um mein Land zu beschützen!“ Ich sah ihn mit einem kalten
Blick an, er musste sich so in meiner Gegenwart fühlen wie ich mich in der des
Mannes im Anzug. „Ihre eigene Bevölkerung ist eine Gefahr für ihr Land? Sagen
sie, sind sie ein Böser Mensch?“ Er zitterte: „Nei-„, noch bevor er antworten
konnte stieß ich ihm die Klinge in den Bauch, das warme Blut lief über den
Stuhl und tropfte auf meine Schuhe, lief meine Hände entlang. Er röchelte und
schrie, ich antwortete darauf, indem ich die Klinge in ihm drehte und nach oben
zog, bis ich den wiederstand seines Brustkorbes spürte, das Schreien verklang.
„Es war notwendig…“, murmelte ich leise, als ich mich von ihm abwendete und
Richtung Fahrstuhl ging, die Tür öffnete sich tatsächlich und ich verließ den
Raum.
Ich wurde sofort und ohne Umwege zurück in mein Zimmer gebracht, wo sie mir die
Kleider abnahmen und mir neue identische gaben. Ich ging zuerst Duschen, das
Wasser fühlte sich herrlich an, doch es erinnerte mich an das Blut. Ich fühlte
keine Reue und auch kein Mitleid, ich fühlte mich Gerecht…

„Der letzte Test“, der Mann im Anzug lächelte sein übliches
krummes Lächeln, als er mich diesmal persönlich zum Fahrstuhl begleitete.
Antworten gab er mir kaum, egal wie oft ich ihn fragte. „Wie ist mein Ergebnis
von gestern?“, fragte ich ihn häufig. „Wie erwartet…“, seine leise und
unbefriedigende Antwort. „Warum muss ich noch einen Test machen?“ „Weil dich
das hält“, wieder leise und unbefriedigend. Mir war klar, bei jeder seiner
Antworten mehr, dass er wohl so wenig sagte um mich nicht zu manipulieren. Ich
verstand das. Als wir endlich an der metallenen Tür des Fahrstuhls ankamen
blieb er einige Meter von der Tür entfernt stehen, als diese sich öffnete. „Ich
werde dich während diesem Test nicht beobachten, ihr seid alleine. Mir reicht
es zu sehen wie du wieder herauskommst.“ Ich nicke und die Tür schließt sich
hinter mir. Als sie sich öffnet stehe ich wohl wieder im selben Raum, dieses
Mal ist er jedoch erleuchtet. Wieder dieser Schriftzug „Urteile“ groß thronend
an der Wand mir gegenüber. Der Stuhl ist dieses Mal von mir weggekehrt und ich
kann nicht erkennen wer dort sitzt, ich sehe nur zitternde Hände und einen
braunhaarigen Kopf, welcher wild hin und her schlägt, versuchend mehr von dem
Raum zu sehen. Ich gehe zuerst zu dem bedeckten Tisch und ziehe das Tuch davon
herunter, verwirrt sah ich, dass dort dieses Mal keinerlei Waffen lagen, nur
ein sehr dünner Ordner, wieder mit dem Schriftzug „Unterlagen“. Ich schlug ihn
auf und war überrascht, als ich dort nur einen kleinen, wieder
handgeschriebenen Zettel sah: „Nicht benötigt.“ Ich erschauderte, wer saß da
nur? Ich ließ die Unterlagen sinken und ging langsam auf den Stuhl zu. Je näher
ich kam, umso besser konnte ich erkennen, dass dort vor dem Stuhl noch ein
kleiner Tisch stand, ebenso bedeckt mit einem weißen Tuch. Ich legte meine Hand
auf die Lehne des Stuhls, welchem ein simpler Hocker gegenüberstand, wohl
gedacht für mich. Was sollte ich mit diesem Mann besprechen? Als ich seine
Schulter berührte ging ein Schock durch seinen Körper und er sah sich panisch
um. Erst da bemerkte ich, dass eine simple Maske aus Stoff seine Augen, seinen
Mund und auch seine Ohren bedeckte. Er konnte wohl wirklich nichts wahrnehmen.
Ich sah ihn mir an, er war dünn und hatte kaum Muskeln, er sah weder aus wie
ein typischer Fetter Geschäftsmann, noch wie ein Diktator, oder etwas
Ähnliches. Was sollte ich von diesem Mann wollen? Ich löste langsam den Knoten
und sofort wo sich der Stoff von seinem Gesicht löste begann er zu sprechen:
„Bitte, ich habe nichts getan! Nichts!“, Ich stolperte zurück und viel auf den
Boden, richtete mich jedoch sofort wieder auf. Dieser Satz, diese Stimme! Ich
erinnerte mich!

„Wie konntest du mir nur fremdgehen du ekelhafte Hure!“, ich
stieß sie gegen den Schrank voller Wut und Zorn, mit dem Messer in der Hand,
mit welchem ich sie-sie- Ich traute mich nicht diese Gedanken fertig zu denken,
doch ich zwang mich. Das Messer mit dem ich sie…erstach. Alles wegen diesem
Kerl!

„Ich habe nichts
getan, bitte lassen sie mich gehen!“ Ich musste bitter lächeln, eine Träne lief
meine Wange herunter, jedoch nicht aus Trauer, oh nein.
Langsam, fast schon stolzierend ging ich um den Stuhl herum und präsentierte
ihm mein Gesicht: „Und, wie hast du dich so geschlagen?“, meine Stimme
schüchterte mich fast schon selbst ein, so voller Hass. „Oh nein, du bist
das!“, er zog noch fester an seinen Fesseln, schrie und zeterte noch heftiger,
doch ich genoss es nur. „Wie hast du dich so geschlagen, nachdem du meine Frau
ermordet hast?“ Er sah mich nur traurig und verängstigt an und flüsterte: „Ich?
Aber du hast sie doch-“, sein Kiefer knackte herrlich unter meiner Faust. „Du
bist schuld, DU allein!“, fuhr ich ihn an, bevor ich herumwirbelte und die
Decke von dem Tischchen zog. Ich erwartete eine Klinge, ich hätte sie sofort
gegriffen und ihm in den Bauch gerammt, doch da lag keine Klinge. Ich erkannte
es sofort, dort lagen die Einzelteile einer Pistole, ganz vorne ein Magazin mit
einer Kugel. Nach der ersten Überraschung kehrte mein Lächeln zurück. „Na sieh
mal einer an, wollen wir basteln?“, murmelte ich mehr zu mir, als zu dieser
Ratte, bevor ich um den Tisch ging und mich auf den Hocker setzte. Ich wusste
wie man eine Waffe zusammensetzt, wie man es von einem ehemaligen Biker
erwarten würde. Ich könnte sie schnell zusammensetzen, innerhalb von Sekunden,
jedoch genoss ich sein Bitten viel zu sehr. „Bitte hör auf, nein tu das
nicht!“, es spornte mich nur noch mehr an langsam, ganz langsam die Waffe
zusammenzusetzen. „Keine Sorge, ich werde dir nicht in den Kopf schießen,
sondern in den Magen… Weißt du wie sich das anfühlt? Du hast das Gefühl, dass
deine Seele dich nach und nach verlässt während du unter elendigen Qualen
verblutest…“ In seinen Augen sammelten sich Tränen: „Oh Gott, nein bitte!“ Ich
nickte nur: „Ja, hier bin ich dein Gott…“ Er drückte seine Arme panisch gegen
die Riemen, diese quietschten jedoch nur leise und gaben keinen Millimeter nach.
Der Mann im Anzug arbeitete gründlich, das gefiel mir. Endlich, nur noch das
Magazin und dann… Das Klacken hallte wie der Schlag eines Richterhammers durch
die unterirdische Kammer, das Urteil war gesprochen, gesprochen von mir!

Ich
stand langsam auf und schleuderte den Tisch dabei durch den Raum, das Holz
zerschellte an der Wand. Ich ging nahe an ihn heran, sehr nah und drückte ihm
die Waffe mit voller Kraft in den Bauch, ich spürte jedes panische und
schneller werdende heben seines Brustkorbs, fühlte die würgenden Bewegungen
seines Bauches, als ich immer fester drückte. Er schrie, dabei hatte ich noch
nicht einmal geschossen, was ein Weichling. „Wie du dich an meine Frau
ranmachen konntest is mir echt ein Rätsel du verdammter Feigling!“ schrie ich
ihn an, während ich immer fester drückte und ihn damit würgen ließ. Er
versuchte zu sprechen, doch er röchelte die Worte nur leise: „Es-Es ging nicht
von mir aus… S-sie hat mich abgefüllt!“, plötzlich zitterte ich ebenso und er
spürte wohl, dass ich lockerer wurde. Er fuhr schnell fort: „Es tut mir so
unendlich leid! Du hast sie geliebt und ich verstehe warum sie war eine
wunderbare Frau!“ die Kraft verließ meinen Arm und ich legte die Waffe von
seinem Bauch ab. „Ja, das war sie…“ Er hatte recht sie war…Sie war… Tränen, sie
schossen mir wieder in meine Augen, dieses Mal war es jedoch Trauer, bittere,
ekelhafte und schuldige Trauer. „Du-Du hast recht- Ich“ Meine Stimme wurde
leiser. „Ich weiß nicht was mit ihr los war, sie war so aufgelöst, als sie zu
mir kam… Ich war machtlos!“ Ich konnte mich selbst nicht begreifen, doch ich
verstand ihn. Es war meine Schuld! Ich ließ die Waffe auf den Boden fallen, der
Knall, Metall auf Metall war laut und unbeschreiblich durchdringend. Ich fühlte
mich, als hätte mich ein Blitz getroffen. „Ich habe sie-habe sie geschlagen!
Ich Monster!“, schrie ich mir aus der Seele, als ich auf den Boden zusammensank
und mit meinen geballten Fäusten immer wieder auf den Boden hämmerte. „Es tut
mir so leid…“, flüsterte der Mann, seine Stimme brach ebenso und auch er begann
leise zu weinen: „Es tut mir so unendlich leid! Ich hätte sehen müssen, was ich
getan habe! Ich war so blind!“ Ich versuchte mich zu fangen, atmete tief ein
und stand langsam auf. „Du bist kein Täter, du bist ein Opfer, nicht wahr?“,
erschien nicht zu verstehen, doch ich sah es ganz klar. Die Kraft zu urteilen
ist nicht nur die Kraft zu bestrafen nein, vielmehr ist es die Kraft zu
verschonen. Ich schluckte und spürte wie ein ziehender Schmerz durch meine
Brust jagte und etwas in mir zersprang, etwas, das wie Fesseln aus schwerem
Stahl auf meiner Brust lastete. Ich sah die Dinge nun klar, mein Mund verzog
sich zu einem kalten Lächeln, gespielt, gefühllos. „Dein Tod wäre nicht
nützlich…“, sagte ich mit meiner klaren und sicheren Stimme. Langsam ging ich
zu dem Fahrstuhl und er öffnete seine Pforten. „Du wirst freikommen, keine
Sorge.“, redete ich dem Mann ein letztes Mal zu, bevor sich die Türen
schlossen.

„Jedes Land und jedes Gericht benötigt jemanden, der
neutrale Urteile Fällt, einen freien Geist, der sowohl Licht und auch
Dunkelheit erlebt hat und nun unterscheiden kann. Diese Person ist Eden!“, die
Leute applaudierten, als ich die Bühne betrat, einen weißen Anzug tragend, mit
meinem stetigen Lächeln und meinen kalten Augen.

So endete es, Gut und Böse, so einfach ist unsere Welt,
unsere Gesellschaft und alles was wir damit verbinden wohl doch nicht, sonst
gäbe es keine Menschen wie mich, die im Geheimen Urteile fällen, frei von der
Menschlichen Wirklichkeit.

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